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Die Lebensbiografie von Akio Morita (aus 1986), dem berühmten SONY Mitbegründer - Er war "Mister Japan"

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Nihon Sokuteiki - eine Japanische Meßgeräte GmbH

Die Firma, in der Ibuka arbeitete, hieß Nihon Sokuteiki beziehungsweise Japanische Meßgeräte GmbH. Die Fabrik im Bezirk Nagano beschäftigte 1.500 Menschen; man produzierte kleine mechanische Bauelemente zur Frequenzkontrolle von Radargeräten.

Diese hatten eine Arbeitsfrequenz von genau 1 kHz. Für die Endkontrolle seiner Bauteile kam Ibuka auf eine glänzende Idee: Er engagierte ein paar Musikstudenten, die mit feinem Gehör und einer simplen 1-kHz-Stimmgabel die Funktionsprüfung besorgten.

Ich erwähne dies nur als Beispiel für seine unkonventionelle Erfindungsgabe, die mich so beeindruckte, daß ich mit diesem Mann zusammenarbeiten wollte.
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Ibuka war unzufrieden und nicht ausgelastet

Ibuka jedoch fühlte sich dort draußen beruflich unbefriedigt; die Massenproduktion von Bauteilen allein genügte ihm nicht. Ibuka wandte sich an Taiji Uemura, den Präsidenten seines Unternehmens, und bekundete seine Absicht, nach Tokio zurückzukehren.

Uemura ließ ihn nur ungern gehen, bot ihm jedoch seine Hilfe bei der Unternehmensgründung an. Einem weiteren Freund Ibukas gehörten die Trümmer des Tokioter Kaufhauses Shirokiya am Rande des buchstäblich ausradierten historischen Stadtkerns Nihonbashi. Die Amerikaner hatten es als Bombenziel gewählt, weil sich darunter eine unterirdische Röhrenfabrik befand.

In diesem leeren, kahlen alten Bauwerk inmitten von Trümmern, Verheerungen und ausgebrannten Ruinen der Wohn- und Geschäftshäuser des ehemals blühenden Tokioter Geschäftsviertels eröffnete Ibuka die Tokyo Tsushin Kenkyusho, die Tokioter Telekommunikations- Forschungslabors mit sieben Angestellten der alten Tokioter Fabrik, die seinerzeit mit ihm nach Nagano gezogen waren.
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Im 2.Stock einer Kaufhaus-Ruine in Tokyo gings wieder los

Sie quetschten sich in die ehemalige Telefonzentrale im zweiten Stock; später zog man auf die sechste Etage um. Die übrige alte Belegschaft hatte, wie mir Ibuka erzählte, zunächst nicht nach Tokio zurückkehren wollen, denn in der Hauptstadt waren Wohnraum und Nahrungsmittel äußerst knapp.

Außerdem wußten sie, daß die Kassen leer waren und daß dem Unternehmen eine ungewisse Zukunft bevorstand. Ibukas sämtliche Ressourcen, soweit er sie nicht im Kopf hatte, paßten bequem in eine bescheidene Brieftasche. (Allerdings flössen ihm aus Verkaufserlösen seiner alten Firma regelmäßig kleinere Beträge zu.)

Die kleine Kerntruppe konferierte in der deprimierenden Umgebung des ausgebrannten Kaufhauses. Wochenlang beratschlagte man, welchem Unternehmensgegenstand man sich zunächst zuwenden sollte, um Betriebskapital zu beschaffen.

Zu jener Zeit blühte allein der Schwarzmarkt, und nur dort waren bestimmte Bauteile zu beschaffen. Die größeren etablierten Elektronikfirmen nahmen den Betrieb gerade erst wieder auf und zeigten nur wenig Interesse, der Konkurrenz Bauteile zu verkaufen.

Ibuka schwebte der Bau von etwas gänzlich Neuartigem vor, aber zunächst mußte sich das Unternehmen eine finanzielle Operationsbasis schaffen.
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Die Parallelen zu Nachkrigesdeutschland sind erstaunlich

Bei den ersten Planungsgesprächen wurden zahllose merkwürdige Anregungen vorgebracht. Jemand zum Beispiel schlug vor, da das Tokioter Stadtzentrum ausgebrannt und größtenteils dem Erdboden gleichgemacht war, man solle brachliegendes Gelände pachten und eine Minigolfanlage eröffnen.

Die Leute brauchten Zerstreuung, gab der Betreffende zu bedenken. Die Filmtheater waren damals voll ausgelastet. Jeder suchte vor sich selbst zu fliehen.

