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Die Lebensbiografie von Akio Morita (aus 1986), dem berühmten SONY Mitbegründer - Er war "Mister Japan"

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9. Kapitel - WELTHANDEL: ABWENDEN DER KRISE

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Wir brauchen noch einen Witz :

Politiker und Unternehmer aller Länder betrachten ihre Probleme vordergründig aus bilateraler Sicht: Die amerikanische Wirtschaft sorgt sich wegen der durch japanische Aktivitäten verursachten Schwierigkeiten, und die japanische Wirtschaft fragt sich besorgt, wie man den Klagen aus der amerikanischen und europäischen Wirtschaft und Politik begegnen könne.

Neulich hörte ich folgenden Witz:
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  • Ein Japaner und ein Amerikaner wandern durch die Steppe, als plötzlich ein hungriger Löwe auf sie zuspringt. Sofort setzt sich der Japaner hin und zieht seine Spikes an. »Sie sind ja verrückt. Glauben Sie etwa, Sie könnten einem hungrigen Löwen davonlaufen?« höhnt der Amerikaner. Darauf der Japaner: »Ich will dem Löwen ja nicht weglaufen. Ich muß bloß schneller sein als Sie.«

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Der Löwe, dem wir uns gegenübersehen - die bevorstehende Krise - bedroht die ganze Welt. Ihm können wir nicht entrinnen. Ich sehe das Weltwirtschaftssystem in großer Gefahr, und der Streit über bestimmte Außenhandelsprobleme verdeckt nur die unter der Oberfläche gärenden wirklichen Schwierigkeiten. Durch Lösen kleiner Detailprobleme bessert sich unsere Gesamtsituation nicht im geringsten.
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Der Geldwert und die freie Wirtschaftsordnung

Nach meiner Auffassung spielt der Geldwert innerhalb der Gesamtproblematik die entscheidende Rolle. Um in einer freien, offenen Wirtschaftsordnung ein marktgerechtes Handeln zu gewährleisten, muß jeder zu angemessenen Preisen kaufen und verkaufen können.

Die Preisgestaltung erfolgt selbstverständlich nach dem Gesetz von Angebot und Nachfrage. Dies ist das Grundprinzip jeder freien Marktordnung.

Verkaufe ich ein Erzeugnis im Wert von 1.000 Yen an einen Amerikaner oder Engländer, dann rechne ich mit Bezahlung in Dollar oder Pfund Sterling, doch deren Gegenwert muß den 1.000 Yen genau entsprechen.

Der Wechselkurs muß angemessen sein, d.h., in ihm muß sich die relative Wettbewerbsfähigkeit der Industrien der beteiligten Länder widerspiegeln, denn meines Erachtens sollte die Industrie der ausschlaggebende Faktor bei der Außenbewertung einer Währung sein.
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Wettbewerbsfähigkeit muß ausgewogen sein

Als Industrieller weiß ich, daß Wettbewerbsfähigkeit ausgewogen sein muß; der Wechselkurs wirkt als Ausgleichsmechanismus. 1944, auf der Konferenz von Bretton Woods, wurden die einzelnen Wechselkurse durch internationale Übereinkommen festgelegt.

Die Kurse orientierten sich an den wirtschaftlichen Realitäten des Augenblicks und der überschaubaren Zukunft. Der Kurs der japanischen Währung wurde mit 360 Yen entsprechend 1 Dollar fixiert.

So blieb es nicht nur in der unmittelbaren Nachkriegszeit, sondern bis 1971, als das Wettbewerbspotential der japanischen Wirtschaft bereits gewaltig gestiegen war.

Verglichen mit anderen Währungen war der Yen bis dahin also stark unterbewertet. Ein schwacher Yen bei sehr starkem Dollar verbilligte japanische Erzeugnisse in Amerika und reizte die japanischen Unternehmungen zum Export an.

Dadurch verstärkte sich das Ungleichgewicht des bilateralen Handels immer mehr zu Japans Gunsten. Auf Grund des starken Dollar wurden amerikanische Exporte nach Japan sehr verteuert.
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1971 - die lang ersehnte Defacto-Aufwertung des Yen

Nachdem Präsident Richard Nixon 1971 den Dollar abgewertet hatte, durften die Kurse aller übrigen Währungen beiderseits der alten Fixpunkte frei schwanken. Der Yen verteuerte sich gegenüber dem Dollar beinahe augenblicklich um fünfzehn Prozent.

