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Die Lebensbiografie von Akio Morita (aus 1986), dem berühmten SONY Mitbegründer - Er war "Mister Japan"

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Die Unterschiede zwischen amerikanischen und japanischen Unternehmen

Die Unterschiede zwischen amerikanischen und japanischen Unternehmen gehen weit über den kulturellen Bereich hinaus. Fragt man einen japanischen Unternehmer nach seiner wichtigsten Aufgabe, so wird er antworten, daß ständige Beschäftigung und Hebung des Lebensstandards seiner Belegschaft seine Prioritätenliste anführen oder doch ganz weit oben stehen.

Um das gewährleisten zu können, muß das Unternehmen natürlich Gewinne erzielen; doch hat Gewinnerwirtschaftung in Japan nur nachgeordneten Rang. Die meisten mir bekannten amerikanischen Unternehmer räumen der Kapitalverzinsung der Anleger beziehungsweise dem Jahresgewinn höchste Priorität ein.

Sie stehen in der Verantwortung für das Unternehmen, weil sie ihnen von den Kapitalgebern übertragen wurde. Um in der Verantwortung zu bleiben, müssen sie diese Investoren also bei Laune halten.

Der Aufsichtsrat repräsentiert die Aktionäre. Gelingt es dem Vorstand nicht, deren Dividendenerwartungen zu erfüllen, muß er gehen. Daher ist der Vorstand berechtigt, Einrichtungen und Belegschaft des Unternehmens als Instrumente der Zielerfüllung zu benutzen. Dies kann sich nachteilig für das Unternehmen auswirken.
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Investieren Sie in neue Technik - Herr Direktor

Als ich vor einigen Jahren im Mittleren Westen eine Fernsehgerätefabrik besuchte, riet ich dem Direktor, im Interesse der Produktivitätssteigerung seine Fertigungsanlagen zu modernisieren.

Zu meinem Entsetzen mußte ich mir von ihm sagen lassen, daß seine Vergütung vom finanziellen Erfolg des Unternehmens abhängig sei. Folglich denke er gar nicht daran, Zukunftsinvestitionen zu tätigen, weil dadurch seine Einkünfte nur zugunsten des in etwa einem Jahr nachrückenden nächsten Direktors gekürzt würden.

Ich habe am Gebaren unserer Gemeinschaftsunternehmen auch festgestellt, daß wir in Japan es vorziehen, in möglichst kurzem Zeitraum degressiv abzuschreiben, während unsere amerikanischen Partner stets über längere Zeit linear abschreiben wollten.
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Die Grundlagen für den Wiederaufbau Japans

Nach dem Krieg schufen ein neues Arbeitsrecht und die Zerschlagung der Familien-Holdings die Grundlagen für den Wiederaufbau Japans. Bei uns entwickelte sich ein Organisationssystem, in dem die Betriebsgewerkschaft die kleinste autonome Einheit bildet.

Das einen ganzen Industriezweig abdeckende System amerikanischer Prägung ist in Japan nicht üblich. Natürlich haben sich auch unsere Betriebsgewerkschaften zu Verbänden zusammengeschlossen, die für die Zielvorgaben und die Koordination der Belange und Forderungen der autonomen Gruppen zuständig sind.

Doch Arbeitsfriede herrscht in Japan hauptsächlich deswegen, weil die Unternehmer die Belegschaft nicht als bloßes Werkzeug sehen und sich der Arbeitnehmerinteressen bewußt sind. Dieses Bewußtsein ist natürlich nicht in allen Unternehmen gleichmäßig stark entwickelt.
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Für einen Franzosen ist Japan ein kapitalistisches Land

Vor nicht allzu langer Zeit erzählte mir jemand in Paris in aller Unschuld, Japan sei ein kapitalistisches Land. Ich erwiderte, der Eindruck trüge, denn eigentlich müsse man der Genauigkeit zuliebe das japanische Wirtschaftssystem als frei und sozialistisch-egalitär bezeichnen.