Ein anderer meinte, der Nahrungsmittelsektor sei eine gute und zuverlässige Geldquelle; vielleicht ließe sich mit süßen Kuchen aus Sojabohnenpaste eine verheißungsvolle Produktionslinie starten. Eigentlich dachten alle nur ans Essen.
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Die Entwicklung eines einfachen Reiskochers klappte nicht

So entschloß sich die Gruppe schließlich zur Entwicklung eines einfachen Reiskochers. Trotz verschiedener Probemodelle blieb dem Vorhaben der Erfolg in Gestalt eines verläßlichen Geräts jedoch versagt.

Die Grundüberlegung war ganz einfach: Wenn man auf dem Boden eines hölzernen Bottichs zwei spiralförmige Elektroden anbringt, muß die Feuchtigkeit des Garguts den Heizstromkreis schließen. Je mehr Flüssigkeit verdampft, desto mehr nimmt die Leitfähigkeit ab, so daß sich der Strom schließlich von selbst abschaltet, der Eigentümer des Geräts seinen Reis nur noch zu essen braucht.

Man kam jedoch nie zu gleichmäßig zufriedenstellenden Ergebnissen. Ibuka und seine Leute probierten den Reis selbst - mal war er zerkocht, ein andermal nicht gar, so daß sie ihre Bemühungen einstellten.

Parallel dazu experimentierten sie mit einem Gerät zum Brotbacken, das nach demselben Prinzip arbeiten sollte, nur daß hier der feuchte Teig den Stromkreis schloß. Ein einsatzfähiges Gerät wurde jedoch nie entwickelt.

Schließlich begann man mit der Produktion von Heizkissen. Die Heizdrähte wurden von den Frauen der Mitarbeiter mit ein paar Stichen auf die Tücher geheftet. Sehr schnell wurden sie zu einem beliebten Artikel, der sich im Straßenverkauf gut absetzen ließ und den Familien der Angestellten wenigstens etwas Bargeld einbrachte.
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Ibuka wollte aber etwas ganz anderes angehen ... das KW-Radio

Aber Ibuka war nicht nach Tokio zurückgekehrt, um sich auf dem Unterhaltungs- oder Lebensmittelsektor zu betätigen oder selbstgestrickte Heizkissen an den Mann zu bringen. Ihm schwebte etwas wesentlich Interessanteres vor:

Da während des Krieges der Kurzwellenempfang streng verboten war, bestand gerade an Kurzwellensendungen lebhaftes Interesse. Da das Abhören nun nicht mehr verboten war, ließ sich die Nachfrage möglicherweise befriedigen - Ibuka wußte auch, wie.

Da man während des Krieges über den Rundfunk vor Bombenangriffen gewarnt wurde und auch andere aktuelle Informationen bezog, hatte die Bevölkerung ihre Radioempfänger sorgfältig gehütet; aber man konnte eben nur auf der Mittelwelle empfangen.

Also entwickelte Ibuka nun einen Kurzwellenadapter. Ein kleiner Holzkasten enthielt einen einzigen Kreis, für den auch nur eine einzige Röhre nötig war. Das Gerät ließ sich problemlos an jedes normale Radio anschließen, und schon war der Kurzwellenempfang möglich.

Auf der Jagd nach den Röhren grasten Ibukas Angestellte den Schwarzen Markt ab; für manche Röhren mußte teures Geld bezahlt werden. Trotzdem wurde unser Adapter sehr populär, und das Selbstvertrauen der Mitarbeiter der "Tokyo Tsushin Kinkyusho" wurde mächtig gestärkt.

Tamon Maeda, sein Schwiegervater, zog die "Strippen"

Tamon Maeda, sein Schwiegervater, hatte einen Freund, Ryuzu Kaji, der bei Japans größter Zeitung, der Asahi Shimbun, unter dem Titel »Mit Blaustift notiert« eine regelmäßige Kolumne schrieb. Die Asahi Shimbun bestand der herrschenden Papierknappheit wegen damals nur aus einem einzigen Blatt.

