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Die Lebensbiografie von Akio Morita (aus 1986), dem berühmten SONY Mitbegründer - Er war "Mister Japan"

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Die Einfallslosigkeit der amerikanischen Finanzexperten

Ich selbst habe es zu Hause mit dem gleichen Problem zu tun. Ich habe auf die Notwendigkeit einer Änderung schon nachdrücklich hingewiesen, doch unsere kurzsichtigen Währungsexperten reagierten darauf nur mit einem >Das geht nicht< oder >Das wäre einfach zu gefährlich<. Es scheint ihnen an Kreativität und Vorstellungskraft zu fehlen.

Wenn ich den Experten im Finanzministerium früher vorschlug, auf den Geldmärkten zu intervenieren und den Yen durch Yen-Ankäufe zu kräftigen, sagte man mir: »Nein, wir können nicht intervenieren, unser monetärer Spielraum ist nur klein.« Doch nach dem Beschluß der Fünfergruppe intervenierte die Bank von Japan dann durchaus erfolgreich.

In Amerika hatte ich entsprechend Stellung genommen. Dort sagten mir die Finanzexperten: »Wie sollen wir denn zu festen Wechselkursen zurückkehren? Wenn Fixkurse jedoch nicht mehr in Frage kommen, dann ist das gegenwärtige Floating-System das beste, was sich machen läßt.«

Daraufhin wurde ich ärgerlich. Ich sagte, wenn wir Ingenieure uns mit dem Bestehenden zufriedengäben und keine Alternativen hätten, dann würde jede Innovation ausbleiben. Wir Wissenschaftler und Ingenieure fördern fortwährend neue Ideen zutage.

An dem Tag, an dem eine Erfindung gelingt, beginnt man schon an ihrer Verbesserung zu arbeiten. Und nur auf diese Weise hat die Technologie ihren heutigen Stand erreicht. »Wenn hier behauptet wird, es könne keine Rückkehr zum Fixkurssystem geben«, fuhr ich fort, »und Sie das Floating-System als einzige Möglichkeit ohne jede Alternative hinstellen, dann demonstrieren Sie vor aller Welt nur Ihre Einfallslosigkeit.«
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Beim Versagen haben natürlich immer die anderen Schuld.

Die Erneuerung der amerikanischen Industriestruktur ist eine besondere Herausforderung des Welthandelssystems. Ich glaube, auf diese Erneuerung hinweisende Anzeichen zu erkennen; andere Indizien deuten jedoch auf das Gegenteil hin: Industriezweige geben auf und schieben Dritten die Schuld an ihrem Scheitern zu.

Obwohl viele Amerikaner die Zukunft der amerikanischen Wirtschaft auf dem Dienstleistungssektor sehen, so ist dennoch klar, daß kein Volk auf seine industrielle Infrastruktur vollständig verzichten kann, um, wie Senator Eagleton sich ausdrückte, ein Volk von Pommes-frites-Buden- Konzessionären zu werden.

Doch kann ich nicht erkennen, daß Washington zu Maßnahmen greift, um diese industrielle Erholung vorrangig zu fördern.

Protektionismus, die Unterdrückung des freien Handels, ist schon eine merkwürdige Methode, den freien Güteraustausch zu fördern und zu vermehren. Und doch fällt diese knappe und übermäßig vereinfachte Antwort amerikanischen Abgeordneten und europäischen Regierungsbeamten und Parlamentariern nur allzu oft ein.

Ich rede meiner Regierung nun schon seit Jahren ins Gewissen, wir sollten den Amerikanern endlich einmal sagen, daß Japan nicht schuld ist, wenn es bei der amerikanischen Industrie im argen liegt; dabei handele es sich um ein rein amerikanisches Problem. Selbst ein Lee lacocca gibt das zu.

Ich bin seit langem der Ansicht, statt unseren Außenhandel durch sogenannte freiwillige Beschränkungsabkommen zu behindern (wie es bei uns beim Export von Autos und anderen Industriegütern der Fall ist), sollte man besser gleich zu einer ehrlichen protektionistischen Gesetzgebung greifen.

Dann müssen sich diejenigen, die uns diese Restriktionen auferlegen, nämlich über ihr Tun und Treiben wenigstens Rechenschaft ablegen und können sich nicht länger als Befürworter des Freihandels aufspielen.
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Konosuke Matsushita und ich haben zusammen ein Buch geschrieben

Vor ein paar Jahren, als wegen unseres Außenhandels wieder einmal kräftig auf uns eingeschlagen wurde, sagte ich zu unserem Ministerpräsidenten:

»Wenn Sie und Präsident Reagan auf so vertrautem Fuß stehen, daß Sie sich schon mit dem Vornamen anreden, dann erzählen Sie >Ron< doch bitte einmal etwas deutlicher, wo die Probleme wirklich liegen und daß Amerika größtenteils daran selbst schuld ist, und nicht bloß Japan.«

Der Ministerpräsident antwortete mir dem Sinne nach, er wolle nicht den Schurken spielen. Daraufhin erwiderte ich: »Wenn ich nach Amerika fahre, spiele ich regelmäßig den Schurken. Ich versuche Dinge zu sagen, die die Aufmerksamkeit auf sich lenken und die Bevölkerung zum Nachdenken über unsere Probleme veranlassen.«

Konosuke Matsushita, der Gründer des gleichnamigen Elektrokonzerns, und ich schrieben einmal ein Buch mit dem Titel >Yuron<, grob übersetzt >Was uns beunruhigt<. Kurz vor der Veröffentlichung kam er auf mich zu und fragte, ob die von ihm geäußerte Kritik den wirtschaftlichen Interessen Japans vielleicht schaden könne. »Aber nein«, sagte ich, »wenn wir im Interesse eines florierenden Auslandsgeschäfts den Mund halten, dann wüßte niemand den Grund zu nennen, falls Japan einmal wirtschaftlich zusammenbrechen sollte.«
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Kritik am Standpunkt der "Anderen" muß erlaubt sein

Kritik kann dem Geschäft tatsächlich abträglich sein, doch für Unternehmer, Individuen und Völker ist es sehr wichtig, die Dinge einmal aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten.

Meine Erkenntnis aus der Niederlage 1945 :  Japan wurde in Krieg und Niederlage getrieben, weil unser Land nur den eigenen Standpunkt gelten ließ.

Mehr als zehn Jahre lang reagierte unsere Regierung auf amerikanische und europäische Vorhaltungen, unsere Märkte seien nicht absolut frei zugänglich, mit der Antwort: »Wir werden darauf hinarbeiten.«

Und dann wurde der Zugang einen Spalt breiter geöffnet und man baute tarifäre und andere Hemmnisse ein wenig ab. Gingen erneute Beschwerden ein, wurde Planstufe zwei in Kraft gesetzt, d.h. die Hindernisse wurden noch ein Stückchen niedriger gemacht.

Und schließlich, nach Stufe acht, reichte es noch immer nicht hin. Die Ungleichgewichtigkeit des Handels wird sich durch solche Pläne nicht beseitigen lassen. Daß sich der japanische Markt zu langsam öffnet, habe ich schon oft bemängelt.

Trotz alledem; die Hauptursache des Ungleichgewichts liegt in der Problematik der Wechselkurse. Die Lage besserte sich erst nach der Konferenz der Fünfergruppe, doch dann schlug das Pendel zu weit aus, so daß der Yen auf unrealistische Rekordhöhen anstieg.
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Die Gedanken der "Reziprozität"

Ich meine, die Japaner hätten in Wechselkursfragen unnachgiebiger sein sollen und hätten die Gründe für das Außenhandelsungleichgewicht viel deutlicher beim Namen nennen müssen, statt den Kopf einzuziehen und sich mühsam zu neuen Schritten in Richtung Marktöffnung durchzuringen, die, wie jeder weiß, das Ungleichgewicht ohnehin nicht beseitigen.

Bei internationalen Konferenzen tritt Japan sehr jämmerlich in Erscheinung. Anscheinend wird man es nicht erleben, daß wir einmal den Kopf hoch tragen und unsere Ansichten freimütig zur Sprache bringen.

Im Beisein des inzwischen verstorbenen Nobuhiko Ushiba, ehemaliger Außenminister und früherer Botschafter in Amerika, tagte 1979 erstmalig die Arbeitsgruppe für amerikanisch-japanische Wirtschaftsbeziehungen.

Zu unserer Kommission gehörten unter anderem acht Privatpersonen; Führer der amerikanischen Delegation war Robert Ingersoll, ein ehemaliger Botschafter in Japan. Damals war bei amerikanischen Abgeordneten viel von einer Reziprozität des Handels die Rede; die Forderungen gingen dahin, daß alles, das im amerikanischen Wirtschaftsleben zulässig war, auch in Japan erlaubt sein sollte (und umgekehrt). In diesem Sinne sollte Reziprozität verstanden werden.

