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Achtung: Artikel und Texte aus NS/Hitler-Deutschland 1933-45

Nach der Gleichschaltung der reichsdeutschen Medien direkt nach der Machtübernahme in Februar/März 1933 sind alle Artikel und Texte mit besonderer Aufmerksamkeit zu betrachten. Der anfänglich noch gemäßigte politisch neutrale „Ton" in den technischen Publikationen veränderte sich fließend. Im März 1943 ging Stalingrad verloren und von da an las man zwischen den Zeilen mehr und mehr die Wahrheit über das Ende des 3. Reiches - aber verklausuliert.
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Hier kommt auch bereits der Sprachgebrauch der Nationalsozialisten hervor. Der Autor Dr. Paul Hatschek versucht - in vielen anderen Artikeln ebenfalls -, alles Deutsche besonders herauszustellen. Nur wenige Autoren erwähnen die mindestens gleichwertigen Erfindungen in anderen Ländern noch auf gleicher rethorischer Stufe.

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Der neue deutsche Agfa-Farbenfilm

aus Heft 21 - November 1936 von Dr. Paul Hatschek, DKG, Berlin.
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Die silberfreien einfarbigen Bilder

Zu den interessantesten Vorschlägen, die im Laufe der historischen Entwicklung auf dem Gebiete der Farbenphotographie gemacht wurden, gehören sicherlich zwei Patentschriften (DRP 253 335 und 257 160) des Berliner Chemikers Dr. Rudolf Fischer, die bereits in den Jahren 1912 bzw. 1911 zur Anmeldung gelangten, also längst abgelaufen sind *1).

*1) Fischer, R.: Zur Vorgeschichte des neuen Kodachromverfahrens, - „Kinotechnik" 1936, Heft 3, S. 39.

In der ersten der beiden Patentschriften zeigte Fischer einen neuen Weg, auf dem man zu silberfreien einfarbigen Bildern gelangen kann. Er besteht darin, daß man Entwicklern bestimmter Art solche Stoffe zusetzt, die sich mit den Oxydationsprodukten der Entwicklersubstanz zu Farbstoffen verbinden. Da sich diese Farbstoffe an den Stellen des reduzierten Silbers niederschlagen, so erhält man ein reines Farbstoffbild dadurch, daß man das Silber nachträglich - etwa durch einen Farmerschen Abschwächer - aus der Schicht herauslöst.
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Der Weg zu den mehrfarbigen Bildern

Es ist leicht einzusehen, daß man auf diesem Wege nicht ohne weiteres zu mehrfarbigen Bildern gelangen kann, weil es große Schwierigkeiten bereitet, einen Entwickler auf nur eine Schicht eines mehrschichtigen Materials einwirken zu lassen, also seine gleichzeitige Einwirkung auf die Nachbarschichten auszuschließen.

Dagegen erscheint der etwas abgeänderte Weg grundsätzlich gangbar zu sein, der sich aus der Formulierung der zweiten dieser beiden Patentschriften ergibt. In ihr wird vorgeschlagen, jene Kupplungskomponenten, die mit den Oxydationsprodukten der Entwicklersubstanz Farbstoffe bilden können, nicht dem Entwickler, sondern den Emulsionschichten beizufügen.

Auf Grund dieses Gedankengangs erscheint es sehr viel leichter zum Ziele zu gelangen, weil die übereinanderliegenden Schichten gleichzeitig mit demselben Entwickler entwickelt werden und man dennoch erreicht, daß sich in jeder Schicht ausschließlich jener Farbstoff bildet, dessen Entstehung durch die der betreffenden Schicht zugesetzte Komponente bedingt ist.

Die Ideen verwendet im neuen Kodachromefilm

Die Vorschläge von Dr. Fischer regten in der Folge verschiedene Chemiker zu weiteren Arbeiten in ähnlicher Richtung an. Es ist nun interessant festzustellen, daß gerade auf dem umständlicheren Wege die ersten praktischen Erfolge erzielt wurden: in Amerika schufen Mannes und Godowski mit jenem Verfahren die Grundlagen zu dem - soeben im 16mm- und 8mm-Format in Deutschland auf den Markt gekommenen - neuen Kodachromefilm der Kodak.

Das Prinzip wurde als „kontrollierte Diffusion" bezeichnet und an dieser Stelle eingehend geschildert *2).

