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Das Vorwort zur Gründung des ZDF aus dem Jahrbuch 1962/64

Der nachfolgende Text ist aus dem ZDF Jahrbuch 1962/1964 übernommen, welches im Jahr 1965 aufgelegt wurde. Das Gleiche gilt auch für die Version des "Ur"-Staatsvertrages zur Errichtung der Anstalt "ZDF".

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Die ersten Jahre (aus dem ZDF Jahrbuch 1962-64)

Eine unwegsame, bei jedem Regenfall tief verschlammte Straße zu einer Baracke bei Eschborn in der Nähe von Frankfurt und eine Dachstube in Mainz-das war der Anfang. Es war die Ausgangssituation des Zweiten Deutschen Fernsehens, als es mit der am 12. März 1962 durch den Fernsehrat erfolgten Wahl des Intendanten seine Tätigkeit aufnahm. Die Baracke war das erste technische Sendezentrum, die Dachstube die Keimzelle der Organisation. Zusammen bildeten sie die erste Etappe zur Realisierung des inhaltsschweren Satzes, der den am 6. Juni 1961 geschlossenen Staatsvertrag einleitet: Die Länder errichten zur Verbreitung des Zweiten Fernsehprogramms eine gemeinnützige Anstalt des öffentlichen Rechts mit dem Namen »Zweites Deutsches Fernsehen«.

Gewiß, auch das mächtige Gegenüber, die Landesrundfunkanstalten mit ihrer fast vierzigjährigen Hörfunk- und über zehnjährigen Fernsehtradition, mit ihrer heute im In- und Ausland gleicherweise anerkannten Programmqualität, hatte nicht viel anders begonnen, der Hörfunk im Vox-Haus in Berlin und nach dem Zweiten Weltkrieg abermals unter zeitbedingten Provisorien, das Fernsehen einst in den Berliner »Fernsehstuben« der Deutschen Reichspost und 1950 wieder im ehemaligen Luftschutzbunker auf dem Heiligengeistfeld in Hamburg. Aber diese in der ARD zusammengeschlossenen Anstalten hatten einen gewaltigen Vorsprung an jahrzehntelangen Erfahrungen und organisch gewachsenen materiellen Voraussetzungen, denen gegenüber das ZDF mehr abenteuerlich als verheißungsvoll erscheinen mußte. Um so mehr, als die Öffentlichkeit nur wenig Bereitschaft zeigte, eine so eklatante Ungleichheit der Voraussetzungen bei der Beurteilung der ersten Programme des Zweiten Deutschen Fernsehens in Rechnung zu stellen.
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Es soll am 1. April 1963 losgehen .......

Trotzdem konnte man bereits wenige Tage nach der Eröffnung des regelmäßigen Programmdienstes am 1. April 1963 in der Presse lesen: »Aller Anfang ist schwer - aber das Mainzer Fernsehen hat nicht enttäuscht.« Und im April 1964 - nach einem Jahr Programmdienst - gab es kaum jemand, der nicht bereit war, angesichts des abenteuerlichen Anfangs aus dem Nichts und des kurzfristigen Programmbeginns zuzugeben, daß es »keineswegs selbstverständlich war, was heute als selbstverständlich hingenommen wird: ein zuverlässiges, reichhaltiges Programm, das auch in seiner Qualität neben dem ARD-Programm bestehen kann«.

Nun wäre es gewiß gefährlich gewesen - und niemand dachte auch ernstlich daran - aus dieser überaus positiven Resonanz den Schluß zu ziehen, es stünde bereits alles zum besten. Allenfalls hätte daran deutlich werden können, daß die eigentlichen Schwierigkeiten, die die junge Anstalt zu bewältigen hatte, nicht überwiegend im Programmsektor lagen. Es hatte sich vielmehr, wie die Leistungen und ihr Widerhall zeigten, erwiesen, daß es - entgegen allen pessimistischen Prognosen - noch genügend unausgeschöpfte Talente gab, die, stimuliert durch den Elan der neuen Chance, auch neue und überzeugende Programmeinfälle zu realisieren wußten. Damit war aber noch nichts ausgesagt über die wirtschaftlichen und organisatorischen Voraussetzungen, die solche Leistungen erst ermöglichten. Und hier lagen denn auch die besonderen Probleme, die fortan die Anstalt in ständig neue Bewährungsproben führen sollten. Zum Teil waren sie auch nur ein Ausdruck dafür, daß der die Anstalt gründende Staatsvertrag später keineswegs für alle erforderlichen Konsequenzen ausreichte. Das aber ist nur aus der Vorgeschichte dieser Gründung zu verstehen.
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Die Vorgeschichte aus Sicht des ZDF Autorenteams