Wir von der sogenannten >Gruppe der Weisen< stellten dem unser Konzept einer inländischen Gleichbehandlung gegenüber. Unsere Auffassung konnte sich durchsetzen, das heißt, in Japan sollten sich alle Ausländer so betätigen können, wie es jedem Japaner erlaubt war, und in Amerika sollten die Japaner alles tun dürfen, was den Amerikanern von Rechts wegen zustand.
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Für Amerikaner müsse Amerika der Maßstab sein

Nun glauben aber die meisten mir bekannten Amerikaner, Amerika mit seinen minimalen Restriktionen müsse Maßstab für jedermann sein.

Wir machten bei unseren Sitzungen aber deutlich, daß Japan Ausländern keine Privilegien einräumen könne, die nicht einmal die eigene Bevölkerung habe. Reziprozität würde bedeuten, daß Gesetze geändert werden müßten, um fremde Wirtschaftssysteme zu übernehmen, die sich mit unserer Kultur möglicherweise gar nicht vertragen.

Bei unseren Darlegungen brachten wir unter anderem zur Sprache, daß japanische Verhandlungsführer sich offener äußern und auch auf amerikanische Kritik möglichst direkt eingehen sollten, um Mißverständnisse und Fehleinschätzungen unseres Standpunktes weitgehend auszuschließen.

Wenn die amerikanische Regierung die japanische Politik kritisiere oder spezielle Wünsche habe, dann solle die japanische Regierung ihre Auffassung rational erläutern und den Amerikanern mit Gegenargumenten begegnen, statt gar nichts zu sagen, sich scheinbar zu fügen oder mit einem schlichten >Nein< zu antworten.
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Wenn unser Welthandelssystem eine Zukunft haben soll

Ich glaube, wenn unser Welthandelssystem eine Zukunft haben soll, dann muß man die Handelsbeziehungen nicht einschränken, sondern ausweiten. In diesem Sinne scheint sich Japan zur Zeit (1985) das eigene Grab zu schaufeln.

Wenn das Handelsungleichgewicht nicht geringer wird, dann wird das Ausland immer neue Exportrestriktionen fordern. Wir müssen das Problem bei der Wurzel packen, statt immer nur an den Symptomen zu kurieren.

Die amerikanische Industrie muß zur Wettbewerbsfähigkeit zurückfinden. Wegen der amerikanischen Produktionsausfälle nähern wir uns in Kürze dem Fall, daß Amerika Japan und seine Exporte ebenso nötig hat, wie Japan auf den amerikanischen Markt angewiesen ist.

Manche amerikanische Analytiker behaupten, Japan lasse nach, verliere seine Arbeitsmoral usw. Auch viele Japaner, insbesondere die älteren, sind der Ansicht, wir hätten unseren Sinn für Loyalität verloren oder arbeiteten nur noch, um anschließend spielen zu können.

Die Auffassungen des Menschen wandeln sich im Laufe der Zeit allmählich, doch gewissen generationsbedingt veränderten Einstellungen zum Trotz steht die Arbeitsmoral der Japaner nach wie vor auf festem Grund.
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  • Anmerkung : Das hat sich seit Corona (2020) und der Invasion der Russen unter Putin (2022) in die Ukraine diametral gewandelt. Die amerikanischen Firmen holen so nach und nach ihre Produktionen aus China wieder zurück. Die Abhängigkeit war für einige kleinere Firmen bereits der Todestoß.

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Japans akuelle Position - unser Auftreten international

Japans Position ist stärker geworden und hat in der Welt an Gewicht gewonnen; deswegen können wir uns jetzt nicht mehr in eine geruhsame Ecke zurückziehen, um uns ausschließlich mit eigenen Bedürfnissen zu beschäftigen.

Wenn wir etwas zu sagen haben, dann müssen wir uns so artikulieren, daß wir von der Gegenseite verstanden werden. Wir sind jetzt zwar die zweitgrößte Volkswirtschaft der Erde, doch an ein solches Auftreten haben wir uns noch immer nicht gewöhnt.

Wenn wir mit unseren Nachbarn jedoch zurechtkommen wollen, dann müssen wir uns entsprechend umstellen. Wir haben Probleme mit den Amerikanern, mit denen nur schwer auszukommen ist, weil sie so emotional reagieren.

Ich aber habe die Erfahrung gemacht, daß die Amerikaner einer direkten, überzeugenden Rede Gehör schenken und vielleicht sogar ihre Ansichten ändern.
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Nicht allein des Geldes wegen ........

Die Expansion unseres Unternehmens setzte harte Arbeit voraus. Nicht weniger angestrengt bemühten wir uns, im Ausland den Gepflogenheiten des jeweiligen Gastgeberlandes Rechnung zu tragen.

Es war keine einfache Lehrzeit, und, ganz ehrlich gesagt, bis vor kurzem konnte ich nur wenige amerikanische oder europäische Unternehmen erkennen, die sich eine vergleichbare Mühe gaben.

Den europäischen Markt zu beschicken, war keineswegs einfach. Wir sandten zunächst ein paar einfallsreiche junge Leute hinüber, ohne ihnen indes allzu viele Maßregeln und Instruktionen mit auf den Weg zu geben.

Obwohl wir sie weder übermäßig gut bezahlten und ihnen auch keinerlei Sondervergünstigungen einräumten, machten sie ihre Sache allesamt ganz hervorragend. Dies bestätigte wieder einmal meine Überzeugung, daß der Mensch nicht allein des Geldes wegen arbeitet.

Gehen amerikanische Firmen auf der Suche nach billiger Arbeitskraft außer Landes, stellen sie sehr schnell fest, daß sie sich mit einem solchen Schritt nur selbst schaden.

Die Gründung von Auslandsniederlassungen zwecks Beförderung des Welthandels ist eine ehrenwerte Maßnahme. Doch wenn die Aushöhlung der Industrie des eigenen Landes die Folge ist, dann, meine ich, stimmt da etwas nicht.
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Der Vergleich Amerika mit Japan - die Menschen

Viele Ausländer beklagen sich, wie schwierig es sei, in Japan tätig zu werden. Doch als ich erstmals nach Amerika kam, hielt ich es, wie ich schon sagte, für schier unmöglich, auf einem dermaßen riesigen Markt Fuß zu fassen.

Ein großer Teil der japanischen Bevölkerung lebt auf einem relativ kurzen Streifen unserer Pazifikküste. Die Japaner sind zu beinahe hundert Prozent des Lesens und Schreibens kundig, alle sprechen ein und dieselbe Sprache, haben denselben kulturellen Hintergrund.

Zudem können alle dieselben Fernsehprogramme empfangen und die gleichen überregionalen Zeitungen lesen. Man bedenke einmal, in welch einer gänzlich anderen Lage sich da beispielsweise die Amerikaner, Engländer und Franzosen befinden.

Trotzdem ist von den soeben Genannten oftmals zu hören, sie fänden Japan verwirrend. Das wundert mich eigentlich.
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Die Frage, warum so viele Unternehmen vor Japan Angst haben

Denn wir stellten uns den Herausforderungen des Auslands. Deswegen frage ich mich noch immer, wieso so viele Unternehmen vor Japan mit seinen hundertzwanzig Millionen Konsumenten solche Angst haben. Die Ausweitung des Welthandels setzt voraus, andere Völker zu kennen und zu verstehen.

Diese Kenntnisse und das nötige Verständnis zu erwerben, sollte in der heutigen Zeit absoluten Vorrang haben, nicht aber der Protektionismus.

Jedes Unternehmen kann seine Erzeugnisse im Ausland verkaufen, wenn die Produkte gelungen und marktfähig sind und wenn der Hersteller zu langfristiger und intensiver Absatzförderung bereit ist.

Selbstverständlich spreche ich hier aus Erfahrung. Uns standen zahlreiche Hindernisse im Weg, sie beiseite zu räumen war nicht einfach. Heute jedoch dürften die Schwierigkeiten weitaus geringer sein. Einige Beispiele mögen dies verdeutlichen.
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In den sechziger Jahren wollten wir nach Deutschland

In den 19sechziger Jahren stellte ich mir die schwierige Aufgabe, unsere Erzeugnisse auch in Deutschland abzusetzen. Da deutsche Unternehmen in der Branche die führende Rolle spielten, hielten die Deutschen ihre Unterhaltungselektronik selbstverständlich für unübertrefflich.

Namen wie Grundig, Nordmende und Telefunken - um nur die berühmtesten zu nennen - wurden weltweit nur ehrfürchtig erwähnt.
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Mein Mann für Deutschland hieß Yasumasa Mizushima

Yasumasa Mizushima hatte in New York etwa zweieinhalb Jahre für ein japanisches Handelshaus gearbeitet, bevor er zu Sony stieß. Er sprach Englisch und ein wenig Spanisch.

