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Es war das "Werk für Fernsehelektronik" in Ostberlin

Bei uns im Westen war es wirklich nur wenigen Eingeweihten und alten ehemaligen AEG Mitarbeitern von vor 1945 bekannt. Es gab nämlich in Berlin die sogenannte SIEMENS-Stadt im Nordwesten und im Südosten in Schönweide die verschiedenen AEG Firmen, also eine kleine AEG Stadt. Übrig geblieben nach der Wende ist außer virtuellen "Trümmern" ein kleines aber feines Museum auf diesem ehemaligen AEG-Gelände, der sogenannte "Industriesalon Schönweide".

Für die Wessis, die das hier lesen, sollte ich noch ergänzen, in diesen Hallen oder Gebäuden der AEG wurde ab 1931 der Welt erstes Magnetophon bei der AEG erfunden, entwickelt und hergestellt. Bei meinem Besuch im Industriesalon Schönweide, in diesem Museum, in 2019, wurde mir von Winfried Müller eine Broschüre übergeben, in der er die Geschichte dieses Werkes zwischen Kriegsende 1945 und etwa 1960 nachgeschrieben hat. Von ihm habe ich die Erlaubnis, die mir übergeben Dateien (die Word Version des Büchleins samt der Bilder) hier im Fernseh-Museum zu publizieren.

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Aus der Vergangenheit des Werks für
Fernsehelektronik

Technikgeschichte aus dem Industriesalon - Heft 6
Herausgeber Industriesalon Schöneweide

Winfried Müller schreibt über

"Markante Ereignisse 1945–1960"

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Inhalt (Seitenzahlen nur als Anhaltspunkte)

Über den Autor 2
Vorbemerkung – „Rückblick auf die ersten Nachkriegsjahre“ 4
Vorbetrachtung .. Röhrenwerke in Berlin 7
AEG Röhrenfabrik Oberspree (RFO) 8
Dr. Karl Steimel 8
Kein Interesse der Westalliierten 10
Schokin-Kommission 11
Gründung des LKVO in Hirschgarten 11
Befehl Nr. B-1. Russisch-Deutsches Leitungspersonal des LKVO 12
Walter Bruch (1908 – 1980) und die Fernsehnorm 625 Zeilen 16
Werksgliederung des Oberspreewerkes, Stand 1.7.1946 17
Das deutsche Leitungspersonal 20
Breit angelegtes Entwicklungspotential 20
Monographien von Dr. Steimel und Dr. Kotowski 20
Verbot: Arbeiten an militärisch relevanten Objekten 20
LKVO firmiert ab 25. Mai 1946 als Oberspreewerk (OSW) – SAG-Betrieb 21
Die ersten Bauelementekonstruktionen, Nachentwicklungen, Neuentwicklungen 22
Leih- und Pachtgesetz 26
Oktalröhren, OSW-Röhren, Amerikaröhren 26
T-2-Programm „Leningrad“ 26
Nachsitzen 29
Versand in die Sowjetunion 29
Der 22. Oktober 1946 Aktion „Ossawakim“ 30
Ausgetrickst 30
Ziel der Bahntransporte: Frjasino 31
Nachwirkung im OSW durch „Ossawakim“ 32
Erneute Teilmontage 33
VEB 34
Rückkehr 34
Lochmaskenfarbbildröhre 35
Nachentwicklung von Telefunken-Senderöhren 36
Miniaturröhren, UKW-Ton und Fernsehsender, Studiotechnik 38
WF-Fernsehempfänger 38
Elektronenmikroskope 39
1960: VEB Werk für Fernsehelektronik 42
Bildquellen 43 .. ..
Literaturhinweise 43

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Über den Autor Winfried Müller

1934 Winfried Müller wurde in Oranienburg geboren.
1950–1954 Besuch der Runge-Oberschule in Oranienburg.
  Abitur 1954.
1954–1955 VEB Elektro Apparate Werke (EAW).
  Reparaturgehilfe im Rundfunkempfängerprüffeld,
  Erwachsenen-Qualifizierung: Facharbeiterzeugnis
  Mechaniker
1955–1958 Studium Funkgerätebau, Ingenieurschule für Schwermaschinenbau und Elektrotechnik
1958–1990 Rückkehr ins EAW, Wechsel zum VEB Werk für Fernmeldewesen/Werk für Fernsehelektronik,
  Gruppenleiter in der Abt. Anwendungstechnik
  Tätig auf den Gebieten Gasentladungsröhren,
  LED- Bauelemente
  Veröffentlichungen in der Fachliteratur
1991–1993 ABM-Projekt: WF-Betriebsmuseum „Technik im Turm“
1994 Vorruhestand
2009 Industriesalon Schöneweide e.V.

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Vorbemerkung

Der Leser wird keinen geschlossenen Ablauf der Werksgeschichte vorfinden. Verzichtet wurde auf die Darstellung der Integration der verschiedenen, von den Sowjets gegründeten Wissenschaftlichen Büros (WTB), in das LKVO/OSW.

Schließlich wird auch nicht der Zusammenschluss der beiden „Großen“ im Hause, die Firma NEF (früher AEG FAO) mit dem OSW zum Werk für Fernmeldewesen-HF kommentiert. So wird auch nicht auf die spätere Ausgliederung der gerätebauenden Betriebsteile in die Eigenständigkeit (Messelektronik, Studiotechnik) eingegangen.
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Wichtig hingegen erscheint, an dominante Ereignisse und technische Aufgaben zu erinnern, die der heutigen Nachfolgegenerationen weitgehend unbekannt sind oder im Laufe der Zeit in Vergessenheit gerieten. Das betraf die materiellen Belastungen zur Erfüllung der Reparationsleistungen und die Deportation von Mitarbeitern und ihren Familien zur Arbeit in der Sowjetunion.

Heute, fast nicht vorstellbar, war der permanente Mangel an Lebensmitteln und Heizmaterial. Die Versorgung der Mitarbeiter des Werkes mit einer warmen Mahlzeit gehörte zu den sozialen Obliegenheiten der Werksleitung. In Stellengesuchen erwies sich der Hinweis auf eine Essensversorgung durch die eigne Werksküche als erfolgreich.

Abschließend hier „Rückblick auf die ersten Nachkriegsjahre!“, aufgezeichnet von der Sekretärin Helga Mertens des kaufmännischen Direktors
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Helga Merten schreibt einen Brief :

Rückblick auf die ersten Nachkriegsjahre (vermutlich aus 1975)

Da ich nunmehr auf eine 29-jährige Tätigkeit im jetzigen "WF" zurückblicken kann, möchte ich ein paar Zeilen aus meiner Anfangszeit hier schreiben.

Unser Betrieb hieß damals "Oberspreewerk" und war eine sowjetische Aktiengesellschaft (SAG) unter sowjetischer und deutscher Leitung. Ich wurde am 1. November 1946 als Sekretärin des damaligen deutschen K-Direktors, Kollege Mätzig, mit einem monatlichen Bruttogehalt von M 300,- eingestellt.

Ein wichtiges Ziel neben dem Wiederaufbau der Industrie war für die sowjetischen Freunde das Wohlergehen der Arbeiter und Angestellten, die nach fast 6 Jahre dauerndem 2. Weltkrieg vollkommen ausgemergelt und zum Teil unterernährt ihren Dienst versahen.

So gab es z.B. auf Anordnung des Generalmajors Kotikow in unserem Werk und auch in anderen Betrieben täglich gegen ein geringes Entgelt 3 verschiedene Essen (Gruppen 1 bis 3) - das sogenannte Kotikow-Essen. Welche Gruppe jeder erhielt, entschied die Werkleitung. Jeder freute sich, eine warme, sehr reichliche und gut zubereitete Mahlzeit in der Mittagspause einnehmen zu können.

Außerdem wurden manchmal gegen geringe Bezahlung Lebensmittelpakete im Betrieb verteilt, die u.a. Fleisch, Butter, Mehl, Zucker und andere Lebensmittel enthielten.

Ganz groß war auch die Freude, wenn Textilien an die Belegschaft ausgegeben wurden. So erhielt ich einmal 2 verschiedene Kleiderstoffe, aus denen ich mir zwei wunderschöne Kleider nähen ließ. Sehr großes Glück hatte ich, als ich dazu noch ein Paar braune Lederschuhe (Pumps) mit Wildleder abgesetzt erhielt.

