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Achtung: Artikel und Texte aus NS/Hitler-Deutschland 1933-45

Nach der Gleichschaltung der reichsdeutschen Medien direkt nach der Machtübernahme in Februar/März 1933 sind alle Artikel und Texte mit besonderer Aufmerksamkeit zu betrachten. Der anfänglich noch gemäßigte politisch neutrale „Ton" in den technischen Publikationen veränderte sich fließend. Im März 1943 ging Stalingrad verloren und von da an las man zwischen den Zeilen mehr und mehr die Wahrheit über das Ende des 3. Reiches - aber verklausuliert.
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Neuere Fortschritte der angewandten Elektronen-Optik

aus Heft 14 - Juli 1936 von Dr. Paul Hatschek, D.K.G.

Über das Innere von Elektronenröhren

Vor etwa vier Jahren erfuhr die Öffentlichkeit zum ersten Male davon, daß der Verlauf von Elektronenstrahlen in ähnlicher Art und mit ähnlichen Mitteln wie der Verlauf von Lichtstrahlen beeinflußt werden kann. Ein Bericht in dieser Zeitschrift schilderte die Grundgedanken der neuen Elektronenoptik.

Danach werden durch geeignete Mittel im Innern von Elektronenröhren elektrische oder magnetische Felder erzeugt, die von den Elektronen auf ihrem Weg in der Richtung von der Kathode zur Anode durchlaufen werden müssen. Diese Felder verhalten sich den Elektronenstrahlen gegenüber ähnlich wie z. B. Glaskörper, die in den Lichtweg eingesetzt werden.

Abb. 1 zeigt eine der Erzeugungsmethoden elektrischer Felder mit „Linsenwirkung", wobei sog. Netz-Elektronenlinsen verwendet werden. Den beiden Luft-Glas-Grenzflächen der Glaslinse entsprechen zwei Doppelflächen aus feinmaschigen gewölbten Netzen, zwischen denen eine Spannung liegt. Die Elektronenlinse der Abbildung wirkt als Sammellinse, läßt sich jedoch einfach durch Umpolung zur Zerstreuungslinse machen.

Derartige Netz-Elektronenlinsen ergeben wegen der ungleichmäßigen Verteilung des elektrischen Felds in der Nähe der Netzdrähte nur eine geringe Abbildungsschärfe, weshalb man zu anderen Methoden der Erzeugung gewölbter elektrischer Felder griff.

Der Einsatz von Lochblendenelektroden und Mantellinsen

Abb. 2 zeigt, wie dieser Effekt durch Einsetzung von Lochblendenelektroden in den Strahlengang erreicht werden kann. Da jedoch auch magnetische Felder ebenso wie elektrische auf die Elektronenbahnen einwirken, so schuf man insbesondere magnetische Mantellinsen der in Abb. 3 gezeigten Form.

Es sind dies stromdurchflossene Spulen, die das Elektronenrohr außen umgeben und die von einem eisernen Mantel umgeben sind, der einen kreisförmigen Schlitz aufweist, wodurch ein ähnlicher Verlauf der magnetischen Kraftlinien wie der der elektrischen nach Abb, 2 erzielt wird. (Anmerkung : Dieses Konzept wurde noch inden 1950er jahren beiden Superorthicon Kameras angewandt.)

Der grundsätzliche Unterschied

Der grundsätzliche Unterschied zwischen den Netzlinsen nach Abb. 1 und den Elektronenlinsen nach Abb. 2 und 3 besteht darin, daß sich bei den letzteren das elektrische Feld und damit der Brechungskoeffizient der Linse nicht sprunghaft, sondern allmählich ändert.

Elektronenlinsen dieser letzteren, heute fast ausschließlich verwendeten Typen ähneln daher mehr der menschlichen Augenlinse, die einen geschichteten Bau mit von außen nach innen zunehmenden Brechungsexponenten hat, als den normalen Glaslinsen der Optik.

Die Berechnung derartiger geschichteter Linsen und damit auch analog geschichteter elektrischer oder magnetischer Felder kann entweder schichtenweise (Methode Gullstrand) oder bei Annahme der Homogenität und eines mittleren Brechungskoeffizienten (Methode Helmholtz) erfolgen.