Als ich mir vornahm, in Deutschland eine Repräsentanz zu eröffnen, arbeitete Mizushima in Zug bei Sony Overseas und lernte fleißig Französisch.

Unsere Produkte jedoch verkauften sich nur schlecht, auch schien unser Vertragshändler nicht allzuviel von ihnen zu halten. Nachdem wir uns daher einen neuen Händler gesucht hatten, sagte ich mir, daß wir uns auf dem problematischen deutschen Markt besser bewegen könnten, wenn wir den Verkaufsagenten durch ein eigenes Büro unterstützten.
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Vier Wochen Zeit, um Deutsch zu lernen

Ich ließ Mizushima nach Tokio kommen und gab ihm vier Wochen Zeit, um Deutsch zu lernen und sich mit dem Gründungsplan vertraut zu machen.

Heute witzeln wir deswegen gelegentlich, denn Mizushima hatte sich zwar ein Lehrbuch - >Deutsch in vier Wochen< - gekauft, aber er mußte bereits nach drei Wochen aufbrechen. Deshalb wies ich ihn an, die Lektionen der vierten Woche auf dem Flug nach Deutschland zu lernen.

Mizushima ging nach Kiel, denn dort war unser neuer Händler (Anmerkung : Anfänglich war das die Firma ELAC) ansässig. Weil es das beste und billigste war, mietete er in dessen Verwaltungsgebäude ein Büro, doch schon nach sechs Monaten mußte er nach Hamburg umziehen, da Mizushima neben Deutschland auch die Niederlande und Österreich bearbeitete, Kiel aber verkehrsmäßig zu abgelegen war. Für die Fahrt zum Hamburger Flugplatz brauchte man damals (von Kiel aus) etwa drei Stunden.
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Der (Verkaufs)- Erfolg war sehr mäßig

Die deutsche Kundschaft nahm japanische Erzeugnisse nicht ohne weiteres an; hinzu kam, daß auch unser Händler keine zufriedenstellenden Leistungen erbrachte. Mizushima, der auf der Abendschule auf eigene Rechnung inzwischen erstaunlich gut Deutsch gelernt hatte, schlug vor, ein Tochterunternehmen zu gründen. Da ich wußte, wie sehr er sich schon in seine Arbeit gekniet hatte, vertraute ich ihm und seinem Rat.

(Mizushima nahm abends die Eingangspost mit nach Hause, übersetzte sie mit Hilfe eines Wörterbuches und legte die Übertragungen am nächsten Morgen seiner Sekretärin zur Korrektur vor. Nebenher mußte er natürlich auch noch seine Schulaufgaben machen und sich um Firmenbelange kümmern.)
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Also gleich einen eigenen Vertrieb aufmachen

Auf seinen Vorschlag hin, Sony Deutschland als Vertriebsorganisation zu gründen, betraute ich ihn mit dem Projekt und trug ihm auf, seinen Plan dem Stammhaus schmackhaft zu machen.

Von den ersten siebzehn angeworbenen Mitarbeitern wußte nur ein einziger bereits bei seiner Bewerbung, was man sich unter Sony vorzustellen hatte. Dieser Mann war ein Kundendiensttechniker, der einige unserer Erzeugnisse bereits kennengelernt hatte.
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Keine Kaufhäuser und Boxenschieber (jedenfalls damals)

Der Name Sony sollte auch auf dem deutschen Markt von vornherein als Inbegriff der Qualitätsarbeit stehen. Daher verkauften wir unsere Erzeugnisse - hochwertige Verstärker, Empfänger, Tonbandgeräte und, als absolute Neuheit, ein Digitaluhrenradio - nur an die allerbesten Fachgeschäfte.

Als Mizushima nach Deutschland kam, schlug sich kein Sony-Artikel öfter als tausendmal monatlich um, doch nach kurzer Zeit schon setzte er monatlich allein über dreitausend Uhrenradios ab. Als unser Name eine gewisse Bekanntheit erreicht hatte, fragten auch Kaufhäuser und Massenvertriebsorganisationen Sony-Erzeugnisse nach, doch wir blieben ablehnend.
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Tokyo wollte Umsatz, ich wollte Image und Qualität

Tokio drängte Mizushima, immer mehr Aufträge zu akzeptieren, doch er blieb hart und versuchte weiterhin, Sonys Ruf als Lieferanten teurer Wertarbeit zu bekräftigen.

Ich besuchte ihn etwa alle drei Monate, hütete mich jedoch, ihm unerwünschte Ratschläge zu erteilen. Er war damals gerade um die Dreißig und machte Umsätze in der Größenordnung von etwa sechzig Millionen Dollar. Am Ende des ersten Geschäftsjahrs gönnte er sich dann einen Mercedes als Firmenwagen.

Unsere inzwischen mehr als tausend deutschen Mitarbeiter machten sich den Geist unseres Unternehmens zu eigen. Sie arbeiteten hart und fragten nicht nach Feierabend. Viele unserer Mitarbeiter wurden mit Verantwortungskomplexen und Kompetenzen betraut, die man ihnen bei ihrem jugendlichen Alter und ihrer Vorbildung in keinem deutschen Unternehmen übertragen hätte.
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Anders als in Japan - wir hatten noch keine Akademiker

Uns kam dabei ein Umstand zugute, der anfänglich eher hinderlich zu sein schien. Als wir nämlich noch unbekannt waren, konnten wir (im Ausland) keine Akademiker einstellen; sie vermißten bei dem kleinen ausländischen Tochterunternehmen wohl das nötige Ansehen.

Und so kam es, daß prächtigen, energischen jungen Leuten in dieser neuen Firma wichtige Positionen angeboten wurden. Von der Möglichkeit, auch ohne von berühmten Universitäten verliehene akademische Grade beruflichen Erfolg zu finden, machten sie nur zu gern Gebrauch. Meine Philosophie, schulische Leistungen unberücksichtigt zu lassen, war in Deutschland nicht weniger erfolgreich als in Japan.
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Mizushima hatte meinen Denkweise

Mizushima setzte sich, wie in Japan üblich, stundenlang mit seinen Kollegen zusammen, aß und trank mit ihnen und schuf so den erwünschten Korpsgeist. (Die Sony Deutschland arbeitet bis auf den heutigen Tag mit Erfolg. Jack Schmuckii, der Manager, hat hinreichend bewiesen, daß auch ein Nicht-Japaner ein wichtiges japanisches Tochterunternehmen führen kann.)
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SONYs Erfolge im Ausland

Um Erfolg zu haben, mußten wir unsere Aktivitäten und Produkte auf die europäischen Marktgegebenheiten ausrichten. In vielen Ländern, so zum Beispiel in Skandinavien, Belgien und Frankreich, bestellten wir zunächst Herstellerfirmen - praktisch unsere Konkurrenten - zu unseren Verkaufsagenten, denn sie verfügten über gute Absatzkanäle und besaßen einen ebenso guten Ruf.

In den meisten Fällen handelte es sich um kleinere Familienunternehmen wie etwa Gylling in Schweden, Eltra in Dänemark und Helvar in Finnland.

Einige dieser Firmen wurden schließlich reine Handelsunternehmen, da sie der Konkurrenz der europäischen Branchenriesen produktionsseitig nicht hatten standhalten können. Sie alle aber blieben auch weiterhin in unserem >Familienverband<. Eltra heißt heute Sony Danmark.

In Holland war es Anton Brandsteder, der Sony unter dem argwöhnischen Auge der gigantischen Philips auf dem Markt einführte. In Kanada verkaufte Albert D. Cohen, ein zuversichtlicher, redlicher Mann von hervorragendem kaufmännischem Sachverstand, bereits in den fünfziger Jahren unser allererstes Transistorradio.
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Wir brauchten die europäischen Gegebenheiten

Um die richtigen Produkte anbieten zu können, muß man die Märkte kennen. Noboyuki Idei, ein weiterer junger Mann, den ich als Marketing-Direktor nach Europa schickte, stellte fest, daß man japanischen Produkten große Vorbehalte entgegenbrachte; dies lag zum Teil daran, daß unsere Erzeugnisse anders aussahen und einen anderen Klang hatten als europäische Modelle.

Außerdem gelten für das europäische Fernsehen andere Normen. Zu Beginn der sechziger Jahre, ehe sich das PAL-System durchsetzte, gab es gar vier verschiedene Standardsysteme. Wir mußten also ein Gerät konstruieren, das durch Knopfdruck jedem dieser Verfahren gerecht werden konnte.

Die Klangfarbe mußte ebenfalls verändert werden, denn die deutsche Sprache beispielsweise kennt zahlreiche Kehllaute. So mußten wir unsere Radio- und Fernseherlautsprecher also gewissermaßen dem Euro-Sound anpassen.

