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Günter Bartosch (1928 - 2013†) schrieb viel (sehr sehr viel) über und aus seine(r) Zeit beim ZDF in Eschborn und Mainz .....

Der ZDF Mitarbeiter Günter Bartosch war 30 Jahre beim ZDF - also von Anfang an dabei -, ebenso wie sein deutlich jüngerer Kollege Knapitsch. Angefangen hatte sie beide bereits vor 1963 in Eschborn, H. Knapitsch in der Technik, Günter Bartosch im Programmbereich Unterhaltung.

Und Günter Bartosch hatte neben seiner Arbeit und seinen Büchern so einiges aufgeschrieben, was er damals alles so erlebt hatte. In 2013 habe ich die ganzen Fernseh- und Arbeits-Unterlagen erhalten / geerbt und dazu die Erlaubnis, die (die Allgemeinheit interessierenden) Teile zu veröffentlichen.
Die Einstiegsseite zu den vielen Seiten beginnt hier.

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BERLINER FUNKTURM GESPRENGT !

Ein Bericht von Günter Bartosch im Sept. 1998

Erschrecken Sie nicht ! Wenn sich im kommenden Jahr das ZDF wieder mit den anderen Sendern in Berlin versammelt, um diesmal das 75jährige Bestehen der Funkausstellungen zu feiern, so findet dieses große Ereignis selbstverständlich - wie immer - unterm Funkturm statt.

Der "Lange Lulatsch" ist ein markantes Wahrzeichen Berlins und zugleich das Symbol der Berliner Funkausstellungen. Sein Bau wurde ebenfalls 1924, also vor 75 Jahren, begonnen. Eingeweiht wurde er allerdings erst am 3. September 1926.

Mit Glück die Bomben auf Berlin überlebt

Der Berliner Punkturm inmitten der Ausstellungshallen in Witzleben hatte sogar den Zweiten Weltkrieg überlebt. Die Bombenangriffe des Luftkriegs und der Granatbeschuß beim Kampf um Berlin hatten ihn zwar schwer beschädigt, doch der Turm blieb stehen - selber eine Ruine zwischen den Ruinen, bis auf das fast unbeschädigt gebliebene Haus des Rundfunks in seiner unmittelbaren Nachbarschaft.

Dann wurde er repariert bis Juni 1948

Nach umfangreichen Reparatur- und Erneuerungsarbeiten konnten die Berliner wieder ab 13. Juni 1948 von der Plattform des Punkturms in 124m Höhe auf ihre Stadt hinunterblicken.

Da sah man noch (nach einem Pressebericht) "ausgebrannte Ruinen, Schutthalden, geflickte Dächer, einsam ragende Wände und Kamine". Das völlig zerstörte und ebenfalls erneuerte Restaurant aber konnte zu diesem Zeitpunkt noch nicht besucht werden.

Seit 1933 arbeitslos geworden

Das Wahrzeichen Berlins war also wieder in Betrieb. Doch erstaunlicherweise nicht für seinen eigentlichen Zweck, die Stimme Berlins in die Welt zu funken. Wenn man so will, war der Sender Witzleben schon seit dem 20. Dezember 1933 arbeitslos geworden.

An diesem Tage nämlich hatte der neue Großsender Tegel seine Funktion übernommen und strahlte nun das Programm des Reichssenders Berlin aus.

Der neue Turm war mit 165m der größte (oder der höchste) in Berlin und ragte am Rande des Schießplatzes Tegel im Bezirk Reinickendorf in die Höhe. Er war ganz aus Holz gebaut, denn eine solche Konstruktion - in diesem Falle aus schwedischer Fichte - hatte sich als günstiger für Sendemasten erwiesen, da die Metallmassen eines eisernen bzw. stählernen Turms die Sendeleistung beeinträchtigten.

Der "Eiserne Roland", der Funkturm in Witzleben, mußte noch gegen die Erde abgeschirmt werden. Dazu wurden von der KPM, der Königlichen Porzellanmanufaktur, in einem Spezialverfahren Porzellankörper hergestellt, die eine Belastung von 1.400 Tonnen pro Eckpfeiler aushalten mußten.

Zwischen 1929 und 1932 kam das Fernsehen auf den Turm

Es war das Fernsehen, das dem Funkturm in Witzleben seine Bedeutung zurückgab. Über zwei Rundstrahler, die auf dem Dach des Scheinwerferhäuschens auf der Turmspitze montiert waren, fanden bereits seit 1929 die Fernseh-Versuchssendungen des Reichspost-Zentralamtes statt.

Anfang 1932 lief eine erste Fernseh-Versuchssendung über Ultrakurzwelle. Nachdem die Ausstrahlung des Berliner Rundfunkprogramms auf den Tegeler Mast umgeschaltet war, wurde in Witzleben ein neuer Ultrakurzwellensender neben dem alten Bildsender aufgebaut.

Er arbeitete auf Wellen zwischen 7 und 8 Metern und diente in erster Linie der Tonfilmübertragung. Im Frühjahr 1934 wurde er in Betrieb genommen.

Beide Sende-Türme überlebten den Bombenhagel

Seinerzeit schrieb die Fachzeitschrift "Funk-Bastler": "Damit wird erst die Grundlage für die allgemeine Weiterentwicklung gefunden werden können, von der aus der Aufbau des Fernsehbetriebs und die Schaffung von Empfangsgeräten auch für breitere Kreise ins Auge gefaßt werden kann."

So hat also der hölzerne Riese in Tegel indirekt zur Fortentwicklung des Fernsehens in Deutschland beigetragen, wenngleich von ihm niemals Fernsehsendungen ausgestrahlt wurden.