Die nach Kriegsende vorgenommene Änderung der Rechtsordnung kam vielen Amerikanern und Japanern als Linksruck und daher gefährlich vor. Daß man praktisch niemanden mehr entlassen konnte, wurde hauptsächlich von den älteren Unternehmern als besonders unschöner Eingriff in die traditionelle Entscheidungskompetenz des Management empfunden.

Doch sie mußten sich fügen und machten schließlich das Beste für alle daraus.

Die japanischen Unternehmer glaubten, wenn jeder genug Familiensinn habe - letzten Endes fassen alle Japaner auch ihre Volkszugehörigkeit beinahe instinktiv im Sinne einer Großfamilie auf -, dann ließe sich das Land leichter aus dem Abgrund herausführen. Und aus diesem Geist heraus entstand das, was ein Amerikaner einmal die > Japan Inc.< nannte.
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Wenn die großen Bosse in kühlen Büros sitzen .....

In den Vereinigten Staaten sehen die Unternehmer ihre Belegschaft und selbst die unteren Führungsebenen aus rein hierarchischem Blickwinkel.

In Japan, wo der Westen solche hierarchischen Strukturen viel eher erwartet, ist davon jedoch weit weniger zu bemerken.

Als ich in Illinois den Fernsehgeräte-Montagebetrieb der Firma Motorola besichtigte, fiel mir als erstes auf, daß die Büroräume zwar voll klimatisiert waren, in den Montagesälen jedoch eine schweißtreibende Hitze herrschte, die von fauchenden Ventilatoren auch noch gleichmäßig verteilt wurde.

Angesichts dessen mußte ich mir sagen: Wie kann man von seinen Leuten unter diesen Arbeitsbedingungen Qualitätsprodukte erwarten? Und wieviel Loyalität mögen die Arbeiter wohl ihren in kühlen Büros sitzenden großen Bossen entgegenbringen?
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Wenn bei uns die Werkhallen komfortabler als unsere Wohnungen seien

In Japan pflegte man noch vor nicht allzu langer Zeit zu sagen, daß die Werkhallen stets komfortabler als unsere Arbeiterwohnungen seien. Das ist inzwischen anders geworden, denn mit zunehmendem Wohlstand der arbeitenden Bevölkerung wurden immer mehr Häuser und Wohnungen klimatisiert - Mitte 1984 verfügten bereits mehr als die Hälfte der japanischen Haushalte über eine Klimaanlage.

  • Anmerkung aus 2023 : Und jetzt schlägt diese gigantische Stromverschwendung mit den überall gegenwärtigen Klimanlagen vor allem in Großstädten wie Tokyo gnadenlos zurück. Die überlastete Umwelt wehrt sich gewaltig mit gebietsweise ganz eng begrenzten dicken zerstörerischen heftigen Hagelschauern.


Sony begann bereits Ende der fünfziger Jahre seine Fertigungshallen zu klimatisieren; danach erst waren unsere Büros an der Reihe.
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Kein Kampf um ein Büro mit Teppichboden .......

Die leitenden Angestellten Japans sind auf persönliche Annehmlichkeiten nicht sonderlich versessen. Der Kampf um ein Büro mit Teppichboden, Wasserspender und Ölgemälde ist bei uns nicht üblich.

Jüngst erst gründeten ein amerikanischer Hersteller raffinierter, computerunterstützter Zeichenmaschinen und eine japanische Firma ein Gemeinschaftsunternehmen. Sagte der Japaner zu seinem ausländischen Partner: »Wir sähen es sehr gern, wenn Sie die Einrichtung des Ausstellungsraums übernähmen, aber lassen Sie uns doch bitte für die Büroausstattung sorgen.«

Den Amerikanern erschien dies nur recht und billig. Der Ausstellungsraum wurde zu einer wahren Augenweide: weiches, indirektes Licht, bequeme Sessel für Besucher und Kunden; ausliegende Vierfarbprospekte stellten das Unternehmen und seine Erzeugnisse von ihrer besten Seite her dar; Video-Filme zeigten die vielfältigen Verwendungsmöglichkeiten der Produkte.

