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Achtung: Artikel und Texte aus NS/Hitler-Deutschland 1933-45

Nach der Gleichschaltung der reichsdeutschen Medien direkt nach der Machtübernahme in Februar/März 1933 sind alle Artikel und Texte mit besonderer Aufmerksamkeit zu betrachten. Der anfänglich noch gemäßigte politisch neutrale „Ton" in den technischen Publikationen veränderte sich fließend. Im März 1943 ging Stalingrad verloren und von da an las man zwischen den Zeilen mehr und mehr die Wahrheit über das Ende des 3. Reiches - aber verklausuliert.
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Erfahrungen mit Sicherheitsfilm beim Normalfilm

aus KINOTECHNIK Heft 1 - Januar Berlin 1938 - von Reg.-Rat Dr.-Ing. L. Metz, Berlin Nach einem Vortrag auf der 1. Jahrestagung der Deutschen Kinotechnischen Gesellschaft 1937

Die Möglichkeit eines Überganges vom Zellhornfilm zum schwerbrennbaren Zelluloseazetatfilm, die seit dem Aufkommen des ersten Azetatfilms im Jahre 1907 immer wieder Gegenstand der Erörterungen war, ist in den letzten Jahren besonders lebhaft diskutiert worden. Nicht nur bei uns, sondern auch in anderen Ländern hat man der Frage größeres Interesse entgegengebracht.

So ist bekanntlich in Frankreich eine Verordnung erlassen worden, nach der nur noch Sicherheitsfilm verwendet werden "soll". Ihr Inkrafttreten ist allerdings von Jahr zu Jahr hinausgeschoben worden. In den Vereinigten Staaten hat man sich zeitweise sehr eingehend mit dem Sicherheitsfilm beschäftigt; eine endgültige Entscheidung ist jedoch auch dort nicht herbeigeführt worden. Die Gründe dürften ohne Zweifel die gleichen gewesen sein, die sich auch bisher bei uns dem Übergang zum Sicherheitsfilm entgegenstellten.

Die nicht unbegründete Skepsis gegen den neuen Film

Bei den Erörterungen über die Einführung des Sicherheitsfilms, soweit sie sich auf deutsche Verhältnisse beziehen, stimmten die Ansichten häufig nicht überein. Von seiten der Hersteller und Verarbeiter, vor allem aber der Verbraucher wurden vielfach in den Nachteilen des Azetatfilms gegenüber dem Nitrofilm Schwierigkeiten bezüglich seiner allgemeinen Verwendung gesehen. Es herrschte deshalb in diesen Kreisen eine gewisse, zweifellos nicht unbegründete Skepsis, die allerdings nicht allgemein geteilt wurde.

Auf der anderen Seite sahen die Behörden, die sich mit der Frage der Sicherheit, des Unfall- und Brandschutzes zu befassen haben, in erster Linie die großen Vorteile der Einführung des schwerbrennbaren Films und blieben daher bemüht, sie möglichst zu fördern. Es kann ja keinem Zweifel unterliegen, daß mit der Verwendung des schwerbrennbaren Films nicht nur die Gefahren, die nun einmal dem leicht entzündlichen Nitrofilm anhaften, verschwinden, sondern daß damit auch sehr erhebliche wirtschaftliche Ersparnisse und Erleichterungen aller Art verbunden sein werden.

Die wirtschaftlichen Ersparnisse und Erleichterungen

Diese beginnen schon bei den Fabriken, "wo" (der Autor ist Dr.-Ing.) die Erzeugung, Verarbeitung und Lagerung des gefährlichen Ausgangsproduktes für den Nitrofilm, die Nitrozellulose, und des Films selbst, und damit die wirtschaftlich stark belastenden Auflagen der Sicherheitsvorschriften in Wegfall kommen können.

Das gleiche würde für die Verarbeitung des Films in den Kopieranstalten, die Lagerung und das Kleben in den Verleihbetrieben, die Vorführung in den Lichtspieltheatern, nicht zuletzt auch für den Versand der Filme gelten, die sämtlich heute erschwerenden Vorschriften unterworfen sind.

Die Filmlager der Fabriken, Kopieranstalten und Verleihbetriebe könnten im Mittelpunkt der Städte bleiben, ohne für die Nachbarschaft gefährlich zu sein. Besonders vom Standpunkt des Luftschutzes ist diese Frage sehr wichtig.

  • Anmerkung : Wir schreiben Dezember 1937 / Januar 1938 und die Intellektuellen machen sich jetzt schon Gedanken über den Luftschutz. Woher wollten die erahnen, daß Hitler einen Krieg plant, bei dem eventuell böse feindliche Flugzeuge über dem Großdeutschen Reich auftauchen "könnten" ???.


