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Günter Bartosch (1928 - 2013†) schrieb viel (sehr sehr viel) über und aus seine(r) Zeit beim ZDF in Eschborn und Mainz .....

Der ZDF Mitarbeiter Günter Bartosch war 30 Jahre beim ZDF - also von Anfang an dabei -, ebenso wie sein deutlich jüngerer Kollege Knapitsch. Angefangen hatte sie beide bereits vor 1963 in Eschborn, H. Knapitsch in der Technik, Günter Bartosch im Programmbereich Unterhaltung.

Und Günter Bartosch hatte neben seiner Arbeit und seinen Büchern so einiges aufgeschrieben, was er damals alles so erlebt hatte. In 2013 habe ich die ganzen Fernseh- und Arbeits-Unterlagen erhalten / geerbt und dazu die Erlaubnis, die (die Allgemeinheit interessierenden) Teile zu veröffentlichen.
Die Einstiegsseite zu den vielen Seiten beginnt hier.

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SO KAM OLYMPIA INS FERNSEHEN

MUSEUM FÜR DEUTSCHE FERNSEHGESCHICHTE - Rundfunk- und Fernseh-Museum e.V. - Anschrift: Hindemith-Straße 1-5, 6500 Mainz-31, Telefon: 06131/7789

von Günter Bartosch im Sept 1988

Der in Mainz ansässige Verein "Museum für deutsche Fernsehgeschichte" hat für ein geplantes Mainzer Fernseh-Museum "bereits zahlreiche Exponate im Besitz. Darüber hinaus ist der Verein bemüht, besondere Ereignisse aus der nun schon über 100jährigen Geschichte des Fernsehens zu dokumentieren. Dazu gehört dieser Bericht.
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Beginnen wir mit den Olympischen Spielen in Seoul

Für die Fernsehzuschauer in aller Welt werden die Olympischen Spiele in Seoul wieder 16 Tage des Dabeiseins und Miterlebens bringen. Mit gewaltigem organisatorischen, technischen und personellen Aufwand ist das Fernsehen gerüstet, die Olympischen Spiele zu übertragen.

Fernmeldesatelliten übermitteln sekundenschnell die Ereignisse. Allüberall können Fernsehzuschauer "live" teilnehmen am olympischen Geschehen im fernöstlichen Seoul. Ein Wunder der modernen Zeit.

1988 - Es ist gerade mal 52 Jahre her ......

Wem aber ist bewußt, daß gerade erst 52 Jahre und 11 Olympische Sommerspiele vergangen sind, seit das alles begann ? Wer kann sich heute vorstellen, mit welch geringen Mitteln, aber mit welch sensationellen Neuerungen das Fernsehen anfing, Olympische Spiele zu senden ?

Ja, die Olympischen Spiele 1936 in Berlin waren auf der Welt der Beginn der Live-Übertragungen von Fernsehsendungen überhaupt !

1936 - Das Fernsehen, eine Randerscheinung

Die erste elektronisch vorgenommene Livesendung des Fernsehens erfolgte "bei der olympischen Eröffnungsfeier am 1. August 1936.

Dann übertrug das Fernsehen die Ereignisse täglich von mehreren Schauplätzen bis zum Ende der Spiele am 16. August.

Heimlich, still und leise war das Fernsehen aufgetaucht, und die Presse hatte es fast gar nicht zur Kenntnis genommen. Die absolute Sensation des direkten Dabeiseins am Bildschirm - wenn wir das Ereignis aus heutiger Sicht beurteilen - war nicht einmal ein Geheimtip, sondern eher eine nebensächliche Randerscheinung.

Aber es war eine, die bei ihrem ersten Auftreten fast schon genauso gut funktionierte wie heute nach Jahrzehnten stürmischer Entwicklung !

Das Auto mit dem "Zwischenfilmverfahren"

Drei völlig neue, voneinander gänzlich verschiedene Kameras waren zum ersten Mal im Einsatz sowie zusätzlich und als Ergänzung das "Zwischenfilmverfahren".