Doch im Obergeschoß gab es nur einen einzigen großen Büroraum ohne jede Unterteilung oder etwaige Privaträume. Dafür befanden sich dort zahlreiche telefonbestückte Schreibtische, Aktenschränke und sonstige spartanisch schlichte Büromöbel in zweckmäßiger Anordnung.

Der Amerikaner runzelte die Stirn, doch sein japanischer Kollege klärte ihn auf: »Wenn japanische Kundschaft in den Büros eines neuen, aufstrebenden Unternehmens dicke Teppiche und übermäßigen Komfort vorfindet oder gar in Privatbüros geführt wird, dann regt sich in ihr sofort der Verdacht, daß ein solches Unternehmen unseriös sei und zuviel Gedanken und Mittel auf die eigene Bequemlichkeit verschwende, so daß die Erzeugnisse vielleicht zu kurz kämen.

Wenn unser erstes Geschäftsjahr erfolgreich verläuft, können wir ja vielleicht ein paar niedrige Raumteiler aufstellen. Nach zwei oder drei Jahren könnte man dem Geschäftsführer womöglich ein eigenes Büro einrichten; einstweilen aber müssen wir uns allesamt daran erinnern lassen, daß wir gemeinsam für den Erfolg dieses Unternehmens kämpfen.«
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Von klotzigen, beeindruckenden Privatbüros halten wir nichts.

Dies deckt sich vollkommen mit meiner Auffassung. Wir möchten, daß jeder unter optimalen Bedingungen arbeitet. Von klotzigen, beeindruckenden Privatbüros halten wir nichts.

Vielleicht sollte ich besser sagen, daß derlei bei uns keinen Vorrang hat. Bei Sony gibt es überall komfortable Büros und auch ein paar neue, auf äußeren Eindruck bedachte Verwaltungsgebäude; unser Tokioter Stammsitz aber ist nicht mehr und nicht weniger als eine ehemalige Fabrik.

Wir haben beim Umbau auf Komfort und Funktionalität geachtet; trotzdem wurmt es mich immer ein bißchen, daß Besucher die Rezeption nur über zwei kürzere Treppenfluchten erreichen können.

Die japanische Industrie investiert grundsätzlich unmittelbar produktbezogen. Deshalb sieht bei uns eine Fabrik oft eher wie ein Lagerschuppen aus. Im Innern ist jedoch alles Nötige vorhanden.

Wert auf Äußerlichkeiten und Innendekoration - bei uns nicht

Nur allzu oft habe ich bei ausländischen Firmen festgestellt, daß überflüssigen Äußerlichkeiten wie Raumaufteilung und Innendekoration viel mehr Aufmerksamkeit, Zeit und Geld gewidmet wird, als sie wert sind. Es gibt natürlich Branchen, die vor ihrer Kundschaft eine Schau abziehen müssen, aber im Hardware-Geschäft ist dies nur sehr selten notwendig. Wir konzentrieren unsere Überlegungen lieber auf die Betriebsatmosphäre, auf die Schaffung angenehmer Arbeitsbedingungen und damit in direkter Linie auf die Produktqualität.
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Wir bei SONY haben mal ganz klein angefangen

Als wir den Betrieb aufnahmen, war Kleidung Mangelware und nur auf dem Schwarzmarkt für teures Geld erhältlich. Unsere Leute erschienen in bunt zusammengewürfelten Kleidungsstücken zur Arbeit; Kriegsheimkehrer trugen teils noch alte Uniformen, andere Kollegen hatten schon seit Jahren aus der Mode geratene Anzüge wieder hervorgeholt.

Doch wer noch einen guten Anzug besaß, der wollte ihn nicht zur Arbeit tragen, um ihn nicht durch Schmutz oder Säure zu ruinieren. Manche unserer Mitarbeiter hatten nicht einmal das Geld für eine Arbeitsjacke; also kaufte die Firma für jeden eine Sommer- und eine Winterjacke.