Man muß sich nämlich daran erinnern, daß es sehr verschiedene Initiativen gab, die schließlich zur Gründung dieser Anstalt führten. Sie waren vor allem wirtschaftlicher und politischer Natur, wenn auch das Verlangen des Publikums nach einem zweiten, möglichst kontrastierenden Auswahlprogramm ihnen zum entscheidenden Durchbruch verholfen hat. Zum Verständnis des politischen Hintergrundes muß man bis in das Jahr 1953 zurückgehen, als die Bundesregierung, infolge der lange bestehenden Unzufriedenheit mit der Tatsache, daß die Angelegenheiten des Rundfunks und nun auch des Fernsehens allein in den Händen der Länder liegen, den Entwurf für ein Bundes-Rundfunk-gesetz vorlegte. Neben einem Rahmengesetz waren darin auch Regelungen für die überregionalen Rundfunkanstalten auf Lang- und Kurzwelle (Deutschlandfunk und Deutsche Welle) und für eine zentrale Ordnung des deutschen Fernsehens vorgesehen. Der Entwurf hatte keinen Erfolg. Dennoch war damit das alte, bereits in der Weimarer Zeit mit Leidenschaft geführte Gespräch zwischen Reich und Ländern, nunmehr zwischen Bund und Ländern, wieder aufgenommen. In den Folgejahren wurde es sogar noch intensiver fortgeführt, indem nun auch Wünsche der Wirtschaft einerseits und Interessen der Landesrundfunkanstalten, die ihre erworbenen Rechte bedroht sahen, andererseits in dieses Gespräch einflössen.

Die Wünsche der Wirtschaft fanden vor allem Nahrung durch die alles Erwarten übersteigenden Erfolge des im Jahre 1954 in England eröffneten zweiten Fernsehsystems auf kommerzieller Grundlage (ITA). Zwar versuchten die Landesrundfunkanstalten diese Wünsche nach neuen Werbemöglichkeiten durch die Einführung eines von ihrem Fernseh-Gemeinschafts-Programm getrennten und zeitlich begrenzten Werbeprogramms zu befriedigen. Aber die Wirtschaft war damit keineswegs zufrieden und meinte - vielleicht sogar als Folge der ausgezeichneten Erfahrungen mit diesem Werbeprogramm -durch ein eigenes, ähnlich dem englischen strukturiertes, kommerzielles Fernsehprogramm noch sehr viel stärkere Wirkungen erzielen zu können. Ebensowenig waren die Politiker und das Fernsehpublikum durch die Einführung eines zweiten Fernsehprogramms der ARD bzw. der Landesrundfunkanstalten zufrieden zu stellen. Den einen lag mehr an der Durchbrechung des »Monopols«, den anderen an einem von der ARD wirklich unabhängigen, möglichst kontrastierenden Auswahlprogramm.
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Die "Deutschland-Fernsehen GmbH"

So kam es schließlich in einer Vereinigung aller dieser Wünsche zu der vom damaligen Bundeskanzler Dr. Adenauer unternommenen Gründung der »Deutschland-Fernsehen GmbH«, die möglichst keine eigenen Programme produzieren, sondern diese von privaten, aus der Wirtschaftswerbung finanzierten Gesellschaften herstellen lassen sollte.

Das führte zu dem Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofes im Februar 1961, in dem den Ländern die alleinige Zuständigkeit auch für das Fernsehen bestätigt wurde. Zugleich aber war es gerade dieses Urteil, das die Länder zu einem »bundesfreundlichen« Zusammenwirken auf diesem Gebiet verpflichtete. Es war daher eigentlich eine von den Ländern ursprünglich wohl nicht beabsichtigte, aber aus dem Karlsruher Urteil doch resultierende Folge, daß es nun neben den Landesrundfunkanstalten und den Rundfunkanstalten des Bundes (Deutschlandfunk und Deutsche Welle) zu einer von allen Ländern gemeinsam getragenen zentralen Anstalt des öffentlichen Rechts »Zweites Deutsches Fernsehen« kam.