Anfänglich stießen unsere knappen, modernen, geradlinigen und rechtwinkligen Gehäuse auf mancherlei Widerstand. Die europäischen Erzeugnisse waren eher rundlich und hölzern-voluminös. Wir konferierten ein paarmal über dieses Design-Problem und erwogen sogar, dem europäischen Geschmack durch besondere Modelle Rechnung zu tragen, ich aber sagte mir schließlich, daß man uns in dem Falle für bloße Kopisten halten würde, daher sei es besser, am eigenen Stil festzuhalten.

Unsere Erzeugnisse wurden populär, gerade weil sie charakteristische Merkmale aufwiesen, und sehr bald schon beeinflußte die klare japanische Linienführung auch das europäische Styling.
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SONY bei den Franzosen -eine Story für sich

Ich habe bereits berichtet, daß die Gründung einer eigenen französischen Absatzorganisation mit zahlreichen Schwierigkeiten verbunden war. Auch nachdem wir uns von unserem französischen Partner getrennt hatten und auf den Champs-Elysees einen eigenen Ausstellungsraum besaßen, beklagte sich dieser noch bei der französischen Regierung, daß wir gesetzwidrig Erzeugnisse ausstellten, die in Frankreich damals gar nicht auf den Markt gelangten.

Es ist schon merkwürdig, doch der französische Staat sucht alle im Lande getätigten Investitionen zu kontrollieren, und seien sie noch so geringfügig. Die Regierung versucht grundsätzlich, die Bevölkerung vor der ausländischen Industrie zu schützen, und die Franzosen selbst sind auf ausländische Erzeugnisse geradezu versessen.

Den Franzosen kann man viel einfacher etwas verkaufen als etwa den Deutschen. Wir haben uns trotz des Zollamtes in Poitier nicht irritieren lassen und eröffneten 1981 in Bayonne eine Magnetbandfabrik, eine zweite kam 1984 in Dax Pontonx hinzu, und 1986 legten wir im Elsaß den Grundstein für ein CompactDisc-Werk.

Jacques Dontot, der Ehrenvorsitzende des Verbandes der französischen Elektronik-Industrie, hat unser Frankreich-Engagement besonders kräftig unterstützt; er wurde der erste Präsident und Generaldirektor der Sony France.

Giscard d'Estaing hat uns bei unseren Verhandlungen wegen der Errichtung eines französischen Produktionsbetriebes so manche Tür aufgestoßen; unser Verhältnis ist seit der schwierigen Anfangszeit noch immer (1985) ungetrübt.
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SONY in England

Die Betriebsaufnahme in Großbritannien war ebenfalls nicht gerade einfach. Als Absatzorganisation fungierte zunächst die Debenham Group Ltd., ein gediegenes altes Unternehmen, das unseren großen Zukunftserwartungen indes nicht entgegenzukommen vermochte.

Masa Namiki, von mir nach London geschickt, mußte feststellen, daß Debenham für Sony nur drei Mitarbeiter abgestellt hatte, obwohl annähernd sechshundert Einzelhändler zu bedienen waren. Namiki stellte anhand des Branchentelefonbuchs eine Liste von etwa zweihundertfünfzig renommierten Fachgeschäften zusammen, in denen er der Reihe nach vorsprach.

Wie sich herausstellte, galten japanische Radios und Tonbandgeräte als billig und unzuverlässig. Zu unserem Leidwesen produzierten wir seinerzeit eine kleinere Serie von Transistorradios im irischen Shannon, die uns qualitativ jedoch nicht überzeugen konnten. Auf Grund bestehender Vorschriften mußten nämlich dreißig Prozent der Bauteile einheimischen Ursprungs sein, und einwandfreie Zulieferungen waren nicht erhältlich.

Also schlossen wir die Fabrik und gründeten 1968 dann unsere Londoner Vertriebsgesellschaft, nachdem Namiki und ich uns bereits zwei Jahre lang mit der Absicht getragen hatten. Im Gegensatz zu unserem französischen Agenten erwies sich Debenham als äußerst großzügig.

Man bot uns jedwede Hilfe an, und als wir fünf Mitarbeiter für unsere eigene Firma abwarben, verlangte man von uns weder Ablösung noch Kompensationen wegen Geschäftsschädigung.

Namiki begann mit sieben Kollegen in einem kleinen Büro in Wigmore Hall; später eröffnete er Bezirksvertretungen in Kent, Birmingham, Bristol, Manchester und Glasgow. 1970 hatten wir in Slough bei Heathrow Airport unser Zentrallager und Kundendienstzentrum. Dann zogen wir von Wigmore Hall nach Hounslow um, einer ebenfalls in der Nähe Heathrows gelegenen Kleinstadt.
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Die Zusammenarbeit mit den Engländern

Die Zusammenarbeit mit den Engländern war zunächst durchaus problematisch. Namiki ernannte einen seiner Vertreter zum Bezirksdirektor für Kent, doch der Handelsmann schlug die Beförderung mit Dank aus, da er sich nicht von seinem Rosengarten in Surrey trennen könne.

Namiki begriff zunächst nicht recht; ein solches Angebot auszuschlagen wäre in einem japanischen Unternehmen etwas Unerhörtes gewesen. Als der Vertreter ihm bei späterer Gelegenheit einmal seinen prachtvollen Rosengarten zeigte, verstand Namiki dann aber doch.

Als Namiki die Gründung eines britischen Produktionsbetriebes anregte, war von Handelsdifferenzen noch nichts zu spüren. Unser UK-Geschäft expandierte, so daß wir davon ausgingen, uns im Jahre 1971 einen Marktanteil von bis zu sieben oder acht Prozent erkämpft zu haben.

Unter Einbeziehung der anderen japanischen Importeure konnte der Anteil 1975 oder 1976 auf, realistisch geschätzt, mindestens zehn Prozent ansteigen. Damit wäre dann nicht mehr auszuschließen, daß uns die inländische Konkurrenz und die Politiker Schwierigkeiten machen würden.

Deshalb ließen wir Namiki das Terrain sondieren, um den günstigsten Standort für einen Produktionsbetrieb zu suchen. Er sah sich in weiten Teilen des Landes um - in Schottland, in der Region Newcastle, in East Anglia und in Wales - und verhandelte mit zahlreichen örtlichen Behörden wegen des Bauplatzes, über Steuern und staatliche oder kommunale Ansiedlungsanreize wie steuerfreie Tage, Rückpachtverträge und etwaige Lohnausgleichszahlungen.
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Die Story mit Prince Charles kannte er nicht

Namiki wußte nicht, daß mich der Prince of Wales gedrängt hatte, bei einer etwaigen Betriebsansiedlung seinen Landesteil wohlwollend in Erwägung zu ziehen. Deshalb war ich sehr überrascht, als Namiki gerade Wales als Standort empfahl.

Nun bot Wales tatsächlich die größten topographischen und infrastrukturellen Vorteile. Die großen Märkte wie London, Birmingham, Manchester und Bristol lagen relativ nahe. Außerdem war uns bekannt, daß eine neue Autobahn geplant war, zudem gab es zum Hafen Southampton auf Straße und Schiene bequeme Verkehrsverbindungen.

Und die von Staats wegen angebotenen Vergünstigungen waren ausgesprochen zufriedenstellend. Wir folgten deshalb Namikis Empfehlung.

Erst im nachhinein erwähnte ich meine Unterredung mit dem Kronprinzen. Wir nahmen die Produktion in Bridgend zwar schon im Juni 1974 auf, doch die offizielle Betriebseinweihung fand erst im Dezember 74 statt; eher ließen die Termine des Prinzen ein persönliches Erscheinen nicht zu.

Natürlich machten wir uns wegen der englischen Streikfreudigkeit ziemliche Sorgen; wir konnten uns sehr gut ausmalen, wie sich zum Beispiel ein Ausstand in den öffentlichen Verkehrsbetrieben oder der Transportarbeiter auf unsere Produktion auswirken würde. Deswegen schafften wir Busse an, damit unsere Belegschaft auch im Streikfalle zwischen Wohnung und Arbeitsplatz mobil blieb.

Wie in Japan, so schafften wir auch in Wales alle äußeren Rangunterschiede ab; es gab keine besondere Kantine für das mittlere und höhere Management, niemand hatte Anspruch auf einen reservierten Parkplatz. Selbstverständlich hätten wir es auch gern gesehen, wenn alle unsere Sony-Jacke getragen hätten, doch besonders unsere Service-Ingenieure sträubten sich zunächst dagegen, da ihnen der traditionelle weiße Kittel lieber war.