Ich selbst hielt die Defacto-Aufwertung des Yen für richtig und angebracht. Im Grunde genommen glaubten viele Unternehmer an die Überlegenheit des Floating-Systems gegenüber dem alten Prinzip fixer Wechselkurse, weil sich der Außenwert der Währungen so kontinuierlich an die relative Wettbewerbsfähigkeit der jeweiligen Volkswirtschaften anpassen ließ.

In meinen Augen ließ sich das neue System mit dem im Golf üblichen Handicap-Prinzip vergleichen. Über dieses Handicap, das von Jahr zu Jahr neu festgelegt wird und eine Vorgabe von bis zu sechsunddreißig Schlägen über par zuläßt, wird das unterschiedliche Können der einzelnen Spieler quantitativ bewertet.

Ein Spieler, der dennoch verliert, weiß immerhin, daß er in einem fairen Spiel im Rahmen eines fairen Regelsystems unterlegen ist.
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Das System hatte einen Schwachpunkt - den Devisenhandel

Ich glaubte, daß man das Floating-System durch internationale Übereinkünfte steuern und nicht zulassen würde, daß die Kurse allzu breit schwankten oder künstlich beeinflußt würden.

Doch niemand hatte damit gerechnet, daß neben der Wettbewerbsfähigkeit der Güter noch ein weiterer Faktor - der Devisenhandel - auf den Außenwert der Währungen Einfluß nehmen würde. Es gab keinen Mechanismus, der das System überwacht und, bildlich gesprochen, die Handicaps festgelegt hätte.

Die Devisenspekulanten ließen bei Ankauf und Verkauf von Devisen nur einen Gesichtspunkt gelten: Gewinn.

Die Folge war ein ständiges Schwanken der Kurse, das mit der Konkurrenzfähigkeit der Industrien nichts mehr zu tun hatte. Als am Welthandel Beteiligte gewannen wir den Eindruck, als hätte sich ein kraftmeiernder Angeber auf den Platz gedrängt, um von Loch zu Loch die Handicaps neu festzulegen.

In dieser Situation wurde der Preis unserer Erzeugnisse unserem bestimmenden Willen praktisch entzogen. Man stelle sich der Deutlichkeit halber beispielsweise vor, wir würden den Preis eines Fernsehgeräts nicht in Dollar, Yen, Pfund, Franken oder Lire ausweisen, sondern statt dessen mit zehn Sony-Aktien zum Kurs des Kauftages beziffern.

Wer würde unter solchen Voraussetzungen ein Fernsehgerät kaufen, werden Aktien doch zu von Tag zu Tag schwankenden Kursen gehandelt. Und wer würde bei solchen Gegebenheiten noch produzieren?
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Vertrauen und der Sinn von Investitionen

Für Industrielle ist Geld die Meßlatte, anhand welcher das wirtschaftliche Handeln unserer Unternehmungen, unsere Vermögenswerte, unsere Bestände und selbst die Ergebnisse menschlicher Bemühungen beziffert werden.

Wenn Preise von anderen Faktoren als der Wettbewerbsfähigkeit unserer Erzeugnisse diktiert werden, schwindet zwangsläufig unser Vertrauen in den Sinn von Investitionen. Ich bin der unerschütterlichen Auffassung, daß die nationale Industrie die Grundlage jeder Volkswirtschaft ist.

Um klug investieren zu können, müssen wir den Ertrag unserer Investitionen einigermaßen verläßlich vorausberechnen können. Kann man dies nicht, so bedarf es eines besonders ausgeprägten sechsten Sinns oder vielleicht eines Anflugs von Verwegenheit, um dennoch zu investieren.

Wenn aber niemand mehr investiert, dann bricht die Industrie zusammen. Bricht die Industrie zusammen, dann verliert das Geld jede Bedeutung, und dann brechen selbst die Finanzmärkte zusammen.
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Pokern mit Firmenaufkäufen und Fusionen

Zu meinem Ärger sind heute gar einige Industrielle ins Milliardenspiel eingestiegen. Da sie den Ertrag künftiger Investitionen nicht mehr vorausberechnen können, investieren zahlreiche Industrielle nicht mehr in ihre Unternehmungen, statt dessen investieren sie nun viel Energie, Zeit und Geld in Firmenaufkäufe und Fusionen.