Es ist deshalb auch seitens des Reichsluftfahrtministeriums der Förderung des Sicherheitsfilms Interesse entgegengebracht worden.
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Der Nitrofilm, Gefahr für die Vorführer und Zuschauer

Schließlich wäre die Vorführung schwerbrennbarer Filme in den Theatern nicht nur für den Vorführer, sondern auch für die Zuschauer ungefährlich. Wenn wir auch feststellen wollen, daß erfreulicherweise größere Filmbrände in Theatern bei uns recht selten geworden sind, so wird doch immer wieder über Brände berichtet, die trotz aller Sicherheitsmaßnahmen nie ganz zu vermeiden sein werden.

Dank den baulichen Vorschriften sind allerdings in Deutschland glücklicherweise seit längerer Zeit Zuschauer nicht mehr zu Schaden gekommen.

Den offensichtlichen Vorteilen, welche die Einführung des Sicherheitsfilms allein auf den genannten Gebieten bringen würde, ließen sich zahlreiche andere anfügen.

Hält man sich diese Vorteile vor Augen, so drängt sich förmlich die Frage auf, warum der Sicherheitsfilm als Normalfilm noch nicht eingeführt ist, nachdem doch Zelluloseazetatfolien seit einer Reihe von Jahren bekannt sind, und schwerbrennbare Röntgenfilme und alle 16mm Schmalfilme auf Azetatgrundlage hergestellt werden.

Diese berechtigte Frage kann damit beantwortet werden, daß der Azetatnormalfilm dem Nitrofilm gegenüber gewisse Nachteile aufwies, die bisher seiner praktischen Einführung im Wege standen. Jedenfalls war bis vor kurzem kein Azetatfilm bekannt, der die Anforderungen erfüllte, die man an den Nitrofilm zu stellen gewohnt war.
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Die Nachteile des Sicherheitsfilms

Diese Nachteile im Vergleich zum Nitrofilm sind vor allem die geringere mechanische Haltbarkeit und die größere Empfindlichkeit des Azetatfilms gegenüber Wasser und wäßrigen Flüssigkeiten.

Es kommen noch einige andere Gesichtspunkte hinzu, von denen nur der höhere Preis, die Klebbarkeit, die Verwertbarkeit des Altfilmmaterials und der Abfälle, die Rohstoffbeschaffung (die allerdings auch für den Nitrofilm gilt) genannt sein sollen.

Der früher gelegentlich bemängelten geringeren Transparenz der Azetatfilme, die naturgemäß für die Verwendung als Filmunterlage von Wichtigkeit ist, kommt heute praktische Bedeutung nicht mehr zu. Die Lichtbeständigkeit des stabilen Zelluloseazetats ist im Gegenteil sogar erheblich größer als die des Zellulosenitrats. Ebenso ist die Beständigkeit bei höherer Temperatur recht gut und übertrifft die des Nitrofilms, wie durch künstliche Alterungsversuche bei Temperaturen bis 100° nachgewiesen werden konnte *1).

*1) Vgl. z. B. Hill u. Weber, Journal Soc. Mot. Pict. Eng. 28 (1936), Nr. 6

Die vorher genannten Gesichtspunkte sind wohl ebenfalls nicht so schwerwiegend, daß sie die Einführung des Azetatfilms wirksam verhindern könnten. Wenn auch bisher zur fabrikmäßigen Herstellung des Azetatfilms, wie auch übrigens des Nitrofilms, ausschließlich Devisen erfordernde Baumwoll-Linters verwendet werden, so sind doch schon durchaus befriedigende Versuche mit dem Ersatz der Linters durch Zellstoff gemacht worden, so daß es nach Ansicht der chemischen Industrie möglich sein wird, die Fertigung auf Zellstoffgrundlage umzustellen.

  • Anmerkung : Hier steht zwischen den Zeilen, daß dem 3.Reich die Devisen für Importe ausgegangen waren. Die Aufrüstung verschlang gigantische Summen. Und die Lieferanten in Nahost und Fernost wollten Schweizer Franken oder harte Dollars haben.


Dies setzt natürlich die Bestellung genügender Mengen geeigneten Holzes voraus, aus dem der für die Azetatfilmgewinnung erforderliche besonders hochwertige Zellstoff hergestellt werden kann.

Die Klebbarkeit bereitet nach dem Aufkommen von Filmkitten, die für Azetatfilme in befriedigender Weise verwendet werden können, heute keine besonderen Schwierigkeiten mehr. Das Kleben muß allerdings sorgfältig vorgenommen werden.