Wir bestanden nicht darauf, daß die Jacke getragen wurde, doch dauerte es nicht lange, bis fast die ganze Belegschaft, darunter auch die Herren im weißen Kittel, sich voller Stolz für die einheitliche Sony-Jacke entschieden hatte.
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SONY in USA in Rancho Bernardo / San Diego

Die Arbeiter für unser Werk im Industriegebiet Rancho Bernardo fanden wir auch ohne Zeitungsinserate. Als der Betrieb 1972 eröffnet wurde, war unser Name natürlich längst bekannt. Hewlett-Packard, NCR und Burroughs produzierten gleichfalls in San Diego; sie alle versicherten uns, daß am Platze genügend Arbeitskraft vorhanden sei.

1971, nach dem ersten Spatenstich, richteten wir ein provisorisches Büro ein, das die eingehenden Bewerbungen bearbeiten sollte. Als erstem japanischem Produktionsbetrieb auf amerikanischem Boden wurde unserem Bauvorhaben natürlich große Publizität zuteil; unsere > Stellenanzeigen< waren also gratis und franco. Es meldeten sich so viele Bewerber, daß wir eine sorgfältige Auswahl treffen konnten.

Die Führungskräfte suchten wir per Inserat in Chicago. Junichi Kodera, der vorgesehene Werksdirektor, interviewte zwanzig Kandidaten; sie alle hatten in Firmen wie RCA oder Zenith schon einschlägige Berufserfahrungen gesammelt.

Nach und nach erkannten wir allerdings, daß es wohl unzweckmäßig sei, Führungspositionen mit branchenerfahrenen Angestellten zu besetzen. Wir wollten den neuen Betrieb schließlich nach denselben, wenngleich leicht abgewandelten Methoden führen, die sich in Japan schon bewährt hatten.

Es mußte gewährleistet sein, daß schon das allererste fertiggestellte Gerät den japanischen Qualitätsnormen entsprach. Wer von Produktion und Montage von TV-Bauteilen in amerikanischen Firmen schon gewisse Vorstellungen gewonnen habe, sagte ich mir, der würde sich auf unsere Methoden vielleicht nicht problemlos einstellen können.

Damit niemand in alte Gewohnheiten zurückfallen konnte, holten wir uns schließlich nur Branchenfremde als Führungskräfte ins Haus. Die Einweisung in die bei Sony üblichen Methoden und Arbeitsabläufe erfolgte dann in Japan. Als Fließbandarbeiter stellten wir zuallererst übrigens auch nur Männer und Frauen ein, die noch nie zuvor im Produktionsbereich gearbeitet hatten.
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Natürlich gab es anfänglich auch Schwierigkeiten

Natürlich gab es deswegen anfänglich Schwierigkeiten. Wir stellten zunächst nur dreißig sorgfältig ausgewählte Mitarbeiter ein, überwiegend Frauen. Diese >Kerntruppe< beschränkte sich auf den Zusammenbau der aus Japan importierten Einzelteile.

Dies war, wie man sich denken kann, keine leichte Aufgabe, denn alle Montageanleitungen waren in japanischer Sprache gehalten. Außerdem waren sie nie aktualisiert worden, da unsere langgedienten Mitarbeiter fallweise geringfügige Änderungen der Arbeitsabläufe nach mündlicher Einweisung sofort berücksichtigten und neu eingestellte Kollegen ihrerseits in ihre Tätigkeit einwiesen.

Produktionstechnische Veränderungen fanden deswegen in keinem Handbuch ihren Niederschlag.

Außerdem entdeckten wir, daß neue Mitarbeiter mit der Bandgeschwindigkeit gelegentlich nicht Schritt halten konnten und deswegen die eine oder andere Verrichtung vergaßen oder unterließen. In Japan kam derlei auch vor, doch dann wurde die Unterlassung vom Hintermann automatisch erfaßt und korrigiert.

In San Diego konnte man sich jedoch nicht grundsätzlich darauf verlassen, daß der Nachbar Unterlassungen oder Fehler von sich aus bemerkte und beseitigte. Deshalb kamen wir auf die Idee, daß unterlassene Verrichtungen nach einem bestimmten System kenntlich zu machen waren. Wir dachten dabei nicht an Strafmaßnahmen, es ging uns nur darum, daß der Hintermann oder ein Dritter einen deutlichen Hinweis bekam und das Versäumnis des Nachbarn wettmachen konnte.

Nach drei oder vier Monaten hatten wir alle Probleme im Griff. Wie sich herausstellte, erbrachten unsere amerikanischen Mitarbeiter nach entsprechender Ausbildung ebenso gute Leistungen wie ihre britischen oder französischen Kollegen.
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Noch eine Schwachstelle in San Diego

Allerdings hatte unser System in San Diego eine Schwachstelle. Wir hatten unsere Lohnskala nach dem Schwierigkeitsgrad der jeweiligen Verrichtung aufgebaut; am besten bezahlt wurden die Arbeiter, die am Bandende die Grundjustierung der fertigen Geräte vornahmen.

Natürlich war die Arbeitsmoral deswegen entsprechend hoch; ein jeder bemühte sich, das Band bei automatischen Lohnerhöhungen immer weiter hinabrücken zu können. In Japan werden die Arbeiter nach Seniorität bezahlt, deswegen ist es ihnen gleich, welche Tätigkeit ihnen am Band gerade obliegt.

In Amerika aber wurden alle Anfänger an den Bandanfang gestellt, wo die Vergütungen wie die verlangten Leistungen am niedrigsten waren. Da sie aber halt noch lernten, unterliefen ihnen natürlich auch etliche Nachlässigkeiten, so daß die Nachbesserungsrate ein bestimmtes Niveau zu keiner Zeit unterschritt. Deswegen änderten wir auch in San Diego das Entlohnungsprinzip so, daß die Lohnhöhe fortan nicht mehr arbeitsplatzabhängig war.

Viele unserer ersten Mitarbeiter haben uns bis auf den Tag die Treue gehalten. Übrigens haben wir in San Diego selbst in der schwierigen Zeit nach dem Ölembargo des Jahres 1973 nicht einen Mitarbeiter auf die Straße gesetzt.
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Immer eine Rede halten - Thema die Sony-Philosophie

Es war schon die Rede davon, daß wir den amerikanischen (und auch britischen) Arbeitern geringere Toleranzen vorgeben mußten, um den Sollwerten möglichst nahe zu kommen. Die Geschicklichkeiten unserer amerikanischen Fließbandarbeiterinnen bewegten sich, wie sich herausstellte, ebenfalls innerhalb einer größeren Bandbreite als bei ihren japanischen Kolleginnen. Dem mußte Rechnung getragen und die richtige Frau für die einzelne Verrichtung gefunden werden.

In der Anfangszeit besuchte ich das Werk in San Diego sehr häufig. Oft bat mich dann die Betriebsleitung, vor der Belegschaft eine kleine Rede zu halten. Ich tat dies dann zumeist in der Mittagszeit und sprach jeweils vielleicht zehn Minuten lang.

Einmal war die Sony-Philosophie mein Thema, ein andermal sprach ich von dem, was mir gerade durch den Kopf ging. Mir ging es vornehmlich darum, mich zu zeigen und den Eindruck zu vermitteln, man arbeite nicht in einem gesichtslosen, anonymen Unternehmen, sondern könne sich zu Recht als Angehörige einer großen Familie fühlen. Kodera und die anderen Führungskräfte sagten mir, daß die allgemeine Bekanntheit der Konzernspitze ihnen die Betriebsführung sehr erleichterte.
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SONY wuchs und wuchs

Auf diese Weise vergrößerten wir unser Handelsvolumen und steigerten unsere überseeischen Aktivitäten. Unterdessen verfolgte ich jederzeit aufmerksam die Reaktionen auf die Größe unserer Marktanteile.

Insbesondere in Großbritannien und Amerika erschien es mir logisch und ratsam, auf dem Absatzmarkt unserer Erzeugnisse neue Arbeitsplätze zu schaffen. Andere japanische Produzenten, deren ausländischer Absatzerfolg attraktiver Gebrauchsgüter so viele Probleme aufgeworfen hat, haben dies als unerläßliche Notwendigkeit ebenfalls erkannt.

Unsere Kritiker reden bisweilen von wahren japanischen >Exportströmen< und klagen gleichzeitig über mangelnde Konkurrenzfähigkeit. Wir haben es hier natürlich mit einem komplexen Thema zu tun, doch ich finde es schon seit Jahren unerfreulich, daß wir vielleicht einmal die einzigen Anbieter sein werden oder einen so großen Vorsprung gewinnen, den kein ausländischer Konkurrent mehr wettmachen kann.

Als wir in Japan Tonbandgeräte zu bauen begannen, gehörten uns alle einschlägigen Patente, und unser Marktanteil lag bei hundert Prozent.

Doch eine fortgesetzte Monopolstellung hätte uns wahrscheinlich nur Nachteile gebracht. Deswegen vergaben wir Lizenzen, und schon fiel unser Marktanteil auf bloße dreißig Prozent zurück; allerdings hatte sich der Markt selbst erheblich vergrößert.