Ganze Unternehmungen sind zu Handelsware geworden, die nach Belieben gekauft und verkauft wird. Dies entspricht nicht mehr der natürlichen und legitimen Rolle der Industrie, deren wahre Aufgabe das Verbessern vorhandener Erzeugnisse und die Schaffung neuer Produkte ist.

Wenn ich als Japaner mir die Situation vergegenwärtige, so will mir nicht einleuchten, daß die Beschäftigten solcher Unternehmen noch arbeitswillig sein sollten.

Wenn die Unternehmensleitungen sich hauptsächlich mit der Frage des Fressens oder Gefressenwerdens beschäftigen, wie soll die Belegschaft in einer solchen Atmosphäre dann noch Sinn für Loyalität und gemeinsamen Leistungswillen entwickeln?

  • Anmerkung : Das beste Beispiel bei uns in Deutschland ist die Robert Bosch Fernseh GmbH, die erst teilweise als BTS zu Philips gehörte, dann ganz ein 100%er Philps Laden wurde, plötzlich aber zu Thomson gehörte, dann auf einmal Grass-Valley, dann zu Belden, dann noch ein neuer Eigentümer und nun Dez. 2022 ist endgültig Schluß.

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Die Perspektiven sind alles andere als ermutigend.

Aus diesem Grunde lasse ich mich nicht davon abbringen, laut und vernehmlich auf die Notwendigkeit eines neuen Wechselkurssystems hinzuweisen, das sich statt an den Geldmärkten ausschließlich an industriellen Werten orientiert.

Dem Weltwährungssystem wurde durch die Öl-Schocks von 1973 und 1979 ein schwerer Schlag versetzt, denn ungeheure Geldmengen strömten von nun an in die erdölexportierenden Länder.

Im Zuge der >Reaganomics< verknappte die amerikanische Regierung das Kapitalangebot bei gleichzeitiger Zinserhöhung, um der Inflation im Lande Einhalt zu gebieten. Aus Japan und anderen Ländern flossen riesige Gelder nach Amerika, um in den Genuß der Hochzinspolitik zu kommen.

Der Wert des Dollars stieg infolgedessen gegenüber allen anderen Währungen, Amerika wurden größere Staatsausgaben ermöglicht, und der Schuldenberg erhöhte sich entsprechend. Damit hatte das Milliardenspiel seine kritische Phase erreicht.
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Die schleichende Verlagerung der Produktion nach Japan

Wohl ohne allzu große Begeisterung habe ich bereits dargestellt, daß viele amerikanische Unternehmer vornehmlich gewinnorientiert wirtschaften müssen, da ihnen jederzeit die Angst im Nacken sitzt, bei nicht fortwährend steigenden Quartalsdividenden könnten die Aktienkurse ihrer Gesellschaften fallen.

In dieser Atmosphäre einer sich immer mehr verschärfenden Jagd nach Gewinn suchen die Manager zwangsläufig nach den gewinnträchtigsten Möglichkeiten. Und so kam es zu zwei gefährlichen Trends: die einen entdeckten, daß mit Geldhandel - schneller und bequemer - viel mehr Geld als durch den Warenhandel zu verdienen ist - und andere erkannten, daß sich durch Produzieren am kostengünstigsten Standort - und sollte dieser auch erst nach außerhalb der Landesgrenzen verlegt werden müssen -höchstwahrscheinlich am ehesten Gewinne ausweisen lassen.

  • Anmerkung : Das Verlagerungs-Problem ins extrem billige China war 1985 noch gar nicht akut, es kam schleichend durch die Hintertür - auch für japanische Firmen.


Dieses Phänomen ist die Ursache der Aushöhlung der amerikanischen Industrie. Amerikas Industrie verkümmert zu einem bloßen Firmenmantel, und das gleiche geschieht zur Zeit in ganz Europa.