Beherrschung des fadenförmigen Gaußschen Raums

In den abgelaufenen vier Jahren konnte die Elektronenoptik den gleichen Weg zurücklegen, zu dem ihre Vorläuferin - die Lichtoptik - mehrere Jahrzehnte brauchte: von der Erkenntnis und Beherrschung des fadenförmigen Gaußschen Raums nächst der optischen Achse zu den weitgeöffneten Bündeln der angewandten Optik der Praxis.

An die theoretischen und rechnerischen Arbeiten verschiedener Forscher, die die vollkommene Analogie der Bildfehler auf den Gebieten der Licht- und der Elektronenoptik klarstellten, schloß sich der experimentelle Nachweis.

Astigmatische Bildfehler können insbesondere dadurch eintreten, daß schiefe Elektronenstrahlenbündel in die Elektronenlinse eintreten oder dadurch, daß die Elektronenlinse selbst Deformationen aufweist, welcher letztere Fall auf dem Gebiet der Elektronenoptik häufiger als auf dem der Glasoptik eine Rolle spielt.

Zwei Versuchsanordnungen

Es wurden zum Nachweis der Analogie zwei verschiedene Versuchsanordnungen hergestellt. Bei der einen war die Elektronenlinse symmetrisch zur Strahlenachse aufgebaut, während die Elektroden schief zu ihr eingeführt waren, so daß der Elektronenstrahl schief in die Elektronenlinse eintrat.

Bei der anderen Anordnung wurde eine normale Braunsche Röhre verwendet, die sie umgebende Eisenmantellinse jedoch schief gestellt, wodurch praktisch der gleiche Effekt des schiefen Strahleintritts erzielt wurde.

Durch Verschiebung des Fluoreszenzschirms in der Richtung der Strahlachse gelang es zu zeigen, daß der Querschnitt des Elektronenbündels sich in der Achsenrichtung genau in der gleichen Weise verändert, wie der Querschnitt des astigmatischen Lichtbündels.

Es entsteht also auf dem Schirm an einer bestimmten Stelle der „Kreis kleinster Verwirrung", der sich beiderseits dieser Stelle zu einem Strich deformiert, wobei die beiden Striche senkrecht zueinander stehen. Dieselbe Erscheinung tritt auf, wenn man die Elektronenlinse dadurch deformiert, daß man den Querschnitt der Eisenmantelspule elliptisch statt kreisförmig gestaltet.

Interessant und für die Praxis (z.B. Fernsehen und Tonaufzeichnung mit Braunscher Röhre in Zackenschrift) wichtig ist die experimentelle Feststellung einer dritten Form von elektronenoptischem Astigmatismus, der als Ablenkplattenfehler zu bezeichnen ist.

Er tritt dann ein, wenn die Ablenkplatten von der Anodenspannung verschiedene Spannungen aufweisen, weil dann die Felder am Rand der Ablenkplattenpaare als elektronenoptische Zylinderlinsen wirken, so daß die analoge Erscheinung eintritt wie bei Einsetzung von Zylinderlinsen in den Gang von Lichtstrahlen, also Astigmatismus.
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Öffnungsfehler oder Zonenfehler

Die Öffnungsfehler oder Zonenfehler der Linsenabbildung beruhen bekanntlich darauf, daß die Schnittweite randnaher und randferner Strahlen eine verschieden große ist. Statt eines Schnittpunktes bildet sich daher die bekannte Kaustik aus, eine Zerstreuungsfigur mit ausgeprägter Spitze, die auf elektronenoptischem Gebiet in analoger Weise wie in der Lichtoptik dadurch deutlich erkennbar gemacht und somit nachgewiesen wurde, daß man den Schirm in der Strahlrichtung anordnet.

Ebenso konnte die Koma, die durch unsymmetrische Ausblendung der Kaustik infolge ungünstiger Anordnung der Blende entsteht, auf dem Fluoreszenzschirm sichtbar gemacht werden. Selbstverständlich treten in der Elektronenoptik auch alle übrigen Bildfehler auf, unter denen die Farbfehler (Chroma) besonders interessant sind.

Sie äußern sich selbstverständlich nicht durch Farbigkeit, sondern durch Unschärfe und treten dann auf, wenn die Geschwindigkeit der bilderzeugenden Elektronen nicht genügend homogen ist.