Die Bedeutung dieses Vorgangs auch für die Geschichte des deutschen Föderalismus der Nachkriegszeit kann man gar nicht hoch genug einschätzen. Im Hinblick auf das für Deutschland schon traditionelle Gespräch zwischen ehemals Reich und jetzt Bund und Ländern wurde hier durch einen Gemeinschaftsakt der Länder eine Anstalt gegründet, die fast genau in der Mitte zwischen diesen staatlichen Ordnungsfaktoren liegt. Sie beruht auf einem Staatsvertrag der Länder und ist doch ein gemeinschaftliches und überregional wirkendes Unternehmen. Sie wirkt zentral und kann und darf doch ihre föderalistische Herkunft nicht verleugnen. Schließlich repräsentiert sie als gemeinnützige Anstalt des öffentlichen Rechts ebenso staatliche wie gesellschaftliche Kräfte und verweist auch die Ansprüche der werbeinteressierten Wirtschaft in angemessene Schranken.
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Der geschichtliche Rückblick

Erst durch einen geschichtlichen Rückblick wird also deutlich, daß die neue Anstalt keine abgezirkelte Erfindung am grünen Tisch war, sondern - bewußt oder unbewußt - weit verwurzelt ist in der Entwicklung des Rundfunks und Fernsehens in Deutschland überhaupt. Es wird damit auch verständlich, daß zunächst von den verschiedensten Seiten mancherlei Fragezeichen hinter diese Neugründung gesetzt wurden und daß es für alle direkt oder indirekt Beteiligten und Betroffenen geraumer Zeit bedurfte und wohl auch noch bedarf, sich an den Umgang mit diesem Novum zu gewöhnen.

Wie stark diese Fragezeichen und der Mangel an Gewöhnung waren, sollte sich schon sehr bald zeigen, als es um die Finanzprobleme der neuen Anstalt ging und die Länder erkennen mußten, in welchen Zirkel der Verpflichtungen sie durch diese Neugründung geraten waren.

Dadurch, daß es die gleichen Gesetzgeber waren, die die an den gleichen Einkünften partizipierenden Konkurrenten, das Zweite Deutsche Fernsehen und die Landesrundfunkanstalten, ins Leben gerufen hatten, konnte es nicht ausbleiben, daß des einen Notwendigkeit immer wieder des anderen Nachteil wurde und die Länder erst allmählich daran gingen, die »Vaterpflichten« für beide Fernsehsysteme zu übernehmen.

Und es ging wieder mal ums Geld

Welche Auswirkungen diese Wachstumsschwierigkeiten hatten, zeigte sich schon, als dem Zweiten Deutschen Fernsehen zugemutet wurde, sich in seinem Vorprogramm - vor Beginn des eigentlichen Abendprogramms - mit »Fensterprogrammen« einiger Landesrundfunkanstalten abzufinden, bis genügend Frequenzen und Sender zur Verfügung standen, um ihnen die Ausstrahlung eines Dritten Programms zu ermöglichen.

Von den Hauptinteressenten verzichtete zwar Bayern schließlich darauf, weil man sich über die Sendezeit nicht einigen konnte. Aber dem Westdeutschen Rundfunk wurde es doch gestattet, bei diesem Vorsatz zu bleiben und so nicht nur die Programmstruktur des ZDF, sondern auch die mit dem Vorprogramm verbundenen und für die neue Anstalt lebenswichtigen Werbeeinnahmen empfindlich zu stören.

Vom 1. April bis zum 30. September 1963 wurde das WDR-»Fensterprogramm« in das Vorprogramm des ZDF eingeblendet mit der Folge, daß das ZDF seinen Werbekunden für dieses wichtigste Werbegebiet mit mehr als einem Drittel aller potentiellen ZDF-Zuschauer einen Sonderrabatt von 20% auf die Grundpreise einräumen mußte.

Dieser Verlust traf die Anstalt um so empfindlicher, als ohnehin zunächst nur 43 % aller Fernsehteilnehmer das Programm des ZDF empfangen konnten und dies auch seine Auswirkungen auf die werbeinteressierte Wirtschaft hatte.

Viel stärker wirkten sich aber die zuwiderlaufenden Interessen in der Weigerung des Bayerischen Rundfunks aus, die nach dem Staatsvertrag dem ZDF zustehenden 30% der Fernsehgebühren abzuführen.