Dennoch veröffentlichte sie am 6. Oktober 1945 Kajis Artikel, der als großzügige Unterstützung des neuen Unternehmens gedacht war:

  • »Wir vernehmen erfreut, wie sich die in manchen Haushalten bereits vorhandenen Rundfunkempfänger sehr einfach auf Kurzwellenempfang umrüsten lassen. Masaru Ibuka, ein früherer Dozent am Institut für Naturwissenschaft und Technik an der Waseda-Universität und zugleich Schwiegersohn des Erziehungsministers, Tamon Maeda, hat bei Shirokiya in Nihonbashi im zweiten Stock jüngst sein Firmenschild angebracht: Tokioter Telekommunikationsforschungslabors. Aus nichtkommerziellen Beweggründen hat er sich vorgenommen, durch Umwandlung konventioneller Rundfunkgeräte mit Hilfe eines Zusatzgerätes einen Kurzwellenempfang weiterer Bevölkerungskreise zu ermöglichen. So läßt sich ein leidlich guter Superheterodyn-Empfänger durch einfache Umwandlung zu einem guten Kurzwellenempfänger machen. Bei technisch besseren Geräten ist durch Anschluß eines Zusatzgeräts der Kurzwellenempfang im Hochfrequenzbereich möglich.«

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Des weiteren verhieß der Artikel, daß die Besatzungsbehörden eines Tages privaten Rundfunk zulassen würden und das Nachbessern der vorhandenen Geräte wegen des dann zu erwartenden >Wellensalats< von großer Wichtigkeit sei, weil sofort viele Stationen den Sendebetrieb aufnähmen. Ferner gab Kaji zu bedenken, daß sich »durch Verwendung eines Zusatzgeräts die vorgegebenen Grenzen der Geräte überwinden lassen und selbst diese (zu erwartenden Sender) klar empfangen werden können«.
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Wie in der Presse übllich - nicht alles hatte gestimmt .....

Auf Ibuka zurückkommend, führte der Autor des Berichts dann noch aus, dieser »hatte ein Rüstungsunternehmen geführt und will nun die ihm so geläufige Technologie guten Zwecken zuführen. Als Wissenschaftler dieser Stadt macht er jetzt einen Neubeginn. Er sagt, ihm seien Fragen aller Art recht, auch wenn sie die Reparatur normaler Geräte beträfen.«

Wie sich herausstellte, hatte Kaji wohl nicht alles richtig getroffen - Ibuka kam nicht aus der Rüstungsindustrie, und sein Interesse an der Reparatur alter Geräte war ebenfalls nicht gerade groß. Und wenn seine Beweggründe nichtkommerzieller Art gewesen sein sollen, dann ganz gewiß nicht freiwillig; denn Ibuka brauchte Geld, um seine Angestellten bezahlen zu können.
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Ich bekam diesen Artikel vom 6. Okt. 1945 zu lesen

Glücklicherweise fiel mir die Nagoya-Ausgabe der Zeitung vom 6. Oktober in die Hände; hocherfreut las ich den Bericht über meinen alten Freund Ibuka.

Ich schrieb (Anmerkung : Die Post funktionierte also wieder ??) ihm unverzüglich, daß ich ihn in Tokio gern einmal besuchen und ihm beim Aufbau seines neuen Unternehmens auf jede mir nur mögliche Weise gerne helfen würde.

Meinem Brief folgte eine prompte Einladung. Allerdings ließ er mich gleich wissen, daß die Geschäftslage sehr angespannt sei, daß er seine Leute aus eigener Tasche bezahle und Geldgeber suche.

Ich fuhr zwecks Wahrnehmung meines Lehrauftrages nach Tokio. Nachdem ich im Hause eines Freundes an der westlichen Peripherie, wo die Zerstörungen weniger schwer als in der Innenstadt waren, Unterkunft gefunden hatte, suchte ich sofort meinen Freund Ibuka in Nihonbashi auf.
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Ein Firmensitz wie in der Geisterbahn

Ibukas neuer Firmensitz in dem beinahe völlig ausgeweideten Kaufhaus bot einen mitleiderregenden Anblick. Aber Ibuka selbst stand der Enthusiasmus im Gesicht geschrieben, und seine Angestellten freuten sich, einen Arbeitsplatz (selbst fast ohne Lohn) zu haben, während die meisten Japaner beim besten Willen nicht wußten, was aus ihnen werden sollte.

Da ich wußte, daß er seine Angestellten kaum bezahlen konnte, kam ich auf den Gedanken, meine Arbeitszeit zwischen seinem neuen Unternehmen und der TH zu teilen. Ich bezog Gehalt von der Hochschule. Ibuka brauchte mir nicht viel zu zahlen, so daß wir beide finanziell einigermaßen zurechtkämen.

Immer mehr neue Ideen - aber meine Familie ...

Kurze Zeit nachdem Ibuka und ich uns kennengelernt hatten, war schon von einer eventuellen gemeinsamen Firmengründung die Rede gewesen; im März 1946 hatten wir uns endgültig zu diesem Schritt entschlossen, allerdings mußten die nötigen Einzelheiten noch geklärt werden.