Einmal bekam ich auch vom Betrieb Übergardinen aus leichtem Material, die ich für unser Zimmer, das ich nach unserer Ausbombung mit meiner Mutter zusammen zur Untermiete bewohnte, gut gebrauchen konnte.  Alle die genannten Dinge waren ja seinerzeit Raritäten und kaum zu kaufen gewesen.

Zum Schluß möchte ich noch ein Geschenk des Betriebes zum Internationalen Frauentag Anfang der 1950-er Jahre erwähnen. Wir erhielten in einer Plastetüte verpackt:  1 Rockstoff, 1 Blusenstoff (meist Popeline),  1 Buch, 1 Karton Pralinen und obenauf 1 Blumenstrauß.

Trotz aller Entbehrungen der damaligen Zeit denke ich doch gern daran zurück, da wir auch viele frohe und gemütliche Stunden bei Betriebsfesten und anderen Veranstaltungen erlebten.

Helga Mertens
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Und nun zur Vergangenheit des Werks für Fernsehelektronik
Markante Ereignisse 1945 -1960
VORBETRACHTUNG

Alle Texte sind im Original der Broschüre übernommen und je nach Vorwissen des Lesers über de damalige zeit und die Zustände in der sowjetisch besetzten Zone kommentiert bzw. ergänzt.

Röhrenwerke in Berlin

Bild 2

In Berlin existierten vier traditionsreiche Fabriken, in denen auch Elektronenröhren entwickelt und gefertigt wurden. Es waren die Unternehmen Telefunken in Wedding, die C. Lorenz AG in Tempelhof, die Loewe Opta AG in Steglitz und die AEG Röhren- fabrik in Oberschöneweide.

Erst 1938 begann die AEG, dezentral gelegene Röhren- produktionsstätten in Berlin in den Osten der Stadt nach Oberschöneweide, Ostendstraße 1-5, auf dem Gelände der AEG zugehörigen, aber bereits 1934 stillgelegten NAG Automobilfabrik, zu konzentrieren.

Bereits im Werk ansässig waren der Teilbereich der AEG Fernmeldekabel- und Apparatefabrik Oberspree (FAO), Fernmeldetechnik, sowie Werkstätten und der zentrale Röhren-Reklamationsdienst von Telefunken.

In dem riesigen Gebäudekomplex (Bild 1) der ehemaligen "Nationalen Automobil Gesellschaft" (NAG) fand sich offenbar für die Röhrenfertigung kein geeigneter Platz, so dass ein Neubau, der Bauteil D (Bild 2) seitlich an den historischen NAG-Baukörper angefügt wurde.

Dieser aus gebrannten Klinkern errichtete Gebäudeteil besteht aus sieben Etagen und verfügt über einen eignen Personenaufzug.
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AEG Röhrenfabrik Oberspree (RFO)

Das RFO fertigte, wie nachstehend aufgeführt, Bauelemente und Baugruppen für kommerzielle Anwendungen.

Die Erzeugnispalette (Stand 1941) umfasste Sende- und Verstärkerröhren, Röntgenröhren und Hochspannungsventile, Trockengleichrichter, Fotozellen und lichtelektrische Geräte, Gleichrichter- und Steuerröhren für Hoch- und Niederspannung, Cutaxschalter, Überspannungsableiter, Spezialröhren.

Die AEG Röhrenfabrik in Berlin-Oberschöneweide war die einzige Fertigungsstätte für Elektronenröhren, die nach Beendigung des 2. Weltkrieges im sowjetischen Sektor Berlins gelegen war.

Dieser Umstand bot die Grundlage für die Wiederaufnahme einer Röhrenfertigung, zumal eine totale Demontage der Produktionseinrichtungen durch die Sowjetunion nicht erfolgte.

Die verbliebenen Fertigungseinrichtungen, Rohmaterialien und Teile der Vorfertigung für Röhren erleichterten die Wiederaufnahme einer Röhrenfertigung und bildeten auch die Voraussetzung für die zukünftige Nach- und Neuentwicklung von Fremdfabrikaten.
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Bild 3
Bild 4

Dr. Karl Steimel (1905-1990)

Dr. Steimel (Bild 3) spielt in den noch zu berichtenden Ereignissen eine zentrale Rolle. Zuvor sei aber an dieser Stelle auf das bisherige berufliche Wirken von Dr. Steimel bei Telefunken hingewiesen. Dr. Karl Steimel war ein Telefunken-Mann und galt als der "Röhrenpapst" in Deutschland.

Auf Dr. Steimel zurückzuführende Röhrenentwicklungen sind die Mischhexode (RENS 1224) und die Oktode (AK1, EK1), Insbesondere die Verbundröhre Hexode-Triode (ACH1, ECH11) (Bild 4).

Dieser Röhrentyp wurde zum Standardbauelement in jedem Rundfunksuper, so lange Röhrenradios gebaut wurden. Maßgeblich beteiligt war Dr. Steimel auch an der Realisierung der Röhrenfamilie "Harmonische Serie", die auch als 11er-Serie (ECH11, EF11, ... UCH11, UBF11 ...) oder wegen ihres Stahlkolbens meist als Stahlröhren bezeichnet wurden.

Sie lösten allmählich die herkömmlichen Empfängerröhrenfamilien der 30er Jahre in der Rundfunkgeräteindustrie ab.

Die Kombinationsröhre VCL11 zusammen mit der Gleichrichterröhre VY2 ermöglichte den politisch gewollten billigen (35 RM) "Deutschen Kleinempfänger 38", DKE38, der schaltungstechnisch nur als Allstromgerät konzipiert war.

Während des Krieges war Dr. Steimel Beauftragter für Forschung und Entwicklung von Elektronenröhren mit Koordinierungsbefugnis für alle deutschen Röhrenwerke.
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Kein Interesse der Westalliierten

Dr. K. Steimel soll nach dem Ende des Krieges die Initiative ergriffen haben, die Röhrenfertigung bei Telefunken wieder aufzunehmen. Eine diesbezüglich erforderliche Genehmigung für die im "Westsektor" gelegene Fabrik in der Sickingenstrasse im Wedding wurde von der zuständigen Besatzungsmacht nicht gewährt. Es bestand kein Interesse.

Dr. Steimel berichtete anlässlich eines Vortrags am 6. Juni 1955 vor dem Rotary-Club in Ulm, wie es zum Kontakt mit der sowjetischen Instanz kam:

"Kurz nach dem Einmarsch der Sowjet-Truppen in Berlin wurde ich von dem Leiter des Radar-Komitees der UdSSR, Admiral Berg, (Vertreter von Malenkow) gebeten, ein Forschungs- und Entwicklungsinstitut in Berlin aufzubauen und zu leiten. ...

Ich baute das später sogenannte Oberspreewerk auf als eine Forschungs- und Entwicklungsstätte für alle Fragen der Hochfrequenztechnik, Röhrenbauelemente und die verschiedenartigsten Geräte wie Radar, Richtfunk, Fernnavigation usw."

Dr. Steimel war international, also auch den sowjetischen Technikern, wohlbekannt und letztere dürften froh gewesen sein, diesen hochkarätigen Röhrenspezialisten als zukünftigen Leiter der geplanten Labor- und Konstruktionsbüros einsetzen zu können. Seiner Person folgten namhafte Röhrenentwickler und Fachleute anderer Branchen nach Oberschöneweide in den sowjetischen Sektor von Berlin.

Schokin-Kommission

Im Frühjahr residierte in Hirschgarten, einem Ortsteil von Berlin, in einer Villa die Schokin-Kommission. Deren Aufgabe war es, in Ostdeutschland (Anmerkung : gemeint ist der Einflußbereich der Sowjets in der SBZ) nach Unternehmen, Fertigungsstätten und Instituten zu suchen, deren Erzeugnisse, Entwicklungsarbeiten und technische Unterlagen, die für den militärisch-industriellen Komplex der Sowjetunion von Interesse sein könnten.

Die Kommission schlug vor, ein Labor- und Konstruktionsbüro in Berlin zu gründen, in dem deutsche Ingenieure und Techniker, gemeinsam mit sowjetischen Spezialisten bestimmte Aufgaben bearbeiteten.

Vorrangige Hauptaufgabe war die Nachentwicklung der von Telefunken stammenden Technologie der Metall-Keramik-Röhren, auch MK-Röhren genannt (LD7, ... LD12), sowie eine Testproduktion aufzunehmen, um anschließend Fertigungseinrichtungen und Muster in die Sowjetunion weiterzuleiten.
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Gründung des LKVO in Hirschgarten
"Labor-Konstruktionsbüro und Versuchswerk Oberspree"

Die Gründungsformalitäten erfolgten am 16. Juli 1945 in Hirschgarten in der Villa Eschenallee 12, ab 1947 Wißlerstr. 12 (Bild 6), durch Beauftragte der 7. sowjetischen Hauptverwaltung Moskau.

