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Dies ist ein Artikel von Norbert Bolewski

Norbert Bolewski ist der langjährige Chefredkteur der FKT Zeitschrift und kommt eigentlich vom Film. Er kennt also die Erzeugung von bewegten Bilder von der Pike auf und er kommt aus Berlin. Hier im Museum gibt es viele viele Seiten, wie er die Historie von Film und Fernsehen betrachtet. So hat er auf die FESE einen ganz anderen Blick als zum Beispiel Günter Bräher, der bei uns der Mr. Vinten war. Er sieht die Fese also von außen mit einem einigermaßen neutralen Blick als Redakteuer einer Fernseh- bzw. Broadcast- Zeitschrift.

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50 Jahre Bosch-Fernseh

Am 11. Juni 1979 konnte Bosch-Fernseh auf eine fünfzigjährige Firmengeschichte zurückblicken. 50 Jahre Bosch-Fernseh heißt aber mehr, heißt auch 50 Jahre deutsche Fernsehtechnik und damit praktisch von Anbeginn des Fernsehens an.

Gegründet wurde die Fernseh AG unter Beteiligung der Robert Bosch GmbH, der Baird Television Ltd., London, Zeiss-Ikon, Dresden, und D.S. Loewe, Berlin. In den ersten Jahren war soviel Forschungsarbeit zu leisten, daß, nicht zuletzt durch die einsetzende Rezession, an einen Gewinn nicht gedacht werden konnte.

Baird zog sich deshalb schon nach wenigen Jahren zurück, Mitte der dreißiger Jahre schied auch Loewe aus, und 1939 auch Zeiss-Ikon.

  • Anmerkung : Das ist leider ziemlich falsch. Die Firma Loewe hatte zwei jüdische Chefs und wurde von den Nazis rausgedrängt oder besser rausgeworfen, der Engländer Baird kam ja aus Feindesland und wurde 1939 auch trickreich rausgedrängt. Über eine von ganz oben angeordnete Kapitalerhöhung in heftigen Dimensionen wurden die unliebsamen und nicharischen Gesellschafter völlig legal quasi in die Bedeutungslosigkeit geschoben. Wußte das Norbert Bolewski nicht ?


Bosch wurde damit Alleininhaber der Fernseh GmbH (wieder falsch, BOSCH wurde dominierender Mehrheitsgesellschafter), die bis 1973 bestand, und heute als Geschäftsbereich Fernsehanlagen zur Robert Bosch GmbH gehört.
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Bildaufnahme und -wiedergabe mit 30 Zeilen

Bereits ein Jahr nach ihrer Gründung beteiligte sich das Unternehmen 1928 an der 5 Deutschen Funkausstellung und zeigte eine Apparatur für die 30-zeilige Bildaufnahme und -wiedergabe mit einem Nipkowscheiben-Filmabtaster.

Besonders die später entwickelten Zwischenfilmgeräte fanden bei der Reichspost großes Interesse und so wurden eine Reihe von Geräten ausgeliefert. Für die Olympischen Spiele 1936 lieferte das Unternehmen die ersten rein elektronisch arbeitenden Aufnahmegeräte mit Braunscher Röhre ???. (Anmerkung : noch mit der schwächlichen "Sondenröhre", Telefunken hatte bereits das bessere Iconoscope).

Bereits zu Anfang des Fernsehens war es die Fernseh AG, die mit zukunftsträchtigen Entwicklungen auf sich aufmerksam machte. So war beispielsweise der auf der Funkausstellung 1933 erstmals gezeigte Röhrentyp der Hochvakuum-Bildröhre für die Fernsehwiedergabe eine solche Entwicklung.

Die Ikonoskop- (besser "Iconoscope") Entwicklung

1935 begann das Unternehmen eine Ikonoskop-Entwicklung mit dem Ziel, im sichtbaren Spektrum eine höhere Empfindlichkeit (als mit der Sondenröhre) zu erreichen. Zur Funkausstellung 1937 waren die ersten Kameras mit eigengefertigten Ikonoskop-Röhren fertiggestellt und konnten mit Einführung der 441-Zeilen-Norm ihre Bewährungsprobe bestehen.

