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Eine Ergänzung zu demThema "Kriegskinder" - beim Aussortieren der großen Bildersammlung der Familie . . . .

(von Gert Redlich in 2016 - ergänzt im Mai 2017)
. . . ist mir das hier aufgefallen. Zur Erläuterung ein paar Hintergründe.

Unsere Eltern sind beide Baujahr 1919, also genau 1 Jahr nach Kriegsende (des 1. Weltkriegs) geboren. Der (1.) Weltkrieg war gerade mit vermeintlich großer Schande und vor allem unverschuldet verloren gegangen, so dachte man jedenfalls damals und die (Über-) Lebens- Perspektive hieß : Kohlrüben als Brot, als Suppe oder als Gemüse, mehr war einfach nicht da, vor allem in den großen Städten wie Hamburg und auch in Berlin nicht.

Beide Omas waren mehr oder weniger frustiert von der Lebens-Situation, die sich nur ganz ganz langsam besserte, daß es jeweils bei einem (Einzel-) Kind blieb. Ob zwischendurch ein paar Geschwister "unterbrochen" worden waren, darüber wurde nie gesprochen. Das Thema war bei Großeltern und Eltern heikel und zeitlebens tabu.

Im Februar 2017 ist unser Vater Gerhard Redlich (Mai 1919) als "Längstlebender" der ganzen Familie Redlich gestorben und es ist Zeit für eine tabufreie Aufarbeitung von unangenehmen Wahrheiten.

Unser Großvater mütterlicherseits Eduard Schandl (Nov.1880 - März 1960) kam noch vor 1910 als wandernder Schneidermeister aus der Gegend um Pilsen nach Berlin und lernte dort ein sehr hübsches liebes Berliner Großstadt-Mädchen kennen, unsere Oma Helene (März 1892 - Nov.1972). Er hatte sich im ersten Weltkrieg als Ausländer vor dem (deutschen) Wehrdienst trickreich drücken können und auch danach hatte er mit der alles bestimmenden NAZI Doktrin wenig am Hut. Er hatte ja keinen deutschen Pass und hatte sich recht früh vom Elternhaus in die eigene Freiheit verabschiedet. Unsere Oma war eine von 9 oder 12 Kindern und hatte andere Sorgen als irgendwelche politischen Ambitionen und sie liebte ihren Eduard durch zwei Kriege hindurch bis zum bitteren Ende 1960 in der Charitee in Berlin Buch.

Unser Großvater väterlicherseits Max Friedrich Karl Redlich (Juni 1888 - Dez. 1974) kam aus der Gegend von Stralsund und es hatte ihn irgendwie nach Hamburg verschlagen. Näheres ist nicht bekannt. Mit den Onkels aus Stralsund hatten wir nie Kontakt. In der Großstadt machte er Karriere bei der Post als Beamter und mußte mit in den 1. Weltkrieg. Im Balkan-Krieg zog er sich in den letzten Monaten von 1918 irreparable (erhebliche) Magen- und Darm- Probleme zu, an denen er sein Leben lang zu leiden hatte.

Wie er unsere Oma Selma Martha Schulze (April 1895 - Mai 1964) aus dem kleinen Kaff Ellrich (bei Nordhausen) im Südharz kennengelernt hatte, war ebenso tabu wie seine Zuneigung zu seiner sehr eigenen Aufassung von Recht und Ordnung als selbsternannter Familienvorstand der Wiesbadener Redlichs und damit auch der sehr eigenen Aufassung zu den Nazi's und deren Rechtsverständnis. Das wurde später zwar nie so direkt angesprochen, denn er lebte nur wenige Jahre bei (bzw. mit) uns in Wiesbaden unter einem Dach. Aber aus seinen Äußerungen ist es mir sehr deutlich in Erinnerung.

Überliefert ist nur, daß die junge Selma mit dem strammen Beamten Max Redlich einen "guten Fang" gemacht habe (hatte) und promt kam unser Vater Gerhard im Mai 1919 zur Welt. Später hörte ich von den in Ellrich im Ossiland in der abgeschotteten gottverlassenen ostzonalen 5km Sperrzone verbliebenen "lieben" (neidischen) Verwandten, daß es danach (also mit weiteren "Paarungsversuchen") "nie mehr geklappt" habe. Auch das war bei uns in der Familie ein Tabuthema. Die vergrämte Ellricher Oma Selma ist dort in Ellrich 1964 recht früh verstorben.

Hier also unsere Oma Selma Redlich, geborene Schulze (väterlicherseits), die also 2 schlimme und auch noch verlorene Welt-Kriege und die Zeit dazwischen und dann danach auch noch fast 20 Jahre Ostzone bei den Russen erlebt hatte.

2 Weltkriege und eine nicht besonders glückliche Ehe sieht man

Schaun Sie einfach nur in das Gesicht, symtomatisch für ganz viele dieser Kriegskinder. Oma Selma war nervlich nicht so robust im "Nehmen" wie unsere anderen Großeltern und ist 1964 in Ellrich in der Ostzone verstorben.

Selma Redlich nach der Hochzeit 1918
und später in der Ostzone in Ellrich ca. 1960

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Es gab auch andere Gesichter bei den Redlichs

Ganz anders unsere Berliner Oma. Hier ein paar Bilder von der Familie mütterlicherseits, unserer Oma Helene (Lehnchen) aus Berlin. Im linken Bild : Opa Eduard und Oma Lehnchen (mit den Enkeln Gert, das bin ich - links und meinem Bruder Edgar - rechts auf dem Schoß) hatten auch zwei Weltkriege mit allen Tiefen und Leiden durchgemacht, waren jedoch von Anfang bis Ende glücklich verheiratet samt Tochter Valeria. Und unsere Oma (damals aufgewachsen mit 9 Geschwistern) erduldete gelassen alle Probleme des Lebens und der Politik, gegen die sich der kleine Mann damals sowieso nicht mehr wehren konnte.
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Opa und Oma 1952 mit Enkelkindern in Berlin
Oma Schandel 1966 in Wiesb.
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