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Achtung: Artikel und Texte aus NS/Hitler-Deutschland 1933-45

Nach der Gleichschaltung der reichsdeutschen Medien direkt nach der Machtübernahme in Februar/März 1933 sind alle Artikel und Texte mit besonderer Aufmerksamkeit zu betrachten. Der anfänglich noch gemäßigte politisch neutrale „Ton" in den technischen Publikationen veränderte sich fließend. Im März 1943 ging Stalingrad verloren und von da an las man zwischen den Zeilen mehr und mehr die Wahrheit über das Ende des 3. Reiches - aber verklausuliert.
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Der Präsident der Reichsfilmkammer, Prof. Dr. Oswald Lehnich

In diesem Leitartikel sollte man ganz besonders sensibel auf den Sprachgebrauch des Vortragenden - Staatsministers a. D. Prof. Dr. Lehnich - achten. Jeder auf dieser Ebene wußte doch genau, daß alle "leitenden Personen" mit jüdischen Wurzeln bereits rausgedrängt oder gar "elemeniert" worden waren. Dieser Herr Oswald Lehnich (20. Juni 1895 - † 23. Mai 1961) war mit Sicherheit kein Mitläufer, sondern ein strammer Verehrer des Führers und damit ein williger Befehlsempfänger von Goebbels.
Aus seinem Lebenslauf : Lehnich trat 1931 der NSDAP (Mitgliedsnummer 855.209) bei. Später wurde er Mitglied der SS - am 20. April 1935 wurde er zum SS-Oberführer ernannt. Von 1933 bis 1936 gehörte er als württembergischer Wirtschaftsminister zum Kabinett Mergenthaler. Ebenfalls ab 1933 war er Gauwirtschaftsberater der NSDAP im Gau Württemberg-Hohenzollern. Von 1935 bis 1939 nahm er als Präsident der Reichsfilmkammer eine Schlüsselposition in der nationalsozialistischen Filmpolitik ein und war Herausgeber des 1937 bis 1939 erschienenen Jahrbuchs der Reichsfilmkammer.

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Leitartikel Heft 7 - April 1936

Die Anbahnung "gesunder" Produktionsverhältnisse
durch die Reichsfilmkammer

Der Präsident der Reichsfilmkammer, Staatsminister a. D. Prof. Dr. Lehnich, hatte kürzlich Vertreter der Presse um sich versammelt und erläuterte in außerordentlich fesselnden Darlegungen die Maßnahmen, die von ihm bisher zur Verwirklichung der Anregungen getroffen worden sind, welche Reichspropagandaminister Dr. Goebbels in seiner großen Rede am 14. Dezember 1935 zur Reorganisation des Filmschaffens gegeben hat.

Das Filmgeschäft - Lotteriespiel der Spekulanten ?

Prof. Dr. Lehnich ging bei seinen Ausführungen von der uns allen ja bekannten Eigenart des Filmgeschäfts aus, das eine sichere Kalkulation nur bis zu einem gewissen Grade zuläßt, das, wie ein Lotteriespiel, große Gewinne bei kleinem Einsatz ermöglicht, dabei Verluste ausschließt, wenn der gewissenlose Spekulant es versteht, diese auf andere Schultern abzuwälzen.
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Diese "Elemente" galt es zu "eleminieren" .......

Von den zahlreichen Elementen dieser Art mußte die Filmindustrie zunächst einmal befreit werden, um eine gesunde Wirtschaft aufbauen zu können und zum geeigneten Arbeitsfeld des ehrsamen Kaufmannes, des seriösen Kapitals zu werden - und sie wurde von ihm befreit!

  • Anmerkung : Das war der verdeckte Seitenhieb auf die Juden (und jeder der Zuhörer wußte genau, "wer" damit gemeint war) und der Sprachgebrauch suggerierte die NS-Rechtfertigung, ihnen ihr Vermögen zu beschlagnahmen oder direkt zu stehlen. Das reichsdeutsche Volk wurde von ihnen "befreit". (Siehe die Enteignung des Ullstein Verlages.)