*2) Vgl. „Kinotechnik" 1935, Heft 10, S. 175; Heft 23, S. 396, und Heft 24, S. 407.
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Der Trick mit der „kontrollierten Diffusion"

Bei der Entwicklung der untersten blauen Schicht werden auch die beiden oberen Schichten blau gefärbt, so daß man aus diesen die blaue Farbe zunächst wieder entfernen muß; darauf werden die beiden oberen Schichten erneut entwickelt, wobei sie die der mittleren Schicht zugedachte Farbe erhalten.

Nachdem die für die obere Schicht „falsche" Farbe aus ihr entfernt ist, wird diese allein nochmals entwickelt, worauf dann jede der drei Schichten die ihr zukommende Farbe besitzt.

Diese geistreiche Methode führt zu ausgezeichneten Ergebnissen, obgleich eine große Zahl von Operationen mit dem Film vorzunehmen ist. Durch Schaffung automatischer Entwicklungseinrichtungen, die den Film nacheinander durch die sieben notwendigen Bäder führen, ist es der Kodak gelungen, die Verarbeitungsschwierigkeiten zu beheben.
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Die Agfa ging den zweiten Weg

Der Agfa blieb es vorbehalten, den anderen von Fischer angegebenen Weg zu verwirklichen. Sie schuf einen Farbenfilm, bei dem die entsprechenden Farbkomponenten bereits in den Emulsionsschichten enthalten sind.

Die oberste der Schichten ist für Blau, die mittlere für Grün und die unterste für Rot empfindlich. Die Verarbeitung des Films ist äußerst einfach. Der belichtete Film wird entsprechend dem üblichen Umkehrverfahren zuerst in einem gewöhnlichen Entwickler zu dem gewohnten Schwarz-Weiß-Negativ entwickelt, das entwickelte Silber im Bleichbad aufgelöst und sodann das nichtentwickelte restliche Halogensilber nachbelichtet.

Für die hierauf folgende Zweitentwicklung wird ein Spezialentwickler benutzt, den man als „Farbentwickler" bezeichnen kann, weil er bzw. seine Oxydationsprodukte sich mit den Farbkomponenten der drei Schichten zu den drei Farbstoffen verbinden. Auf Grund dieser Umkehrentwicklung entsteht in der obersten Schicht ein gelbes, in der mittleren ein purpurfarbiges und in der untersten ein blaugrünes Farbbild. Allerdings sind diese Farbbilder in der Durchsicht als solche noch nicht zu erkennen, weil in den Schichten noch das Silber enthalten ist; es folgt deshalb noch eine vierte und letzte Operation, das Herauslösen des Silbers durch Baden in Farmerschem Abschwächer, worauf das naturfarbige Durchsichtsbild sichtbar wird.
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Vier Bäder sind beim Agfa Farbenfilm erforderlich

Wie man sieht, sind im ganzen vier Bäder erforderlich, gegenüber drei beim gewöhnlichen Umkehrfilm, die Mehrarbeit beläuft sich also auf nur ein Bad. Die Entwicklungszeiten sind normalisiert, es kann einfach nach Zeit entwickelt werden.

Von der industriellen Seite aus betrachtet, bedeutet dies, daß die für den Übergang vom normalen Umkehrfilm auf Farbenfilm erforderlichen Mehranlagen außerordentlich gering sind, so daß derartige Umstellungen in kurzer Zeit und mit geringem Aufwand durchgeführt werden können.

Vom Standpunkt des Photoamateurs und Photohändlers aus betrachtet, ist die Unabhängigkeit von Zentralstellen, die infolge ihrer Ausstattung mit komplizierten Entwicklungsmaschinen allein die Ausarbeitung photographischer und kinematographischer Filmaufnahmen vornehmen können, von Bedeutung; nicht nur jeder Photohändler, sondern auch jeder Amateur ist in der Lage, seine Photoaufnahmen selbst einwandfrei zu entwickeln.

Der dreischichtige subtraktive Farbenfilm

Als dreischichtiger subtraktiver Farbenfilm, dessen Entwicklungsergebnis reine silberfreie Farbbilder sind, besitzt naturgemäß der neue Agfa-Film eine grundsätzliche Überlegenheit über seine auf dem additiven Prinzip beruhenden Vorgänger.