Die Beherrschung der Technik führte zum Elektronenmikroskop

Die eingehende Beschäftigung mit den verschiedenen Fragen der angewandten Elektronenoptik führte zu einem derartigen Grad der Beherrschung der einschlägigen Technik, daß man in die Lage versetzt wurde, einwandfrei arbeitende Geräte der Praxis zu schaffen, die elektronenoptischer Natur sind.

In erster Reihe ist hier das Elektronenmikroskop zu erwähnen, dessen schematischen Aufbau Abb. 4 zeigt. Die Anordnung seiner Elektronenoptik ist der Optik des Mikroskops nachgebildet, und es finden darauf die Gesetze der Lichtoptik Anwendung.

Gerade aus den lichtoptischen Gesetzen läßt sich aber die grundsätzliche Überlegenheit des Elektronenmikroskops über das gewöhnliche Mikroskop in bezug auf das Auflösungsvermögen ableiten.

Die kleinste vom Licht noch auflösbare Strukturbreite

Bekanntlich hat Abbe gezeigt (Anmerkung : rechnerisch nachgwiesen), daß die kleinste von einem Lichtmikroskop noch auflösbare Strukturbreite gleich dem Quotienten aus Wellenlänge durch numerische Apertur ist.

Bei einer Lichtwellenlänge von 0,55 und der erreichbaren maximalen Apertur von 1,3 ergibt sich für die kleinste Strukturbreite der Wert von 0,4um. Hingegen ist für das Auflösungsvermögen des Elektronenmikroskops die "de Broglie"-Wellenlänge der abbildenden Elektronen maßgebend, die 10 hoch -8 cm x Wurzel aus 150/U beträgt, worin U die Voltgeschwindigkeit bedeutet.

Ueberdies kann man nach den Ergebnissen der bisherigen Versuche mit einer numerischen Apertur von 0,02 rechnen. Bei Anlegung von Spannungen von nur 1.500 Volt gelangt man damit bereits zu einem um zwei Zehnerpotenzen besseren Auflösungsvermögen, es ist jedoch durch Anlegung entsprechend höherer Spannungen ohne weiteres ein um drei Zehnerpotenzen besseres Auflösungsvermögen erzielbar.
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Der Stand von Heute (1936 !)

Schon heute hat man bei den üblichen technischen Ausführungsformen des Elektronenmikroskops das gleiche Auflösungsvermögen wie beim Lichtmikroskop und bei schwächeren Vergrößerungen die gleiche Bildschärfe erreicht. Es besteht also kein Zweifel, daß man durch die Verbesserung der Elektronenoptik und andere technische Maßnahmen zur Konstruktion von Elektronenmikroskopen wird gelangen können, deren Auflösungsvermögen das des Lichtmikroskops vielfach übertrifft.

Selbstverständlich wird das Anwendungsgebiet von Elektronenmikroskopen stets ein kleineres als das des Lichtmikroskops bleiben, weil nur solche Oberflächen prüfbar sind, die Elektronen aussenden.

Damit ist man aber durchaus nicht auf die Betrachtung von Kathodenoberflächen beschränkt, vielmehr kann man auch andere Metallflächen durch Beschießung mit Kathodenstrahlen zur Sekundäremission veranlassen und solche Sekundärstrahler im Elektronenmikroskop untersuchen.

Versuchsreihen hierüber sind bereits durchgeführt worden. Insbesondere für mineralogische und metallurgische Untersuchungen eröffnet sich hier ein neues Feld.

Die Länge der braunschen Röhre durch eine Elektronenlinse verkürzen

Auf den Gebieten der Fernseh- und Kinotechnik interessieren Braunsche Röhren, bei denen der Kathodenstrahl einen möglichst kleinen und scharf begrenzten Lichtfleck auf dem Fluoreszenzschirm
erzeugt, und bei denen möglichst große Strahlablenkungen durch möglichst kleine Ablenkspanungen erzielt werden können.

Die Entwicklung dieser Typen Braunscher Röhren ist im Laufe der
letzten Jahre dadurch charakterisiert, daß die erste der beiden Forderungen durch elektronenoptische Maßnahmen immer vollkommener erfüllt wurde. Dabei blieb zunächst die Dimension der Braunschen Röhren eine recht unhandliche, weil man als einzigen Weg zur Erzielung großer Lichtfleckbewegung mittels kleiner Ablenkspannungen den sah, die Strahllänge, also gleichsam den Lichtzeiger, möglichst lang zu machen.