Einigen japanischen Firmen dürfte dies ebenfalls bald bevorstehen. Viele Betriebe beginnen mit dem Export ihrer Produktion. Amerikanische Unternehmen wie Motorola, Texas Instruments, Fairchild und viele andere haben Produktionsbetriebe nach Japan verlagert oder dort neueröffnet.

Und dort, wo durch das Verhalten dieser Firmen dann Arbeitsplätze vernichtet worden sind, beklagen amerikanische Abgeordnete ungerührt den Rückgang der Beschäftigtenzahlen, der selbstverständlich Japan angelastet wird.
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Wir mußten nicht ins Ausland flüchen (noch nicht)

IBM-Japan war 1984 der größte Exporteur von in Japan gebauten Computern. Während Japan amerikanischen Firmen früher bloß den Vorteil billiger Arbeitskraft bot, können wir nunmehr, da hochqualifizierte Kräfte verlangt werden, auch damit dienen.

Auch aus diesem Grunde weichen amerikanische Firmen heute nach Japan aus oder kaufen dort ihre High-Tech-Bauteile ein. Sony aber wußte das benötigte berufliche Können in Amerika wie in anderen Ländern zu finden.

Mit Hilfe unserer Produktionstechnologien können wir auf der Grundlage unserer langfristig konzipierten Unternehmens Philosophie auch dort noch Geld verdienen, wo einheimische Firmen auf der Jagd nach schnellen, unablässigen Gewinnen außer Landes flüchten.
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Geben Sie doch nicht so an ....

Als ich mit Yoshihiro Inayama, dem Vorsitzenden des japanischen Unternehmerverbandes (Keidanren) kürzlich eine Europareise unternahm, meinten viele unserer Gesprächspartner dort prahlerisch:

»Aus Japan kommen doch keine neuen Ideen. Ideen werden hier geboren, hier in Europa.«

Zu einem dieser Herren sagte ich daraufhin: »Sehen Sie, mit neuen Ideen anzugeben ist doch sinnlos. Ich meine, irgendwelche Ideen, die von anderen gutgeheißen werden, hat schließlich jeder. Die wichtigste Frage ist doch wohl, wie Sie diese Idee von Ihrer Industrie umsetzen lassen. Und auf diesem Gebiet hat sich Japan besondere Mühe gegeben. Sie aber nicht; also geben Sie nicht so an.«
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In USA wird man lieber Jurist - das bringt mehr Geld

Wir alle wissen, wie sehr die Europäer ihre Wissenschaftler bewundern. Viele der größten >amerikanischen< Wissenschaftler stammen aus Europa und haben dort vielfach sogar ihre Ausbildung genossen; ein Umstand, der Amerika sehr zugute kam.

Doch während in den Vereinigten Staaten und Japan die Ingenieure - also jene, die wissenschaftliche Durchbrüche in brauchbare Erzeugnisse verwandeln - gleichermaßen geschätzt werden, pflegten die vielen europäischen Länder aus einer gewissen Überheblichkeit heraus das Ingenieurwesen, eine sozusagen handfeste Disziplin, nur gering zu achten. Jedenfalls wurden europäische Ingenieure lange Zeit bloß für Handwerker gehalten.

Allein Amerika und Japan erkannten die Bedeutung der Ingenieurwissenschaften. Die Universitäten beider Länder gliederten sich hervorragende technische Fakultäten an. Neuerdings legt man in Japan auf die Ingenieurwissenschaften allerdings größeren Wert als in Amerika, wo die Jugend (der amerikanischen Lust am Prozessieren wegen) der Jurisprudenz den größeren Geschmack abzugewinnen scheint.
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Güterexport und Mitmischen im Milliardenspiel ?

Ebensosehr wie verstärkte Hinwendung zum Devisenhandel zu Lasten des Warenverkehrs beunruhigt mich das mangelnde Interesse, dem Bedarf an veränderten Technologien und neuartigen Gütern Rechnung zu tragen.

Dieses Problem wiegt schwerer als etwa die unvernünftige Außenbewertung des Dollar oder Yen. In Beantwortung einer Frage nach dem Niedergang der industriellen Möglichkeiten Amerikas gab Senator Thomas Eagleton 1986 auf einer Morgensitzung der Amerikanischen Handelskammer in Tokio eine leidenschaftliche Stellungnahme ab.