Es beruhigt uns keineswegs, daß es keinen amerikanischen Hersteller von Video-Recordern und CompactDisc-Playern gibt; eigentlich stört mich dies sehr, denn bei vorhandenem Wettbewerb ließe sich der Markt ausweiten und die Entwicklung neuer Modelle könnte beschleunigt werden. Ohne Konkurrenzkampf kein Anreiz zu Innovationen.
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Das amerikanische Kartellrecht blockiert vieles

Es wäre schön, wenn man dieses Thema mit Konkurrenzfirmen erörtern könnte, doch auf Grund des amerikanischen Kartellrechts können die Führungsspitzen konkurrierender Unternehmen nicht zusammenkommen, um über künftige Trends oder gegenwärtige, wechselseitige Probleme zu reden.

Im Gegensatz dazu sind solche lockeren Gespräche mit den Engländern seit etlichen Jahren möglich. Bei der ersten Zusammenkunft führte Lord Thorneycroft, Aufsichtsratsvorsitzender der PYE Electronics (Anmerkung: eine Philips Tochter), die britische Delegation an, an der Spitze der japanischen Abordnung stand Noboru Yoshii, ein Sony-Mann.

Wir initiierten diese Konferenzen, weil es mich schon Ende der sechziger Jahre beunruhigte, daß die Industrie eines einzigen Landes vor der übrigen Welt einen so weiten Vorsprung gewann.

Diese Besorgnis vergrößerte sich noch, als wir wenige Jahre darauf mit den Forschungsarbeiten am Video-Verfahren begannen. Wir taten uns mit Philips zusammen, um dieselbe Richtung zweigleisig zu verfolgen.

In meinen Augen war der VTR von der Logik her fällig, da das Farbfernsehen seinem Kulminationspunkt zustrebte. Ganz offensichtlich befaßten wir uns nicht als einzige mit dieser neuen Technologie; viele Firmen hatten in Forschung und Entwicklung investiert und meldeten bereits Patente an.

Wenngleich den japanischen Herstellern offenbar klar war, daß der VTR eine große Sache würde, war in Amerika und Europa ein gewisses Zögern feststellbar. Nur Philips und einige andere Firmen interessierten sich für Video.

Philips hatte es anscheinend eilig und brachte daher ein meiner Meinung nach für den Hausgebrauch noch ungeeignetes Gerät (ein erstes simples Spulengerät) auf den Markt, dem der Erfolg dann auch versagt blieb. Schließlich trat Philips an japanische Firmen heran und verschaffte sich die entsprechenden Lizenzen.
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Wenn dei Amerikaner sich am Wettbewerb nit beteiligten

Wir hatten unser System inzwischen vervollkommnet; auch anderen japanischen Unternehmen gelang der Durchbruch. Und dann begannen just die amerikanischen Firmen japanische Geräte zu importieren.

Diese hatten es zu keiner Zeit der Mühe wert befunden hatten, eigene Vorarbeiten zu leisten und sich durch Investitionen einen Zugang zum neuen Markt zu schaffen. Und einige dieser Firmen beschwerten sich dann bei ihren Abgeordneten, die japanischen Exporte nähmen ein lawinenartiges Ausmaß an.

Ich versuchte, meine Kollegen und Konkurrenten zu überzeugen, daß es zwecks Vermeidung künftiger Außenhandelsprobleme besser wäre, wenn sich die amerikanischen und europäischen Hersteller im klaren wären über die Zukunftsaussichten und verfügbaren Technologien und ungefähre Vorstellungen hätten von der im nächsten Jahrzehnt zu erwartenden Nachfrage nach speziellen Erzeugnissen.

Auf der Grundlage solcher Erkenntnisse könnten sie dann gezielt eigene Forschungsarbeiten leisten und ihre Wettbewerbsfähigkeit wiederherstellen. Wenn sie sich am Wettbewerb aber nicht beteiligten, dann hätten sie kaum Grund zur Klage, denn die richtige Einschätzung der Entwicklungsrichtung von Seiten der Konkurrenz würde auch ihnen Vorteile bringen.
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Die Produkt - und Zielgruppenanalyse

Was wird der Kunde in den nächsten zehn oder zwanzig Jahren brauchen? Mit dieser Frage sollte sich das Topmanagement (aller Firmen) beschäftigen und darüber nachdenken, welche technologischen Trends künftig zum Tragen kommen, welche Technologien brauchbar oder unerläßlich sein werden, und von welchen Normen man ausgehen solle. Mir scheint, solche Überlegungen wären für die Verbraucher nur von Vorteil.

Hierüber zu konferieren, schlug ich in Tokio einmal dem Grafen Etienne d'Avignon vor, der damals als Vizepräsident der Europäischen Kommission der Beauftragte für industrielle Angelegenheiten war.

Im Verlauf des Gesprächs erwähnte ich, daß Japan an Produkten arbeite, die frühestens in zehn Jahren auf den Markt kommen würden. »Vor zehn Jahren arbeitete man in Japan überall an einem Video-Verfahren«, erklärte ich, »und als Sony ein System auf den Markt brachte, zogen alle nach. Doch sehen Sie sich mal Ihre europäische Industrie an. Weil sich so gut wie kein Mensch mit Video beschäftigte, konnte kein Unternehmen der japanischen Konkurrenz marktreife Geräte entgegensetzen. Ihre Importeure führten japanische Geräte in großen Mengen ein, und dann wird man ärgerlich und redet von unseren Exporten als einer Art Lawine.«

Ich sagte ihm noch, daß ich mich nicht an die Vergangenheit klammern wolle, doch »Ihre Unternehmen wissen gar nicht, was die Zukunft bringen wird. Wir aber denken zehn Jahre voraus, und eben dies sollte Ihre Industrie auch tun. Warum einigen Sie sich mit Japan nicht darauf, daß die Spitzen verwandter Industrien sich einmal zusammensetzen und offen miteinander diskutieren?«

D'Avignon fand meine Anregung gut. Dr. Wisse Decker, dem damaligen Aufsichtsratsvorsitzenden der Philips, gefielen meine Überlegungen ebenfalls.
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Die erste Konferenz fand 1982 in Brüssel

Zu Hause in Tokio besprach ich mich mit Shintaro Abe, dem damaligen Handelsminister. Ich versicherte ihm, daß zwar nicht über Preise oder Marktanteile gesprochen werden sollte, doch müßte eine solche Veranstaltung nicht von den Industrieverbänden der Einzelstaaten, sondern auf Regierungsebene ausgerichtet werden, damit Konflikte mit kartellrechtlichen Bestimmungen ausgeschlossen blieben. Des weiteren schlug ich vor, daß ein Protokoll der Beratungen unbeteiligten Firmen zugänglich sein müsse.

Abe lud den zuständigen Ausschuß des Keidanren offiziell zu den Gesprächen ein, und als die Zusage vorlag, wandte er sich an d'Avignon.

Die erste Konferenz fand 1982 in Brüssel statt, die zweite war 1984 in Tokio, und 1985 war London der Tagungsort. Diese Gespräche haben zumindest zu besserem gegenseitigem Verständnis geführt. Doch bin ich mir nicht sicher, daß sich allein dadurch schon die traditionellen Verhaltensmuster der europäischen Wirtschaft ändern.
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Erzeugnisse hervorbringen, die es bis dahin nicht gab

Unsere Vorstellungen von Wirtschaft gehen dahin, daß wir nach Entwicklung eines neuen Verfahrens oder Geräts damit auch etwas anfangen möchten.

Würden wir eine Erfindung lediglich als den Ausfluß eines pfiffigen Intellekts ansehen, dann wäre sie kaum von Nutzen. Unseres Erachtens kommt es darauf an, die vorhandenen Technologien zu nutzen, um brauchbare Erzeugnisse hervorzubringen. Hier kommt die Kreativität in technologischem, produktplanerischem und marketingmäßigem Sinne zum Tragen, auf die ich bereits angespielt habe.

Dabei befindet sich die Elektronik-Industrie in einem einzigartigen Vorteil: auf Grund technologischer Fortschritte können wir absolut neue Produkte schaffen. Die Autohersteller, die Möbelfabrikanten oder die Flugzeugbauer haben diese Möglichkeit nicht.