Hatte der Bayerische Rundfunk auch zunächst noch diesen Gebührenanteil unter Vorbehalt geleistet, so stellte er die Zahlungen ein, als das Bayerische Verwaltungsgericht im November 1963 seiner Anfechtungsklage stattgab. Nach dem Staatsvertrag war der eigentliche Zahlungspartner für das ZDF allerdings der Freistaat Bayern. Dennoch blieben praktisch mit der Weigerung des Bayerischen Rundfunks die Zahlungen blockiert. Sie blieben es auch dann, als im Juni 1964 auf Grund einer Berufung des Freistaates Bayern und des ZDF, das zu diesem Rechtsstreit beigeladen worden war, das Urteil der ersten Instanz aufgehoben und der Bayerische Rundfunk zur Zahlung des umstrittenen Gebührenanteils verurteilt wurde.

Denn nun ging der Bayerische Rundfunk seinerseits in die Revision zum Bundesverwaltungsgericht. Die endgültige Entscheidung blieb weiterhin offen. Welche Prognosen man auch immer für den Ausgang des Prozesses stellen mochte, darüber bestand und besteht doch weithin Übereinkunft, daß das eigentliche Interesse an dieser gerichtlichen Auseinandersetzung nicht so sehr der Freigabe des bayerischen Gebührenanteils, so schmerzlich dessen Blockierung auch für das ZDF sein mag, sondern mehr der prinzipiellen Entscheidung zukommt.

Das geht besonders deutlich aus der Tatsache hervor, daß der Bayerische Rundfunk seine Klage mit der Ankündigung einer eventuellen Anfechtungsklage gegen den gesamten Staatsvertrag beim Bundesverfassungsgericht verband. Es gibt genügend fundierte Argumente, die gegen die Chancen eines solchen Unternehmens sprechen. Zu einer Dramatisierung gab es daher auch niemals begründeten Anlaß. Dennoch muß man auch diesen Vorgang als ein Symptom für die Wachstumsschwierigkeiten der neuen Institution und den vielleicht langwierigen Prozeß der Gewöhnung an sie verzeichnen.
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Die Rundfunkkommission der Länder

Das gilt nicht weniger auch für andere Vorschläge und Tendenzen, die an der Existenz und der Struktur des ZDF grundsätzlich zu rütteln versuchten. Ausgelöst wurden diese Versuche durch die Notwendigkeit und die damit verbundenen Ansprüche an Länder und Landesrundfunkanstalten, der neuen Einrichtung dadurch über die ersten Schwierigkeiten hinwegzuhelfen, daß man ihr zusätzlich zu den laufenden Einnahmen aus Gebühren und Werbung eine Finanzierung der Erstausstattung zusicherte.

Der Intendant des ZDF hatte bereits im Juni 1963 den Länderchefs ein Memorandum vorgelegt, in dem die voraussichtliche Finanzlücke bis zum Jahr 1967 berechnet worden war. Das hatte zur Folge, daß die Ministerpräsidenten im November 1963 den Beschluß faßten, darauf hinzuwirken, daß die Länder einen Kredit für die Anstalt Zweites Deutsches Fernsehen bis zur Höhe von 130 Millionen DM verbürgen.

Den Regierungschefs erschien es ferner »angebracht, daß der Zinsendienst vorläufig von der ARD übernommen wird« mit der Maßgabe, daß er auf eine etwa erforderliche Erhöhung des Gebührenanteils des ZDF angerechnet werden solle, soweit nicht später eine andere Regelung beschlossen würde.

Im übrigen wurde die Rundfunkkommission der Länder beauftragt, eine Überprüfung der Gesamtsituation der Finanzen des ZDF vorzunehmen. Später, im März 1964, wurde dieser Beschluß dann dahin erweitert, daß einer neutralen Prüfungsgesellschaft eine Gesamtüberprüfung der finanziellen Lage der Fernsehanstalten in der Bundesrepublik, und zwar im Vergleich des ZDF einerseits und je einer großen, mittleren und kleinen Anstalt der ARD andererseits, übertragen wurde.

Was aber wesentlicher ist als die Einzelheiten dieser zum Teil auch in der Öffentlichkeit nicht ohne Polemik ausgetragenen Diskussionen um die Finanzsituation des ZDF ist die Tatsache, daß sie fast immer auch mit Vorschlägen verbunden wurden, die die Existenz und die Struktur des ZDF überhaupt in Frage stellten.
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Ein Machtwort von Ministerpräsident Dr. h.c. Peter Altmeier

Das ging so weit, daß sich schließlich der Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz, Dr. h.c. Peter Altmeier, im Januar 1964 zu der Erklärung veranlaßt sah, »daß sich alle irren, die da meinen, die finanzielle Situation dazu benutzen zu können, um die Axt an das Zweite Deutsche Fernsehen zu legen.