Die Firmenbezeichnung lautete: "Labor-Konstruktionsbüro und Versuchswerk Oberspree" - LKVO.

Im Jahresbericht über das Geschäftsjahr 1945 des LKVO wurde die Gründung in der ehemaligen AEG-Röhrenfabrik Oberspree mit dem Datum 1.8.1945 angegeben. Die umständliche Firmenbezeichnung verrät das zukünftige Tätigkeitsprofil, wie voran bereits von Dr. Steimel zitiert.
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Es galt, den Erfahrungsschatz und Technologiestand insbesondere der deutschen Elektronikindustrie am Ende des 2. Weltkrieges für die Bedürfnisse der sowjetischen Militärtechnik "auszubeuten", weiterzuentwickeln, zu dokumentieren und Funktionsmuster herzustellen. (Das Wort Elektronik war zu dieser Zeit noch nicht "erfunden"! Es wird hier aber angewendet als Sammelbegriff für die gesamte Palette "elektronischer" Bauelemente: z.B. Röhren, Kondensatoren, Widerstände, Dioden u.a.m).

In Berlin konzentrierten sich in einmaliger Weise die wichtigsten Industriebetriebe als wahre Fundgruben dieser Branche. Da im Zeitraum des Kriegsendes bis 30. Juni 1945 die Rote Armee allein in der Stadt agieren konnte, war es für die Beutejäger kein Problem, auch die Firmen Siemens, Lorenz, Loewe, Telefunken u.a. nach verwertbaren Erzeugnissen und technischen Unterlagen zu durchsuchen. Das Beutegut wurde in den sowjetischen Sektor, überwiegend in das LKVO, transportiert, bevor die West-Alliierten ab 1. Juli die Verwaltung in ihren Stadtsektoren übernahmen.
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Befehl Nr. B-1 Russisch-Deutsches Leitungspersonal des "LKVO"

Die besondere Bedeutung des "LKVO" für die Sowjetunion unterstreichen die Auszüge aus dem aus 18 §§ bestehenden Befehl Nr. B-1 der 7. Hauptverwaltung vom 7.9.1945:

Zur Ordnung des Werkes "Laboratorium - Konstruktionsbüro und Versuchswerk Oberspree (LKVO) im ehemaligen Werk AEG/RFO bis zum Eintreffen besonderer Anweisungen der Regierungsstellen befehle ich:

§1

Als Hauptaufgabe des LKVO ist zu betrachten:
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  • a)    Einsatz der deutschen Spezialisten für die Weiterentwicklung der speziellen Elektrovakuumtechnik, der Messtechnik auf dem Hochfrequenzgebiet und der Entwicklung von hochwertigen Radioeinzelteilen.
  • b)    Übertragung der Erfahrung der deutschen Technik auf den erwähnten Gebieten in der Sowjetunion wie folgt:

  • I.)    Unterrichtung der sowjetischen Spezialisten und Arbeiter
  • II.)    Entwicklung von einzelnen Konstruktionen und Fabrikationsverfahren.
  • III.)    Vorbereitung der Fertigung von einzelnen Typen der Produktion einschl. eines Satzes Werkzeuge und Vorrichtungen und eines vollen Satzes technologischer und konstruktiver Unterlagen.
  • IV.)     Bearbeitung der technischen Unterlagen verschiedener Firmen und Ausgabe einzelner Monographien und Übersichten von diesen.
  • V.)    Organisation der literarischen Tätigkeit der deutschen Spezialisten.
  • VI.)    Heranbildung von Arbeitern in einzelnen Mangelberufen.
  • VII.)    Periodische Kommandierung von einzelnen deutschen Spezialisten in die Sowjetunion.

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Weitere Paragraphen (Ausschnitte)

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  • Zum Direktor LKVO wird Dr. Steimel ernannt.
  • Zum Chef-Ingenieur - 1. Stellvertreter des Direktors LKVO - wird Herr Spiegel ernannt.
  • Der Direktor LKVO, Dr. Steimel, legt mir zur Bestätigung innerhalb von 3 Tagen Organisationsplan und Personalbestand vor unter Angabe der Kandidaten von Leitern.
  • Vorgesehen im Personalbestand LKVO ist die Organisation der Informationstechnischen Abteilung., welcher die ganze Arbeit der Ausarbeitung der Ergebnisse der Tätigkeit LKVO obliegt, Übersetzungen, Ausgabetätigkeit usw. Vorgesehen ist in der I.T.-Abteilung die Möglichkeit der Versorgung anderer Ingenieurgruppen der 7. Hauptverwaltung, die in Deutschland tätig sind.
  • Zum Bevollmächtigten der 7. Hauptverwaltung in LKVO wird Major Wildgrube ernannt.
  • Es werden ernannt:
    als technischer Leiter auf dem Gebiet der Vakuumtechnik
    Oberstleutnant B o l d y r, als Stellvertreter des Bevollmächtigten in Verwaltungs- und Wirtschaftsfragen
    Kapitän W o r o n k o w, als Oberingenieur in Energiefragen
    Major B o g o l u b o, als Stellvertreter des Bevollmächtigten in der Filiale "Schönhauser Allee"
    Major T s c h e r e p n i n, als technischer Leiter der I.T.-Abtlg.
    Major O l e n i n, als Gehilfe des Bevollmächtigten
    Leutnant T s c h e r k a s s o w.
  • Der Bevollmächtigte der 7. Hauptverwaltung, Major Wildgrube, berichtet mir alle 3 Tage über die Ausführung des vorstehenden Befehles.

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gezeichnet :Der Stellvertreter des Chefs der 7. Hauptverwaltung
Oberst Katzmann
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Ergänzungen / Erklärungen dazu :

zu § 9:  Filiale "Schönhauer Allee":

Gemeint ist die Schultheiss Brauerei (heute Kulturbrauerei) in der Schönhauser Allee 36-38. Ab Frühjahr 1944 nutzte die Firma Telefunken ca. 1.000 Quadratmeter des 15m unter der Erdoberfläche liegenden Kühlkellerlabyrint (Tarnbezeichnung Lore1), um die Fertigung kriegswichtiger Geräte, insbesonder die Katodenfertigung für Elektronenröhren vor alliierten Luftangriffen zu schützen. 1948 erfolgte die Umlagerung der Katodenfertigung in das LKVO.

Wie aus dem sowjetischen Befehl Nr. B-1 hervorgeht, war die Sowjetunion im hohem Maße daran interessiert, mit Hilfe der deutschen Mitarbeiter den technologischen Rückstand auf dem Gebiet der Elektronenröhren, aber auch spezieller elektronischer Messtechnik und anderer elektronischer Bauelemente durch Ausbeutung des Erfahrungsschatzes der deutschen und westeuropäischen Bauelementeindustrie aufzuholen.

Priorität hatten Bauelemente und Geräte, die für den militärischen Einsatz in funk- und nachrichtentechnischen Gerätschaften von Bedeutung waren.

Unmissverständlich erkennbar, dass die sowjetischen Fachleute in Uniformen der Roten Armee die Organisation und das Fertigungsprofil des Werkes gemäß ihrer Weisungsbefugnis bestimmten.
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Walter Bruch (1908 - 1990) und die erste 625-Zeilen-Fernsehnorm

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Alter Original-Text : Walter Bruch, der spätere Erfinder des PAL-Farbfernsehsystems

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Walter Bruch, der spätere Erfinder des PAL-Farbfernsehsystems, ........... (leider auch hier : solch ein Unsinn) ..... auch die Ingenieurschule Mittweida wollte sich mit "ihrem" Vorzeigeabsolventen schmücken - ..... das wurde aber dann nicht weiter verfolgt.

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Anmerkung :

Diese Aussage ist leider auch hier in dieser Broschüre falsch. Die viele Jahre später recherchierten wirklichen echten Tätigkeiten und auch die besonderen und herausragenden Fähigkeiten das Walter Bruch lesen Sie hier im Fernsehmuseum auf beinahe 20 Seiten im Bereich "Wer war wer ...."