Gewisse Unregelmäßigkeiten, die hierbei gelegentlich noch auftreten und die sicher abzustellen sind, werden im folgenden noch erwähnt werden.
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Gedanken zum Filmmaterial-Abfall

Eine Verwertung der Abfälle des schwerbrennbaren Films ließe sich ebenfalls sicher verwirklichen, und zwar ist hier insbesondere an die Verwendung in der Lackindustrie zu denken. Man hat sich bisher mit dieser Frage allerdings noch nicht eingehender befaßt, weil AzetatfilmabfäMe in größeren Mengen nicht Vorlagen; betrug doch die Erzeugung des Azetatfilms in den letzten Jahren in Deutschland nur etwa 1% bis 2% von der des Nitrofilms.

Was schließlich die Herstellungskosten anlangt, so lagen diese bei dem Azetatfilm vor einiger Zeit noch etwa 30% höher als beim Nitrofilm. Neuerdings wurde eine Herabsetzung dieser Preisdifferenz auf 10% angekündigt. Wenn man bedenkt, daß der Kostenanteil der rohen Filmunterlage an dem Preis für den Rohfilm und vor allem für den spielfertigen Film nur verhältnismäßig gering ist, so wird man dieser Frage ebenfalls keine besondere Bedeutung beizumessen brauchen; mit gesteigerter Herstellung würde eine weitere Herabsetzung der Kosten verbunden sein, so daß schließlich ein nennenswerter Unterschied im Preis zwischen Azetat- und Nitrofilm nicht mehr anzunehmen ist. Die Entwicklung der letzten Jahre auf dem Gebiet der Kunststoffe hat diese Annahme mehrfach bestätigt.

Die beiden erstgenannten Nachteile

Es bleiben also vor allem die beiden erstgenannten Nachteile des Azetatfilms: die größere Empfindlichkeit gegen Wasser und Salzlösungen und die geringere mechanische Festigkeit.

Es ist bekannt, daß der Sicherheitsfilm, sofern er auf der durch Rückverseifung des Triazetats erhaltenen Azetylzellulose aufgebaut ist, sowohl bei Einwirkung höherer Luftfeuchtigkeit als auch bei der Tränkung in Wasser oder in wäßrigen Flüssigkeiten sich stärker ausdehnt als der Nitrofilm; auch schrumpft er bei nachfolgender Trocknung mehr und langsamer.

Dies bedeutet naturgemäß eine sorgfältige Behandlung des Films in den Kopieranstalten, weil bei ungleicher Schrumpfung die Güte der Bild- und Tonwiedergabe beeinträchtigt werden kann. Das Material muß daher mit verhältnismäßig geringer Zugbelastung durch die Kopiermaschinen und die Trockenschränke geführt werden, und besonders das Trocknen ist genau zu überwachen.

Die Frage der Kopierfähigkeit

Die Frage der Kopierfähigkeit kann aber heute bei der Verwendung moderner Kopiermaschinen und Trockeneinrichtungen und bei Benutzung geeigneten Rohfilmmaterials als gelöst angesehen werden. Die Schwankungen, die der Kopierbetrieb durch Verwendung vor Sicherheitsfilm erfährt, sind nach dem Urteil einer führenden Kopieranstalt jedenfalls nicht größer als sie beispielsweise beim Übergang auf ein anderes Nitrorohfilmmaterial auch auftreten.

Hier wird es die chemische Industrie zudem in der Hand haben, durch weitere Verbesserungen des Rohfilms die vielfach noch bestehenden Vorurteile völlig zu beseitigen. Es sei nur auf die Bemühungen zur Erzeugung eines für die Filmtechnik geeigneten, sehr wenig wasserempfindlichen Triazetatfilms hingewiesen, auf die noch eingegangen werden soll.

Die mechanische Haltbarkeit des Azetatfilms

Als hauptsächlichster Nachteil ist bisher immer die geringere mechanische Haltbarkeit des Azetatfilms gegenüber dem Nitrofilm hervorgehoben worden, und diese Eigenschaft ist in der Tat für die allgemeine Einführung des Sicherheitsfilms von ausschlaggebender Bedeutung.

Beim nichtbewegten Röntgensicherheitsfilm entfällt dieser Gesichtspunkt vollkommen und zum großen Teil auch beim Schmalfilm, weil dieser sehr viel geringeren Beanspruchungen standzuhalten hat als der Normalfilm. Es ist deshalb auch ein unmittelbarer Vergleich von Normalfilm und Schmalfilm nur schwer möglich.