"Ich bin gewiß - und die Ministerpräsidenten haben es durch ihre Beschlüsse bewiesen -, daß die Länder solchen Bestrebungen entschieden entgegentreten«. Diese Erklärung hatte deswegen weitreichende Bedeutung, weil sie nicht nur vor aller Öffentlichkeit ein deutliches Bekenntnis der »Väter« zu ihrem spätgeborenen zweiten Kind in der Fernsehfamilie darstellte, sondern auch weil sie geeignet war, die heftigen Diskussionen vom Emotionalen in die Atmosphäre nüchterner und sachlicher Argumentation zu leiten.

Handelte es sich bei der Überwindung aller dieser Schwierigkeiten, wie gesagt, um innere Wachstumsschwierigkeiten und Gewöhnung an neugeschaffene Situationen, so waren die ersten Jahre des ZDF nicht weniger überschattet von anderen Auseinandersetzungen, denen gegenüber sich das ZDF allerdings einer breiteren Front, nämlich in Gemeinschaft mit der ARD, gewiß sein durfte.
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Das Fernsshen als Konkurrenz zu den Zeitungen

Es waren die immer dringlicher gestellten Forderungen des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger. Dieser vertrat in der Öffentlichkeit allerdings zunächst nur die Forderung nach staatlichen Maßnahmen zur Wiederherstellung »gerechter Wettbewerbsverhältnisse« auf dem Gebiete der Werbung und zielte dabei insbesondere auf die von den Rundfunk- und Fernsehanstalten als »Anstalten öffentlichen Rechts« betriebenen Werbesendungen.

Im November 1964 aber trat er dann auch mit einem Vorschlag »zur Übernahme der Programmherstellung des Zweiten Deutschen Fernsehens durch eine Gesellschaft der Deutschen Zeitungsverleger« an die Öffentlichkeit. Der Ruf nach Wettbewerbsgleichheit der Massenmedien fand seinen Widerhall schließlich darin, daß die Bundesregierung auf Ersuchen des Bundestages eine Sachverständigenkommission mit der Untersuchung über die Wettbewerbsgleichheit von Presse, Funk/Fernsehen und Film beauftragte.

Das Ergebnis soll möglichst bis Ende des Jahres 1966 vorliegen und wird erst dann Aufschluß darüber geben, ob und welche Konsequenzen daraus für Rundfunk und Fernsehen usw. erwachsen.

Unmittelbarer betraf das ZDF der Vorschlag der Zeitungsverleger zur Übernahme seiner Programmherstellung. Das ZDF erklärte im Dezember 1964 durch Fernsehrat, Verwaltungsrat und Intendant dazu, daß sie an der Ordnung festhalten, wie sie nach dem Staatsvertrag vom 6. Juni 1961 besteht.

»Sie sehen darin die Gewähr für die Erfüllung der dem ZDF gesetzten Aufgabe, allen gesellschaftlichen Kräften zu dienen. Die Verwirklichung der Vorstellungen des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger würde den gesetzlich festgelegten Auftrag der Anstalt und die Verantwortlichkeit ihrer Organe aushöhlen«.

Nicht weniger entschieden klang die Ablehnung dieses Vorschlages seitens der ARD, des Deutschen Gewerkschaftsbundes, von kirchlicher Seite und anderen. Für das ZDF bedeutete diese Gemeinschaftsfront insofern viel, als es davon in einer Zeit mancherlei anderer Wachstumsschwierigkeiten betroffen und in die Lage versetzt wurde, gemeinsam mit anderen dieser Aktion standzuhalten. So wurde auch diese Station der Entwicklung zu einer Etappe auf dem Wege zur Konsolidierung des ZDF.
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Die Sendezeit der Tagesschau um 20 Uhr blieb

Aber selbstverständlich - alles dies betrifft nur die allerdings unerläßlichen Voraussetzungen für die eigentliche Aufgabe der Anstalt: die Ausstrahlung eines Programms.

Und dazu gehört auch die Erfüllung der Bestimmung des Staatsvertrages, »mit den für das Erste Fernsehprogramm Verantwortlichen darauf hinzuwirken, daß die Fernsehteilnehmer der Bundesrepublik zwischen zwei inhaltlich verschiedenen Programmen wählen können«.