Die Vereinigten Staaten müßten ihre Industrie sichern und deren Kapazitäten ausweiten, sagte Eagleton. Gleichzeitig versicherte er, die Vereinigten Staaten würden es niemals zulassen, zu einer Nation von bloß Dienstleistungsgewerbetreibenden zu verkümmern.

Als Quintessenz seiner Rede gab Eagleton zu erkennen, Japan müsse mehr für die Korrektur des bilateralen Handelsungleichgewichts tun, andernfalls könne es passieren, daß Amerika zu protektionistischen Maßnahmen greife.

Ich habe für Eagletons Enttäuschung durchaus Verständnis, andererseits steht fest, daß Hilfe für die Vereinigten Staaten weniger von Japan als vielmehr von Amerika selbst ausgehen muß.

Güterexport und Mitmischen im Milliardenspiel sind nicht der rechte Weg, um die amerikanische Industrie nachhaltig wiederzubeleben.
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Wenn Finanzminister daneben liegen

Der ehemalige Finanzminister Donald Regan (nicht Ronald Regan) war vor seiner Amtsübernahme Aufsichtsratsvorsitzender der Merrill Lynch, Pierce, Fenner, and Smith, Inc.; das Bankhaus gilt als alter Routinier des Milliardenspiels.

Das Bankwesen, ein Wirtschaftsbereich, der leider keinerlei unmittelbare Erkenntnisse über Beschaffenheit und Gesetzmäßigkeiten der Industrie besitzt, operiert nach der Devise, ein starker Dollar sei nur zu Amerikas Bestem, und Wechselkursprobleme würden sich im Laufe der Zeit von selbst lösen.

Als James Baker Regan 1985 ablöste, griff er dieses Problem unverzüglich auf. In einer seiner ersten Reden machte er seine Auffassung unmißverständlich deutlich. Solange das globale Wechselkurssystem unverändert und der Dollar abnorm hoch bewertet bleibe, sagte Baker, so lange werde das Problem eines weltweiten Währungsungleichgewichts auf uns lasten.

Daraufhin kam es noch 1985 zur ersten Konferenz der Fünfergruppe, d. h. der Finanzminister Japans, Amerikas, Englands, Frankreichs und der Bundesrepublik. Ergebnis der Verhandlungen war die Einigung auf eine Anpassung der Wechselkurse.
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Für Japans Export war das fatal

Die Bemühungen Bakers und der Fünfergruppe führten zu einem plötzlichen, allzu drastischen Ausschlag der Wechselkurse; der japanische Yen schnellte innerhalb kürzester Zeit auf die höchsten Höhen seiner Geschichte, so daß eine angemessene Anpassung seitens der Wirtschaft praktisch ausgeschlossen war.

Nachdem die Notenbanken der Fünfergruppe durch Verkäufe anderer Währungen zwecks Senkung des Dollarkurses interveniert hatten, stieg der Yen innerhalb eines guten halben Jahres gegenüber dem Dollar um mehr als fünfunddreißig Prozent.

Mit diesem verblüffenden Außenwertzuwachs unserer Währung vermochten insbesondere unsere kleinen und mittleren Unternehmen kaum fertigzuwerden. Wenngleich die japanischen Exportgüterproduzenten wegen des Kursanstiegs des Yen ihre Produkte nun teurer anboten, bemerkten wir mit Bestürzung, daß viele amerikanische Firmen daraufhin ebenfalls Preiserhöhungen vornahmen und so einen inflationären Trend in Gang setzten.
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Devisenspekulation ist das Grundübel, an das man herangehen muß

So gut gemeint das Eingreifen der Fünfergruppe auch war, so klar ist mir, daß es nicht von willkürlicher politischer Koordination zwischen einzelnen Ländern abhängen darf, daß das weltweite Wechselkursgefüge realistisch bleibt.

Die Völker müssen sich zusammenfinden und einen neuen internationalen Kursstabilisierungsmechanismus entwickeln. Daneben müssen Maßnahmen getroffen werden, die das unternehmerische Wagnis zu Lasten der bloßen Devisenspekulation begünstigen.

