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Die Lebensbiografie von Akio Morita (aus 1986), dem berühmten SONY Mitbegründer - Er war "Mister Japan"

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3. Kapitel - AUF DEM WELTMARKT: MEINE LERNKURVE

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Der Anfang - das Erkennen der eigenen Fähigkeiten

Unser Unternehmen war noch immer klein, und wir sahen Japan als großen, potentiellen Absatzmarkt. Die japanische Industrie war sich einig, daß ein japanisches Unternehmen exportieren müsse, um zu überleben.

Da uns außer der Energie und Tatkraft unserer Menschen keine natürlichen Ressourcen zur Verfügung stehen, hatte Japan keine Alternative. So war es selbstverständlich, daß auch wir nach Auslandsmärkten Ausschau hielten.

Als wir weiter Erfolg hatten, wurde mir zudem klar, daß wir auf die Auslandsmärkte gehen mußten, wenn unser Unternehmen zu dem werden sollte, was Ibuka und mir vorschwebte.

Wir wollten das Image japanischer Erzeugnisse durch hohe Qualität verbessern. Wer aber ein qualitativ hochwertiges, teures Produkt verkaufen will, ist auf Märkte in Wohlstandsgesellschaften angewiesen.

Heute haben über 99 Prozent aller japanischen Haushalte Farbfernsehen, mehr als 98 Prozent besitzen Kühlschränke und Waschmaschinen, und die Marktpenetration von Magnetbandgeräten und Stereoanlagen liegt zwischen 60 und 70 Prozent.
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Rückblick auf unser Japan in 1958

1958, ein Jahr nachdem wir unser transistorisiertes Taschenradio herausgebracht hatten, gab es erst in einem Prozent der Haushalte ein Fernsehgerät, nur 5 Prozent besaßen eine Waschmaschine, und lediglich 0,2 Prozent hatten einen elektrischen Kühlschrank.

Zum Glück erlebte Japan seit Mitte der fünfziger Jahre eine stürmische Aufwärtsentwicklung. Zweistellige Zuwachsraten des Bruttosozialprodukts sowie niedrige Inflation trieben die Verbraucherausgaben in die Höhe.

Viele behaupten, die Nachkriegszeit habe in Japan in Wirklichkeit erst 1955 begonnen, als das Bruttosozialprodukt um 10,8 Prozent stieg. Die japanischen Haushalte hatten einen großen Nachholbedarf, und auf Grund der hohen Sparquote - damals über 20 Prozent - konnte man sich auch vieles leisten. Bei einem guten, expandierenden Binnenmarkt und potentiellen Auslandsmärkten sahen wir einer glänzenden Zukunft entgegen.
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Angefangen hatten wir ja in unserer Nische

Als neues Unternehmen mußten wir uns auf dem Inlandsmarkt erst eine Nische schaffen. Die alteingesessenen Unternehmen nahmen die Güterproduktion unter den altvertrauten Markennamen wieder auf, wir aber mußten die Kundschaft mit unserem Namen erst bekannt machen - und das geschah auf dem Weg über neue Produkte.

Für manche dieser Produkte prägten wir gar neue Namen, ein Einfall, der seine Schattenseiten hatte. Als wir das erste Gerät auf dem Markt vorstellten, war der Begriff >Tonbandgerät< in Japan praktisch völlig unbekannt.

Da wir die amerikanische Bezeichnung >Tape Recorder< warenzeichenrechtlich selbstverständlich nicht schützen konnten, ließen wir uns >Tapecorder< einfallen. Da wir als einzige eine derartige Maschine anboten, wurde Tapecorder beinahe über Nacht zum Gattungsnamen - ein zweifelhafter Segen; denn als auch die Konkurrenz nach und nach Tonbandgeräte anbot, nannte sie der Volksmund ebenfalls Tapecorder.