Erfreulicherweise erfüllt der Sicherheitsfilm als Schmalfilm offenbar die an ihn zu stellenden Anforderungen durchaus. So wird z. B. bei den Schulfilmvorführungen in Deutschland ausschließlich der 16mm-Schmalfilm verwendet, der Ende des Jahres 1936 bereits einen Umfang von 50.000 Kopien mit einer Gesamtlänge von 6 Millionen Metern angenommen hatte.

Der Sicherheitsfilm hat sich dabei nicht nur in seiner Haltbarkeit und Filmqualität als ausreichend erwiesen, auch bei Tonfilmen war die Güte des Tones völlig zureichend.

Der (35mm) Normalfilm "läuft" schneller

Beim Normalfilm sind die mechanischen Beanspruchungen wegen der höheren Laufgeschwindigkeit, der durch das größere Bild bedingten zahlreicheren Löcher und der stärkeren Belastung infolge des hohen Gewichtes der Filmrollen wesentlich größer.

Außerdem sind bei dem rauhen Betrieb, dem der Normalfilm ausgesetzt ist, auch Mißhandlungen durch unachtsame Vorführer nicht auszuschließen. Aus diesen Gründen mußte bisher ein vorzeitiges Unbrauchbarwerden des weniger widerstandsfähigen Azetatfilms befürchtet werden.
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Die Betrachtung der Wirtschaftlichkeit

Wirtschaftlich gesehen, bedeutet dies die Herstellung einer größeren Anzahl von Kopien als bei Anwendung des Nitrofilms, was nicht nur eine Verteuerung des gesamten Verleihbetriebes, damit einer Erhöhung der Leihgebühren und schließlich der Eintrittspreise in den Theatern zur Folge haben würde.

Zieht man die bisher verbreitete Ansicht in Betracht, daß der übliche Azetatfilm nur eine mechanische Haltbarkeit von 50 bis 60% von der des Nitrofilms aufweist, so kann man bei einer jährlichen Erzeugung von 50 bis 60 Millionen Metern Film und der erwähnten Verteuerungen Mehrkosten von 8 bis 10 Millionen RM errechnen, die die Filmwirtschaft zu tragen nicht in der Lage ist.

Hieraus geht die Notwendigkeit der Erzeugung eines dem Nitrofilm in seinen mechanischen Eigenschaften möglichst gleichwertigen Azetatfilms klar hervor, eine Forderung, mit der die Einführung des Sicherheitsfilms, falls man sie nicht einfach verordnen sollte, stehen oder fallen muß, und hinter der alle vorher genannten Gesichtspunkte wohl zurückstehen müssen.

Die Prüfung der Festigkeitseigenschaften

Um die Brauchbarkeit des Azetatfilms in mechanischer Hinsicht festzustellen, bedient man sich im allgemeinen der Prüfung seiner Festigkeitseigenschaften. Diese laboratoriumsmäßigen Untersuchungen sind besonders wertvoll für die Kontrolle des laufenden Betriebes.

Obwohl ihre Ergebnisse den praktischen Versuchen z. T. parallel laufen - die mechanischen Werte liegen zumeist mehr oder weniger unter denjenigen eines guten Nitrofilms - können sie aber allein kein abgerundetes Urteil über die praktische Brauchbarkeit vermitteln *2).

*2) Es erscheint notwendig, die übliche Feststellung der Reißfestigkeit und Dehnung sowie der Falzzahl durch weitere Prüfungen zu ergänzen. Geeignet hierzu dürfte u. U. der neue Dauerbiegeprüfer von Schopper sein, bei dem der Film unter bestimmter veränderlicher Belastung bis zum Bruch um 180° gebogen wird. Diese Prüfung entspricht den praktischen Beanspruchungen im Vorführgerät besser als die vorgenannten Feststellungen. Entsprechende Versuche, die durch Schlagbiegeprüfungen ergänzt  werden  sollen,  werden z.  Z. vom  Verfasser  durchgeführt.

Besser geeignet ist eine vergleichende Laufprobe des zu einer Schleife zusammengeklebten Filmbandes im Vorführgerät, aber auch diese Art der Prüfung läßt keine schlüssige Beurteilung des praktischen Verhaltens zu. Bei einwandfreiem Arbeiten werden nämlich im Laboratorium auch beim Azetatfilm oft sehr hohe Umlaufzeiten bzw. sehr geringe Schädigungen beobachtet, die mit den gelegentlich in kleinerem Umfang durchgeführten praktischen Versuchen nicht immer im Einklang stehen.