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Der Film - eine kulturelle und politische Mission

Aber nicht nur die wirtschaftliche Atmosphäre, auch die wirtschaftlichen Methoden bedurften der Reinigung und Erneuerung, um die Produktion des deutschen Films, der nicht nur Handelsartikel sein soll, sondern kulturelle und politische Missionen zu erfüllen hat, in Bahnen zu lenken, die Gewähr dafür bieten, daß die Lösung dieser hohen Aufgaben mit der gebührenden Ruhe und Besonnenheit vor sich geht.

Der Präsident betonte, daß kein grundlegender Umsturz nötig und beabsichtigt sei; Erfahrungen langer Jahre, die sich bewährt und als zweckmäßig erwiesen haben, sollen auch in Zukunft ausgenutzt werden, er wies aber auf einen Rechenfehler hin, der immer und immer wieder begangen worden sei und zu Mißständen geführt habe, die beseitigt werden müssen:

Der saisonale Stillstand der Kinos im Sommer

Es ist ja bekannt, daß die Lichtspieltheater in den Sommermonaten schwächer besucht sind, als in der kühleren Jahreszeit, und wenn auch nur wenige Kinos ihre Pforten einfach schließen, so vermeidet es doch der Verleiher im allgemeinen, neue Filme, besonders solche größeren Ausmaßes, in den Sommermonaten zur Uraufführung zu bringen.

Dieser saisongemäßen Einteilung des Filmgeschäfts hat sich nun auch die Produktion angepaßt; um das Kapital nicht in fertiggestellten Filmen monatelang unter Zinsverlust stilliegen zu lassen, wurde es "allgemeiner Brauch", den Herstellungsbeginn der Filme so anzuberaumen, daß unmittelbar nach ihrer Fertigstellung auch die Einschaltung in das Programm der Lichtspieltheater erfolgen kann.
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Die Produktion - ein „Saisongeschäft"

Damit wurde auch die Produktion zum „Saisongeschäft" - sehr zu ihrem Nachteil, wie Prof. Lehnich ausführte; denn während vier bis fünf Monate lang im Jahr die Gesamtheit der Filmschaffenden wenig beschäftigt war, drängte sich in den anderen sieben bis acht Monaten alles in einer Weise zusammen, daß Schwierigkeiten, sei es in der Rollenbesetzung, der Ateliermiete, dem Filmschnitt, der Nachsynchronisierung, der Fertigstellung der Kopien usw. an der Tagesordnung waren, Schwierigkeiten, die sich vielfach nachteilig auf die Qualität des Films auswirken mußten.

Die gleichmäßige Verteilung der Filmherstellung auf das ganze Jahr

Hier griff der Präsident der Reichsfilmkammer zunächst ein, um eine gleichmäßige Verteilung der Filmherstellung auf das ganze Jahr herbeizuführen. Dies geschah nicht im Verordnungswege, sondern durch einen eingehenden Gedanken- und Meinungsaustausch mit der Industrie, der nun zur Aufstellung von Richtlinien seitens der Reichsfilmkammer geführt hat.

Diese Richtlinien, die den Produzenten, Atelierleitungen, Verleihern und anderen beteiligten Stellen zugegangen sind, enthalten den Unterbau für die neue Produktionsregelung.

Es ist ja selbstverständlich, daß es mit dem Hinweis auf die Vorteile einer gleichmäßigeren Verteilung der Filmherstellung auf das Jahr allein nicht getan sein konnte, es mußten Mittel und Wege gefunden werden, einen Ersatz für den Zinsverlust zu schaffen, den der längere Zeit brachliegende Film den Produzenten verursacht.

"Freiwillige" Nachlässe seitens der beteiligten Firmen

Er wird künftig darin bestehen, daß denjenigen Filmherstellern, welche in der bisher produktionsarmen Zeit, also vom 15. Dezember bis 15. März bzw. 15. April arbeiten, Nachlässe seitens der Ateliers, der Tonfilmpatenthalter, der Kopieranstalten und der Rohfilmfabriken, nicht zuletzt auch der Filmkreditbank, die heute etwa 60% aller deutschen Filme finanziert, gewährt werden.