Die Entwicklungsarbeiten dieses nun über die Grenzen Deutschlands hinaus bekannten Unternehmens führten in die verschiedensten Richtungen, von der Entwicklung neuer Fernsehgeräte, neuer Fernsehkameras, Filmabtaster bis hin sogar zum Gebiet der Großprojektion.

Gefährliche Zeiten im Krieg - Militärprodukte

In den Jahren 1939 bis 1945 war die Fernseh GmbH dem Luftfahrtministerium zugeordnet, doch wurden die Aufträge von der Reichspost vergeben. Dies erleichterte den Übergang und erlaubte es, Aufgaben anzupacken, die auch im Hinblick auf das zivile Fernsehen nützlich schienen.

1940 wurden die ersten Superikonoskop-Röhren gebaut. Es gelang, diese Röhre unter Beibehaltung ihrer Kenndaten wesentlich zu verkleinern und zu vereinfachen, so daß die dann 1941 in großer Stückzahl gefertigte Röhre von Aufbau und Abmessungen hier bis Mitte 1955 unverändert blieb und auch von ausländischen Herstellern übernommen wurde.

1943 wurde der größte Teil des Betriebes nach Obertannenwald ausgelagert. Nach Kriegsende versuchte man nach Taufkirchen in Niederbayern umzusiedeln, zu einer Außenstelle von Blaupunkt, die nun für einige Jahre Sitz der Fernseh GmbH in Westdeutschland wurde.

In Taufkirchen gings weiter

R. Müller übernahm die Leitung der kleinen Gruppe, die mit nach Taufkirchen ging. Die finanzielle Basis waren Meßgeräte, Röhrenprüfgeräte und Oszillographen (Anmerkung : und vor allem Reparaturen).

1949 wurde das Verbot zur Betätigung auf dem Fernsehgebiet (Anmerkung : nur in der englischen Zone) aufgehoben. Die Entscheidung für einen neuen, besser geeigneten Standort für die Fernseh GmbH fiel für Darmstadt wegen seiner zentralen Lage, aber auch, weil dort das Fernmeldetechnische Zentralamt der Bundespost und eine technische Hochschule ihren Sitz hatten.

Es war eine schwere Zeit, denn man war nicht sicher, ob der vierjährige Vorsprung der vergleichbaren Länder in der technischen Entwicklung eingeholt werden konnte.
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Die erste Kamera nach der Dr. Gerber Norm

In der Zwischenzeit hatte man sich bereits auf das auch heute übliche Fernsehsystem mit 625 Zeilen, 25 Bildwechseln je Sekunde, Zwischenzeile usw. geeinigt. Das System stand also,und die Entscheidung für den ersten Kameratyp war relativ einfach.

Die großen Erfahrungen in der Fertigung des Superikonoskops mit den Vorkriegs- und Kriegskameras führten zu einer kompakten Studiokamera mit optischem Sucher.

Der unendlich große Arbeitseinsatz aller Mitarbeiter, die hervorragenden Fachleute und last but not least die Wiederanknüpfung freundlicher Beziehungen zu EMI, Marconi, Cintel und RCA führten in Zusammenarbeit mit deutschen Firmen dazu, daß der Entwicklungsvorsprung des Auslands relativ schnell eingeholt werden konnte.

Erste Export-Erfolge

Ja, die Anlagen der ersten Nachkriegsgeneration fanden sogar lebhaften Anklang auch im Ausland und sorgten so für die ersten Exportaufträge. Inzwischen wurde an der Entwicklung der zweiten Kamera-Generation mit der von der RCA entwickelten Image-Ortikon-Röhre gearbeitet.

Ganz neue Kameras

Die nach vielen neuartigen Konzeptionen entworfenen Kameras "KIA" und "KOA" festigten den Ruf der Firma nach fertigungsgerecht konstruierten und mechanisch robust arbeitenden Geräten.

Vollkommen neue Entwicklungen folgten, so beispielsweise ein 16mm-Filmabtaster nach dem Fast-Pull-down-Prinzip, bei dem der Film während der Bildrücklaufzeit in wenigerais 1,2ms pneumatisch transportiert wird.

Das Angebot wurde wesentlich erweitert, der regelmäßige Fernsehdienst, der seit 1954 einsetzte, forderte auch Geräte zur Regieführung vom Mehrfachmischer über Tricküberblender bis zu großen fernbedienbaren Kreuzschienen und Spezial-Monitoren.

