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Tagesaktuelle Gedanken - Aufzeichnungen von 1943 bis 1945

Dieses Kriegs-Tagebuch gibt uns einen sehr nachdenklichen Eindruck von dem, das in den oberen Sphären der Politik und der Diplomatie gedacht wurde und bekannt war. In ganz vielen eupho- rischen Fernseh-Büchern, die bei uns vorliegen, wird das Fernsehen ab 1936 in den Mittelpunkt des Weltinteresses gestellt - und hier kommt es überhaupt nicht vor. Auch das Magnetophon kommt hier nicht vor. Alleine vom Radio wird öfter gesprochen. In den damaligen diplomatischen und höchsten politischen Kreisen hatten ganz andere Tagesthemen Vorrang. Und das kann man hier sehr authentisch nachlesen. Im übrigen ist es sehr ähnlich zu den wöchentlichen Berichten des Dr. Wagenführ in seinen Fernseh Informationen.

Diese Aufzeichnungen hier sind aber 1963 - also 20 Jahre danach - getextet worden und wir wissen nicht, ob einzelne Absätze nicht doch etwas aufgehübscht wurden. Auch wurde das Buch 1963 für die alte (Kriegs-) Generation geschrieben, die das alles noch erlebt hatte.

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Montag, den 8. Februar 1943 - Über die Kunsthändler

Besuche bei Kunsthändlern, die gespannt sind, ob sie auf Grund der neuen Verfügungen werden schließen müssen. Die Frage, ob die Antiquare offen halten dürfen oder nicht, mag nebensächlich erscheinen. Doch spielen die Antiquare gegenwärtig eine wichtigere Rolle, als man annimmt. Sie gehören zu den wenigen Geschäftsbranchen, die nicht vom Preisstopp erfaßt wurden. Wer sich in diesem Gewerbe auskennt, macht erstaunliche Entdeckungen. Die Preise für Kunstgegenstände liegen heute um dreißig Prozent höher als 1939.

Schon damals waren Antiquitäten als Geldanlage gesucht. Am deutlichsten manifestiert sich das bei den Versteigerungen von Hans W. Lange, der in der Bellevue-Straße gegenüber dem Hotel Esplanade das letzte große Kunstauktionshaus Berlins führt. Als Nachfolger von Lepke, Huldschinsky und anderen ist er heute der einzige Berliner Auktionator von internationalem Ruf. Seine letzte Versteigerung fand am 27. Januar statt. Trotz der schwierigen Zeitläufe bringt Lange bei solchen Anlässen noch immer einen auf bestem Papier gedruckten, reich bebilderten Katalog heraus. Freddy Horstmann gab aus dem Nachlaß seiner Schwiegermutter Schwabach einen Holländer des 18. Jahrhunderts, eine Waldlandschaft von Koekoek, in dieser Versteigerung. Das Bild hat in normalen Zeiten einen Wert von ca. RM 4000,- und war für die Auktion mit RM 25.000,- geschätzt worden. Es wurde von der Münchener Galerie Almas für RM 64.000,- erworben. Die Preise für Plastiken liegen womöglich noch höher.

Der Handel mit antiken Möbeln in 1943

Unter den Möbeln, die gegenwärtig in Berlin angeboten werden, befinden sich viele französischen Ursprungs, vor allem Sitzgarnituren im Stile Louis XV. und Louis XVI. Die Antiquare behaupten, daß sie diese Möbel auf einer Versteigerung des Finanzamtes Berlin erworben hätten. Offenbar stammen sie aus Frankreich. Obwohl diese französischen Möbel reißend Absatz finden, bilden sie für ihre neuen Besitzer keine ungetrübte Freude. Auf rätselhafte Weise verschwanden auf dem Transport nach Berlin die Auflegekissen. Neue Kissen zu beschaffen, ist schwer, Überzüge zu finden, die mit der Restbespannung zusammenpassen, unmöglich.

Viele Berliner Kunsthändler sperrten bei Kriegsbeginn ihre Läden zu und rückten ein. Andere haben am Verkauf ihrer Lager kein übermäßiges Interesse. Sie veräußerten gerade so viel, wie sie zum Leben benötigten. Der Einkauf stößt auf große Schwierigkeiten. Die übrigen werden über die Zwangsschließung kaum sehr betrübt sein, da der Staat für ihren Lebensunterhalt aufkommen muß. Für den Kunstfreund entfällt eine der wenigen Ablenkungen, die es noch gab.
In der Bevölkerung wird besprochen, daß Dauerwellen verboten werden sollen. Ein Friseur erzählte mir, daß er auf Grund dieses bisher nicht bestätigten Gerüchts für sechs Wochen Vorbestellungen habe. Der gute Mann war verzweifelt, da sein Salon nur ein tägliche Kapazität von vier Dauerwellen hat. Er bezeichnete Dauerwellen als das tragende Element seiner Kunst.