Das war ein besonders ausgeklügeltes System in einem eigens dafür geschaffenen Reportagewagen. Auf dem Fahrzeugdach war eine bewegliche Filmkamera montiert; der aufgenommene Filmstreifen lief im Wagen durch eine Schnellkopiermaschine, wurde sofort getrocknet und unmittelbar danach über ein Filmabtastgerät gesendet. Der ganze Vorgang dauerte ca. 90 Sekunden - es war also fast eine Live-Sendung.

3 neue elektronische Kameras

Die größte der drei neuen elektronischen Kameras, die von Telefunken entwickelt worden war, besaß Wechselobjektive mit 25cm, 90cm und 160 cm Brennweiten, um die verschiedenen Entfernungen des Geschehens im Olympia-Stadion ins Bild bringen zu können.

Die Gesamtlänge des Apparats bei eingesetztem Teleobjektiv betrug 2,20m. Das von Leitz hergestellte größte Foto-Objektiv aller Zeiten hatte einen Linsendurchmesser von 40cm und ein Gewicht von 45kg.

Ihrer Ausmaße wegen ging die Kamera als "Olympia-Kanone" in die Fernsehgeschichte ein. Sie war erst einen Tag vor Olympia-Beginn im Stadion eingetroffen, so daß kaum Zeit blieb, sie auszuprobieren.

Walter Bruch, der Konstrukteur
(später Erfinder des deutschen PAL-Earbfernsehens), bediente sie deshalb gleich selbst als Kameramann.

  • Anmerkung : Das war eine Erfindung des Telefunken-Marketings im PAL Rummel. Es ist nirgendwo belegt und wirde dennoch immer weiter getratscht und wurde damals nie verifiziert. Also : Walter Bruch hat weder diese Kamera erfunden oder entwickelt noch PAL noch das Farbfernsehen. Und ob er dort wirklich Kameramann oder einer der Kameramänner war, ist eine Telefunken Legende. Er schreibt selber, daß er im Geräte Keller tief unter der Kamera die damalige Röhren-Elektronik bedient hatte.


(Ein Nachbau dieser legendären Kamera von 1936 befindet sich im Besitz des Vereins "Museum für deutsche Fernsehgeschichte", Mainz, und ist bestückt mit dem Original-Objektiv der Firma Leitz.)

Es waren drei unterschiedliche Kameras

Da alle Kameras unterschiedlich konstruiert waren, besaß jede ihre eigene Verstärkeranlage . Ein Mischpult gab es nicht. Ein Wechsel des Sendebildes von einer Kamera zur anderen oder zum Zwischenfilmwagen mußte von Hand gesteckt werden.

Es gab zwar einen Einsatzplan, doch die Kameraleute hatten keine Kontrolle darüber, ob ihre Kamera gerade "auf Sendung" war oder nicht.

Sie mußten also ständig mit ihrem Bild präsent sein. Der Sprecher, der, neben der Kamera vor einem Mikrofon stehend, das Geschehen kommentierte, konnte selber das Fernsehbild nicht sehen.

So schilderte er zuweilen Vorgänge im Stadion, die von der Kamera gar nicht erfaßt wurden. Dann war es meist ein Pußtritt des Kameramanns, der ihn merken ließ, daß etwas nicht stimmte.

Auf keinen Fall die "Führer-Loge" behindern

Werner March, der Erbauer des Olympia-Stadions, verlangte, daß die große Kamera den Blick von oder aus der "Führer-Loge" nicht behindern dürfe.

Deshalb konnte sie den inneren Umgang des Stadions nur um wenige Zentimeter überragen. Um wenigstens etwas aus der Froschperspektive herauszukommen, erhöhten die Techniker, wie Walter Bruch berichtet, sofort nach der Eröffnung durch vorbereitete Zwischenringe die Stativsäule unerlaubt um 20cm.