Eine einigermaßen Aussage über die Güte des Azetatfilms

Wollte man zu einer einigermaßen richtigen Aussage über die Güte des heutigen Azetatfilms gelangen, so mußte man den Film den wechselnden Bedingungen unterwerfen, wie sie der übliche Verleihbetrieb von Theater zu Theater mit sich bringt, bei dem der Film den Einflüssen der verschiedensten Geräte und Vorführer ausgesetzt ist.

Ein solcher Versuch auf breiterer Grundlage war bislang nicht durchgeführt worden. Es war deshalb ein außerordentlich begrüßenswertes Unternehmen der Reichsfilmkammer, die mehr theoretischen Erörterungen über die Brauchbarkeit des Azetatfilms und die bisher durchgeführten Versuche der Industrie durch einen Großversuch zu überprüfen.

Über das bisherige Ergebnis dieses Versuches soll im folgenden kurz berichtet werden.

Der Versuch mit dem Azetatfilm

Der Versuch wurde mit 450.000 Metern Azetatfilm durchgeführt, der von verschiedenen Herstellerfirmen geliefert wurde. 174 Kopien wurden teilweise in der ganzen Länge auf Azetatfilmunterlage oder durch Koppeln von Teilen aus Azetat- und Nitrofilm oder der verschiedenen Azetatfabrikate unter sich hergestellt. Nebenher liefen zum Vergleich Kopien der gleichen Filme auf Nitrofilm.

Der größte Teil der Filme wurde in nicht imprägniertem Zustande verwendet. Die Kopierung ist von den leistungsfähigsten Anstalten durchgeführt worden. Irgendwelche Schwierigkeiten wurden dabei nicht beobachtet. Der Vertrieb der Filme erfolgte durch mehrere bekannte und große Verleihbetriebe.

Den Kinotheatern sind nähere Angaben über die Filmart nicht bekanntgegeben worden; die Vorführer mußten allerdings durch Aufdrucke auf den Kartons über das zu verwendende Klebemittel unterrichtet werden, da Azetatfilm bekanntlich mit dem normalen "Filmkitt" (Filmkleber) nicht zu kleben ist.

Neben den im Verleihbetrieb üblichen Laufkarten, auf denen die Laufzeiten der Filme in den einzelnen Theatern verzeichnet werden, sind besondere Befundskarten geführt worden, in die die jeweiligen Befunde nach den einzelnen Vorführungen durch die Kleberinnen eingetragen wurden.

Die Auswertung

Die Auswertung eines solchen praktischen Versuches, bei dem der Versuchsgegenstand, der Film, einer recht unterschiedlichen Behandlung durch die verschiedensten Vorführer unterworfen war, bereitet naturgemäß besondere Schwierigkeiten. Jeder Film muß sorgfältig durchgesehen werden zur Feststellung, aus welchem Grunde er aus dem Umlauf herausgezogen und dem Altfilmlager zugeführt werden mußte.

Ferner ist die Zahl der Klebestellen, der Einrisse und notwendig gewordenen Auszackungen in der Lochung genau zu ermitteln, wobei vom Anfang und Ende der Filmrollen abgesehen werden muß, weil hier häufig auch beim Nitrofilm Schädigungen auftreten.

Schäden, die einwandfrei auf mangelhafte Vorführung zurückzuführen sind, und auch beim Nitrofilm auftreten, sind bei der Beurteilung der Eignung des Sicherheitsfilms entsprechend zu bewerten. Weiter werden noch andere zusätzliche Ermittlungen vorzunehmen sein.

Diese Feststellungen, die bei der großen Menge der umgelaufenen Filme eine verhältnismäßig lange Zeit beanspruchen, konnten bisher erst in kleinerem Umfange vorgenommen werden. Die folgenden Angaben, und vor allem die Zahlenangaben, haben deshalb zunächst vorläufigen Charakter, dies auch schon deshalb, weil verschiedene Filme noch laufen und daher eine abschließende Auswertung nicht möglich ist.

Sie beziehen sich im wesentlichen auf die Ergebnisse bei zwei Verleihbetrieben. Es konnte jedoch festgestellt werden, daß bei den anderen Betrieben ein ähnliches Verhalten zu beobachten war. Endgültige Schlüsse können aber nur Mittelwerte aus dem Verhalten sämtlicher Kopien ermöglichen, die bisher noch ausstehen.
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Vorläufige Teilergebnisse

Hinsichtlich der photographischen Eigenschaften hat sich kein Unterschied zwischen Azetat- und Nitrofilm ergeben.