Später, als es mit dem Unternehmen aufwärts ging und wir alle genug verdienten, um uns eigene Jacken zu kaufen, behielten wir den Brauch bei, da die Jacke zu einem Symbol unserer Zusammengehörigkeit geworden war.

Anfänglich hatten die Namensschiidchen der Geschäftsleitung noch eine andere Farbe als die übrigen; heute gibt es keine äußerlichen Unterschiede mehr. Vielen von uns gefielen diese blauen Jacken sehr; ich selbst trage meine gelegentlich noch heute.
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Eine graue Jacke mit roten Paspeln und abnehmbaren Ärmeln

Als zu Anfang der siebziger Jahre die diplomatischen Beziehungen mit der Volksrepublik China aufgenommen wurden, brachte die Presse neben vielen Berichten immer wieder Fotos von in ihren Mao-Jacken völlig einheitlich aussehenden Chinesenansammlungen.

Daraufhin spotteten manche, daß wir in der Gruppe - bei Versammlungen oder Konferenzen etwa - auch nicht anders aussähen als die von den Fotos her bekannten Chinesen im Mao-Look. Dagegen ließ sich etwas tun.

Zum fünfunddreißigjährigen Firmenjubiläum bat ich die Modeabteilungen mehrerer Tokioter Kaufhäuser um Entwürfe für eine neue Arbeitsjacke. Uns wurden ein paar sehr gute Modelle gezeigt, die jedoch, am Arbeitsplatz auf Funktionalität geprüft, nicht unseren Anforderungen entsprachen.

Daraufhin wandte ich mich an meinen Freund, den schon erwähnten Modeschöpfer Issey Miyake. Er kam zu uns in den Betrieb und sah der Belegschaft im Produktionsbereich, in Labors und Büros bei ihren manuellen Verrichtungen zu.

Nach etwa einem Jahr legte er uns einen schlichten, aber gut durchdachten Entwurf vor: eine graue Jacke mit roten Paspeln und abnehmbaren Ärmeln, die sich das ganze Jahr über tragen ließ. Damit hatten die Nörgeleien ein Ende.

Die Sony-Jacke von einem der renommiertesten Modeschöpfer

Ich vermutete zu Recht, daß Mitarbeiter, die mit den Jacken nicht so recht zufrieden waren, kaum noch klagen konnten, da der Entwurf von einem der renommiertesten Modeschöpfer stammte. - Um gar nicht erst Zweifel aufkommen zu lassen, bestand ich darauf, daß jede Jacke Miyakes Aufnäher trug.

Bei den Geschäftsleuten in unmittelbarer Umgebung unserer Werksanlagen gilt diese Sony-Jacke, in Verbindung mit unserem Werksausweis, heute beinahe ebensoviel wie eine Kreditkarte.
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Die japanische Einstellung zur Arbeit

Die japanische Einstellung zur Arbeit scheint sich von amerikanischen Auffassungen grundlegend zu unterscheiden. Die Tendenz, Arbeit gleich welcher Art für ehrbar zu halten, ist hier viel stärker als dort ausgeprägt.

Niemand findet etwas dabei, wenn bei uns jemand mit 55 oder 60 Jahren in Rente geht und sich dann mit untergeordneten Arbeiten noch etwas Geld dazuverdient.

Für Angestellte in höchsten Führungspositionen gibt es bei uns, das sollte vielleicht einmal erwähnt werden, keinen obligatorischen Ruhestand. Viele von ihnen sind mit über siebzig oder gar achtzig Jahren noch immer tätig.

Bei Sony müssen die Vorstandsvorsitzenden mit fünfundsechzig Jahren zurücktreten, aber damit uns deren Kenntnisse und Erfahrungen erhalten bleiben, halten wir an ihnen als Beratern fest.

Wir stellen ihnen in der "Ibuka Hall", vom Hauptgebäude nur fünf Minuten Weges entfernt, Büroräume und Personal zur Verfügung, so daß sie sich, dem Alltagsgeschäft nunmehr entzogen, auch weiterhin nützlich machen können.