Seite 19 - Feb 1943 - Die Luxusläden müssen zumachen

Auch die Luxusläden, an deren Fortbestehen das Regime ein »optisches Interesse« hatte, müssen zumachen, darunter Geschäfte in repräsentativen Straßen, die noch allerlei Herrlichkeiten ausstellten, die man nicht kaufen konnte.

Der Mangel an den notwendigsten Gebrauchsgegenständen ist so groß geworden, daß selbst die einfachsten Dinge nur im Schwarzhandel oder auf dem Tauschwege erhältlich sind. In seinen erläuternden Ausführungen zu den geplanten Maßnahmen gab der Reichswirtschaftsminister Funk der Presse bekannt, daß kürzlich Scheuerbesen gegen Billette zu Furtwängler-Konzerten getauscht worden seien. Dies war mir neu, wenngleich ich gehört hatte, daß Musikfreunde Butter- oder Fleischmarken für die Karte zu einem Furtwängler-Konzert gaben.

Über die Verluste von Stalingrad

Die aus Stalingrad evakuierten Verwundeten werden vom OKW mit 46.000 angegeben. Dies sind mehr als man erwarten durfte. Nach der Angabe des OKW betrug die Gesamtstärke der in Staiingrad eingeschlossenen Armee 246.000 Mann.

Die Russen behaupten, insgesamt 91.000 Gefangene gemacht zu haben. Dies würde bedeuten, daß 137.000 Stalingrad-Kämpfer, verwundet oder gefangen, die Katastrophe überlebt haben. Die Zahl der Toten würde demnach 109.000 Mann betragen.

Eventuell Rückzug auf die Krim ??

Die militärische Lage in Südrußland ist weiter sehr ernst, Rostow von drei Seiten umzingelt. Es besteht die Gefahr, daß die zwischen Don und Donez vorgehenden russischen Armeen nach Süden einschwenken, in Richtung Taganrog vorstoßen und unsere bei Rostow stehenden Kräfte einkreisen.

Sollte es dazu kommen, wäre nicht nur das Schicksal der Südfront besiegelt. Von den im Raum von Krasnodar im Nordkaukasus eingeschlossenen Truppen hofft man, daß sie sich über die Meerenge von Kertsch auf die Krim absetzen können.

Die Möglichkeit, den Krieg zu verlieren ........

Trotz der Sprache der Heeresberichte ist die Schwere der Situation dem Volke keineswegs vertraut. Die Möglichkeit, daß wir im Osten militärisch den Krieg verlieren könnten, wird von den meisten, auch den gebildeten Menschen, nicht ernst genommen. Sie scheint außerhalb ihrer Vorstellung zu liegen.

Der Erhaltung der Moral mag dies dienlich sein, denn der Deutsche neigt dazu, in schwierigen Lagen den Kopf hängen zu lassen.

Andererseits rächt es sich jetzt, daß nach dem ersten Weltkrieg das Schlagwort »im Felde unbesiegt« aufkam. Es rief Illusionen hervor, die bis heute andauern.

Sperrung von Restaurants und Nachtlokalen sinnlos

Dem Ruf nach vermehrtem Kriegseinsatz kommt die Zivilbevölkerung willig nach. Jedermann scheint bereit, sein Äußerstes herzugeben, solange er in den ihm auferlegten Einschränkungen einen Sinn erkennt.

Die Sperrung von Restaurants und Nachtlokalen wird kaum als kriegsentscheidende Maßnahme gewertet. Vor einigen Tagen sagte mir ein Kellner: »Werden denn die Russen auch stehen bleiben, wenn sie Horcher schließen?«

Kein Vertrauen mehr zu den Italienern

Ciano ist zum italienischen Botschafter beim Vatikan ernannt worden. Die Möglichkeiten des Vatikans als Vermittler von Friedensverhandlungen sind so offenliegend, daß Cianos Akkreditierung beim Heiligen Stuhl einer Demonstration gleichkommt.