Auch die Tonwiedergabe erwies sich durchgehend als gut. Auf gewisse Unregelmäßigkeiten nach längerer Laufzeit der Azetatfilme, die aber auf die mechanischen Eigenschaften zurückzuführen sind, sei später noch kurz eingegangen. Ein Verschrammen bzw. Verregnen der Filme war nicht wesentlich stärker zu beobachten als beim Nitrofilm und könnte wahrscheinlich durch die heute beim Nitrofilm schon in weitem Umfang angewandte Imprägnierung bzw. Nachbehandlung weiter vermindert werden.

Während also in dieser Hinsicht der Azetatfilm den an ihn gestellten Anforderungen weitgehend entsprach, blieb er in der Haltbarkeit gegenüber dem Nitrofilm zurück.

Die geringere mechanische Festigkeit machte sich nach längerer Laufzeit besonders in Perforationsschäden bemerkbar. Die Perforation zeigte öfters Risse nach den äußeren Rändern zu, die gelegentlich zum Durchreißen führten, so daß Auszackungen vorgenommen werden mußten.

Auch die Perforationsstege sind stellenweise ein- und durchgerissen, so daß die Perforation mitunter in Stücken von einem bis mehreren Zentimetern abriß.

Auf der Tonseite machten sich vielfach Anschläge bemerkbar, die allerdings, wenn auch in erheblich geringerem Maße, mitunter beim Nitrofilm beobachtet wurden. Die Anschläge waren teilweise gering, teilweise stärker, z. T. auch recht stark, so daß sie den Tonstreifen verletzten und die Tonwiedergabe beeinträchtigten.

Gelegentlich waren einzelne Filme ziemlich wellig, andere wieder unterschieden sich in ihrer gleichmäßigen Glätte vom Nitrofilm nicht. Allgemein hatte man den Eindruck, daß die einzelnen Fabrikate unter sich noch gewisse Unregelmäßigkeiten aufwiesen.

Bei Klebestellen wurde öfters beobachtet, daß sie selbst den mechanischen Beanspruchungen standgehalten hatten; unmittelbar davor oder meist dahinter waren aber Einrisse zu verzeichnen.

Entsprechend diesen Feststellungen sind auch Beanstandungen von Theaterkreisen eingelaufen. Es interessiert vor allem die Art der Beanstandungen und das zahlenmäßige Verhältnis, in dem sie im einzelnen zueinander stehen.

Beanstandungen

Bei einem Verleihbetrieb wurden z. B. folgende Beanstandungen verzeichnet:

Art Zahl
Sprödigkeit >  
Klebestellen > alle 3 zusaammen 61
Einrisse >  
Anschläge 12
Laufstreifen 9
Zerkratzungen 6
Schlechte Klebbarkeit 4
Stärkere Beschädigungen des Tonstreifens 3
Geringere Lichtdurchlässigkeit 1
Nebengeräusche 1
Zusammen 97

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Die gleichen Schäden, nur öfter

Alles in allem treten also beim Azetatfilm Schäden auf, die, worauf besonders hingewiesen sei, gelegentlich auch beim Nitrofilm festzustellen sind; sie werden nur nach kürzerer Laufzeit und in stärkerem Maße beobachtet.

Besonders wichtig ist die durch die genannten Erscheinungen bedingte Haltbarkeit des Sicherheitsfilms als solche. Es zeigte sich, daß die Schäden, die zu einem vorzeitigen Abbrechen des Umlaufes der Filme führten, bei einem Rohfilmfabrikat besonders gering waren.

Das Auftreten stärkerer Anschläge, Einrisse und Auszackungen nach längerem Umlaufen machte sich bei diesem Fabrikat im Durchschnitt erst nach etwa 147 Tagen bemerkbar. Die ersten leichten Anschläge traten ohne nennenswerte Unterschiede zwischen den einzelnen Filmsorten nach etwa 50 bis 55 Tagen auf.

Es zeigte sich also, daß bei der besten Filmunterlage die durch mechanische Beanspruchung hervorgerufenen ersten unerheblichen Schäden erst nach wesentlich längerer Laufzeit so groß wurden, daß eine weitere Vorführung der Filme nicht mehr möglich war. Die Güte dieses Films ergibt sich aus den Bildern 1 und 2.