Von Zeit zu Zeit fragen wir sie um Rat, ziehen sie zu Konferenzen hinzu oder lassen sie bei anderen Gelegenheiten als Sony-Repräsentanten auftreten. Viele dieser ausgeschiedenen Führungskräfte finden in kleineren Unternehmen oder bei Sony-Töchtern adäquate Positionen, so daß ihre unternehmerische Erfahrung auch weiterhin genutzt und gewürdigt wird.
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Keiner weigert sich bei uns, dazuzulernen

Die Arbeiter eignen sich im allgemeinen sehr gern neue Kenntnisse und Fertigkeiten an. Daß jemand sich weigert, berufsfremd zu arbeiten und von Staats wegen auch noch unterhalten wird, während er - wie in Amerika üblich - eine seinem besonderen Geschmack entsprechende Beschäftigung sucht, gilt in unserem Wirtschaftssystem als undenkbar.

Dieser Luxus wird unseren Arbeitnehmern auf Grund der besonderen Situation Japans einfach nicht geboten. Dabei liegt unsere Arbeitslosenquote in jüngster Zeit (1984) bei noch nicht einmal drei Prozent.

Die Götzen der Effizienz

Das alte Wirtschaftsprinzip, wonach herkömmliche Erzeugnisse effizient bei möglichst niedrigen Kosten zu produzieren sind, wird in Amerika noch sehr häufig praktiziert und hat auch in Japan noch manche Anhänger.

Nach diesem Prinzip wird Effizienz zum Götzen gemacht. Letztlich läuft es darauf hinaus, daß Mechanisierung den höchsten Stellenwert bekommt; der ideale Produktionsbetrieb sollte demzufolge vollkommen automatisiert sein und vielleicht sogar ohne jede menschliche Arbeitskraft auskommen können. Diese Unternehmensführung, die sich ausschließlich der Maschine verschrieben hat, hat etwas Menschenverachtendes.
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Das amerikanische und europäische Denken über heutige Arbeiter

Da sich die Technik in den letzten Jahrzehnten mit unvergleichbarer Geschwindigkeit fortentwickelte, mußte die geistige Verarbeitung neuen Wissens, neuer Erfahrungen und gänzlich anderer Technologien unmittelbar folgen.

Statt größere Effizienz bei der Produktion konventioneller Güter anzustreben, muß eine Unternehmensleitung heute noch vor der Konkurrenz auf Neuland Fuß fassen können.

In den Vereinigten Staaten und in Europa werden die Interessen von minderqualifizierten Berufsgruppen, über die die Zeit hinweggegangen ist, geschützt; darüber vernachlässigt man neue Technologien.

Der heutige Arbeiter ist nicht mehr der Maschinensklave, der nur einfachste repetitive Arbeitsgänge auszuführen hat. Er ist nicht mehr der Lastesel, der seine bloße Arbeitskraft zu Markte trägt und dafür mit Zuckerbrot oder Peitsche belohnt wird; denn Handarbeit läßt sich schließlich auch durch Maschinen oder Computer ersetzen.

Die moderne Industrie und damit auch der einzelne Mitarbeiter muß denkintensiv sein, weil Intelligenz erfordernde Aufgaben von Maschinen oder Tieren nicht zu lösen sind.
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Als gegen Ende der 1960er Jahre die ICs kamen

Als gegen Ende der sechziger Jahre die integrierten Schaltkreise noch von Hand gebastelt werden mußten, waren die flinken Finger asiatischer Frauen bei amerikanischen Firmen sehr gefragt. Je komplizierter der Bauplan dieser Elemente wurde, desto raffiniertere Fertigungsmaschinen und -apparaturen wurden entwickelt.

Statt Fingerfertigkeit kam es nunmehr auf Intelligenz und flinken Verstand an. Daher sollten alle Länder Sorge tragen, daß der Befähigungsgrad der arbeitenden Bevölkerung gesteigert wird; die Annahme, durch Erhaltung überholter Berufe der neuen Zeit gerecht zu werden, ist unsinnig.