Eine erstaunlich umfangreiche Olympia-Berichterstattung

Mit den drei elektronischen Kameras und dem Zwischenfilm-Reportagewagen wickelten die Fernsehpioniere von damals erstmalig eine Olympia-Berichterstattung ab, die nicht weniger umfangreich und attraktiv war als die heutige.

Der Fernsehprogrammbetrieb, der normalerweise nur die zwei Abendstunden von 20 bis 22 Uhr "umfaßte, wurde erheblich ausgedehnt.

Während der 16 Olympischen Tage arbeitete der "Fernsehsender Paul Nipkow" (so der offizielle Name des Sendebetriebs) zusätzlich von 10 bis 12 Uhr und von 15 bis 19 Uhr in den Zeiten des Hauptgeschehens. In 138 Stunden wurden insgesamt 175 Kämpfe sowie die Eröffnungs- und Schlußfeiern gesendet,

Das gab es damals schon : Fernsehbreitbandkabel

Rund 15km Fernsehbreitbandkabel waren zum und im Reichssportfeld verlegt worden, übertragen wurde aus dem Olympia-Stadion, dem Schwimmstadion, der Dietrich-Eckart-Bühne (heute Waldbühne) und vom Maifeld. Über einen Verstärkerraum wurden die Bilder per Kabel zum Sender Witzleben am Funkturm geleitet und von dort über Ultrakurzwelle ausgestrahlt.

Die öffentlichen "Fernsehstuben" in Berlin

Den Fernsehempfang erlebten die Berliner in öffentlichen "Fernsehstuben". Dort standen die noch sehr großen Fernsehempfänger mit der 40 x 30 cm kleinen Bildröhre. Vor den Geräten konnten, ähnlich wie in einem Kino, etwa 30 Personen Platz nehmen.

Die Zahl der "Fernsehstuben" war für die Olympischen Spiele auf 25 in Berlin erhöht worden. Hinzu kamen eine in Potsdam vorhandene "Fernsehstube" und zwei neue in Leipzig, wohin bereits ein Breitbandkabel für den Fernseh-Telefondienst verlegt worden war.

Doch auch im Olympiadorf Berlin-Köpenick war ein Fernsehgerät für die dort untergebrachten Ruderer aufgestellt.

Und es gab zwei Großbildstellen in Berlin

Darüber hinaus konnten wesentlich mehr Zuschauer das olympische Geschehen in zwei Großbildstellen Berlins verfolgen, und zwar in der Fernsehstelle des Reichspostministeriums, in der etwa 100 Personen Einlaß fanden und ein Projektionsbild von 100 x 120 cm sahen, sowie im Postamt NW 21, in dem vor 300 Sitzplätzen ein noch größeres Bild gezeigt wurde.

Schließlich konnten die Besucher der großen "Deutschland-Schau" in den Messehallen am Funkturm am Telefunken-Stand ebenfalls auf einer Fläche von 100 x 120 cm am Fernsehgeschehen teilnehmen.

1936 gab es nur 180 Zeilen Fernsehen

Die Übertragung erfolgte seinerzeit noch mit 180 Bildzeilen (gegenüber 625 Zeilen heute), ergab also kein sehr prägnantes Bild. Zudem waren die Kameras sehr lichtabhängig, nur bei Sonnenschein brachten sie kontrastreiche Bilder.

Auch die Wiedergabegeräte und besonders die Bilder auf den Projektionsflächen entsprachen nicht idealen Bedingungen und schon gar nicht heutiger Qualität. Doch all das tat dem Miterleben keinen Abbruch; das Neue faszinierte die Zuschauer.

1936 - ganz wenige Informationen in der Tagespresse

Wenn heute das Fernsehen zur wichtigsten Begleiterscheinung der Olympischen Spiele, wenn die Zahlungen für die weltweite Vergabe der Übertragungsrechte zum finanziellen Fundament der immer aufwendiger werdenden Organisation geworden sind, dann ist es im Nachhinein umso merkwürdiger, feststellen zu müssen, daß 1936, zu Anbeginn dieses Geschehens, vom Fernsehen buchstäblich kaum Notiz genommen wurde.  Die aktuelle Berichterstattung konzentrierte sich voll auf den Rundfunk.