Nennenswerte Veränderungen der Filme, die bei den Vorführungen gut behandelt wurden, sind nicht zu erkennen. Die tatsächliche Haltbarkeit, d. h. die Zeit, nach der die Filme aus dem Umlauf gezogen werden mußten, ergab sich, bezogen auf den Stand vom Oktober 1937, für den besten Film zu 148 Tagen. Bei 52% dieser Filme betrug die Laufzeit über 150 Tage. Dabei ist zu berücksichtigen, daß sich noch einige Filme mit hoher Laufzeit im Umlauf befinden, wodurch sich das endgültige Ergebnis wahrscheinlich noch etwas verbessern wird. Die aufgeführten Zahlen sind das Ergebnis der Feststellungen bei 108 von 174 Kopien, d. h. bei über 60%.
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Details der Auswertung

Es sei noch daraufhingewiesen, daß sich die Prüfung der mechanischen Eigenschaften von Filmausschnitten nach dem Umlauf durchaus mit dem praktischen Haltbarkeitsbefund deckte. Der Haltbarkeit des besten Filmes entsprachen die höchsten Werte bei der Knitter- und Reißfestigkeitsprüfung.

Es ergab sich weiter, daß es für die praktische Brauchbarkeit oberhalb einer gewissen Grenze nicht so sehr auf die Dehnung des Films als insbesondere auf die Festigkeit ankommt. Hier liegt vielleicht noch eine Möglichkeit zur weiteren Verbesserung der Filme durch Abänderung der Zusammensetzung der Unterlage oder auch des Gießverfahrens, durch die man die Zug-Dehnungscharakteristik erheblich beeinflussen kann.

Wie der beste Film sich in seinem Diagramm gegenüber einem guten Nitrofilm verhält, zeigt Bild 3, das Reißdehnungskurven darstellt. Man erkennt, daß die Kurve für den Sicherheitsfilm der des Nitrofilms in ihrem Verlauf stark entspricht. Der Film bleibt nur in der Festigkeit zurück, und das Fließen erfolgt bereits bei geringerer Belastung. Von Wichtigkeit erscheint, daß das Fließen bei möglichst hoher Belastung erfolgen soll, daß es nicht zu stark sein und daß bald nach dem Eintreten des Fließvorgangs wieder eine Verfestigung einsetzen soll.

Welche Schlüsse ergeben sich aus den bisherigen Ergebnissen des Großversuches für die Möglichkeit einer Anwendung des Sicherheitsfilms in größerem Umfang?
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Schlußfolgerungen

Wenn man die Lebensdauer für normalem imprägnierten, gegebenenfalls nachbehandelten Nitrofilm mit 175 Tagen bei einer durchschnittlichen täglichen Vorführziffer von 1,8 Vorstellungen annimmt, so ergibt sich für den besten derzeitigen Sicherheitsfilm ein Haltbarkeitswert von 85%.

Diese Zahl zeigt, daß wir immerhin heute schon einen Film besitzen, der in seiner Haltbarkeit recht weit an die des Nitrofilms heranreicht, wenn dieser auch eine Haltbarkeit von 175 Tagen oft überschreitet.

Damit erscheint die Frage der Verwendung des Sicherheitsfilms in einem anderen Lichte als seither. Wenn auch das Ergebnis des Versuches noch nicht endgültig ist, so wird doch wohl eine prinzipielle Änderung des Güteverhältnisses nicht zu erwarten sein.

Bei der beobachteten Haltbarkeit des besten Sicherheitsfilms wird man in eine ernstliche Berechnung eintreten können, ob die gegenwärtig zwar noch immer eintretende Kostenvermehrung nicht durch die eingangs erwähnten wirtschaftlichen und allgemeinen Vorteile wieder aufgehoben wird. Es darf auch nicht vergessen werden, daß der Azetatfilm sich ohne Zweifel noch weiter vervollkommnen wird, so daß bei dem heute besten Rohfilmmaterial die noch bestehende Unterlegenheit in der Haltbarkeit im Vergleich zum Nitrofilm vielleicht in einigen Jahren ausgeglichen sein wird.

Es ist sogar anzunehmen, daß sich der Film inzwischen bereits verbessert hat, denn seit Beginn des Versuches sind etwa 17. Jahre vergangen. Eine solche Verbesserung ist übrigens auch beim Nitrofilm in den letzten Jahren zu verzeichnen gewesen.

Falls es in absehbarer Zeit zu einer Einführung des Azetatfilms kommen sollte, dann wird man der Eigenart des Films durch besonders pflegliche Behandlung natürlich Rechnung zu tragen haben. Neben der bereits erwähnten sorgfältigen Behandlung in den Kopieranstalten ist vor allem an die Pflege des Filmmaterials durch die Vorführer zu denken.

Durch Hinweise auf die Eigenart des Films, vielleicht auch durch besondere Pflegevorschriften, würde sicher eine Besserung in der Behandlung zu erzielen sein, denn man sollte meinen, daß ein Vorführer einem Material, das ihn nicht mehr gefährdet, ein besonderes Interesse entgegenbringt.