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Walter Bruch
begann seine Tätigkeit im LKVO am 1. August 1945 (Bild 9). Die von ihm geleitete Abteilung Impulsgeräte bearbeitete Probleme des Fernsehens, der Oszillographie, der Impulsnachrichtengeräte, der Elektronenoptik, u.a.m.

Im Rahmen des Leih- und Pachtgesetzes der USA (siehe Seite 26) erhielt die Sowjetunion eine amerikanische Fernsehstudioausrüstung, die für die in Amerika übliche Netzfrequenz von 60 Hz bei 30 Bildwechseln und 525 Zeilen konzipiert war.

Es galt, diese Anlage für die in Europa und so auch in der Sowjetunion verwendete Netzfrequenz umzustellen. W. Bruch löste das Problem, indem er die Anlage auf 25 Bildwechsel umstellte, woraus sich eine Zeilenzahl von 625 ableitete. Von dem zuständigen sowjetischen Gremien wurde die gefundene technische Lösung akzeptiert und zur Landesnorm erhoben.

Seitens der Sowjetunion wurde die für die Sowjetunion geltende Norm 1947 erstmals auf der CCIR-Konferenz in Atlantic City vorgestellt. Erst 1950 wurde unter der Leitung von Dr. Walter Gerber (Schweizer), die 625-Zeilen Norm als zukünftige Fernsehnorm für Europa durchgesetzt.

Zur Ergänzung der Studioausrüstung in Moskau entwickelte das Labor Bruch eine Filmwiedergabeanlage mittels eines in Berlin organisierten Mechau-Projektors. Solche Filmwiedergabe-Einrichtungen für das Fernsehen wurden anfänglich auch im DDR-Fernsehzentrum in Adlershof verwendet.
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Das deutsche Leitungspersonal

Das Foto (Bild 10) wurde im Herbst 1946 aufgenommen. Auf eine heute fast unbekannte Besonderheit sei aufmerksam gemacht. Einige der abgebildeten Herren haben gegen die offensichtlich bereits herrschende Herbstkälte "Hundedeckchen" über die Schuhe geschnallt.

Breit angelegtes Entwicklungspotential

Rückblickend stellt sich die Frage, welche Umstände es ermöglichten, dass sich in wenigen Monaten nach dem Ende des 2. Weltkrieges ein derartig universelles leistungsfähiges Entwicklungspotenzial herausbilden konnte? Beeindruckend ist die in der hiten angestellte Werksgliederung dargestellte Vielfältigkeit der Arbeitsfelder.

Hierzu sei ein die Vorgeschichte weitgehend aufhellender Textauszug aus (1) zitiert: "Viele Industriephysiker fanden in den ersten Nachkriegsjahren eine fachbezogene Betätigung in den Forschungslaboratorien der Wissenschaftlich- Technischen Büros (WTB) des Sowjetischen Militäradministration, der SMAD und in den neu geschaffenen Sowjetischen Aktiengesellschaften (SAG) ...

Eine der leistungsfähigsten Einrichtungen war das im Sommer 1945 auf Befehl der SMAD (Sowjetische Militäradministration) im früheren Röhrenwerk der AEG gebildete "Laboratorium, Konstruktions- und Versuchswerk Oberspree", dessen Belegschaft innerhalb eines Jahres auf 2.000 Mitarbeiter anwuchs.

Die überwiegend aus Physikern bestehende Forschergruppe stellte eine einzigartige Konzentration von Wissenschaftlern der ehemaligen Berliner Elektroindustrie dar. Daraus entstand im Herbst 1945 das Oberspreewerk (OSW), dessen Nachfolger das bekannte Werk für Fernsehelektronik ist (zuvor Werk für Fernmeldewesen-HF, beide auch als WF benannt. Zeitweilig auch mit HF bezeichnet). (Klammereinfügungen vom Autor .Müller)
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Monographien von Dr. Steimel und Dr. Kotowski

Aus dem Befehl Nr. B-1, § 1, Absatz IV geht hervor, dass Monographien anzufertigen waren. Es handelt sich hierbei um detaillierte Darstellungen des jeweiligen Entwicklungsstandes bestimmter Bauelemente oder Systeme zum Ende des 2. Weltkrieges.

Bekannt geworden und erhalten ist die hochinteressante 144 Seiten umfassende Arbeit von Dr. Steimel:
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"Über den Zustand der Röhrentechnik zum Abschluss des Krieges".

Der Bericht enthält Auskünfte u.a. zu technologischen Verfahren, Entwicklungsentscheidungen sowie zu Materialengpässen, die kriegsbedingt zum Einsatz von Ersatzmaterialien zwangen.

Unvollendet erscheint die im WF-Archiv aufgefundene Arbeit als Schreibmaschinendurchschlag von Dr.-Ing. Paul Kotowski: "Beschreibung der Antennensysteme für die Funkmesstechnik".

  • Anmerkung : Es ging dabei vermutlich um das deutsche Radarsystem Würzburg und die fliegende Version davon.


Nach 14 Seiten endet das vorliegende Manuskript abrupt. Es konnte bisher nicht geklärt werden, ob die Arbeit durch die überraschende Abreise als Spezialist in die Sowjetunion abgebrochen wurde, also unvollendet blieb oder die nachfolgenden Seiten verlorengegangen sind.

Ausgiebig behandelt werden skizzierte Antennenkonstruktionen für Flugzeuge unter Berücksichtigung des Einflusses der Konstruktion auf die Aerodynamik / Geschwindigkeit des Flugzeuges.

Verbot: Arbeiten an militärisch relevanten Objekten

"Die proklamierte Zerschlagung der deutschen Rüstungsindustrie und Forschung (Potsdamer Abkommen) bezog sich in der Sowjetischen Besatzungszone zunächst auf die deutsche Regie. Unter sowjetischer Ägide durften Rüstungsforschung und Rüstungsproduktion weitergeführt werden, sofern nicht eine sofortige Demontage und der Abtransport in die Sowjetunion vorgesehen war" (4). Im LKVO führten sowjetische Fachleute von Anfang an die Regie (siehe auch Befehl Nr. B-1).
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LVKO firmiert ab 25. Mai 1946 als Oberspreewerk (OSW) - SAG-Betrieb (Bild 11)

Im Herbst 1946 erhält das OSW den Status einer Sowjetische Aktiengesellschaft (SAG).

Etwa 200 Industriebetriebe wurden in der "sowjetischen Besatzungszone" (SBZ) gemäß Befehl Nr. 167 in 35 branchenorientierte Aktiengesellschaften eingegliedert.

Das bedeutet, dass die betroffenen Betriebe in das Eigentum der Sowjetunion zur Ableistung der Reparationsansprüche übergegangen sind.

Mit dieser Maßnahme konnte deutsches Personal unbeschadet durch die Proklamation des Potsdamer Abkommens an militärisch relevanten Objekten arbeiten und forschen (2).

Es gab (damit) keine Einschränkung (mehr), sich z.B. mit der (verbotennen) Weiterentwicklung der Fernsehtechnik, der Fernlenkverfahren und der Höchstfrequenztechnik u.v.a. zu beschäftigen.

  • Anmerkung : So hatten die Russen ihre eigene Proklamation des Potsdamer Abkommens ausgetrickst. Die Alliierten waren da zu blauäugig.

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Die ersten Bauelementekonstruktionen, Nachentwicklungen, Neuentwicklungen

Bild 12
Bild 13
Bild 14
Bild 15
Bild 16
Bild 17a
Bild 17b
Bild 18
Bild 19
Bild 22
Bild 23

Erhalten geblieben ist das Zeichnungsbuch der Konstruktionsabteilung des LKVO. Es belegt in den Eintragungen, was in vorangegangenen Darstellungen bereits gesagt wurde. Das Buch gibt Auskunft über die zu bearbeitenden Bauelemente, Datumsangaben und Namen der jeweiligen Konstrukteure bzw. Zeichner/Innen.

Mit der Zeichnungsnummer R01, datiert 15.09.1945 (Bild 12) begann die erste Nachentwicklung einer Luftfahrtröhre / Wehrmachtsröhre, der Sperröhre LG76, (Bild 13) für Radargeräte. Die Zeichnungs- und Konstruktionsunterlagen wurden von Frl. G. Jurzina erstellt.

Es folgten die Nachentwicklung von Magnetrons (Bild 14) und Höchstfrequenz- Metallkeramikröhren LD6 ... LD12, sowie des Klystrons 723 A/B (Bild 15) für die Radartechnik, Kathodenstrahlröhren, Sekundärelektronenvervielfacher-Röhren, Senderöhren, Doppeltriode 829B, Bolo-meterlampen für die Hochfrequenzleistungsmessung u.v.a.