Viele mit der römischen Situation Vertraute sind davon überzeugt, daß die italienische Politik sich zu drehen beginnt und Ciano, dem man schon lange eine Gegnerschaft gegen die Achse nachsagt, dabei eine wichtige Rolle spielen wird.

In der hiesigen italienischen Botschaft macht sich eine wachsende Gereiztheit bemerkbar. Man verhehlt nicht, daß sich Italien durch die deutschen Voraussagungen über die günstige Entwicklung im Osten irregeleitet fühlt und den Ansatz zu einer neuen Politik finden müsse.

Seite 21 - Dienstag, den 9. Februar 1943 - Teilzerstörung von Marseille

Die »Frankfurter Zeitung« vom 7. Februar 1943 enthält einen Bericht über die "Niederlegung" des alten Hafenviertels in Marseille. Es wird so getan, als ob die Initiative zur Demolierung dieses Stadtteils vom Marseiller Stadtrat ausgegangen sei. In Wirklichkeit lag ein Befehl der deutschen Besatzungsbehörden, des Militärbefehlshabers, des SD usw. vor. Ob diese Maßnahme militärisch notwendig ist, vermag ich nicht zu beurteilen.

Vor einiger Zeit soll der Führer von der Absicht der deutschen Zivilverwaltung in Frankreich erfahren haben, die pornographische Literatur in Frankreich zu verbieten und alle Zeitschriften erotischen Inhalts nach deutschen Gesichtspunkten neu zu »gestalten«.

Hitler wies dieses Vorhaben als typisch deutschen Versuch, andere Völker zu belehren, zurück. Er hat in diesem Zusammenhang geäußert: »Mir graut schon vor dem Augenblick, in dem die deutschen Ostbehörden anfangen, jeden Russen mit Seife abzuschrubben.«

Deutscher Machiavellismus

Um so alberner ist es, wenn von der deutschen Presse die Niederlegung des alten Hafens in Marseille mit moralischen Notwendigkeiten begründet wird. Die Engländer regieren in Indien, ohne sich jemals in die inneren Eigentümlichkeiten dieses Landes eingemischt zu haben. Die Bettler, Fakire, Sadus, Gaukler und heilige Rinder, das Kastenwesen und andere Einrichtungen wurden von ihnen unangetastet gelassen.

Die nationalsozialistische Herrschaft über besiegte Völker huldigt ebenso sehr dem Machiavellismus wie sie vom deutschen Weltverbesserungswahn besessen ist.

In einem Flugblatt, das über den russischen Linien abgeworfen wird, wendet sich ein »Russisches Comite« unter der Führung der Ex-Sowjetgeneräle Wlassow und Malyschkin an die Bolschewisten und fordert sie auf, das Joch Stalins abzuschütteln.

Meines Wissens ist es das erste Mal, daß von uns der Versuch unternommen wird, eine nationale russische Bewegung zu schaffen. Vor anderhalb Jahren hätte dieses Flugblatt vielleicht Erfolg gehabt.

Wie anders wäre heute unsere Lage im Osten, wenn wir im Anschluß an unsere Siege eine konstruktive Ostpolitik begonnen hätten. Wie anders würden unsere Soldaten heute von der Bevölkerung unterstützt werden, wenn wir den baltischen Staaten, Weißrußland und den kaukasischen Völkern die volle Autonomie gewährt hätten.

Es hat nicht an Leuten gefehlt, die rechtzeitig auf die Notwendigkeit einer solchen Politik hinwiesen. Ihre Vorschläge blieben ungehört. Statt dessen erkläre man den Osten zum Kolonialgebiet und seine Bewohner zu Kulis. Das Ergebnis ist die Partisanenbewegung, die uns heute auf eine Weise zu schaffen macht, die zu Beginn des Ostkrieges für unvorstellbar gehalten worden wäre.

Seite 23 - Freitag, den 12. Februar 1943 - Die Türkei und Ostasien

Die langerwartete Churchill-Rede enthält zwei wichtige Hinweise. Großbritannien wird die Türkei bewaffnen, um sie »zu einer soliden Schranke gegen einen Angriff, gleichgültig welcher Seite«, zu machen. Dies bedeutet, daß Churchill die Türken gegen Rußland stark machen will, und daß der Plan, von der Türkei aus unsere Südostflanke aufzureißen, aufgegeben wurde.