Von da an legten wir Wert darauf, daß unser Firmenname deutlich sichtbar auf allen unseren Produkten erschien - selbst dann, wenn wir ihnen Phantasienamen wie >Walkman< und so weiter gaben -, so daß Warenzeichen, Firmen- und Produktname unverwechselbar wurden.
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1955 waren wir immer noch von Kapitalgebern abhängig

Wenngleich sich gegen Ende der fünfziger Jahre der Wohlstand der japanischen Bevölkerung deutlich mehrte, konnten wir selbst nach wie vor nur unter Mühen Kapital auftreiben, waren wir auf Freunde angewiesen, die entweder selbst investierten oder uns wenigstens potentielle Anleger zuführten.

Glücklicherweise hatten wir einen Beraterstab, der die nötigen Verbindungen besaß und uns auf Interessenten aufmerksam machte. Zu unseren Beratern zählten u. a. Tamon Maeda, Ibukas Schwiegervater; Michiji Tajima, der Generaldirektor des Kaiserlichen Haushalts; Rin Matsutani, der Ibuka während des Krieges ans fotochemische Labor geholt hatte; und selbstverständlich mein Vater.

Von ihnen wurde uns zum Beispiel Taizo Ishizaka als möglicher Anleger empfohlen, ein Geschäftsmann, der später Vorsitzender des japanischen Unternehmensverbandes wurde.
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Taizo Ishizaka mußte Toshiba sanieren

Ibuka und ich konnten Ishizaka zu einer Investition überreden; aber wenige Monate später wurde er von der Mitsui-Bank ersucht, den Aufsichtsratsvorsitz der "Tokyo Shibaura Electric Co." (= Toshiba) zu übernehmen, die in finanzielle und personelle Schwierigkeiten geraten war.

Obwohl Toshiba damals schon ein Riesenunternehmen, wir nur eine kleine AG waren, glaubte Ishizaka auf Grund des geltenden Nachkriegs-Kartellrechts nicht Anteile zweier teilweise auf demselben Sektor tätiger Unternehmen besitzen zu dürfen.

Daher überließ er seine Sony-Aktien seiner Tochter Tomoko. Nachdem auch Toshiba - allerdings viel später als wir - einen kleinen Transistorempfänger herausbrachte, riet er seiner Tochter, unsere Aktien abzustoßen.

Jetzt, da auch gigantische Elektrokonzerne die gleichen Produkte anboten, so begründete er seinen Rat, könnte ein Kleinunternehmen nicht mehr konkurrenzfähig bleiben.
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Die gehorsame Tochter verkaufte ihre SONY Aktien

Tomoko, mit der wir gut befreundet sind, pflegt, wenn das Thema zur Sprache kommt, gewöhnlich zu sagen: »Mein Vater ist ein erfolgreicher Geschäftsmann und ist im Unternehmensverband hoch angesehen, weiß aber nicht, wie man selbst zu Geld kommt.«

Als gehorsame Tochter hatte Tomoko natürlich ihre Sony-Aktien wie empfohlen verkauft - und so eine Gelegenheit verpaßt, damit ein Vermögen zu machen.
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Die erste Wachstumsperiode von 1953 bis 1959

Während der ersten Wachstumsperiode von 1953 bis 1959 war Junshiro Mandai, einer der größten japanischen Bankiers, unser Aufsichtsratsvorsitzender. Mandai, vor dem Kriege schon Chef der Mitsui-Bank, hatte noch immer einen fast legendären Ruf, obwohl er, wie viele andere, von den Besatzungsbehörden wegen seiner engen Beziehungen zu den >zaibatsu< *) seines Postens enthoben worden war.

*) Wörtlich: Familienbetriebe. Gemeint sind die zehn Familien, die das Wirtschaftsleben eines Landes kontrollieren. (A. d. Ü.)

Wir freuten uns sehr, daß er zu uns gestoßen war; denn obwohl uns die Mitsui-Bank von Anfang an geholfen hatte, war es für Ibuka und mich noch immer recht problematisch, dort weitere Gelder locker zu machen.
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Man braucht Freunde und ein Netzwerk

Eines schönen Tages schleppte Mandai Ibuka und mich in seine alte Bank, um den Vorstand über unser Unternehmen aufzuklären. Wir hatten Aktien zu verkaufen versucht und hofften, daß Mandai dies erwähnen würde.