Hier könnte z. B. die von der Reichsfilmkammer betriebene Vorführerschulung eine lohnende Erweiterung ihres Tätigkeitsfeldes finden.

Auch die Rohfilmindustrie ist gefordert

Die Rohfilmindustrie ist ihrerseits bestrebt, durch Verbesserung der Eigenschaften die Verarbeitung und Anwendung des Sicherheitsfilms weiter zu erleichtern. Was die Verbesserung der Wasserempfindlichkeit des Azetatfilms betrifft, so darf noch auf folgendes hingewiesen werden:

Man hat bisher bei der Azetatfilmherstellung den Weg beschritten, das bei der Azetylierung der Zellulose zunächst entstehende Produkt, das Triazetat, teilweise wieder zu verseifen, um ein Produkt zu erhalten, das sich bequemer verarbeiten ließ, d. h., das besser löslich und auch hitze- und lagerbeständiger erschien, als das in dieser Hinsicht vermeintlich ungünstigere Triazetat.

Die in früheren Jahren mit dem hochazetylierten Azetat unternommenen Versuche scheiterten nämlich neben den schlechten mechanischen Eigenschaften der daraus gewonnenen Folien insbesondere an deren geringerer Stabilität.

Seltsamerweise hat man sich lange Jahre um die Verbesserung des Triazetats wenig gekümmert, obwohl dieses Eigenschaften besitzt, die gerade für die Verwendung für Filmzwecke sehr wesentlich sind.

Eine dieser Eigenschaften ist die geringere Empfindlichkeit gegen Wasser bei dem vollazetylierten, d. h keine hydrophilen Hydroxylgruppen enthaltenden Azetat. Besonders in Deutschland hat man sich aber in den letzten Jahren der Triazetatzellulose wieder zugewandt mit der Absicht, sie in stabiler Form möglichst rein herzustellen.

Diese Bemühungen sind z. T. auch recht günstig verlaufen. Man hat aus dem reinen Triazetat Folien hergestellt, die eine sehr geringe Wasserlängung aufweisen. Auch in Frankreich hat man derartige Versuche unternommen. Charriou und Valette *3) haben bei Folien, die mit 25% Triphenylphosphat weichgemacht waren, folgende Schrumpfungen festgestellt:

*3) Charriou u. Valette, Chimie et Ind. 1936 Januar
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Schrumpfung Essigsäuregehalt der Azetylzellulose
0,31% 52,3%
0,05% 57,6%
0,01% 61,5%

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Der letzte Wert liegt nahe bei dem des Triazetats. Es mag von besonderem Interesse sein, daß sich auch auf Grund von Fabrikversuchen in Frankreich die Möglichkeit der Herstellung maßhaltiger Azetatfolien ergab, so daß sie sogar für kartographische Luftbildaufnahmen, die bekanntlich mit besonders großer Präzision durchgeführt werden müssen, als brauchbar gelten.

Es ist also in dieser Hinsicht eine weitere, sehr bemerkenswerte Steigerung der Eigenschaften des Azetatfilms zu erwarten. Anscheinend kann man mit Folien aus Triazetat, sofern es in stabiler Form vorliegt, auch recht beachtliche Festigkeitswerte erzielen.
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Zusammenfassung

Zusammenfassend läßt sich also feststellen, daß der Azetatfilm in den letzten Jahren sehr große Fortschritte gemacht hat, und daß wir schon heute über ein Material verfügen, das recht erheblich die frühere Haltbarkeit überschritten hat. Weitere Verbesserungen sind zu erwarten. Es kann deshalb angenommen werden, daß die Einführung des Sicherheitsfilms nur noch eine Frage der Zeit sein wird.

Schwerwiegende Bedenken können gegen das jetzige Spitzenerzeugnis wohl kaum mehr vorgebracht werden, und es ist zu hoffen, daß die vielen mühevollen und kostspieligen Versuche der letzten 30 Jahre in absehbarer Zeit auch für die beteiligte Industrie Früchte tragen werden.

Die Stellen, die sich besonders mit Sicherheit und Unfallverhütung zu befassen haben, würden es außerordentlich begrüßen, wenn das Zellhorn wenigstens aus der Filmtechnik verschwinden würde. Bei dem gegenwärtigen Stand der Angelegenheit wird man jedenfalls mit Recht den noch möglichen Einwendungen die erzielbare Sicherheit entgegenhalten können.
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Ein Artikel vom Jahreswechsel 1937/1938
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