Mithin muß man neue Mitarbeiter schulen, die älteren dagegen umschulen, damit die einen wie die anderen die neuen Herausforderungen bestehen können.
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Bei SONY müssen auch Wissenschaftler raus aus dem Elfenbeinturm

Das jedoch ist noch nicht alles. Bei Sony müssen sich auch Wissenschaftler immer wieder eine Zeitlang auf dem Absatzsektor betätigen, denn wir möchten nicht, daß sie sich in ihren Elfenbeinturm zurückziehen.

Ich war schon immer der Ansicht, daß auch sie wissen sollten, daß wir einer sehr wettbewerbsintensiven Branche angehören und daher über gewisse Erfahrungen an vorderster Front verfügen müßten.

Neu bei Sony eintretende Universitätsabsolventen müssen ein einmonatiges Programm durchlaufen; das nichttechnische Personal muß in einer unserer Fabriken arbeiten, während die Techniker in einer Sony-Verkaufsstelle unsere Erzeugnisse an den Mann zu bringen haben.

Die japanische Einstellung zur Arbeit wird heute oft als altmodisch bezeichnet, und manche behaupten zudem, auch in Japan schleife sich das alte Arbeitsethos inzwischen wie andernorts ab, doch halte ich dies nicht für zwangsläufig.

In meinen Augen sind der Arbeitswille und das Streben nach guten Leistungen nichts Unnatürliches, das dem Menschen von außen her aufgezwungen werden muß.

Ich glaube, jedermann empfindet Befriedigung bei der Erfüllung einer herausfordernden Aufgabe und Genugtuung, wenn die eigene Leistung und die Rolle des einzelnen im Rahmen des Unternehmens anerkannt wird. Diesen Punkt scheinen ausländische Unternehmer meist zu übersehen.
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In Amerika muß man die eigene Arbeitskraft verkaufen

In Amerika ist die arbeitende Bevölkerung zum Beispiel daran gewöhnt, die eigene Arbeitskraft zu verkaufen. In gewisser Weise ist dieses Prinzip durchaus vorteilhaft, denn es schiebt dem Schlendrian einen Riegel vor: Man weiß, daß man für sein Geld arbeiten muß, wenn man nicht gefeuert werden möchte.

(Ich halte es auch für eine gute Idee, daß sich die amerikanischen Kinder ihr Taschengeld verdienen müssen; wir Japaner geben unseren Kindern zumeist Geld, ohne ihnen irgendwelche Gegenleistungen abzuverlangen.)

Da wir es in Japan riskieren, den Mitarbeitern sichere Arbeitsplätze zu versprechen, müssen wir auch für deren anhaltende Motivation sorgen. Doch halte ich es für einen gravierenden Fehler, allein im Geld die einzige Würdigung geleisteter Arbeit zu sehen.
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Der japanische Gedanke - Freude an der Arbeit

Der Mensch braucht Geld, doch möchte er auch an der Arbeit Freude haben und auf seine Leistung stolz sein. Übertragen wir einem jungen Menschen - der nicht unbedingt einen akademischen Titel zu haben braucht, aber motiviert sein muß - eine verantwortungsvolle Tätigkeit, so verspricht er sich eine glänzende Zukunft und arbeitet hart und zufrieden auf sie hin.

In den Vereinigten Staaten sind Titel, Dienststellung und monetäre Anreize unlösbar miteinander verbunden. Dort glaubt ein junger Mensch in hoher Stellung, er müsse ein entsprechend großes Gehalt beziehen.

In Japan ist es üblich, den Mitarbeitern nach Alter und Betriebserfahrung jährliche Gehaltserhöhungen zu bewilligen. Bezieht jemand bei uns ein außergewöhnlich hohes Gehalt, können wir ihm nicht in alle Ewigkeit auch noch jährliche Zulagen darauf geben. Irgendwann einmal stagniert dieses Gehalt, womit der Betreffende wahrscheinlich jeden Anreiz verliert.