Zu unserer großen Überraschung erklärte Mandai in gebieterischem Ton: »Mein Unternehmen (Sony) hat beschlossen, das Aktienkapital zu erhöhen. Es ließe sich einrichten, daß Sie einige Aktien erwerben können.«

Aus dem Munde einer so einflußreichen Persönlichkeit klang dies beinahe wie ein Befehl. Einige der Bankdirektoren erzählten mir später, wie schwer es ihnen geworden sei, für den Aktienkauf genügend Geld aufzubringen.

Sie alle glaubten kaufen zu müssen, weil Mandai es im Grunde genommen angeordnet hätte. Trotzdem hatte niemand Grund zur Klage. Diese frühen Käufe machten einige von ihnen sehr reich, und ich kenne mindestens einen, der sich von seinen ersten Dividenden sehr schnell ein Haus bauen konnte.
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Im Ausland war SONY bekannter als in Japan

Obwohl es uns wirtschaftlich gutging, dauerte es sehr lange, unseren Namen durchzusetzen, denn in Japan werden Markenbewußtsein und Markentreue außerordentlich hoch bewertet.

Im Ausland hatten wir festen Fuß gefaßt; möglicherweise hatten wir dort eine bessere Ausgangsposition als andere. Vor dem Kriege waren hochwertige japanische Konsumgüter im Ausland praktisch unbekannt.

Importe >Made in Japan< genossen in der Vorkriegszeit nur geringes Ansehen. Wie ich später erfuhr, verband man in Amerika und Europa mit Japan Begriffe wie Papierschirme, Kimonos, Spielzeuge und billigen Tand.
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"Made in Japan" mußte erst aufgebaut werden

Bei der Namensuche für unser Unternehmen hatten wir unsere Nationalität nicht absichtlich zu kaschieren versucht - schließlich ist die Angabe des Ursprungslandes auf den Produkten international vorgeschrieben -, aber wir wollten die japanische Herkunft auch nicht besonders herausstreichen, um eine Ablehnung der Produkte nicht zu riskieren, noch ehe wir ihre Qualität unter Beweis stellen konnten.

Allerdings muß ich gestehen, daß wir anfänglich darauf achteten, den Aufdruck >Made in Japan< so klein wie nur möglich zu halten - der amerikanischen Zollbehörde war er in einem Falle sogar zu klein, so daß wir die Herkunft des betreffenden Produkts deutlicher ausweisen mußten.
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Meine Lernkurve bei der Vermarktung unserer Produkte

Bereits bei meinen ersten Versuchen, das Tonbandgerät an den Mann zu bringen, erfuhr ich, daß Marketing tatsächlich eine Art Kommunikation ist.

Nach dem herkömmlichen japanischen Distributionssystem werden Produzenten und Konsumenten auf Distanz gehalten. Kommunikation zwischen den Parteien war absolut unmöglich.

Dieses Distributionssystem hat einen gewissen sozialen Wert - es schafft zahlreiche Arbeitsplätze -, aber es ist kostspielig und ineffizient.

Manche Güter durchlaufen die zweite, dritte und gar vierte Hand, ehe sie in den Einzelhandel kommen. Zwischen Hersteller und Endverbraucher liegt der mehrstufige Zwischenhandel, der seine Preisaufschläge vornimmt, vielleicht ohne das Produkt in die Hand bekommen zu haben.

Dieses System mag bei Verbrauchsgütern und Waren von minderem technischem Niveau gerechtfertigt sein; wir jedoch sagten uns von Anfang an, daß es den Ansprüchen unseres Unternehmens und unserer neuen, technologisch aufwendigeren Produkten nicht genügte.

Das Interesse und die Begeisterung für unsere Produkte und unsere Ideen war bei zwischengeschalteten Dritten und Vierten natürlich nicht so groß wie bei uns; zum Gebrauch unserer Produkte mußten wir die Kundschaft erst erziehen. Folglich mußten wir eigene Absatzkanäle erschließen und eigene Vermarktungsmöglichkeiten suchen, um unseren Namen bekanntzumachen.
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Wir erfanden neue Vermarktungsmöglichkeiten und Zwänge

Wir brachten Produkte heraus, die nie zuvor vermarktet, nicht einmal hergestellt worden waren - wie etwa Transistorradios und volltransistorisierte Fernsehgeräte. Nach und nach gewannen wir einen Ruf als Pioniere, manche nannten uns gar die >Versuchskaninchen< der Elektronikindustrie.