So stand ich, staatlich besoldeter Universitätsdozent und zugleich Teilzeitforscher seines neuen Unternehmens, eines Tages vor Ibuka und trug ihm meine Gründungspläne vor. Uns beiden war auf der Stelle klar, daß vor der eigentlichen Gründung die heikle Frage meiner familiären Verpflichtungen erwogen werden mußte.

Daher machte ich mich mit Ibuka und Schwiegervater Maeda, der als Erziehungsminister zwischenzeitlich zurückgetreten war, im April 1946 mit dem Nachtzug nach Nagoya auf, um bei meinem Vater meine Freistellung für die Mitarbeit am neuen Unternehmen zu bewirken.
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Die japanische Tradition und die familiären Zwänge

Beide glaubten meinem Vater diese Höflichkeit schuldig zu sein; denn als Japaner wußten sie sehr genau, was es heißt, den ältesten Sohn aus dem Familienbetrieb herauszunehmen.

In Japan galt es als eine schwerwiegende Entscheidung, einen Sohn - insbesondere den ältesten - aus dem Elternhaus und der familiären Umgebung ziehen zu lassen und ihn auf Dauer einem neuen Unternehmen zu überlassen.

In manchen Fällen kam dies beinahe einer Freigabe zur Adoption gleich. Die Gepflogenheit, mit den Eltern des Betroffenen die Angelegenheit zu erörtern, kennt man in manchen Geschäftskreisen noch heute, insbesondere im Kleinunternehmertum.
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Die "Zusicherung der Redlichkeit" ....

Aber selbst von Großunternehmen werden familiärer Hintergrund, Empfehlungen und beiderseitig stillschweigende Zusicherung der Redlichkeit auch gegenwärtig noch für nützlich gehalten, wenn ein junger Mann sich seinem neuen Unternehmen anschließen will.

Diese Verpflichtungen zu Redlichkeit und Hingabe sind aufrichtig gemeint; denn sie gelten für ein ganzes Arbeitsleben und nicht nur für eine beiläufige Tätigkeit von ein paar Jahren, wie es in manchen Ländern mit größerer Arbeitnehmer-Mobilität üblich ist.

Auch für mich bedeutete dieser Schritt den Anschluß an eine andere Familie, mithin die Übernahme anderer Verantwortlichkeiten.
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Unsere Nagoya-Reise war sehr beschwerlich.

Ein paar Fensterscheiben des alten Eisenbahnwaggons waren zerbrochen, so daß wir während der ganzen Fahrt im kalten Luftzug saßen und von Ruß und Lokomotivenqualm umweht wurden. Dafür wurden wir drei von den Moritas in Kosugaya mit einem herzlichen Empfang entschädigt.

Ibuka erzählte mir noch unlängst, er könne nicht vergessen, wie gut er und Maeda bei uns zu Hause bewirtet worden seien, wenngleich man ihnen nur Brot (ofenfrisch aus der Morita-Bäckerei), Butter, Marmelade und Tee vorgesetzt habe.
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Es fehlte überall am Lebensnotwendigsten

Und selbst das galt in der ersten Nachkriegszeit als Luxus. Es fehlte überall am Lebensnotwendigsten. Die Japaner gaben ihren Kleinsten den knappen Reis nur körnerweise. Während des Krieges hatte man sich angewöhnt, die winzigen Reisrationen mit Graupen, ja sogar mit Kartoffeln zu strecken. Der Krieg hatte die Bevölkerung arm gemacht und demoralisiert; Millionen Japaner quälten sich am Rande des Existenzminimums dahin.
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Mein Vater : »Tu, was Dir am besten gefällt.«

Nach den unerläßlichen Präliminarien brachten Ibuka und Maeda unser Vorhaben zur Sprache und erklärten meinem Vater, dabei auf mich keinesfalls verzichten zu können. Gespannt warteten wir dann auf seine Antwort.

Mein Vater, der offenbar mit einem solchen Anliegen gerechnet hatte, meinte nach kurzem Zögern, daß er in mir eigentlich seinen Nachfolger als Familienoberhaupt und Chef des Familienunternehmens gesehen habe.