Bemerkenswert ist die Nachentwicklung des AEG-Thyratrons S15/150i (Bild 16). Es wurde als Ersatzröhre für die von der AEG gebaute Stromversorgungsanlage des demontierten und in Druschny bei Nishnij Nowgorod in der Sowjetunion wieder aufgebauten 1.000-kW-Längstwellensenders "Goliath" der Firma C. Lorenz benötigt. Mit diesem Sender konnten getauchte U-Boote angefunkt werden. Es war der erste Sender dieser Art in der Sowjetunion.

Interessanterweise wird in der Einleitung des Entwicklungsberichts dieses Thyratrons (Archiv Indurstriesalon Schöneweide) berichtet, dass die UdSSR bereits 1937/1938 Interesse für das leistungsstarke Thyratron zeigte.

Eine anspruchsvolle Neuentwicklung war die auffällige Konstruktion einer Blauschrift-Großprojektionsröhre. Mit dieser Blauschriftröhre war ein Radarbild auf eine Bildbreite von 1,2 m projizierbar (Bild 17).
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Leih- und Pachtgesetz der USA

Die Sowjetunion erhielt während des 2. Weltkrieges im Rahmen des Leih- und Pachtgesetzes (der USA) (Lend-Lease, Weapon for Victory, 1941) umfangreiche militärische Rüstungsgüter im Werte von 11,3 Milliarden Dollar.

Zum Lieferumfang gehörte auch amerikanische militärische Nachrichtentechnik (35.000 Funkstationen), die neben anderen Typen auch mit Oktalröhren ausgerüstet war. Folglich orientierte sich die Sowjetunion zunächst auf diesen Röhrentyp und verlangte für Erzeugnisse, die das LKVO/OSW als Reparationsgut zu liefern hatte, die Ausstattung mit Oktalröhren. So war deren Ersatz- bzw. die Nachbestückung für viele Jahre gewährleistet.
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Oktalröhren, Amerikaröhren, OSW-Röhren

Ein Novum für (Anmerkung : Nachkriegs-) Deutschland war die seitens der russischen Werksleitung angeordnete Aufnahme der Nachentwicklung von Oktalröhren (Bild 18):

Eine Röhrenfamilie, die in den USA bereits Ende der 30 Jahre entwickelt wurde und in vielen Ländern Verbreitung fand, so auch in der Sowjetunion. Die Oktalröhren galten inzwischen als veraltet, da in zunehmendem Maße Miniaturröhren in Allglastechnik die Geräteindustrie eroberten.

Die vom LKVO/OSW bereitzustellenden Oktalröhrensätze (Bild 18) dienten auch für die Erstbestückung von Rundfunkempfängern der Elektro-Apparate-Fabrik Köppelsdorf (EAK), die der Betrieb als Reparationsleistung an Russland zu fertigen hatte.
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T-2-Programm "Leningrad"

Der Zeit vorgreifend muss in diesem Zusammenhang erwähnt werden, dass das (SAG) Sachsenwerk Radeberg ab 1951 den in der Sowjetunion entwickelten Fernseh/Rundfunkempfänger T-2 "Leningrad" (Bild 19), als Reparationsleistung zu fertigen hatte.

Mit Ausnahme der P-50, ehemals Luftfahrtröhre LS50 (Bild 20) und der Bildröhre enthielt der T-2 insgesamt 30 Oktalröhren. Den kompletten Röhrensatz hatte das OSW (vormals LKVO) ebenfalls als Reparationsleistung bereitzustellen.

Für das OSW war das eine enorm anspruchsvolle Aufgabe. Es mussten kurzfristig die Fertigungskapazitäten sowohl für die Oktalröhren als auch für die P-50 angehoben werden. Für die Serienproduktion von Fernseh-Bildröhren gab es bisher keine technischen Voraussetzungen im OSW.

Aus dem Nichts heraus mussten die entsprechenden Fertigungseinrichtungen konstruiert und gebaut werden. Große Anstrengungen waren vonnöten, um die gestellten Auflagen kurzfristig zu realisieren.

Des Weiteren war die Zulieferung der Kolbenteile aus dem Spezialglaswerk Einheit in Weißwasser (Lausitz) zu organisieren. Die Bildröhre LK-23 1b war eine russische Konstruktion (Triode ohne Ionenfalle). Sie bestand aus einem Rundkolben mit einem Schirmdurchmesser von 23 cm. Im OSW komplettierten Glasbläser das Kolbengefäß durch Anschmelzen des Röhrenhalses (Bild 21).

In den ersten 50er Jahren wurden in Oberschöneweide europaweit die meisten Bildröhren produziert.

Die folgenden Bilder (22, 23) zeigen Arbeitsgänge aus dem Settelraum.

In dieser Abteilung wurden die Bildröhren auf der Innenseite des Kolbenschirms mit Leuchtstoff "beschirmt". Der Leuchtstoff befindet sich in einer Wasserglaslösung, die in das Kolbeninnere eingefüllt wird.

Die Leuchtstoffpartikel sinken allmählich auf die Schirmfläche und setzen sich dort ab. Der Absetzvorgang dauert etwa 4 Stunden!

Danach wird die "Trägerflüssigkeit" langsam abgossen.

Im Bild 23 ist deutlich zu sehen, wie man in jener Zeit unbefangen die Flüssigkeit über die Bodenentwässerung des Raumes in die Kanalisation abfließen ließ.
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Nachsitzen

Bei der zahlenmäßigen Nichterfüllung des Tagessatzes an Röhrentypen für den T-2 wurden dem betroffenen Montagepersonal am Schichtende das Verlassen des Arbeitsplatzes untersagt. Erst nach Komplettierung des Tagessolls wurde das Werktor geöffnet.
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Versand in die Sowjetunion

Nach Vorlage der Zeichnungs-/Konstruktionsunterlagen erfolgte der Bau von Mustern und Geräten der Hochfrequenz-Messtechnik im Versuchswerk. Kleine Stückzahlen wurden auch für deutschen Bedarf abgegeben.

Den versendeten funktionsfähigen Musterbauelementen waren Systemeinbauteile, Fertigungsdokumentationen und ggf. auch Werkzeuge beigegeben (Bild 25).
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Der 22. Oktober 1946 Aktion "Ossawakim"

(Ossawakim: Russische Abkürzung für "Sonderverwaltung für die Auswanderung von Facharbeitern")

Dieser Tag war ein Dienstag. In den frühen Morgenstunden, gegen 4 Uhr, wurden 230 Mitarbeiter des OSW durch sowjetische Soldaten energisch geweckt.

Es wurde ihnen unmissverständlich per Befehl der sowjetischen Militäradministration klargemacht, dass sie für 5 Jahre in ihrem Fach in der Sowjetunion arbeiten müssen. Die Arbeitsbedingungen seien dieselben wie für einen Russen in entsprechender Stellung.

Die in der Wohnung angetroffenen Personen, in der Regel die gesamte Familie, werden mitreisen. Kleidung und notwendiger Hausrat, Möbel, sowie persönliche Habseligkeiten müssen in wenigen Stunden verpackt sein. Für den Transport zum Bahnhof (Kaulsdorf) parkte vor dem jeweiligen Haus ein Militär-LKW. Bewachungs-Soldaten sorgten dafür, dass sich niemand dieser Aktion durch Flucht entziehen konnte.

(Lediglich Dr. van Duhn soll durch einen Sprung aus dem fahrenden Zug dem Transport in die Sowjetunion entkommen sein.)

Die Aktion "Ossawakim" war langfristig vom Geheimdienst NKWD vorbereitet und fand zeitgleich in allen anvisierten Betrieben, Forschungseinrichtungen und Instituten statt. Kollegiale Warnungen wurden durch diese Vorgehensweise unterbunden.

Es war eine logistische Transportleistung, wenn bedacht wird, dass in Berlin und auch für die betroffenen SAG-Betriebe in der sowjetischen Besatzungszone (SBZ) unzählige Transportfahrzeuge gleichzeitig verfügbar und bereitgestellt sein mussten. In Berlin betraf das z.B. das OSW, das Kabelwerk Oberspree, die Apparatewerke Treptow (EAW), die GEMA in Köpenick und Siemens-Plania in Lichtenberg, GEMA in Köpenick.