Daß die Richtigkeit dieser Maßnahmen von der Filmindustrie erkannt wird, ist bereits erwiesen; denn wenn sich die Auswirkungen in vollem Maße auch erst im nächsten Winter geltend machen können, so haben doch, wie Prof. Lehnich ausführte, schon die Vorbesprechungen verschiedenen Firmen Anlaß gegeben, in der jetzt abgelaufenen Stillperiode danach zu verfahren.

Für die nachlaßgewährenden Stellen ist es sicherlich kein Opfer, das sie zu bringen haben, sind sie doch bisher gezwungen gewesen, den größten Teil ihrer eingearbeiteten Gefolgschaft auch in der beschäftigungsarmen Zeit zu halten und zu löhnen, und in der Zeit des Hochbetriebes erhebliche Beträge für Überstunden auszugeben, die ihnen künftig erspart bleiben, abgesehen davon, daß auch ihre Betriebe der Vorteile eines gleichmäßig ablaufenden Arbeitsganges teilhaftig werden.

  • Anmerkung : Ein Wunschdenken eines von Goebbels eingesetzten strammen regimetreuen Beamten, der aufgrund der einsetzenden Mangelwirtschaft von Goebbels angehalten wurde, die Prodduktionseinrichtungen auch der Filmindustrie materialsparend gleichmässig auszulasten, egal, ob das Sinn machte oder nicht.

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Lebhaft begrüßt wird die Neuregelung sicherlich auch ......

Lebhaft begrüßt wird die Neuregelung sicherlich auch von den künstlerisch Filmschaffenden werden: Für die Spielleiter vermindert sich die überaus große Schwierigkeit in der Rollenbesetzung, die sich vielfach dadurch ergab, daß die für eine bestimmte Rolle geeigneten Kräfte nicht erreichbar waren, für die Darsteller entfällt die oft außerordentliche Überanstrengung, der sie in der Zeit der „Drehsaison" ausgesetzt waren.

Anmerkung : Das stimmt so überhaupt nicht, weil ein großer Teil der Schauspieler in Saision im Sommer für den Film und danach in den Theatern angestellt / angeheuert wurde, die im Winter spielten und im Sommer mangels Besuchern Pause machen mußten.

Weitere "Regelungen", die ab jetzt streng zu beachten waren

Beiden Teilen, Spielleitern und Hauptdarstellern, dürfte die Bestimmung der Reichsfilmkammer hoch willkommen sein, daß die Produktionsfirmen gehalten sind, ihnen das fertige Drehbuch mindestens 10 Tage vor Beginn der Aufnahmen zuzustellen, damit ihnen die Möglichkeit gegeben ist, sich in Ruhe in die ihnen gestellte künstlerische Aufgabe zu vertiefen.

  • Anmerkung : Solch ein Unsinn, dem Drehbauchautor wie auch dem Regisseur vorzuschreiben, wann er das Drehbuch fertig zu haben hat, wenn die Ideen ununterbrochen sprudeln. (Siehe auch die Produktion "Die Geierwally")


Wie Prof. Dr. Lehnich ausführte, handelt es sich bei den im vorstehenden geschilderten Maßnahmen um die erste Etappe auf dem Wege der Reorganisation des wirtschaftlichen und künstlerischen Filmschaffens; dieser Weg wird weiter begangen, bis alle Voraussetzungen erfüllt sein werden, deren der deutsche Film bedarf, um seinen hohen Aufgaben kultureller, wirtschaftlicher und politischer Art voll gewachsen zu sein.
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  • Anmerkung : Aus anderer Literatur kann man entnehmen, daß die oben genannten "Regelungen" strikt zu befolgen waren. Andernfalls gab es richtigen nachhaltigen Druck aus dem Goebbels Ministerium und über die Filmkreditbank. Wenige Monate später konnte sich wirklich niemand mehr leisten, dagegen zu opponieren. Es war viel zu gefährlich geworden. Waren anfänglich nur die Medien gleichgeschaltet, wurde jetzt die gesamte Filmindustrie vereinnahmt.

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