Während der Funkturm in Witzleben den Krieg überstand, ohne an Höhe einzubüßen, hatte man den Tegeler Mast 1940, schon sehr früh im Kriege, auf 86m verkürzt, aus Furcht, er könne von feindlichen Flugzeugen angepeilt werden.

So um fast die Hälfte verkleinert, überlebte auch er den Zweiten Weltkrieg. Ob über ihn noch der letzte nationalsozialistische Durchhalteappell in der umkämpften Reichshauptstadt gesendet wurde, den der Staatssekretär im Propagandaministerium, Dr. Naumann, im Haus des Rundfunks am 28. April 1945 von sich gab, ist unwahrscheinlich.

Denn der Tegeler Schießplatz mit der dort befindlichen Sendeanlage war bereits am 24. April von der Roten Armee nach kurzem Schußwechsel mit einer auf dem Platz stationierten Flakbatterie des Reichsarbeitsdienstes (so etwas gab es !) eingenommen worden.
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Nachtrag zum Tegeler Schießplatz

Auf dem Tegeler Schießplatz war eine Flak-Doppelbatterie (8 Geschütze des Kalibers 10,5) des Reichsarbeitsdienstes ortsfest stationiert. Die unmittelbar am Tegeler Schießplatz gelegene, weitläufige, einst so stolze und streng bewachte "Hermann-Göring-Kaserne" war in der Nacht vom 22. zum 23. April 1945 von allen Angehörigen der Luftwaffe verlassen worden, ohne daß man die RAD-Flakbatterien davon in Kenntnis gesetzt hatte. Diese wurden ihrem Schicksal überlassen. Die Russen rückten vom Tegeler Weg her an. Nach kurzem Schußwechsel mit russischen Panzern, bei dem es in den Batterien Verwundete gab, setzten sich auch die Flaksoldaten des Reichsarbeitsdienstes ins Stadtinnere ab.

Nach dem April 1945 gabs in Berlin nur noch Kurioses

Tatsache ist, daß mit Hilfe eines Ü-Wagens bereits am 4. Mai 1945 von Tegel aus Aufrufe und Nachrichten der Militärkommandantur ausgestrahlt wurden, denen ab 13. Mai dann schon ein regelmäßiges Programm des nunmehr kommunistischen Berliner Rundfunks folgte, nachdem die Leitungen vom Funkhaus zum Sender Tegel wiederhergestellt waren.

Wie das Haus des Rundfunks inmitten des Britischen Sektors von Berlin eine Enklave der Sowjetischen Militäradministration blieb und somit der Berliner Rundfunk weiterhin als Sprachrohr der Diktatur des Kommunismus agierte, so strahlte der Tegeler Sendemast im französischen Sektor nach wie vor dieses Programm ab. Auch noch, als sich die Lage in Berlin durch die Blockade der Sowjets zuspitzte und die Bewohner West-Berlins um ihre Freiheit kämpften.

Der Tegeler Antrennen-Turm mit dem russischen Radio-Programm wurde gesprengt

Und das kam so :
Vor 50 Jahren lief die Berliner Luftbrücke auf Hochtouren. Die Notwendigkeit, die West-Berliner Stadtteile aus der Luft zu versorgen, hatte dazu geführt, daß in Höchstgeschwindigkeit ein Plughafen auf dem ehemaligen Tegeler Schießplatz hergerichtet wurde.

Baubeginn war am 16. August 1948, Inbetriebnahme Mitte Oktober. Nun standen die Sendeanlagen des russisch gelenkten Berliner Rundfunks, der gehässige Kommentare zur Luftbrücke von sich gab, am Rande der Rollbahn.

Ein am Bau beteiligter deutscher Ingenieur meinte zwar, wie die amerikanische "Neue Zeitung" berichtete, daß die Sendeanlagen den Flugbetrieb nicht behindern würden, doch konnte die hohe Sendeenergie den Funkverkehr der startenden und landenden Maschinen stören.

Am 20. November informierte die französische Besatzungsmacht den Intendanten des kommunistischen Berliner Rundfunks, daß der Holzturm und zwei weitere dort errichtete Sendemasten dem weiteren Ausbau des Tegeler Plughafens im Wege ständen.

Am 16. Dezember wurden sie auf Befehl von General Ganeval, dem Kommandanten des französischen Sektors von Berlin, gesprengt.

Beim Berliner Rundfunk und bei der sowjetischen Militäradministration war man ebenso fassungslos wie unvorbereitet; eine derart konsequente Haltung hatte man von den Franzosen nicht erwartet.
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Und jetzt wurde wieder mal gehetzt und gelogen

So schrieb dann das "Neue Deutschland", das Zentralorgan der SED: "Ein Akt der Kulturbarberei - Auf Befehl der USA-Kriegstreiber zur Schande Prankreichs" und der sowjetisch lizensierte Nachrichtendienst ADN nannte die Sprengung "einen vandalischen Akt".

Der zweite Vorsitzende der West-Berliner SPD, Kurt Mattick, sagte dazu, nicht die Zerstörung der Sendeanlagen sei "ein vandalischer Akt", sondern die Blockade West-Berlins, die von dem kommunistischen Radio unterstützt werde.

Mögen sich alle Kolleginnen und Kollegen, die im kommenden Jahr zur Internationalen Punkausstellung nach Berlin fliegen, an die hier geschilderten Ereignisse erinnern, wenn sie auf dem Flughafen Tegel landen, der vor 50 Jahren erbaut wurde und mit dazu beitrug, die Freiheit West-Berlins zu bewahren.

Ein Bericht von Günter Bartosch im Sept. 1998
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