Doch dann wandte er sich direkt an Ibuka und Maeda und erklärte: »Sofern mein Sohn aber etwas anderes zu tun gedenkt, um seine Persönlichkeit zu entwickeln, oder seine Fähigkeiten zu nutzen, dann sollte er es tun.« Und lächelnd meinte er daraufhin zu mir: »Tu, was dir am besten gefällt.«

Ich war hocherfreut; Ibuka fassungslos. Später erzählte er mir: »Ich dachte, so einfach wärst du nicht zu kriegen gewesen.« Mein Bruder Kazuaki, der damals an der Waseda-Universität in Tokio studierte, erklärte sich freiwillig bereit, die Sake-Brauerei zu übernehmen, wenn mein Vater die Zeit des Ruhestandes für gekommen hielt. Insofern war jedermann rundum zufrieden und erleichtert.
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Die "Tokyo Tsushin Kogyo" wird gegründet mit 500 Dollar

Wieder in Tokio, warfen wir alle unsere Mittel in einen Topf - es kamen etwa fünfhundert Dollar zusammen - und gründeten die Tokyo Tsushin Kogyo, auf englisch >Tokyo Telecommunications Engineering Company<.

Der Gegenwert von fünfhundert Dollar stellte weder eine fürstliche Summe dar noch reichte sie hin. Wir hatten schon sehr bald kein Geld mehr und mußten uns oft um ein Darlehen an meinen Vater wenden. Da er uns und dem jungen Unternehmen vertraute, drängte er nie auf Rückzahlung.

Ich beschloß daher, ihm als Gegenleistung Geschäftsanteile zu übertragen. Sein Vertrauen erwies sich als lohnende Investition: mit zunehmendem Grundkapital wurde er einer der Hauptanteilseigner der Gesellschaft.
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Die neue Aufgabe in der neuen Firma machte mir mehr Spaß

Obwohl ich mein unabhängiges Einkommen von der Technischen Hochschule Tokio durchaus zu schätzen wußte, ging ich meiner Lehrtätigkeit nur halbherzig nach. Mir war mehr an ganztägiger Arbeit für das neue Unternehmen gelegen.

So las ich denn zu meiner großen Freude eines Tages in der Zeitung, daß die Besatzungsbehörden alle Lehrkräfte, die Berufssoldaten in Heer oder Marine gewesen waren, aus dem Dienst entfernen wollten.

Ich fühlte mich ebenfalls angesprochen, denn ich hatte mich ja als technischer Offizier zum lebenslangen Dienst in der ehemaligen Kaiserlich Japanischen Marine verpflichtet.

Dieser Säuberungsaktion der Besatzungsmacht lag die Überlegung zugrunde, daß Berufssoldaten - die Hauptschurken des Krieges und Drahtzieher hinter der Regierung - keinen Lehrberuf ausüben sollten, um auf die Schulkinder der Nachkriegszeit keinen schädlichen Einfluß nehmen zu können.
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Für mich bedeutete die beabsichtigte Säuberung eine frohe Botschaft.

Denn nun hatte ich einen Vorwand, meinen Verpflichtungen gegenüber der Universität entbunden zu werden und ganztägig für die Firma arbeiten zu können.

Ich ging zu Professor Hattori und legte ihm den Sachverhalt dar. Leider könne ich den von mir so geschätzten Lehrauftrag nun nicht länger wahrnehmen. Hattori, der sich sofort an die Geschäftsstelle der TH hielt, mußte sich sagen lassen, daß man nicht wisse, was in meinem Falle zu tun sei. Offizielle Anweisungen vom Erziehungsminister lägen noch nicht vor. Ich möchte doch bis zum Eingang entsprechender Vorschriften wie bisher weitermachen.

Ich wäre gern ausgeschieden, doch fühlte ich mich Professor Hattori, meinem alten Mentor, so verpflichtet, daß ich ihn nicht so ohne weiteres einfach im Stich lassen konnte.

Als nach einigen Monaten noch immer nichts Definitives erlassen worden war, kam mir ein kühner Einfall. Ich zeigte Koroku Wada, dem Dekan, den Zeitungsartikel und äußerte meine Besorgnis, daß bei Bekanntwerden der Fortführung meiner Lehrtätigkeit die Universität möglicherweise mit einer Strafe zu rechnen habe, weil sie das Dienstverhältnis nicht von sich aus gelöst hätte.