Weder in der Tagespresse noch in den Funkzeitungen war während der Olympiatage das Fernsehprogramm veröffentlicht. Auch eine Vorschau gab es nicht. Selbst eine Liste der "Fernsehstuben" mit dem Hinweis auf die Möglichkeit, dort die sportlichen Ereignisse unmittelbar miterleben zu können, war in der Presse nicht zu finden.

"Das 'elektrische Auge' auf dem Reichssportfeld"

Das Fachblatt "Der Deutsche Rundfunk" berichtete erst am 9. August 1936 über "Das 'elektrische Auge' auf dem Reichssportfeld".

Fotos der "Olympia-Kanone" erschienen erst in späteren Veröffentlichungen. Lediglich ein Reporter der "Frankfurter Zeitung" berichtete schon am 2. August ausführlich seinem Blatt von dem "Wunder", das er in einer Berliner Fernsehstube miterlebt habe.

Und ein Berichterstatter der offiziellen "Olympia-Zeitung", die ansonsten das Fernsehen ebenfalls ignorierte, erzählt in der Ausgabe vom 6. August 1936 vom Geschehen im Stadion und bemerkt dabei: "Halt, - jetzt haben Sie etwas ganz Besonderes im Feldstecher ! Einen riesigen Apparat - eine richtige Kanone. Wenn Sie es noch nicht wissen: das ist der Fernsehapparat der Deutschen Reichspost. Lassen Sie sich Zeit, - vielleicht in einem Jahr schon haben Sie es gar nicht mehr nötig, sich auf einen Sportplatz zu setzen. Dann drehen Sie zu Hause Ihren Kasten an und bekommen alles haargenau auf Ihren Fernsehschirm serviert."

Die Geburtsstunde der Fernsehberichterstattung

Wahrscheinlich wußten nur die Pioniere des Fernsehens, die das Wunder möglich gemacht hatten, daß die Geburtsstunde der weltumspannenden Fernsehberichterstattung geschlagen hatte.

In der Absage der ersten Live-Übertragung am 1. August 1936 sagte Sprecher Graebke: "Achtung ! Achtung ! Der Fernsehsender Paul Nipkow, Berlin, brachte versuchsweise zum ersten Mal in Deutschland und als gewaltigstes Ereignis in der Welt die direkte Fernsehübertra gung der XI. Olympischen Sommerspiele ...!l

Nach dem offiziellen Abschlußbericht des Organisationskomitees für die XI. Olympiade haben insgesamt in den öffentlichen Einrichtungen 162.228 Menschen die Spiele "fernsehend" miterlebt.

  • Anmerkung : Statistiken fälsche ich am liebsten selbst. Wer hatte die Menschen wirklich gezählt ?

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Olympia - 12 Jahre später - 1948 in London

Durch den Krieg bedingt erst 12 Jahre später, fanden zum zweiten Mal Fernsehübertragungen von Olympischen Spielen statt - 1948 in London.

Diesmal kam das Fernsehen auch in die privaten Wohnstuben. Man schätzt, daß es im Empfangsbereich des BBC-Fernsehsenders damals 80.000 Geräte gab und daß etwa eine halbe Million Zuschauer die Sportereignisse vor dem Bildschirm verfolgten. 1984 bei den Olympischen Spielen in Los Angeles sollen es weltweit 2,5 Milliarden gewesen sein !

Von den Olympischen Spielen 1988 in Seoul wird das alles beherrschende Fernsehen, welches Rundfunk und Presse längst in den Hintergrund gedrängt hat, mit weit über 100 Farbkameras die sportlichen Ereignisse live rund um die Erde senden.

Für 16 Tage sind die Zuschauer in aller Welt wieder einmal eine einzige Fernsehgemeinschaft. Aber wer weiß schon, wie das alles anfing ?!

Es sind erst 52 Jahre und 11 Olympische Sommerspiele vergangen.
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von Günter Bartosch im Sept 1988
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