Auf dem Tokioter Wirtschaftsgipfel im Mai 1986 haben die politischen Führer der sieben Industrieländer bezüglich der Wechselkurse keinerlei bedeutsame Schritte verabredet, allerdings erkannten alle die mit breiten Kursschwankungen einhergehenden Probleme.

Die Vereinbarung, die Situation im Auge behalten zu wollen, war in meinen Augen bereits ein kleiner Schritt in Richtung einer Neuregelung, zu meinem Bedauern ging man jedoch nicht weiter und vereinbarte weder einen ausdrücklichen Wechselkurskontrollmechanismus noch einigte man sich auf die Einberufung einer Währungskonferenz zur Schaffung eines neuen Wechselkurssystems.
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Das Wechselkurssystem muß geändert werden

Die Frage aber ist, wieviel solche Interventionen bewirken und wie lange sie greifen. Verglichen mit dem Interventionskapital, das Japan oder ein anderer Staat für sich allein bereitstellen könnte, handelt es sich bei den vom Geldhandel weltweit in Fluß gehaltenen Beträgen um ungeheure Summen.

Der internationale Devisenhandel verhält sich deswegen erst einmal abwartend und rechnet damit, daß sich seine Lage über kurz oder lang zum Besseren wendet.

Erweisen sich die den Zentralbanken zur Beeinflussung der Wechselkurse zur Verfügung stehenden Gelder als unzureichend, dann gerät das System vielleicht ins Wanken, könnte ein allgemeines Chaos die Folge sein. Deswegen halte ich die Notwendigkeit einer erneuten Änderung des Wechselkurssystems für unabweisbar.

Niemand weiß, wie ein >gerechtes< Kursverhältnis auszusehen hätte, und auch mir fällt keine Zauberformel ein. Doch der Internationale Währungsfonds könnte einmal jährlich zusammentreten und die Währungen aufgrund der jeweiligen Situation einvernehmlich neu bewerten und Kursschwankungen nur innerhalb eines schmalen Tunnels zulassen.
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Die Relationen stimmen nicht mehr

Die Industrie gibt sich ungeheure Mühe, die Herstellungskosten eines Produkts um bescheidene ein oder zwei Prozent zu senken, doch sind alle diese Anstrengungen umsonst, wenn die Wechselkurse von einem Tag zum anderen zwischen zehn und fünfzehn Prozent schwanken.

Die Folge ist eine Schwächung des Arbeits- und Innovationswillens, und damit geht eine elementare Triebfeder der Marktwirtschaft verloren. Ohne Wissen um die künftige Entwicklung des Geldwertes ist Unternehmensführung und -Planung nur schwer zu bewerkstelligen.

Für die Errichtung eines Produktionsbetriebes in San Diego entschieden wir uns trotz solcher Unwägbarkeiten. Kazuo Iwama, seinerzeit Chef der Sony America, und ich machten uns für ein amerikanisches Fernsehgerätewerk stark, obwohl die wirtschaftlichen Aussichten nicht gerade günstig waren.

Der Dollarwert war damals noch auf 360 Yen festgelegt (auf dem Schwarzmarkt bekam man für den Dollar gar bis zu 420 Yen), und amerikanische Firmen wie RCA, Zenith und Admiral gingen ins Ausland und bauten ihre Fernsehgeräte in Mexiko und Singapur.
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Den entgegengesetzten Weg - produzieren im Absatzmarkt

Iwama und ich, die wir den amerikanischen Markt am besten kannten, beschlossen jedoch, den entgegengesetzten Weg zu gehen und auf dem Absatzmarkt direkt zu produzieren.

Zu jener Zeit gab es noch keine integrierten Schaltkreise. Wir wußten daher, daß die Fernsehgeräte überwiegend in Handarbeit hergestellt werden mußten.

Neben dem höheren amerikanischen Lohnniveau mußten wir natürlich auch noch die Baukosten der Fabrik - schätzungsweise 25 Millionen Dollar - berücksichtigen. Junichi Kodera, den wir als ersten Direktor vorgesehen hatten, mußte nach Japan zurück, um eine Arbeitsbewertung vorzunehmen und die unmittelbaren und künftigen Kosten unsere amerikanischen Betriebes zu kalkulieren.