»Nach diesem Artikel«, sagte ich ihm, »müßte ich eigentlich entfernt werden, aber Ihr Dekanat besteht darauf, daß ich bleibe. Ich fürchte, ein weiteres Verbleiben könnte Sie in Schwierigkeiten bringen, für die ich nicht verantwortlich sein möchte.«

Der Dekan ließ sich die Sache eine Weile durch den Kopf gehen und meinte dann: »Gut, Sie können mit Ihren Vorlesungen noch heute Schluß machen.« Damit war meine Karriere als Dozent beendet. Ich verabschiedete mich nur allzu gern von Professor Hattori und begab mich in bester Laune in die Firma.
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Irgendwie stand ich noch immer auf der Gehaltsliste

Monate vergingen, ohne daß mir meine Entfernung aus dem Dienst offiziell mitgeteilt worden wäre - statt dessen rief mich jeden Monat die Fakultät an und bat, ich möchte doch mein Gehalt abholen. Irgendwie stand ich noch immer auf der Gehaltsliste; und obwohl ich nicht eine Vorlesung mehr hielt, stieg mein Gehalt wegen der laufenden Anpassung an die Inflation.

Erst im Oktober 1946 schaffte es das Erziehungsministerium, mich von der Entfernung aus dem Dienst in Kenntnis zu setzen. Bis dahin war mein Gehalt ein willkommener Zuschuß, denn zu jener Zeit war unsere Firma, was finanziellen Erfolg betraf, nicht gerade rekordverdächtig.
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Mehrfacher Umzug auf den "Gotenyama"

Im August 1946 sollte das Kaufhaus Shirokiya wieder aufgebaut und neu eröffnet werden; für uns, so hieß es, gäbe es daher keine weiteren Unterbringungsmöglichkeiten.

Wir zogen vorübergehend nach Kichijoji, in eines der ältesten Stadtviertel, aber das galt von vornherein als unbefriedigende Lösung. Schließlich ließen wir uns in einer billigen, baufälligen Bretterbude auf dem "Gotenyama" nieder, einem Hügel in Shinagawa am Südrand der Stadt, der früher einmal seiner blühenden Kirschbäume wegen berühmt war.

Der Gotenyama war 1853 als Teil der Verteidigungsanlagen um die Bucht von Tokio befestigt worden; als wir jedoch 1947 an einem kalten Januartag dort unsere wacklige Hütte bezogen, machte er einen alles andere als wehrhaften Eindruck - Bombenschäden, so weit das Auge reichte.

Auch unsere Behausung war nicht unbehelligt geblieben: Das Dach war so undicht, daß wir oft genug unter aufgespannten Regenschirmen am Schreibtisch arbeiteten. Obwohl weit vom Stadtzentrum entfernt, hatten wir hier neben größerer Unabhängigkeit auch weitaus mehr Platz als damals im Kaufhaus.
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Es war ein "lustiger" Firmensitz

Wer Zugang zu den Räumlichkeiten der "Tokyo Tsushin Kogyo" suchte, mußte zunächst unter etlichen Wäscheleinen hinwegtauchen, auf denen die Nachbarn zumeist die Windeln ihrer Kinder trockneten.

Anschließend waren ein paar wacklige Stiegen zu erklimmen. Als mich einmal Verwandte besuchten, waren sie über unsere ärmlichen Verhältnisse so entsetzt, daß sie - wie sie meiner Mutter erzählten - zunächst annahmen, ich hätte mich den Anarchisten angeschlossen.

Sie konnten einfach nicht begreifen, daß ich mir, wenn ich schon kein Radikaler war, einen solchen Arbeitsplatz freiwillig ausgesucht hatte, wo ich doch in Nagoya, als Sohn des Direktors eines alteingesessenen Unternehmens, >standesgemäß< hätte leben können.

Ibuka wollte keine Radios bauen, er hatte einen Grund

Während der Suche nach einer erfolgverheißenden Produktidee war Ibuka oft der Bau eines Rundfunkempfängers empfohlen worden; denn in Japan herrschte auch nach Radioapparaten eine große Nachfrage, da viele nicht die Möglichkeit hatten, einen Kurzwellenadapter zu benutzen.

Ibuka jedoch weigerte sich entschieden. Er ging von der vernünftigen Überlegung aus, daß die größeren Firmen sich wahrscheinlich sehr schnell von den Kriegsfolgen erholen würden. Ebenso berechtigt war seine Annahme, daß sie dann zunächst auf ihre eigenen Bauteile zurückgreifen, erst viel später Einzelteile an Dritte verkaufen und ihre jüngsten technologischen Erkenntnisse ausschließlich selbst verwerten würden, um sich ihren Vorsprung vor der Konkurrenz möglichst lange zu erhalten.

