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Oberpostrat Gerhart Göbel, Darmstadt blickt zurück nach 1936

Gerhart Göbel hatte privat 2 Bücher geschrieben, in denen er mit seiner fachlichen Kompetenz die Entwicklung des Fernsehens und des Rundfunks historisch millimetergenau aneinander gereiht hatte.
Die Goebelschen Werke gelten in der Fachbranche als die Referenz-Dokumente der technischen Historie, die vor allem wertfrei und weitgehend objektiv (politisch neutral) die Entwicklungen der Technik darstellen.

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Mitteilungen : Ein Fernseh- Veteran von LEITZ

Die Ikonoskop-Kamera mit Teleobjektiv von LEITZ - zur Olympiade Berlin 1936.

Es ist eine hochstilisierte Legende, daß Walter Bruch diese Kamera entwickelt und bedient hatte.

Während der 22. Großen Deutschen Rundtunk-, Fernseh- und Phono-Ausstellung in Berlin (25. August bis 3. September 1961) zeigte die Deutsche Bundespost in ihrer historischen Schau „Berlin auf Welle 400" u. a. ein gewaltiges LEITZ-Objektiv 1:5/1600 mm.

Etwas verloren stand es mit seinem 45 (!) kg Gewicht zwischen ehrwürdigen Fernseh-Empfängern aus den Jahren 1934/1936 und nur die wenigsten Besucher ahnten, daß sie hier das erste und zugleich größte Fernseh-Teleobjektiv Europas vor sich hatten:

Es war - zusammen mit zwei anderen Objektiven 1:5/250mm und 900 mm - Mitte 1936 von der Firma ERNST LEITZ, Wetzlar, für die erste elektronische Fernseh-Kamera der Teleiunken GmbH geliefert worden.

Die Kamera enthielt eine von Dr. V. Zworykin (USA) entwickelte „Iconoscope"- Bildaufnahmeröhre: Das jeweilige Objektiv erzeugte auf einer 9 x 12cm großen, mit einem Mosaik kleinster Photo-Kathoden bedeckten Signalplatte ein optisches Bild des fernzusehenden Gegenstandes.

Aus diesem Lichtbild entstand ein elektronisches Ladungsbild, das - von einem Elektronenstrahl rasterförmig abgetastet - über einen vielstufigen Verstärker das Bildsignal für den Fernseh-Sender auf dem Berliner Funkturm lieferte.
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Emil Mechau und Dr. Heimann hatten die Kamera konstruiert

Während der 11. Olympischen Spiele in Berlin sollte diese von Emil Mechau konstruierte Kamera vor den Augen der Weltöffentlichkeit ihre Bewährungsprobe bestehen. Sie stand auf einem schweren Lafetten-Stativ vor der Ehrentribüre im unteren Umgang des Olympia-Stadions, etwa 10m vor dem Ziel der 100m-Bahn.

Zu ihrer Bedienung waren 5 Mann erforderlich: Zwei führten die Kamera, einer half beim Objektivwechsel, und zwei überwachten die in einem Bunker unter dem Rasen aufgestellte Bildverstärker-Anlage.

Mit ihren 3 LEITZ-Objektiven konnte die Kamera jeden Punkt des Olympischen Kampffeldes erfassen. Ein Rundfunksprecher, der das Fernsehbild kommentieren sollte, stand neben der Kamera. Aber er hatte noch keinen Kontrollempfänger vor sich, wie heute, und so schilderte er einfach das, was er erlebte, und der Kameramann mußte wohl oder übel mit seinem Bild dem Kommentator folgen.
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Der Oberbürgermeister Diel im Jahr 2006 zu Besuch im Museums-Lager vor diesem nachgebauten Holzmodell der Olympia-Kamera

Wenn der Reporter in olympischer Begeisterung auch über das berichtete, das die „Kanone" infolge ihres toten Winkels beim besten Willen nicht sehen konnte, dann blieb dem an seinen Bildsucher und an die Schwenkräder seines Stativs gefesselten Kameramann nur ein Mittel: Er mußte den Sprecher durch einen Fußtritt nachdrücklich auf die Grenzen optischer Abbildung hinweisen.

Am nächsten Tag kam dann von oben die Anweisung, der Kameramann vor der Ehrentribüne solle gefälligst das lästerliche Fluchen unterlassen. „Die ... Kamera ist leider kürzlich in Unkenntnis ihres historischen Wertes verschrottet worden ...")

  • Anmerkung : Für den ehemaligen Mainz/Wiesbadener Museumsverein wurde von einer Lehrwerkstatt ein Holzmodell dieser Kamera nachgebaut.


Dieses eine 160cm-Leitz-Objektiv hat der Zerstörung widerstanden; es soll die Erinnerung wachhalten an die überhaupt erste Fernsehübertragung von den Olympischen Spielen im Jahre 1936.

Gerhart Göbel, Oberpostrat. Darmstadt

•) aus der Zeitschrift für das Post- und Fernmeldewesen Heft 23 (1961) Seite 895.

Herausgeber: ERNST LEITZ GMBH WETZLAR - Schriftleitung: Dr. G. Wangorsch
Zuschriften an: Redaktion LEITZ-Mitteilungen, Ernst Leitz GmbH Wetzlar.
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Fällt Ihnen etwas auf ? Der Name "Walter Bruch" kommt in dem ganzen Artikel von 1961 gar nicht vor.

Die Firma Telefunken (besser deren kreative Mitarbeiter bzw. deren Marketing Abteilung) hatte ihrem PAL-Promoter Walter Bruch diverse Entwicklungen und Erfindungen angedichtet, die nachweislich so nicht gestimmt hatten. Gerhart Goebel hatte die ganze Geschichte persönlich miterlebt - ebenso wie Dr. Wagenführ, der diese aufgebauschten Geschichten um Walter Bruch ebenfalls relativiert hatte.

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