Ein 819-Zeilen Normwandler

1958 wurde ein Normwandler vorgestellt, der die Möglichkeit bot vom französischen 819-Zeilen-Verfahren auf 625 Zeilen zu wandeln. Das war damals eine Pionierleistung.

Die ersten Magentbandanlagen der FESE

Bei der Aufzeichnungstechnik war es vor allem Ampex, die in systematischer und gründlicher Arbeit die Ouerspuraufzeichnung entwickelte. Bei den Verhandlungen zur Erlangung einer Lizenz war die günstige Patentsituation der Fernseh GmbH (zur RCA !!) von großem Vorteil.

Die im gleichen Jahr bei der Fernseh GmbH angelaufenen Entwicklungsarbeiten führten schon nach kurzer Zeit unter Ausnutzung der von RCA erhaltenen Informationen und eigener Ideen zu röhrenbestückten Querspur- aufzeichnungsanlagen. Damit war Bosch-Fernseh die erste europäische Firma, die Anlagen zur magnetischen Bildaufzeichnung auf den Markt brachte.

Der Aufstieg zum Unternehmen

Als 1966 die Empfehlungen für PAL erstellt wurden, war Bosch-Fernseh mit dabei. Die Einführung des Farbfernsehens berechtigte Hoffnungen auf eine weitere Expansion der Firma.

Ein neues und nun endgültiges Firmengelände wurde von der Stadt Darmstadt gekauft und 1971 mit rund 2.000 Mitarbeitern bezogen. Die Entwicklung der letzten 10 Jahre steht noch vor unseren Augen.

Ein Höhepunkt waren 1972 die Olympischen Spiele, allein 120 Bosch-Fernseh-Kameras und unzählige andere Geräte und Einrichtungen zeigten der übrigen Welt deutlich den hohen Stand der deutschen Fernsehtechnik.
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Blick in die Zukunft

Heute nun stehen wir vielleicht an den Schranken einer neuen technischen Entwicklung. Neue Einsatzmöglichkeiten mit kleinen, leistungsfähigen Fernsehkameras und kleine Aufzeichnungsgeräte für die elektronische Berichterstattung könnten einen neuen Trend einläuten. Die moderne Bauelementetechnik schaffte Voraussetzungen für die Entwicklung digitaler Speicher und damit Möglichkeiten, zur Verbesserung des Fernsehsignals.

Die Bosch-Fernseh setzt neue Maßstäbe

Gerade auf diesen Gebieten zeigte Bosch-Fernseh, daß auch die jungen Ingenieure mit der gleichen Begeisterung wie ihre älteren Kollegen arbeiten können. Sie sorgten dafür, daß Bosch-Fernseh heute zu den Firmen der Welt zählt, die bei der fernsehtechnischen Entwicklung und Erforschung neue Maßstäbe setzt.
Bol als Chefredaktuer der FERNSEH-UND KINO-TECHNIK Nr. 6/1979
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Ganz trauriger Nachtrag aus 2021

Beim Rückblick aus dem Jahr 2020 sieht die Geschichte der Bosch/Fernseh aber ganz anders aus. Jede Menge an Fehlentscheidungen im oberen Management und die Ignoranz gegenüber dem Wettbewerb insbesonders aus Japan führten zu einer grandiosen Bestätigung der Gültigkeit der Gaußchen Normaverteilungskurve, dieser berühmten "Glockenkurve".

In 2021 sind es genau 2 Mitarbeiter, die von den ehemals maximalen 3000 Kollgen die Fahne hoch halten. Auch hierüber habe ich mit Professor Hausdörfer mehrfach gesprochen, denn er war ja fast ganz oben - als Prokurist der BTS.

Alle Anregungen für modernste zukunftsweisende Entwicklungen im Digitalbereich wurden abgeschmettert, man würde ja doch mehr verkaufen, als überhaupt produziert werden könne. Frau Hausdörfer sagte mir mal in einer Gesprächspause, als er auf dem stillen Örtchen war, er sei sehr oft spät abends mit Tränen in den Augen heim gekommen, weil alle seine Vorschläge abgeschmettert worden waren.

Nach den völlig verworrenen Eigentumswechseln ist von der BOSCH/Fernseh nichts mehr übrig als die Erinnerung der alten Kollegen auf den FESE Treffs.

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