Der zweite Punkt betrifft Ostasien. Da die Amerikaner befürchten, von den Engländern beim Holen der Kastanien aus dem japanischen Feuer allein gelassen zu werden, hat Churchill in Casablanca versprechen müssen, nach Beendigung des europäischen Krieges die Streitmacht Großbritanniens im Fernen Osten einzusetzen.

Deutsche Rohstoffarmut zeigt merkwürdige Blüten

Vom Brandenburger Tor reißt man die Kupferdächer herunter. Die Kirchen haben schon im Laufe des vergangenen Jahres die Mehrzahl ihrer Glocken hergeben müssen. Derartige Demontagen hat es in allen Kriegen gegeben. Schon bald nach der Erfindung des Schießpulvers goß man aus Kirchenglocken Kanonenkugeln.

Die Vorstellung, daß diese Kupfer- und Bronze-Sammlung im modernen Krieg ins Gewicht fallen könnte, fällt schwer. Auch in England macht man viel Aufhebens um das Niederlegen von Parkgittern und schmiedeeisernen Toren, aus denen »scrap iron« gewonnen werden soll.

Berlin wird "befestigt"

Auf dem Pariser Platz und dem Wilhelmsplatz finden Erdarbeiten statt, die der Aushebung von Luftschutzräumen dienen. Das Gesicht Berlins entstellt sich mehr und mehr, seine architektonische Form steht unter einem Unstern. Seit Schinkel war es keinem Berliner Baumeister vergönnt, Dauerhaftes zu schaffen. Die gewaltigen Bauvorhaben des Dritten Reiches blieben durch den Krieg stecken.

An vielen Stellen der Stadt sind die Neubaupläne über den Abriß von Straßenzeilen nicht hinausgekommen. Die Gegend an der Potsdamer Brücke erweckt den Eindruck, als habe hier ein Erdbeben stattgefunden.

Kein Mensch weiß, über wie viele Massenluftschutzräume Berlin verfügt. Kürzlich sah ich ein festungsartiges Gebäude an der Ecke Karlstraße-Schumannstraße für diesen Zweck entstehen. Die Bunkerfestung am Bahnhof Zoo enthält auch Luftschutzräume. Ein anderer Großbunker ist am Kreuzberg errichtet worden. Im übrigen beschränkt sich die Anlage bombensicherer Unterkünfte auf Dienststellen, wie das Auswärtige Amt, die italienische Botschaft und das Schloß Bellevue.

Diplomaten Essen beim Hochadel

Souper bei Frederico Diez mit Franz Egon und Gloria Fürstenberg, Fia Henschel und Maritza Liechtenstein. Der Plattenspieler intonierte mexikanische Musik. Nach dem Essen schoß man mit einem Luftgewehr nach einer Scheibe auf Fredericos Schreibtisch.

Gloria gewann ein Paar seidene Strümpfe, Fia eine Flasche Parfüm. Diez, eine der amüsantesten Erscheinungen des diplomatischen Korps, teilt seine Zeit zwischen Berlin und Paris. Er besitzt Weingärten in Jerez und bekleidet an der spanischen Botschaft des Rang eines Sekretärs. Seine eleganten Manieren und seine Generosität haben die hiesige Gesellschaft im Sturm erobert. In Paris pflegte Diez für seine Berliner Freundinnen die neuesten Hutmodelle, Handtaschen, Seidenstrümpfe, Stoffe und Clips einzukaufen.

Wie die meisten Diplomaten, holt Diez die Gäste seiner Diners im Auto ab und bringt sie auch wieder nach Hause. Obschon die Wohnung von Diez nur zwei Zimmer, Bad und Küche umfaßt, ist sie mit einer Köchin und einem Stubenmädchen besetzt.

Der Feind hört mit, in allen Sprachen

Während die Köchin fließend Englisch beherrscht, verfügt das italienische Hausmädchen über französische und spanische Sprachkenntnisse. Da beide außerdem Deutsch verstehen, ist es unmöglich, eine Unterhaltung zu führen, die von Domestiken nicht überhört wird.

Wie die übrigen Botschaftsmitglieder, seufzt Diez unter dem Regiment des neuen Botschafters Vidal, der mit großer Pedanterie die Einhaltung der Dienststunden kontrolliert. Um so mehr trauern die Spanier Vidals Vorgänger, dem Grafen Mayalde, nach.

Ohne persönlichen Ehrgeiz, die Natürlichkeit selbst, sehr vermögend, mit einer Enkelin des Grafen Romanones und Schwester des Herzogs von Pastrana vermählt, erfreute sich dieser Aristokrat größter Beliebtheit.