Wir aber können Erzeugnisse hervorbringen, die es bis dahin nicht gab, und können der Kundschaft vorführen, wie sie das Dasein des einzelnen zu bereichern vermögen.
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Einer der Teilnehme hatte es nicht verstanden

Doch muß ich sagen, daß bei unserer ersten Konferenz mit europäischen Konkurrenzunternehmen durchaus einmal eine gereizte Stimmung aufkam. Als zum Beispiel auf der ersten Sitzung von japanischer Seite verschiedene Technologien der Zukunft angesprochen wurden, meinte ein europäischer Delegierter: »Moment mal, Sie reden ja gar nicht von Gebrauchsgüterelektronik, sondern von High-Tech. Und die hat mit dem Konsumenten doch gar nichts zu tun.«
»Aber nein«, erwiderte ich, »da liegt ja gerade der Irrtum. Wissen Sie, was Sie heute High-Tech nennen, wird in zehn Jahren jedem Konsumenten zugänglich sein.«

Der Mann begriff noch immer nicht. »Meinen Sie, daß in zehn Jahren High-Tech und Konsumgüterindustrie identisch sein werden?« fragte er mich.

»Aber nicht doch«, gab ich zurück, »ganz so ist es nun wieder auch nicht. In zehn Jahren wird man unter dem Begriff High-Tech nur etwas anderes verstehen als heute. Unsere heutige High-Tech wird dann etwas ganz Alltägliches sein, ein technologischer Standard, der dem Konsumenten, vielleicht sogar Ihren Kunden, zugute kommt.« Vor ein paar Jahren zum Beispiel konnte sich niemand vorstellen, daß in der eigenen Wohnung einmal Laser arbeiten würden.
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Es war anfänglich mühsam, später dan doch harmonisch

Ich glaube, nach diesem Wortwechsel konnten wir uns dann doch verständlich machen, und die Folgekonferenzen verliefen dann auch harmonisch. Ich habe wiederholt darauf hingewiesen, daß die Industrie durch neue Technologien den Handel fördern müsse.

Und die geistigen Eigentümer neuer Technologien sollten durch Lizenzvergabe für deren Verbreitung sorgen. Im Fall der CompactDisc ist dies geschehen; Sony und Philips als Inhaber der Rechte haben viele Lizenzen erteilt.

Infolgedessen setzt sich das Verfahren durch, auf Grund der Hasenfüßigkeit einiger Unternehmer allerdings nicht so schnell, wie es wünschenswert wäre. Ich rede auf die Verantwortlichen in anderen Unternehmen ein, sie möchten sich nicht weniger gewissenhaft als wir um Forschung und Entwicklung kümmern; ich biete gar an, sich uns anzuschließen, um einen neuen Markt zu schaffen. Wir finden aber in Amerika und Europa nicht genügend Gehör.
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Noch etwas über die Globalbesteuerung in USA

Die in einigen Bundesstaaten der USA übliche Globalbesteuerung steht einer Ausweitung des Handels beispielsweise ebenfalls hemmend entgegen.

Nach dem entsprechenden Gesetz muß die amerikanische Tochter eines ausländischen Unternehmens sämtliche Gewinne der Konzernmutter angeben; die Besteuerung erfolgt also nicht auf der Grundlage der am Platze erwirtschafteten Gewinne, sondern alle weltweit erzielten Gewinne werden als Bemessungsgrundlage herangezogen.

Allein das Beibringen der erforderlichen Belege ist schon eine kostspielige Angelegenheit. Und es ist wohl alles andere als gerecht, wenn ein mit Verlust arbeitendes Tochterunternehmen hohe Steuern bezahlen muß, nur weil das Unternehmen als Ganzes sich noch in der Gewinnzone bewegt.

Ich bin seit jeher der Ansicht, daß jedes Unternehmen seinen Anteil an der Steuerlast tragen und sich den Gesetzen und Verordnungen des Gastgeberlandes unterwerfen muß. Aber diese Globalbesteuerung, für die sich insbesondere Edmund Brown als kalifornischer Gouverneur stark machte, scheint mir dann doch ein gezielter Angriff gegen Auslandsunternehmen zu sein.

Eine Handvoll anderer Bundesstaaten hat entsprechende Gesetze erlassen oder in Vorbereitung. Im Keidanren wurde daher beschlossen, dagegen einmal mit einem offenen Wort anzugehen. Aus den Unterlagen des Unternehmerverbandes ging hervor, daß etwa 170 der 870 Mitgliedsfirmen mit dem Gedanken spielten oder bereits konkrete Pläne hatten, sich in Amerika zu etablieren. Doch angesichts der Globalbesteuerung wollte sich jeder potentielle Investor die endgültige Entscheidung noch zweimal überlegen.
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Zwanzig USA-Vertreter waren in Tokio akkreditiert

Zu jener Zeit waren etwa zwanzig Vertreter amerikanischer Bundesstaaten in Tokio akkreditiert. Wir sprachen mit jedem einzelnen, nannten die Zahl der ansiedlungswilligen Unternehmen und ließen keinen Zweifel daran, daß die Besteuerungsmethode nach unserer einhelligen Auffassung jedoch jede Investition verbiete.

Es würden also keine neuen Arbeitsplätze geschaffen werden, keine amerikanischen Firmen mit der Bauausführung betraut, und in die Kassen der betreffenden Staaten werde nicht ein zusätzlicher Dollar fließen.

Wir sollten uns die Staten ansehen

Wir schrieben sogar an die Gouverneure aller Globalsteuer-Staaten; ein jeder lud uns ein, herüberzukommen und seinen Staat zu besuchen. Daher stellten wir 1984 drei Delegationen zusammen - nicht als Anti-Globalsteuer-Kornmandotruppe, sondern als Ausschuß zur Überprüfung der umfeldabhängigen Investitions-Voraussetzungen des Keidanren.

Wir teilten die fraglichen dreiundzwanzig Staaten unter uns auf und bereisten mithin fast die Hälfte Amerikas. Meiner Gruppe wurden mit Oregon, Indiana, Kalifornien usw. einige der problematischsten Fälle zugewiesen.

Trotz einer Menge kritischer Äußerungen aus Washington wurde uns zu unserer großen Überraschung ein grandioser Empfang bereitet. Der Gouverneur von Oregon zum Beispiel hatte unseren Besuch in allen Medien angekündigt, Presse und Fernsehen begleiteten uns praktisch auf Schritt und Tritt.

Die Landesregierung stellte fünf Hubschrauber bereit und flog uns paarweise zu den in Betracht kommenden Baustellen und ihrer näheren Umgebung. Die Behandlung wrar wirklich großzügig.

Bei jedem Zwischenaufenthalt mußte ich eine Rede halten. Überall wies ich ausdrücklich darauf hin, daß wir uns um die Steigerung des Welthandels bemühten und das Zahlungsbilanzungleichgewicht zwischen Japan und Amerika durch praktische Schritte abbauen wollten.

Durch Produktion in Amerika, sagte ich, würden die direkten japanischen Exporte rückläufig und in Amerika neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Das Steueraufkommen im Lande würde sich erhöhen, und das eine wie das andere sollte meines Erachtens deswegen als für alle Beteiligten vorteilhaft begrüßt werden.
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Mein Vortrag in Oregon

»Unser Ausschuß hat sich die Investitionsförderung zur Aufgabe gemacht«, sagte ich in Oregon. »Es wäre von einem einzelnen Unternehmen zu viel verlangt, sich selbst an Ort und Stelle über die Gegebenheiten zu informieren. Deswegen wollen wir unsere Erkenntnisse zusammenfassen und allen unseren Mitgliedsunternehmen zur Verfügung stellen. Deshalb bitte ich Sie um möglichst umfassende Informationen. Unter anderem muß ich wissen, wie Sie es mit der Anwendung des Globalsteuergesetzes zu halten gedenken.« Und diese Steuer, daran ließ ich keinen Zweifel aufkommen, sei sehr ungerecht.

Victor Atiyeh, der Gouverneur von Oregon, wandte sich daraufhin an mich und erklärte: »Bezüglich des Globalsteuergesetzes bin ich mit Ihnen einer Meinung. Ich werde Ihren Standpunkt befürworten, also arbeiten Sie bitte weiterhin auf die Abschaffung dieses Gesetzes hin.«

Das Steuerrecht Oregons würde definitiv geändert werden. Daraufhin meinte ich: »Ihr Wort allein genügt mir nicht, denn ich weiß, daß Sie sich gegen Ihren Gesetzgeber behaupten müssen. Als Führer meiner Gruppe kann ich zu Hause nicht empfehlen, sich auf das bloße Wort eines Staatsgouverneurs zu verlassen.«

Doch vielleicht hatte ich den Politiker unterschätzt, denn beinahe unmittelbar nach unserem Besuch hob Oregon das leidige Gesetz auf.
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Unsere Bemühungen waren insgesamt sehr erfolgreich.

Heute (1985) hält hauptsächlich noch Kalifornien an dieser Besteuerungsmethode fest. Die Kalifornier als Erfinder des Prinzips müssen erst noch eine Menge Stolz hinunterwürgen. Und der ehemalige Gouverneur Brown hält die Steuer noch immer für gut und richtig.

Seiner Meinung nach haben die großen Konzerne nur deswegen etwas gegen die Steuer einzuwenden, weil sie die Wahrheit über ihre Geschäftslage nicht kundtun möchten.