Diese Koordinierungsaufgabe hat, wie hätte es anders sein können, in der ersten Zeit mancherlei Schwierigkeiten bereitet. Auch hier brauchte es Zeit, sich nach so langen Jahren der Alleinexistenz an das Vorhandensein eines gleichberechtigten Partners zu gewöhnen. Es ging um die Konkurrenz der Nachrichtensparten, gleichzeitig oder mit versetzten Sendezeiten.

Schon nach geraumer Zeit nahm niemand mehr Anstoß daran, daß die ARD mit ihrer »Tagesschau« bei der gewohnten Sendezeit um 20 Uhr blieb und das ZDF sich mit seiner Nachrichten- und Informationssendung für 19.30 Uhr entschieden hatte.
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Durchbruch -die Olympischen Spielen in Innsbruck und Tokio

Aber es ging auch um die Vertretung in der UER, der »Europäischen Rundfunk-Union«. Die ARD war zunächst der Auffassung, daß es nicht gut wäre, wenn zwei unterschiedliche Vertreter der Bundesrepublik Mitglieder der UER seien. Eine vom ZDF daraufhin angeregte Kompromißlösung, ARD und ZDF zu diesem Zweck in einer übergeordneten Interessengemeinschaft »IRD« zusammenzufassen, fand keine Zustimmung. Das ZDF blieb bei seinem Anspruch einer Eigenvertretung in der UER. Im Mai 1963 stimmte der Verwaltungsrat der UER dem Aufnahmeantrag des ZDF zu.

Damit war auch das ZDF in der Lage, Eurovisionssendungen zu übernehmen und anzubieten. Im September 1963 konnte der Intendant des ZDF bekanntgeben, daß ARD und ZDF die Berichterstattung von den Olympischen Spielen in Innsbruck und Tokio »gemeinschaftlich wahrnehmen« und daß beiden Fernsehdiensten zusammen für 50 Stunden Sendematerial zur Verfügung stehen würde, nicht nur für 25 Stunden, wie es der Fall gewesen wäre, wenn allein die ARD Mitglied der Europäischen Rundfunk-Union wäre.

Wichtiger für die eigentliche Programmkoordination war aber wohl die Unterzeichnung einer »Vorläufigen Vereinbarung« zwischen ARD und ZDF im März 1963. Damit wurde ein Koordinierungsausschuß der Vertragspartner eingesetzt; es wurde festgelegt, daß sich die Einzelsendungen aus Programmeinheiten von jeweils 15 Minuten aufbauen, daß man sich um gemeinsamen Beginn der Sendungen bemühen will und die Gestaltung der Feiertagsprogramme miteinander abstimmen wird.

Ferner sollte jeder Vertragspartner einen Eurovisionsbeauftragten und einen Sportbeauftragten bestimmen, die untereinander - insbesondere bei Eurovisionsangeboten -Kontakt halten sollen. Die Unterzeichnung eines weiteren und ausführlicheren Koordinationsabkommens durch den ZDF-Intendanten fand erst im April 1964 statt. In dieser Vereinbarung, die bis zum 31. Dezember 1964 gültig war, wurde ein genaues Programmschema festgelegt, das als verbindliche Richtschnur für die Programmgestaltung beider Vertragspartner gelten sollte.
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Die Mitwirkung des Fernsehrates bei den Programmen

Jedoch auch alle diese Vorgänge sind, trotz ihrer Bedeutung im einzelnen, schließlich nur weitere Symptome für das allmähliche und gewiß nicht immer ohne Schwierigkeiten verlaufende Hineinwachsen des ZDF in die Gesamtordnung des Fernsehens in der Bundesrepublik.

Dennoch sind sie zugleich auch ein wichtiger Beitrag zum Programm. Und zur Beurteilung dieses, wenigstens des Programms der ersten beiden Jahre eines regelmäßigen Programmdienstes muß zunächst darauf hingewiesen werden, daß es sich als außerordentlich konstruktiv erwiesen hat, was zunächst als eine nicht unbedenkliche Neuerung verzeichnet wurde: die durch den Staatsvertrag geordnete Mitwirkung des Fernsehrates nicht nur an der Aufstellung der Richtlinien für das Programm, sondern auch an der kontinuierlichen Erarbeitung allgemeiner Maßstäbe dafür.