Ibuka und ich hatten uns in vielen Gesprächen darauf verständigt, dem neuen Unternehmen eine innovative Grundkonzeption zu geben. Wir wollten neue Produkte, neue, ausgeklügelte Funktionsprinzipien anbieten, also originelle Gebrauchsartikel auf den Markt bringen, die höchsten technischen Standards genügten. Über den Bau von Radioapparaten war dieser Idealvorstellung nach unserer Auffassung nicht näherzukommen.
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Ibuka und ich, wir wollten innovative Produkte bauen

Mit eigenen, sehr unwissenschaftlichen Methoden suchten wir Aufschluß über die Situation der noch intakten japanischen Haushalte zu bekommen.

Als wir bereits viele Kurzwellenadapter verkauft hatten, erkannten wir, daß viele Japaner neben Rundfunkgeräten auch ihre Plattenspieler über den Krieg gerettet hatten. Neue Motoren und magnetische Tonabnehmer waren während des Krieges nicht zu haben gewesen; daher war offenkundig, daß ein Markt für diese Ersatzteile zwecks Reparatur oder Nachrüstung der alten Geräte aus der Kriegs- oder Vorkriegszeit vorhanden war.
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Die japanische Bevölkerung veränderte sich schlagartig

Die Bevölkerung riß sich um die populären amerikanischen Swing- und Jazz-Platten, die nun ins Land strömten, nachdem die Japaner mit den Besatzungssoldaten auch deren Musik kennengelernt hatten.

Die Besatzungsbehörden begannen systematisch, über die Vereinigten Staaten und den amerikanischen >way of Life< zu informieren. In den Schulen wurde nunmehr Englisch unterrichtet. Da die Besatzungsmacht alle Sender kontrollierte, war ihre Sprache auch im Radio zu hören.

Nach so vielen Jahren der Gedankenüberwachung und Militärdiktatur fielen Vorstellungen von Demokratie, persönlicher Freiheit und allgemeiner Gleichheit auf fruchtbaren Boden.

Während der Besatzungszeit war alles knapp, auf dem Schwarzmarkt freilich war alles zu haben. Unser neues Unternehmen - die offizielle Eintragung als Kapitalgesellschaft erfolgte am 7. Mai 1946 - wußte sich für den Gegenwert von hundert Dollar einen kleinen, gebrauchten Datsun-Laster zu beschaffen.

Aber da nur Ibuka und ich - ausgerechnet die beiden Top-Manager des Unternehmens - als einzige einen Führerschein besaßen, konnte außer uns niemand für Auslieferung, Einkäufe und Materialbeschaffung sorgen.

Neben unseren >Führungsaufgaben< halfen wir also beim Beladen des Lkw und kurbelten ihn dann an, um Auslieferungen und Besorgungen zu erledigen.
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Es gab auf den Straßen sogar gelegentlich Eselskarren

Die Straßenszene Tokios war chaotisch, lärmend, verräuchert und alles andere als wohlriechend. Benzin war sehr knapp und, sofern überhaupt, nur gegen teures Geld zu haben. Viele Pkw, Laster und Busse waren auf Holzgas umgestellt worden und heizten die Kessel mit Altöl, Holzkohle, Müll, Kohlenstaub und ähnlichen brennbaren Feststoffen.

In dieser Zeit allgemeiner Knappheit traf man auf den Straßen sogar gelegentlich Eselskarren an. Für unseren Laster wußten wir jedoch stets Sprit zu beschaffen, wenn auch nicht immer auf legale Art.

Da viele amerikanische Soldaten Benzin verscheuerten, versuchten die Besatzungsbehörden, den schwunghaften Handel durch Beimengung eines rötlichen Farbstoffes zu unterbinden.

Straßensperren wurden errichtet, die Polizei hielt die Fahrzeuge an, Militärpolizisten entnahmen mit langen Glaspipetten Spritproben und untersuchten sie durch Augenschein. Doch sehr schnell blieben immer weniger in den Maschen hängen: ein paar pfiffige Japaner hatten entdeckt, daß sich der Farbstoff mit Holzkohle herausfiltern ließ. Das >Waschen< von Schwarzmarktbenzin wurde zu einem blühenden Geschäft.
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Die "Grossen" der Brannche wollten Neugeräte produzieren

In unserer Branche waren die großen Elektrofirmen am Ersatzteilgeschäft nicht interessiert; sie wollten neue Plattenspieler bauen und verkaufen.

Entsprach auch das Teilegeschäft nach Hochtechnologie ganz gewiß nicht unserem idealistischen Streben, so wußte Ibuka doch, was er tat. Die von uns gebauten neuen Motoren und Tonabnehmer - bessere gab es damals noch nicht - hielten das Unternehmen finanziell über Wasser.