Mit dem zu Beginn des Bürgerkrieges ermordeten jungen Primo de Rivera befreundet, trat Mayalde dem Ideenkreis der Falange näher, wurde Polizeichef von Madrid, spanischer Innenminister, Botschafter in Berlin und später Alcalde (Bürgermeister) von Madrid. Die Gemahlin des Botschafters, Gräfin Casilda Mayalde, gehört zu den reizvollsten Spanierinnen, denen ich je begegnet bin. Hochintelligent und vielseitig gebildet, leidenschaftlich und offen, stolz und melancholisch, belebt sie jedes Gespräch durch temperamentvollen Widerspruch.

Ein Einblick in die spanische Botschaft

Mit dem Eintreffen Vidals veränderte sich auch das gesellschaftliche Bild der spanischen Botschaft. Bei dem Empfang, den der Botschafter anläßlich der Übergabe seines Beglaubigungsschreibens gab, wurden mit weißem Käse bestrichene butterlose Brote und kalter Rotkohl serviert. Obwohl niemand an einer zeitgemäßen Einfachheit der Aufmachung Anstoß genommen hätte, wurde diese offensichtliche Vernachlässigung der gastronomischen Seite eines diplomatischen Empfanges doch allgemein vermerkt.

Kleine Info aus Wien über Verluste Österreichs

Werner Schicht, der Seifengroßindustrielle aus Wien, der uns gestern abend besuchte, erzählte, daß vierzig Prozent aller Verluste an Gefallenen in Österreich in den letzten drei Monaten des vergangenen Jahres entstanden.

Montag, den 15. Februar 1943 - erneute Frontbegradigung

Die Russen haben Rostow und Woroschilowgrad besetzt. Wenn man sich der Gefahr einer erneuten Umklammerung entziehen will, bleibt nichts übrig, als die Front zu begradigen, was freilich dem Feind eine weitere Konzentration seiner Kräfte erlauben würde.

Ein anderes durch die Rücknahme der Front entstandenes Problem sind die Zugänge zur Krim, die wir offenhalten müssen, damit die aus dem Raum um Krasnodar und Noworissisk über die Meerenge von Kertsch zurückgehenden Truppen nicht abgeschnitten werden.

Alle bewegt die Frage, ob wir im Frühjahr oder Sommer wieder offensiv werden können. Hohe Offiziere vertreten die Ansicht, daß vor 1944 im Osten nicht wieder angegriffen werden kann.

Rosenberg soll gesagt haben, wir würden den Krieg gegen Rußland nicht gewinnen, solange wir nicht jeden Mann an die Front und jede Frau in die Fabriken schicken. Die Aufrechterhaltung des Familienlebens sei eine typische deutsche Gefühlsduselei.
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Einschränkung der Berichterstattung - auch über den Sport

Die Presseberichterstattung über Sportveranstaltungen soll eingeschränkt, wenn nicht eingestellt werden. Der Berufssport wird stillgelegt.

Am 1. März 1943 werden alle nicht kriegswichtigen Zeitschriften, darunter die Modejournale, zu erscheinen aufhören. Die Propagierung von Moden war ohnehin eine Farce, nachdem es kaum noch etwas zum Anziehen gibt.

Göbbels beschwichtigt mit kühner Behauptung

Im »Reich« stellt Goebbels die kühne Behauptung auf, daß sein Schreibtisch auf dem Wilhelmsplatz stehe und ihm jeder »Volksgenosse« bei der Arbeit über die Schulter sehen und ihm Ratschläge erteilen könne.

Vielleicht trifft dies für den engeren Bereich des Reichspropagandaministeriums zu. Die übrige Reichsführung weiß sich von solchen Mitarbeitern frei! Das öffentliche Leben ist so bürokratisch, die Leiter vieler Behörden sind so von einer chinesischen Mauer umgeben, daß sie sich kaum von ihren Referenten, geschweige von Leuten aus dem Volk sprechen lassen.

Gelangt, vom Zufall begünstigt, die Anregung eines Außenseiters nach oben, so trifft ihn der ganze Haß der Bürokratie. Auf vielen Dienststellen hat man sich mit großer Umsicht gegen bessere Einsichten organisatorisch verschanzt. Das Führerprinzip, weit davon entfernt, die Begabten zu fördern, wird benutzt, die Mittelmäßigen gegen die Intelligenz abzuschirmen.

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