Für den Abtransport war jeweils ein Personenzug mit angehängten Güterwagen für die Aufnahme des familiären Frachtgutes, auch Mobiliar, bereitgestellt. In der Regel erhielt jede Familie ein eigenes Abteil. Die Bahnfahrt zum Zielort dauerte etwa zwei Wochen.
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Ausgetrickst

Dr. Steimel und Fritz Spiegel, beide wohnten in Westberlin, waren von dieser Aktion nicht unmittelbar betroffen, denn sie hatten einen Tag zuvor, am 21.10.1946, eine Dienstreise nach Moskau anzutreten, um dort angeblich ein funktechnisches Gerät vorzuführen.

Hier wurde den Dienstreisenden nach der Aktion Ossawakim offenbart, dass eine Rückkehr nach Deutschland nicht gestattet ist.
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Glück gehabt

Walter Bruch berichtet:

"Für die Beschäftigten dort aus den Westsektoren war eigens am Morgen ein S-Bahn-Zug von Wilmersdorf nach Oberschöneweide wieder in Betrieb gesetzt worden und abends einer wieder zurück. Trotzdem wollte man uns im Ostsektor wohnhaft haben. Warum, das zeigte sich 1946. Ob ich wollte oder nicht, ich musste mich in eine Wohnung in Hirschgarten durch die "Rote Armee" einweisen lassen" (8)."

W. Bruch nutzte die Wohnung nicht, sondern übernachtete weiterhin bei seiner Familie in Wilmersdorf. Am 22.10., unterwegs zum S-Bahnhof, warnten ihn entgegenkommende Mitarbeiter, zum OSW zu fahren, denn das Werk ist von der GPU besetzt und man habe Militärfahrzeuge gesehen, die mit Mitarbeiterfamilien nebst ihrem Hausrat unterwegs seien.

Später erfuhr Bruch, dass er dort vergebens in Hirschgarten von dem Deportationskommando gesucht wurde. Er kündigte umgehend sein Arbeitsverhältnis mit dem OSW.
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Ziel der Bahntransporte: Frjasino

Bild 26
Bild 27

Frjasino, liegt 35 km nordöstlich von Moskau. Der Ort hat gegenwärtig etwa 55.000 Einwohner.

Die führenden Köpfe des OSW wurden dort auf drei Arbeitsorte aufgeteilt: Der größte Teil blieb in Frjasino. Zu dieser Gruppe stießen die an der Rückreise nach Deutschland gehinderten Dr. Steimel und Fritz Spiegel. Die beiden anderen Gruppen kamen nach Leningrad und Gorki.

In Frjasino befand sich die große Institutsanlage FIT-106, in der für die nächsten Jahre die Spezialisten tätig waren.

Die einzelnen Familien wohnten je nach beruflicher Stellung und Größe der Familie in mehrstöckigen Steinhäusern, in Gebäuden ehemaliger Sanatorien oder in Finnhäusern (Holzhäuser), die Finnland als Reparationsleistung (??? wieso das ???) an die Sowjetunion geliefert hatte (Bild 26 und 27). Von den einst in Frjasino tätigen deutschen Spezialisten sind nahezu vollständige Namenslisten erhalten (Archiv Industriesalon Schöneweide e.V.).
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  • Anmerkung : Auch viele Mitarbeiter der Berliner Fernseh GmbH wurden Ende 1946 noch vor dem Eintreffen der Amerikaner und Engländer vom russischen Geheimdienst zwangsrekrutiert, jedenfalls die, die nicht vorher gewarnt worden waren. Ein Teil der "Fernseh"- Mitarbeiter wohnte im Bereich Berlin-West in Steglitz, dort war auch das "Goerz Werk", in dem bis zur Zerbombung deren Laboratorien untergebracht waren. Die letzen Rückkehrer kamen etwa 1951 wieder in Darmstadt an. Laut der Unterlagen aus dem Darmstädter Fese-Archiv waren viele der Rückkehrer ausgebrannt und sehr krank und hatten nur noch wenige Jahre gelebt. Also so toll müssen die 6 Jahre Leben in Russland nicht gewesen sein.

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Nachwirkung im OSW durch "Ossawakim"

Aus dem Jahresbericht über das Geschäftsjahr 1946 des LKVO/OSW ist zu entnehmen, dass das Werk einen beträchtlichen Aufschwung genommen hatte.

Die Belegschaft hatte sich von rund 1.100 im Januar 1946 auf rd. 2.300 Mitarbeiter im Oktober erhöht. "In technischer Beziehung kann das Geschäftsjahr als durchaus erfolgreich angesehen werden. Von den großen und schwierigen Entwicklungsaufgaben wurden nicht weniger als 62 völlig abgeschlossen, weitere 27 Aufgaben wurden so vorangetrieben, dass mit ihrem Abschluss im Jahr 1947 bei normaler Weiterentwicklung zu rechnen ist." (6)

Doch es kam anders: "Durch die Abreise von 230 deutschen Wissenschaftlern und Spezialisten wurde die bis dahin verzeichnete ständige Leistungssteigerung auf dem Gebiet der Entwicklung und Fertigung von vakuum- und hochfrequenz- technischen Erzeugnissen unterbrochen. Gleichzeitig wurde auch die Entwicklung des Belegschaftsstandes rückläufig."

Die Rückläufigkeit dürfte sich plausibel erklären, denn nicht wenige wichtige Mitarbeiter wohnten in den Westsektoren. Sie waren durch die Aktion Ossawakim abgeschreckt und wollten durchaus nicht das Risiko eingehen, das Schicksal ihrer deportierten Kollegen zu teilen. Mit Stellenangeboten in Fachzeitschriften und Tageszeitungen wurde versucht, den personellen Aderlass (Bild 28) auszugleichen.
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Eine Anzeige : "Stellenangebote"

Bild 28

Das Oberspreewerk sucht zu sofortigem Eintritt bei günstigen Bedingungen:

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Erneute Teildemontage

Womit sicherlich niemand im OSW rechnete: "Eine weitere Beeinträchtigung des normalen Betriebsablaufes erlitt das Werk durch die ab November 1946 auf Anordnung der SMA durchgeführte teilweise Demontage der Betriebseinrichtungen", die erst im März 1947 beendet wurde. Es darf vermutet werden, dass die Betriebseinrichtungen die materielle Nachhut für die vorangegangene Ossawakim-Aktion bildete.
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VEB - aus SAGs werden "Volkseigene Betriebe"

1952 beendeten fast alle sowjetischen Firmenleitungen ihre Tätigkeit in den SAG-Betrieben. Die Betriebe wurden als "Volkseigentum" der DDR übergeben. Als äußeres Kennzeichen erschien vor dem Firmennamen das Kürzel VEB = "Volkseigener Betrieb".

  • Anmerkung : Das mit dem "Volkseigener Betrieb" war natürlich genau solche Augenwischerei wie die Umbenennung in "Deutsche Demokratische Republik". Nach wie vor hatten die Russen das Sagen in allen relvanten Bereichen. Die immer noch überzeugten stramme und verbohrten "Sozialisten" bzw. DDR-ler wollten das natürlich nicht wahr haben. Aber damit begann der finale Exodus der Intelligenz mit weit über 2,5 Millonen Ostdeutschen - bis zur Mauer im Sommer 1961.
    Walter Ulbricht : "Niemand denkt daran, eine Mauer zu bauen !"

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Rückkehr aus Russland - nach Ost- und West-Deutschland

Die meisten "Spezialisten" kehrten ab 1952 aus der Sowjetunion in ihren jeweiligen Heimatort zurück. Der konnte in den inzwischen gegründeten zwei deutschen Staaten Bundesrepublik (1949) oder DDR (1949) gelegen sein. Die meisten Schlüsselpersönlichkeiten unter den Rückkehrern ließen sich in die Bundesrepublik bzw. nach Westberlin (Telefunken) entlassen.

Von den auf der Gruppenaufnahme Bild 10 (Seite 19) abgebildeten leitenden Mitarbeitern ist lediglich Dr. Kurt Richter zu nennen, der wieder in seine alte Arbeitsstätte zurückkehrte, die sich inzwischen "Werk für Fernmeldewesen-HF" nannte. Andere rückkehrende Spezialisten kamen überwiegend aus Leningrad.
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Bild 29 - 6 Jahre Krieg und dann 6 Jahre Russland
Bild 30 - Dr.Schiller
Bild 31 - links Dr.Richter

Zu erwähnen seien Dr. Peter Neidhardt (1912 - 1973), (Bild 29) und Dr. Alfred Schiller (1909 - 1992) (Bild 30). Beide Persönlichkeiten hatten keine LKVO/OSW-Vergangenheit.