Seine Aufnahmeempfindlichkeit ist ungefähr die gleiche wie die der höchstempfindlichen Umkehrfilme; es wird jedoch im allgemeinen zweckmäßig sein, etwas reichlicher zu belichten, bei kinematographischen Farbenaufnahmen also z. B. die nächst kleinere Blendennummer einzustellen, als man bei Schwarz-Weiß-Aufnahmen gewählt hätte.

Denn naturgemäß ist der Belichtungsspielraum bei Farbaufnahmen kleiner und Unterexpositionen wirken sich in mangelnder Brillanz der Farben aus, während kleine Überbelichtungen unschädlich sind. Weder bei der Aufnahme noch bei der Wiedergabe werden Filter, Spezialobjektive, Veränderungen an der Beleuchtungseinrichtung oder überhaupt irgendwelche Zusatzeinrichtungen benötigt.

Daß man mit dem gleichen Lichtfluß mindestens ebenso helle farbige wie Schwarz-Weiß-Bilder erzielt, wenn es sich um vollkommen silberfreie Farbfilme handelt, ist durchaus verständlich.

Die Überlegenheit gegenüber additiven Verfahren

Daraus ergibt sich die bekannte Überlegenheit dieser Systeme über die additiven Verfahren, bei denen die Projektion ein Vielfaches des gebräuchlichen Lichtflusses und daher grundsätzliche Abänderungen der Beleuchtungseinrichtung erfordert, während silberfreie Farbenfilme auf den normalen Projektoren vorführbar sind.

Es besteht daher auch die Möglichkeit, abwechselnd Schwarz-Weiß-Filme und Farbenfilme vorzuführen, ohne daß Unterschiede der Bildhelligkeit bemerkbar werden.

Der Mehrbedarf an Projektionslicht beim additiven Verfahren erklärt sich ohne weiteres aus dem Umstand, daß außer den Filtern des Projektors, die die Farbe liefern, im Wiedergabefilm das schwarze Bildsilber noch vorhanden ist, während die Wiedergabefilme des subtraktiven Verfahrens reine Farbstoffbilder enthalten.

Das schwarze Bildsilber absorbiert aber nicht nur Licht, sondern auch einen großen Teil der Wärmestrahlung; daraus ergibt sich der weitere Vorteil des silberfreien Farbfilms gegenüber dem silberhaltigen, daß er in geringerem Maße durch Erwärmung beansprucht wird, und daß durch geringere Beanspruchung des Films - bei Normalfilmen aus Nitrozellulose - die Feuergefährlichkeit wesentlich vermindert ist.
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Die Agfa Presse Vorführung am 17. Oktober 1936

Die Agfa zeigte in einer am 17. Oktober 1936 stattgefundenen Presse Vorführung außerordentlich gelungene Probeaufnahmen auf 16mm-Schmalfilm und Standphotos auf 35mm-Normalfilm, nachdem Prof. Eggert die Vorgeschichte dieses Verfahrens, die schwierigen Vorarbeiten, das Prinzip und die Technik des neuen Systems geschildert hatte.

In der nächsten Zeit kommt vorerst 16mm-Schmalfilm für die Farbenkinematographie und 35mm-Normalfilm in kurzen Stücken für die Standphotographie in den Handel. Damit sind aber die Arbeiten der Agfa keineswegs abgeschlossen, vielmehr sind die Laboratoriumsarbeiten schon weiter fortgeschritten.

In erster Reihe arbeitet man an der Aufgabe, die industrielle Herstellung von Duplikaten nach Farbfilmen vorzubereiten, um das Verfahren auch für das Großkino auswerten zu können. Eine weitere Aufgabe, an der bei der Agfa gearbeitet wird, besteht in der Herstellung komplementärfarbiger Negative, nach denen sich farbige Positive in beliebiger Zahl ziehen lassen.

Hierdurch wird sich die Verarbeitung des Materials noch weiter vereinfachen, weil dann sowohl beim Negativ- als beim Positivprozeß nur eine Entwicklung (die Farbentwicklung) vorzunehmen sein wird, während die Zweitentwicklung (Umkehrentwicklung) entfällt.

Schließlich ist man auch bemüht, das Verfahren für die Herstellung farbiger Papierbilder nach Farbnegativen auszubilden.
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