Dabei ist der wahre Sachverhalt noch viel einfacher: Wir halten diese Steuer für ungerecht und sehen nicht ein, daß wir für die Schaffung von Arbeitsplätzen und die Anreicherung des wirtschaftlichen Umfeldes im Ausland auf Grund einer ungerechten Gewinnermittlung auch noch Geld herausrücken sollen.

George Deukmejian, Kaliforniens gegenwärtiger Gouverneur, behauptet, daß die Globalbesteuerung seinem Bundesstaat auf lange Sicht keine Vorteile bringe. Doch bis zur Stunde (1986) ist das Gesetz nicht außer Kraft gesetzt worden.

In anderen Bundesstaaten, in Massachusetts zum Beispiel, wurde das entsprechende Gesetz zwar auch erlassen, aber niemals in Kraft gesetzt.

Die für Neuengland zuständige Keidanren-Gruppe verzichtete daher darauf, auf dessen Aufhebung zu drängen. Mir wäre das wahrscheinlich nicht passiert; ich wage mich grundsätzlich bis an die äußerste Grenze vor, um keinem Zweifel Raum zu lassen.

Wer weiß denn, wie sich die politische Lage oder die öffentliche Meinung einmal ändert? In Amerika habe ich schon vor langer Zeit gelernt, daß man sich dort auf alles und jedes Brief und Siegel geben lassen muß.
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Dannn flog ich nach Washington - zum Präsidenten

Gegen Ende der Reise trennte ich mich mit einem Keidanren-Kollegen von der Gruppe, um in Washington vorzusprechen. Nach einer Unterredung mit dem Vizepräsidenten George Bush wurden wir ins Amtszimmer des Präsidenten gebeten.

Nachdem die Fotografen verschwunden waren, nahmen wir Platz und kamen im Laufe des Gesprächs auch auf den Anlaß unserer Amerika-Reise. Was bei gutem Willen möglich war, bewies ich Reagan anhand einer Durchschrift der in Indiana aufgesetzten Absichtserklärung.

»Dort gibt es hervorragende Leute«, sagte ich, weil ich wußte, daß Gouverneur, Stellvertreter und viele hohe Beamte Republikaner waren. Reagan mußte lachen. Doch meine Bemerkung: »So weit wird es eines Tages auch in Kalifornien kommen«, nahm er, da dort zu Hause, nur kommentarlos zur Kenntnis.

Bauen Sie die nächste Fabrik auf Räder

Meinen alten Freund George Shultz hatten wir zuvor in der Eingangshalle des Weißen Hauses getroffen; er hatte unsere gesamte Gruppe spontan zu sich ins State Department eingeladen. Wieder kam die Globalsteuer zur Sprache. »Wir alle wissen, welche Probleme Ihnen dadurch entstehen«, sagte Shultz. »Deshalb sollten Sie sich in einem Staat niederlassen, der dieses Gesetz nicht kennt.«

»Keine schlechte Idee, George«, sagte ich, »bloß hilft sie meinem Unternehmen nicht weiter. Als wir nach Kalifornien gingen, gab es das Gesetz dort noch nicht. Als wir in Florida einen Betrieb eröffneten, folgte im Jahr darauf der entsprechende Paragraph. Wenn ein Staat ein Gesetz erläßt, nachdem wir uns dort niedergelassen haben, dann ist dagegen nichts mehr zu machen. Wir wissen eben nicht, was als nächstes passiert.«

»Akio«, meinte Shultz daraufhin grinsend, »dann will ich Ihnen mal einen guten Rat geben: Wenn Sie die nächste Fabrik bauen, dann setzen Sie sie auf Räder.«

Wir hatten Erfolg in den USA

Unser erfolgreicher Feldzug gegen das Steuerrecht überraschte zu Hause in Japan viele Mitglieder des Unternehmerverbandes. Ich selbst sehe darin einen Beitrag zur Verbesserung des Investitionsklimas in Amerika.

Doch auch in Japan haben es ausländische Anleger nun einfacher, Produktionsstätten zu errichten und ihren Geschäften nachzugehen. So und nicht anders sollte es auch sein. Immer mehr japanische Firmen gehen nach Amerika und Europa, doch beschleicht einen im Ausland noch immer das unbehagliche Gefühl, der Protektionismus schwebe fortwährend wie ein Damoklesschwert über unseren Köpfen. Und anscheinend jeder, dessen Außenhandelsbilanz im argen liegt, greift beinahe unverzüglich zu dieser fragwürdigen Waffe.
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Wir müssen vernünftig und offen miteinander reden

In dieser Zeit des Wandels und der internationalen Kommunikationsmöglichkeiten müssen wir lernen, vernünftig und offen miteinander zu reden. Wir müssen uns intensiver um das Verständnis der hinter unseren Handelsbeziehungen stehenden Fakten bemühen. Wir dürfen das Konfliktpotential weder ignorieren noch eine allzu schnelle Politisierung der Differenzen zulassen.

Auf Handelsprobleme mit Krieg zu reagieren, gehört heute zum Undenkbaren. Einer jeden Nation stehen Veränderungen bevor, die diffizile Entscheidungen voraussetzen und nach sich ziehen.

Japan befindet sich gegenwärtig in einer sehr schmerzlichen Anpassungsphase, da es sich von seiner traditionellen starken Exportabhängigkeit nun freizumachen versucht. Andere Länder haben ihre eigenen Wirtschaftsprobleme, und weitere werden zweifellos hinzukommen.

Wir müssen lernen, die Lasten gemeinsam zu tragen, wenn es das Weltwirtschaftssystem an neue Gegebenheiten anzupassen und gerechter auszugestalten gilt.
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1986 ist das Weltwirtschaftssystem unserer Kontrolle entglitten

Das Weltwirtschaftssystem ist unserer Kontrolle entglitten; unsere Volkswirtschaften sind in zunehmendem Maße gewissen Finanzopportunisten auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Komplette Unternehmen sind zu Handelsobjekten der Geldhändler geworden, und renommierte alte Unternehmen betreiben Substanzverzehr zugunsten schneller Gewinne.

Manche Nationen stöhnen unter einer Schuldenlast, die niemals zu tilgen sein wird. Und da etliche Industrielle sich anstelle von Zukunftsinvestitionen am Milliardenspiel beteiligen, schwindet in manchen Ländern die Fähigkeit, den Eigenbedarf an Industriegütern zu decken, mit beängstigender Geschwindigkeit.

Keine dieser Aktivitäten hilft jene bessere, stabilere Welt zu schaffen, die wir angeblich alle wollen.
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Die bessere Welt - aus der Sicht von 1986

Es ist an der Zeit, daß alle Nationen sich gemeinsam um einen Ausweg aus der verfahrenen Lage bemühen. Seit Kriegsende sind mehr als vierzig Jahre verstrichen; ebensolange ist es her, daß der Internationale Währungsfonds in Bretton Woods gegründet wurde, um der freien Welt einen Weg in die wirtschaftlich erfolgreiche Zukunft zu weisen. Im Interesse des eigenen Überlebens müssen wir nun ein aktualisiertes System schaffen.

Regierungsoberhäupter und Staatschefs, unterstützt von der Privatwirtschaft, müssen sich dieser Aufgabe stellen. Die Revision des Weltwährungssystems verlangt großen politischen Mut und ebenso große sittliche Kraft.
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Akio Morita kannte den Russen Putin nicht .....

Ich glaube, der Menschheit steht eine glänzende Zukunft bevor, eine Zukunft, gekennzeichnet durch technologische Fortschritte, die das Dasein eines jeden Erdenbewohners bereichern werden. Allein durch Ausweitung des Welthandels und Anstieg der Produktion können wir die vor uns liegenden Möglichkeiten vorteilhaft nutzen.

Wir, die Länder der freien Welt, können Beeindruckendes schaffen. Wir Japaner haben dies bewiesen, indem wir den Begriff >Made in Japan< zu einem Gütezeichen machten, nachdem man lange Zeit nur Schund darunter verstanden hatte.

Es reicht aber nicht, wenn nur einer einzigen Nation oder lediglich einigen wenigen Völkern ein solcher Erfolg gelingt. Meine Zukunftsvision geht von einer erregenden Welt voller hochklassiger Güter und Dienstleistungen aus, in der das Ursprungszeugnis eines jeden Landes als Qualitätsnachweis gilt.

Ich stelle mir eine Welt vor, in der jedermann um das sauer verdiente Geld des Konsumenten konkurriert, und in der sich in angemessenen Preisen korrekte Wechselkursrelationen widerspiegeln.

Ich denke, eine solche Welt liegt innerhalb unserer Reichweite. Die Herausforderung ist gewaltig; der Erfolg hängt einzig und allein von unserer Willensstärke ab.

Ende Seite 524
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