Dr. Schiller übernahm die Funktionen (1951 - 1974) des Technischen Direktors bzw. des techn. Direktors für Forschung und Entwicklung. Er war organisatorisch für den Neubau (1959) des Schwarz-Weiss-Bildröhrenwerkes verantwortlich.

Viele Auszeichnungen würdigten seine Tätigkeit im WF und in außerbetrieblichen Gremien. Höchste Anerkennung: "Verdienter Techniker des Volkes".

Dr. Kurt Richter (1899 - 1982), (Bild 31) galt als "der" Katodenspezialist und genoss auch in der Sowjetunion durch sein Fachwissen ein sehr hohes Ansehen. Verdient machte er sich im Werk für Fernmeldewesen durch die Einrichtung von Röhrenversuchsstellen für Empfänger-, Sende-, Höchstfrequenz-, Gasentladungs- und Bildröhren, sowie von chemisch-physikalischen Laboren für Katodenpasten, Gettermaterialien, Isolierpasten u.a.

Dr. Richter erkannte die Wichtigkeit einer "Anwendungs- technischen Versuchsstelle" sowie der Abteilung "Technische Fertigungsüberwachung" im WF.

Die Gründung beider Abteilungen war sein Verdienst. Die vorgenannten Abteilungen, auch als Querschnittsabteilungen bezeichnet, unterstanden seiner Leitung bis er in den Ruhestand ging.

Die wissenschaftlichen Arbeiten wurden durch hohe Auszeichnungen (Vaterländischer Verdienstorden, Verdienter Techniker des Volkes, Verdienter Erfinder) honoriert. Beeindruckend ist die Zahl der Patente, die er in seinem Berufsleben erworben hatte.
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Lochmasken-Farbbildröhre

Bild 32

Dr. Neidhardt befasste sich zunächst mit der Theorie der Farbfernsehtechnik, die in Form vieler Veröffentlichungen ihren Niederschlag fanden. Zeitgleich mit den theoretischen Untersuchungen folgte die praktische Laborarbeit.

Dr. Neidhardt hatte sich mit seinen Mitarbeitern die Aufgabe gestellt, Fertigungstechnologien für eine zukünftige Produktion einer 43cm- Rechteck- Farbbildröhre in einem Allglaskolben zu erproben.

Das Entwicklungsziel wurde erreicht, davon zeugen Musterröhren (Sammlung Industriesalon Schöneweide) mit der Typenbezeichnung B43 G4C, "Colorskop" (Bild 32). Das war zu jener Zeit ein Novum, denn die damals erhältlichen Fremdfabrikate aus den USA besaßen noch Rundkolben aus Stahlblech.
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  • Anmerkung : Das Obige stimmt so nicht. Die frühen amerikanischen Farbildröhren - überwiegend von RCA und GE - hatten einen runden geschlosenen Glaskolben. Wir haben vom Postmuseum Frankfurt solch eine RCA Farb-Röhre, ein Muster aus dem Ostberliner Museums-Fundus erhalten und nicht entsorgt. Es ist unseres Wissens nach eines der 3 Muster, die zu Versuchszwecken jemals nach Europa geschickt wurden.

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Obwohl für eine Pilotfertigung bereits eine kleine Halle in der Ostendstrasse, heute TGS-Areal, aufgebaut war, kam es zu keiner Versuchsfertigung. Auf höhere Weisung musste der Fortgang der Arbeiten Anfang 1960 eingestellt werden. Der zukünftige DDR-Bedarf an Farbbildröhren sollte von der Sowjetunion geliefert werden. Es gab tatsächlich solche Importe aus der Sowjetunion. Die Qualität war nicht zufriedenstellend, sodass es 1984 zu einer Eigenproduktion mit Hilfe einer Lizenznahme kam.

Nachentwicklung von Telefunken-Senderöhren

Bild 33
Bild 34
Bild 35
Bild 36
Bild 37 Leningrad

Die in der sowjetischen Besatzungszone (SBZ) noch aus der Vorkriegszeit stammenden Mittelwellensender waren mit wassergekühlten 100-kW- und 50-kW- Leistungssenderöhren des Typs RS 566 und RS 255 der Firma Telefunken ausgerüstet.

Die nach dem Ende des 2. Weltkrieges allmählich einsetzende Verschlechterung der Ost-West-Beziehungen und die in der Bundesrepublik durchgeführte Währungsreform (1948) hatten zur Folge, dass die Westberliner Firma Telefunken keine Ersatzöhren an die von der Deutschen Post betriebenen Rundfunksender liefern durfte.

In dieser Notsituation wurde OSW/WF beauftragt, die entsprechenden Röhren kurzfristig nachzubauen. Keine leichte Aufgabe, da bezüglich dieser Röhrenklasse bisher keine Erfahrung im Hause vorlag. Es musste Neuland betreten werden.

Innerhalb etwa eines halben Jahres gelang es, beide Senderöhren, jetzt mit der WF-Typenbezeichnung SRW 357 und SRW 312 nachzuentwickeln und über Jahrzehnte bis in die Nachwendezeit herzustellen.

Die beteiligten Fachleute, Glasbläser, Dreher, Mechaniker, Werkzeugmacher, Pumper, angeleitet durch Dr. Oertel, sie alle wurden für ihre außergewöhnlichen Leistungen mit dem Nationalpreis 1949 der DDR geehrt (Bild 33).
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Miniaturröhren, UKW-Ton- und Fernsehsender, Studiotechnik

"Im Zuge der Einführung des Fernsehens wurde als weiterer entscheidender Schritt in der Entwicklung des Werkes im Jahre 1953 die Fertigung von Empfängerröhren in Miniaturausführung aufgenommen (Bild 34). Der erste Versuchs-Fernsehsender wurde von uns im Berliner Stadthaus in Betrieb gesetzt (Bild 35). Die Antenne wurde selbst von Labormechanikern auf dem Turm des Stadthauses montiert (Bild 36). Später wurden von uns noch Fernsehsender für folgende Stationen fertiggestellt: Brocken, Inselsberg, Marlow, Katzenstein und Berlin-Prenzlauer Berg."

(Eichhorn: WF-Sender 1965, Nr. 38) Den Senderbau übernahm 1957/58 das Funkwerk Köpenick.
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WF-Fernsehempfänger

Eine Abteilung des Werkes entwickelte alljährlich einen Prototyp eines Fernsehempfängers, um schaltungstechnisch auf der Höhe der Zeit zu sein.

Diese Abteilung erhielt 1950 den Auftrag, 50 Fernsehempfänger bis Ende August des gleichen Jahres fertigzustellen. Die Gestaltung des Holzgehäuses (Bild 37) erinnerte an die Form damaliger querformatiger Rundfunkempfänger. Frontseitig links waren der Lautsprecher und rechts die Bildröhre angeordnet.

Die Geräte wurden als Reparationsleistung über den Seeweg von Rostock nach Leningrad geliefert. Die ursprünglich ins Auge gefasste Absicht, im Haus eine Fernsehgerätefertigung für eine Kapazität von 50.000 Geräten einzurichten, wurde 1953 zu Gunsten des Sachsenwerkes Radeberg aufgegeben.
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  • Anmerkung : Die Optik erinnert ziemlich genau an den 1939 entwickelten E1 Einheitsfernseher der Nationalsozialisten, vom dem auch nur 50 Stück gebaut wurden. Angeblich haben nur 17 Exemplare das Kriegsende überlebt.

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Elektronenmikroskope

In der Frühzeit des LKVO entstanden im Hause diverse "Wissenschaftlich Technische Büros" (WTB), die sich mit unterschiedlichen Aufgaben im Interesse der sowjetischen Vorgesetzten befassten. Ein WTB EFEM war unter anderen auch für den Nachbau und die Rekonstruktion von "erbeuteten" Baugruppen von Siemens-Elektronenmikroskopen vorgesehen.

Es wurden neun Elektronenmikroskope (Bild 38) als Reparationsgut in die Sowjetunion geliefert. Drei E-Mikroskope verblieben in der DDR. Nach Erfüllung dieses Auftrages begannen die Mitarbeiter aufgrund der gewonnenen Erfahrungen sich weiterhin mit dieser Materie zu befassen und verbesserte Eigenentwicklungen (Bild 39) herzustellen (13).