Deshalb ist die Gehaltserhöhung für alle gleich. Ich glaube, daß dies der Grund für die anhaltend hohe Leistungsbereitschaft unserer Belegschaft ist. Dies mag ein japanischer Wesenszug sein, sicher bin ich mir aber nicht.
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Gewichtung der Arbeit und der Freizeit in den USA

Ich denke, man arbeitet, um Befriedigung zu finden, und weiß, daß in der amerikanischen Zeitungs-, Funk- und Fernsehwerbung Freizeit als höchstes Daseinsziel hingestellt wird.

So weit sind wir in Japan noch nicht. Ich glaube schon, daß es noch so etwas wie Stolz aufs Unternehmen und Arbeitsfreude gibt - beide Dinge sind so wichtig wie das Geld.

Selbstverständlich müssen gute Löhne gezahlt werden, in denen stillschweigend zum Ausdruck kommt, daß das Unternehmen nicht in Form exorbitanter Tantiemen für leitende Angestellte oder in Gestalt anderer Nebensächlichkeiten Geld aus dem Fenster wirft, sondern mit seinen Arbeitnehmern dasselbe Schicksal teilen muß.

Japanische Arbeitnehmer scheinen sich wohler zu fühlen, wenn mit zunehmendem Alter berechenbare Lohnerhöhungen auf sie zukommen. Wir haben auch schon andere Entlohnungsprinzipien ausprobiert.
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Auch wir hatten Probleme mit den Gehältern

Als wir unser Forschungslabor in Betrieb nahmen, suchten wir zahlreiche Wissenschaftler. Da sie eine bessere Ausbildung vorweisen konnten und älter waren als die normalen Neuzugänge, sollten sie nach unserer Auffassung auch höhere, mit amerikanischem Niveau einigermaßen vergleichbare Gehälter beziehen.

Einer von uns schlug vor, mit ihnen nur - auf vielleicht drei Jahre - befristete Arbeitsverträge abzuschließen, um nach Auslaufen des Kontrakts über eine etwaige Verlängerung frei entscheiden zu können.

Ehe wir uns auf diesen Vorschlag festlegten, fragte ich die neuen Mitarbeiter, ob sie nach unserem herkömmlichen System der niedrigen Anfangsgehälter und jährlichen Steigerungen besoldet werden wollten oder statt dessen lieber einen Dreijahresvertrag bei wesentlich höheren Bezügen abschließen möchten.

Nicht einer von ihnen verlangte ein Gehalt auf amerikanischem Niveau; jedermann entschied sich zugunsten langfristiger Sicherheit.
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Was bedeutet : "Hartes Arbeiten" für Japaner ?

Ich sage deshalb den Amerikanern bei jeder sich bietenden Gelegenheit und immer aufs neue, daß der Mensch nicht allein des Geldes wegen arbeitet. Häufig erwidert man uns: »Ja, sicher, das verstehe ich schon, doch wieviel zahlen Sie denen, die wirklich hart arbeiten?«

Nun berührt diese Frage tatsächlich einen nicht unwesentlichen Punkt. Sobald ein Arbeiter weiß, daß er jedes Jahr eine Lohnerhöhung bekommt, kann er sich natürlich in Sicherheit wiegen, daß er die Notwendigkeit harter Arbeit nicht mehr einsieht. Um ihre Aufgaben nach besten Kräften erledigen zu wollen, müssen Arbeiter erst motiviert werden.

Wir Japaner sind letztlich auch nur Menschen, die sich von anderen kaum unterscheiden.

Unser komplexes internes Bewertungssystem ist so konzipiert, daß sich die wirklich fähigen Mitarbeiter identifizieren lassen. Wir stellen sie an einen neuen, anspruchsvolleren Arbeitsplatz und geben ihnen Gelegenheit, sich zu bewähren. Nicht die gezahlten Löhne oder Gehälter machen den Unterschied, sondern die Herausforderung des einzelnen und die Anerkennung und das Gefühl für den Wert seiner Arbeit.
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