Geld war sehr knapp; die rigorosen Maßnahmen der Inflationsbekämpfung stellten uns vor große Probleme, weil diese die umlaufende Geldmenge stark verkleinerte. Auf Grund behördlicher Anordnung durften Firmen und Privatpersonen nur in sehr begrenztem Umfang über ihre Bankguthaben verfügen.

Das war ein Grund mehr, die Heizkissenproduktion so nachhaltig zu forcieren - durch den Direktverkauf bekamen wir Bargeld in die Hand.
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Ibuka war nicht zufrieden - das Drahtmagnetophon lockte

Aber Ibuka war, wie gesagt, am Nachbessern von Vorkriegsgeräten nicht gelegen; er wollte einen völlig neuen, in Japan noch nicht bekannten Konsumartikel produzieren: ein Drahtmagnetophon.

Wir hatten einige solcher Geräte deutschen Ursprungs gesehen; zudem wußten wir, daß in den Labors der Tohoku-Universität in Nordjapan eine hervorragend magnetisierbare Stahllegierung gefunden worden war.

Der Stahldraht, der einen Durchmesser von genau einem Zehntelmillimeter haben mußte, war nur unter Schwierigkeiten herstellbar.

"Man" war an dem Auftrag nicht interessiert

Ibuka erfuhr, daß sich die Firma Sumitomo Metals Corp. in Osaka dazu in der Lage sah; leider war man dort an dem Auftrag nicht interessiert.

Ibuka, der persönlich vorstellig wurde, repräsentierte nur ein kleines, junges Unternehmen und den einzigen Abnehmer eines derart teuren Produkts der Spitzentechnik. Andere Unternehmen, die uns hätten helfen können, reagierten ebenfalls ablehnend.

Aber wie es sich bisweilen so fügt, erwies sich das mangelnde Entgegenkommen als "verkappter Segen". Zwar waren wir enttäuscht, daß wir nun kein Drahtmagnetophon bauen konnten; das Erfreuliche aber war, daß wir später gleich mit einem Magnetophonbandgerät, einem weitaus besseren Produkt, auf den Markt kamen. Das konnte damals natürlich noch niemand ahnen.
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Die Aufgabe, ein professionelles Rundfunkmischpult bauen

Die Besatzungsmacht, die die NHK, die Japanische Rundfunkgesellschaft, übernommen hatte, verlangte eine neue technische Grundausstattung des Senders, wie Mischpulte und anderes Studio- und Sendegerät.

Ibuka, auf diesem Sektor nicht unbeschlagen, offerierte den Bau eines großen, rundfunktauglichen Mischpults. Daraufhin kam der amerikanische Submissionsoffizier, ein Brigadegeneral, zu uns nach Gotenyama, um sich von der unbekannten Firma und ihrer Geschäftsleitung ein Bild zu machen und die technischen Einzelheiten zu besprechen.

In seiner Begleitung befand sich Shigeo Shima, ein Freund Ibukas, der bei der NHK für die technische Reorganisation verantwortlich zeichnete und uns als Vertragspartner empfohlen hatte. Der General schüttelte angesichts unserer primitiven Unterbringung, der unzulänglichen Arbeitsbedingungen und der trostlosen Umgebung nur den Kopf.

Anscheinend konnte er nicht verstehen, warum man ihm eine Firma dieser Art empfohlen hatte. Ibukas Freund bat ihn, sich auf sein Urteil zu verlassen. Der Offizier ließ sich überreden, und wir bekamen den Zuschlag. Der Amerikaner war um unsere entsetzliche Firmenbehausung wohl so besorgt, daß er empfahl, für den Brandfall ein paar Eimer Sand und Wasser bereitzuhalten.
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Ibuka hat gezeigt, was der Ingenieur in ihm kann

Als das Mischpult fertiggestellt war und dem Sender zur Installation übergeben wurde, wunderte sich jeder über die hohe Qualität der Anlage.

Insbesondere der zunächst so skeptische Submissionsoffizier konnte es kaum fassen, daß ein junges Unternehmen in einer behelfsmäßigen Fertigungshalle ein technisch so hochwertiges Produkt herstellen konnte.

Ibuka wurde von allen Seiten beglückwünscht, auch der General freute sich. Ich glaube, wir hätten vom American Forces Service und der Far East Air Force auch noch weitere Aufträge bekommen können, denn mit dem Nachweis unserer Leistungsfähigkeit hatten sich die anfänglichen Vorbehalte verflüchtigt.
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