Neuestens entschließt man sich dazu, die Ablenkspannungen an einer solchen Stelle auf den Kathodenstrahl einwirken zu lassen, an der dessen Voltgeschwindigkeit eine geringe ist, und durch Zwischensetzung einer geeigneten Elektronenlinse die kleinen Strahlablenkungen auf dem in geringer Entfernung befindlichen Fluoreszenzschirm e1ektronenoptisch vergrößert abzubilden.

Hierdurch wird es möglich, zu einer Verkleinerung der Braunschen Röhre auf die Größe von Verstärkerröhren zu gelangen.
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Einfluß auf Verstärkerröhren mit Gittern

In jüngster Zeit haben die Erkenntnisse der Elektronenoptik überraschenderweise auf ein anderes Gebiet eingewirkt, nämlich das von Verstärkerröhren mit Gittern. Die theoretische Betrachtung der Funktion etwa von Trioden oder Eingitterröhren lief auf die folgende schematisierende Vereinfachung hinaus.

Man dachte sich eine Röhre mit Gitter und Anode in bezug auf den Emissionsstrom durch eine Röhre mit nur einer Anode ersetzt, die an der Stelle des Gitters liegt und deren Spannung gleich der „Steuerspannung" (Ust = Ug + DUa) ist, gleichgültig, wie sich die Steuerspannung im einzelnen aus der Gitter- und Anodenspannung zusammensetzt. Tatsächlich wurde aber neuestens nachgewiesen, daß sich das Gitter gemäß Abb. 5 als ein System von Elementarlinsen verhält, wodurch der Stromübergang zur Anode größtenteils in Form gerichteter einzelner Strahlenbündel erfolgt.

Damit entstehen die besprochenen „Bildfehler", unter denen hier der Zonenfehler oder die Entstehung von Kaustiken jedes einzelnen Strahlenbündels interessiert.
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Vierpolröhren und weitere Konstrukte

Es wird bei Vierpolröhren, also z. B. Röhren mit einem Schirmgitter, durchaus nicht gleichgültig sein, ob die Schirmgitterdrähte genau hinter den Drähten des Steuergitters oder in der Mitte zwischen ihnen stehen bzw. in die Spitzen der Kaustik eintauchen.

Bei gegebenem Gesamtstrom der Röhre, der sich aus dem im Anoden- und dem im Schirmgitterkreis fließenden Strom zusammensetzt, ist die Stromverteilung auf die beiden Kreise von der eben erwähnten Lage des Schirmgitters abhängig, d. h. bei Einhaltung der erstbeschriebenen Stellung wird der Stromanteil des Schirmgitterkreises unvergleichlich kleiner als bei der zweitbeschriebenen Stellung sein.

Man erhält also etwa im ersten Fall das viel günstigere vollausgezogene J/U - Kennlinienpaar der Abb. 6, während man im zweiten Fall das ungünstigere gestrichelte Kennlinienpaar erhalt. Es besteht jedoch auch bei Dreipol- oder Eingitterröhren dann der Wunsch nach minimaler Stromaufnahme des Gitters, wenn die Röhre als Endröhre in B-Schaltung benutzt, das Gitter also ins Positive gesteuert wird, um die bekannten0), durch Gitterstrom verursachten Ueber-tragungsverzerrungen ohne besondere Kompensationsschaltung von vornherein auszuschließen oder doch auf ein Minimum zu beschränken.

Als Mittel hierzu wurde die Anwendung von Profilkathoden der in Abb. 7 gezeigten Form gefunden, denen im Effekt die Aequipotentialkathode mit wendelförmigen Vertiefungen gleichkommt. Die neue Batterieröhre KDD 1 stellt die erste Verwirklichung dieses Prinzips dar, durch das ein Gitter-Anodenstromverhältnis 1:500 erzielt werden konnte, während es bei ebenen Kathoden 1:5 betrug.

Dieser flüchtige Überblick über den augenblicklichen Stand der angewandten Elektronenoptik, die sich in unaufhörlicher Entwicklung befindet, zeigt ihre große theoretische und praktische Bedeutung und läßt hoffen, daß ihr in den folgenden Jahren viele weitere Erfolge beschieden sein werden.
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