Er hat u. a. die Aufgabe, »den Intendanten bei der Programmgestaltung zu beraten«. Das hat sich insonderheit in den am 11. Juli 1963 verabschiedeten Richtlinien für das Programm des ZDF ausgewirkt. Sie setzen dem Programm zum Maßstab: Demokratie, Familie, sittliche Wertordnung, Objektivität und Toleranz.

Wichtiger aber und für die lebendige Programmarbeit entscheidender sind jedoch die Programmausschüsse des Fernsehrates, die in ständigem Kontakt mit dem Intendanten und seinen Mitarbeitern stehen. Ungeachtet der letzten Verantwortung, die der Intendant für das Programm hat, ist es dieser Beteiligung der im Fernsehrat das öffentliche Leben repräsentierenden Gruppen an der Programmarbeit mit zu danken, daß eklatante »Pannen« bisher vermieden wurden.
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Das ZDF muß ein »komplettes« Programm bieten

Ohne im übrigen auf Einzelleistungen zu verweisen - das sei den Einzeldarstellungen dieses Jahrbuches überlassen -, muß in diesem Zusammenhang aber doch auf einen Einwand geantwortet werden, der im Hinblick auf die Bestimmung des Staatsvertrages, »darauf hinzuwirken, daß die Fernsehteilnehmer der Bundesrepublik zwischen zwei inhaltlich verschiedenen Programmen wählen können«, immer wieder erhoben wurde. Dazu ist grundsätzlich zu sagen, daß Mainz ein »komplettes« Programm bieten muß, also nicht nur ein mehr oder weniger apartes Ergänzungsprogramm zu den Sendungen der ARD.

Alle Sparten müssen ausgewogen auch im ZDF-Programm vertreten sein, genau wie bei der ARD. Daher ist es (obendrein beim vorläufigen Fehlen eines Nachmittagsprogramms) kaum möglich, daß sich das Zweite Programm in der Thematik und in den Inhalten vom Ersten Fernsehen auffallend unterscheidet. Das soll gewiß kein Freibrief für Phantasielosigkeit sein. Es gibt noch manche unausgeschöpfte Möglichkeiten, Akzente anders zu setzen und zu einem eigenen Stil vorzudringen. Aber dazu gehört Zeit und Geduld.

Das Fazit am Ende des Jahres 1964

Welches ist also das Fazit am Ende des Jahres 1964, zwei Jahre und neun Monate nach der Wahl des Intendanten und der gleichzeitigen Aufnahme der Tätigkeit des ZDF, 21 Monate nach Beginn des Programmdienstes?

Es wäre vermessen, anzunehmen, auch nur eine der dem ZDF gestellten Aufgaben sei bereits »gelöst«. Zuviel steht noch offen. Zunächst ist die finanzielle Grundlage keineswegs ausreichend. Und es bleibt die Frage bestehen, ob auf die Dauer eine angemessenere Gebührenaufteilung zwischen ARD und ZDF zu umgehen ist. Dabei wäre es nicht zu verantworten, nur immer vom gegenwärtigen Programmvolumen des ZDF auszugehen.

Der Staatsvertrag erlaubt es nicht, auf wichtige Programmsparten, insbesondere den Bildungssektor und die Nachmittagsprogramme für Kinder und Jugendliche, nur aus Kostengründen zu verzichten. Bei aller Anerkennung dessen, was im bisherigen Programm in Dokumentationen und anderen Sparten zur Orientierung und Bildung im Sinne einer Hilfe zur Daseinserhellung und Daseinsbewältigung geleistet wurde, kann der Mangel an Kontinuität auf diesem Sektor doch nicht geleugnet werden.

Neben anderen Programmnöten bleiben aber auch administrative und strukturelle Fragen, nicht zuletzt die Zusammenführung unwirtschaftlich zerstreuter Büros und technischer Einrichtungen als bisher ungelöste Aufgaben der Zukunft überlassen.

Dennoch läßt sich als Fazit der bisherigen Entwicklung am Ende des Jahres 1964 wohl kurz und prägnant feststellen: Das Zweite Deutsche Fernsehen ist da! Es hat sich in diesen ersten Jahren, allen Widerständen zum Trotz, behauptet, es hat sich konsolidiert, es ist als unübersehbarer Faktor in die Ordnung des deutschen Fernsehens hineingewachsen und niemand wird es als Institution ernstlich noch in Frage stellen. Das aber ist nicht wenig - das ist viel!
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