1970 beschloss der Rat der gegenseitigen Wirtschaftshilfe - RGW - die Produktion der E-Mikroskope komplett im Werk Sumy (Ukraine) in der Sowjetunion zu konzentrieren. Diese Entscheidung zu Gunsten der Sowjetunion betraf auch das Unternehmen TESLA in der Tschechoslowakei. Bis zur Einstellung der Entwicklung und Fertigung hatte das WF 200 E-Mikroskope gebaut.
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Bild 38
Bild 39

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Elektronische Toccata-Orgel (Bild 40 und 41)

Sie ist heute der Blickfang im Industriesalon. Die Orgel wurde in der Mitte der 50er Jahre im Werk für Fernmeldewesen von Ernst Schreiber und Mitarbeitern entwickelt und als erstes Exemplar an die Komische Oper in Berlin ausgeliefert und dort bis etwa 1992 genutzt.

Der Aufwand an Elektronenröhren zur Realisierung der Schaltung, um die Orgel für die Wiedergabe von Toccata-Kompositionen geeignet zu machen, war mit ca. 230 Röhren beachtlich. Der Stromverbrauch entsprechend hoch. Er beträgt etwa 1,5 kW!

Insgesamt wurden drei Orgeln ausgeliefert. Eine für die Neue Oper in Leipzig, die andere erhielt das Volkstheater (4-Sparten-Theater) in Rostock. Beide Orgeln existieren nicht mehr. Auch das Exemplar, das dem Grassimuseum in Leipzig zur Verwahrung (Ende der 1970er Jahre) übergeben wurde, ist dort nicht mehr auffindbar.
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1960: VEB Werk für Fernsehelektronik

Das Werk hatte sich in den letzten 50er Jahren vom bisher hier nicht erwähnten Zweigwerk/Gerätewerk in Lichtenberg, Neue Bahnhofstraße, getrennt. Es behielt noch für einige Zeit den einst gemeinsamen Firmennamen "VEB Werk für Fernmeldewesen", um diesen dann durch "VEB Messelektronik" zu ersetzen.

Das bekannte WF-Markenzeichen wollte das Stammwerk behalten. Demzufolge erhielt der Buchstabe "F" die neue Bedeutung: "Fernsehelektronik.

Die fernseh-studio-technischen Abteilungen (Fernsehkameras, Taktgeber, Dia- und Filmabtastgeräte) verselbstständigten sich im selben Zeitraum zum VEB Studiotechnik.

Im Hause blieben die Abteilung Elektronenmikroskopie und die Sonderfertigung von Wettersonden.

Neue Produktionen kamen ins Werk: Optoelektronische Bauelemente (Germanium- und Silizium-Dioden, Fotodioden, Infrarot-Dioden, Laserdioden für Glasfaser- Nachrichtenübertragung, Optokoppler, CCD-Zeilen und -Matrix, Lichtemitter- Dioden und -Displays), Vakuum-Fotoelektronische Bauelemente (Fotovervielfacher, Bildaufnahmeröhren), Verzögerungsanleitungen für Farbfernsehgeräte, Konsumgüter (Wohnraumuhr, Blitzzusatzgerät, Autouhr, Auto-Benzinverbrauchsanzeige u.a.).

Im "VEB Werk für Fernsehelekronik" (WF) arbeiteten bis 1989 etwa 9.000 Personen. Als Folge der "Wende" kündigt sich ab 1990 das kommende Ende des "VEB Werk für Fernsehelekronik" durch den neuen Firmennamen an: Werk für Fernsehelektronik GmbH i.L. (in Liquidation). Lediglich das Farbbildröhrenwerk wurde bis 2005 von dem südkoreanischen Unternehmen SAMSUNG weiter betrieben.
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Nachsatz zu diesem Büchlein :

Alle hier dargestellten Informationen wurden von Winfried Müller aus Berlin Köpernick zusammengetragen. Die Kommentare und Links sind von Gert Redlich im Jahr 2020 auf der Basis der bis dahin recherchierten zusätzlichen Informationen eingefügt worden. Weitere Leser-Kommentare sind immer erwünscht, auch anonym !

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Bildquellen :
Industriesalon Schöneweide e.V. Archiv
Hochschule Mittweida, OSW-Ausweis

Ref. Quellen  
(1) Schreier, Wolfgang: Biographien bedeutender Physiker.  
(2) Eichhorn, Siegfried: Zur Chronik unseres Werkes. Betriebszeitung WF "Sender" Nr. 38 v. 30.9.1965  
(3) Bosch, Berthold: Zum Gedenken an Dr. phil. Dr.-Ing E. H. Karl Steimel. Funkgeschichte (GFGF) Nr.77 (1991), S. 5-10.  
(4) Bähr, Johannes: Die Betriebe Sowjetischer Aktiegesellschaften (SAG) in Berlin 1945/46-1953. Jahrbuch des Landesarchivs Berlin, 1996, S.183-208  
(5) U. Albrecht/ A.Heinemann-Gründer / A. Wellmann: Die Spezialisten. Deutsche Naturwissenschaftler und Techniker in der Sowjetunion nach 1945  
(6) Industriesalon, Schöneweide e.V. Archiv:  
  Jahresberichte über das Geschäftsjahr 1945 des LKVO  
  Jahresberichte über das Geschäftsjahr 1946 des OSW  
  Jahresberichte über das Geschäftsjahr 1947 des OSW  
  Jahresberichte über das Geschäftsjahr 1949 des Werk für Fernmeldewesen-HF  
(7) Bruch, Walter: Kleine Geschichte des deutschen Fernsehens. Haude & Spenersche Verlagsbuchhandlung, 1967  
(8) Bruch, Walter: Eines Menschen Leben. Herausgeber Hochschule Mittweida, 2008  
(9) Riedel, Heide: Walter Bruch. Ein deutscher Fernsehpionier. Herausgeber: Fernseh- u. Kinotechnische Gesellschaft. Mainz 1988  
(10) Nachruf: Dr.-Ing. Dr. phil. habil P. Neidthard in Nachrichtentechnik. Elektronik 23 (1973) H.5, S.197  
(11) Müller, Winfried: Fernsehtechnik aus dem Oberspreewerk. "radio fernsehen elektronik" 1988, H.7, S. 433-436, 440  
(12) Müller, Winfried: Fernsehtechnik in der ehemaligen SBZ/DDR - Ein Überblick - Funkgeschichte (GFGF) 25 (2002) Nr.141, S. 1 - 8  
(13) Schramm, Bruno: Vom Siemensgerät zum WF-Mikroskop. Die Geschichte der Elektronenmikroskopie vom Beginn der 50er Jahre bis zur Einstellung der Produktion 1970. Technikgeschichte aus dem Industriesalon, Heft 5.  
  Herausgegeben Industriesalon Schöneweide  
(14) Schreiber, Ernst: Die Ausgleichvorgänge in der Musik und deren synthetische Nachbildung bei elektronischen Musikinstrumenten. "Radio und Fernsehen" 6/1957, H.13, S. 396; H.14, S. 448 ; H.15, S. 478  
(15) G. Rovensky, A. Chermushich, H. Elsner: Deutsche Spezialisten in Fryazino. 1945-1952. Naukograd Fryasino 2011.  
  Stolle, Georg: Deutsche Übersetzung, Seiten 29-36. (Russland-Kind)  
  Setrakov, Vladimir, Reumschüssel, Susanne: Deutsche Übersetzung, Seiten 31-37  

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  • Anmerkung zu den Büchern und Geschichten um Walter Bruch: Die enthaltenen Informationen stammen fast alle aus Bruchs eigenen Büchern bzw. waren daraus entnommen und auch die Biografin Heide Riedel war absolut befangen, diese vom Telefunken Marketing sowie der damaligen Techniker- und Ingenieurschule Mittweida publizierten Wahrheiten mal fundiert nachzurecherchieren. Der Schwiegersohn von Emil Mechau hatte das angefangen und ich habe es weiter forciert und damit sind diese hier über Walter Bruchs Tätigkeiten geschriebenen Informationen mit großem Bedacht zu lesen.
  • Übrigens gilt das Gleiche auch für den "Held der DDR", den Erfinder Manfred von Ardenne, von dem es meines Wissens nach nur eigene Bücher und eigene Biografien gibt. Und auch dort ist die Vereinnnahmung durch die wirtschaftliche Sonderstellung in der SBZ/DDR weidlich geschönt. Er hatte sich genauso kaufen lassen wie Wernher von Braun von dem Amerikanern.

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