Er und seine Projektgruppe wußten, daß die Transistoren in absehbarer Zeit durch ICs ersetzt würden, so daß drei oder vier Jahre später mit einer verringerten Zahl von Bauteilen auch die Montagezeiten eines Fernsehgeräts kürzer würden. Dadurch würden dann die im Vergleich mit Japan höheren Lohnkosten wieder aufgewogen.

Doch zunächst war das reine Zukunftsmusik.
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Dennoch planten wir "Zukunftsmusik"

Als Kodera unserem Führungsgremium seine Zahlen und Berechnungen vorlegte, war er zunächst sehr pessimistisch. Wie gesagt, der Dollar stand bei 360 Yen, und obwohl wir nach drei Jahren mit einem drastischen Konjunkturaufschwung rechneten, rechtfertigten Koderas Zahlen im August 1971 eine Direktinvestition durchaus nicht.

Trotzdem hielten Ibuka und ich - beide als Vorsitzende des Gremiums eine Investition für langfristig vorteilhaft. Außerdem wußten wir, daß der Yen nicht für alle Ewigkeit auf seinem Tiefstand bleiben würde. Ohne uns um Koderas Zahlenwerk zu kümmern, gaben wir dem Projekt grünes Licht.

Wir schickten Kodera in unseren Hauptmontagebetrieb nach Ichinomiya, um sich als Vorbereitung auf seine Tätigkeit in San Diego mit dem letzten Stand der Produktionstechnik vertraut machen zu lassen.
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Dann kam der 16. August 1971 - die Wende in USA

Am 16. August (in Amerika war es noch der 15. August 1971) verkündete Präsident Nixon eine Wende der amerikanischen Währungspolitik, die im Endeffekt auf eine Abwertung des Dollars und eine relative Aufwertung des Yen um fünfzehn Prozent hinauslief.

Gleichzeitig setzte Nixon vorübergehend die Zusage außer Kraft, im Besitz fremder Zentralbanken befindliche Dollars jederzeit gegen Gold oder andere geldwerte Deckungen einzutauschen.

Er verringerte die amerikanische Auslandshilfe und belegte alle Importgüter mit einem zehnprozentigen Sonderzoll. Durch dieses unverhoffte Ergebnis erschien unser San-Diego-Projekt sofort in einem wesentlich günstigeren Licht.

Und jetzt - SONY - Made in U.S.A.

Obwohl unsere Finanzlage durch Festhalten an dem Projekt für ein paar Jahre vielleicht ein wenig angespannt sein würde, erkannten wir in Nixons Maßnahmenkatalog ein gutes Omen für unsere Zukunft. Wir sahen uns nun in die Lage versetzt, bald Erzeugnisse mit dem Etikett >Made in U.S.A.< anbieten zu können.
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Die Ironie der Geschichte startete in Frankreich

Es ist schon Ironie, daß in Europa ausgerechnet der sozialistische Staatspräsident Frangois Mitterand als einziger politischer Führer die Notwendigkeit einer Abkehr vom gegenwärtigen Wechselkurssystem zu erkennen scheint.

Er hat schon sehr oft betont, daß unser derzeitiges System falsch sei und daß Dollar und Yen in das Europäische Währungssystem (EWS) einbezogen werden sollten.

Die dem Europäischen Währungssystem (EWS) angeschlossenen Länder legen intern fixierte Wechselkurse zugrunde, die vom EWS periodisch überprüft und gegebenenfalls neu festgesetzt werden.

Der Handel mit Nichtmitgliedsländern erfolgt auf der Grundlage der von den Devisenbörsen ermittelten Kurse, die breiten Schwankungen unterliegen können.

Gruppenintern ist man jedoch vor von Devisenspekulanten und/oder sachfremden Ereignissen verursachten größeren Schwankungen sicher.
Ausgerechnet ein sozialistischer Staatschef plädiert für solides, marktwirtschaftliches Vorgehen, und Regierungsverantwortliche, die sonst jederzeit auf ihren Glauben an eine freie Wirtschaftsordnung verweisen, bringen dafür kein Verständnis auf. Ich meine, darin äußert sich neben Ironie auch eine unverkennbare Gefahr.
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