Brachten wir ein neues Produkt heraus, so verhielten sich die Branchenriesen zunächst einmal abwartend. Hatten wir Erfolg, schoben sie in Windeseile ein ähnliches Produkt nach, um an unseren Erfolgen teilzuhaben. So hat es sich im Laufe der Jahre ergeben, immer hatten wir vorn sein müssen.

Dies läßt sich anhand fast aller unserer einschlägigen Produktentwicklungen beweisen, angefangen bei kleinen Transistorradios und transistorisierten Fernsehern (wir bauten den allerersten) bis hin zum handlichen Stereo-Abspielgerät >Walkman<, dem >Watchman< als einem flachen, ebenso handgerechten Fernsehempfänger und dem Compact Disc-Player >Discman<.

Wir führten in Japan die Stereophonie ein, bauten den ersten Heim-Videokassettenrecorder der Welt, erfanden das Trinitron, eine In-line-Bildröhre mit Gittermaske, dazu die 3,5-Zoll-Diskette mit der bisher größten Speicherdichte.

Unsere Video-Handkameras und kleinen Video-Abspielgeräte haben weltweit das Nachrichtensammeln und die anschließende Fernsehausstrahlung revolutioniert. Mavica, die Kamera ohne Film, wurde ebenso von uns entwickelt wie das Compact-Disc-System (Anmerkung : in Verbindung mit der Philips laser technologie). Das 8mm-Videoband stammt auch von uns.

Damit sind nur einige unserer bekannteren Entwicklungen aufgezählt.
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Unsere Konkurrenten - zu vorsichtig oder abwartend

Zu Anfang, als unsere Erfolgsbilanz noch nicht so konsolidiert war, verhielten sich unsere Konkurrenten vorsichtig-abwartend, während wir auf dem Markt das Interesse für ein neues Produkt zu wecken versuchten.

Zu dieser Zeit hatten wir den Markt oft für ein Jahr oder länger ganz für uns allein, ehe die anderen Firmen von der Durchsetzungsfähigkeit des betreffenden Produkts überzeugt waren.

Je deutlicher sich unsere Erfolge in der Folgezeit abzeichneten, desto eher stürzte sich die Konkurrenz ins Geschäft. Heute haben wir kaum noch einen dreimonatigen Startvorsprung, ehe die anderen als Wettbewerber mit einem Produkt auf den Markt drängen, das von uns entwickelt wurde.
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Forschung und Entwicklung sind nun mal teuer

An sich ist das zwar schmeichelhaft, im Grunde genommen aber ein teures Vergnügen. Wir können nämlich auf einen Innovationsbonus nicht verzichten.

Seit vielen Jahren stecken wir über sechs, manchmal sogar ganze zehn Prozent des Umsatzes in Forschung und Entwicklung. Wir wollen der Öffentlichkeit neue Produkte anbieten, ohne nach den Bedürfnissen zu fragen. Die Öffentlichkeit weiß weder, was sie will, noch was machbar ist. Wir aber wissen es.

Wir kümmern uns daher nicht viel um Marktforschung, sondern tüfteln ein Produkt und seine Verwendungsmöglichkeit aus und versuchen dann, einen Absatzmarkt dafür zu schaffen, indem wir die Öffentlichkeit durch Kommunikation sozusagen >produktreif< machen.
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Manche Produktideen kommen mir buchstäblich von selbst.

Beispiel: Die Walkman-Idee nahm Gestalt an, als Ibuka eines Tages mit bekümmertem Gesicht eines unserer Stereo-Tonbandgeräte mitsamt Kopfhörern in mein Büro brachte.

Auf meine Frage nach dem Grund seiner Verstimmung meinte er: »Ich höre so gern Musik, aber ich möchte auch niemanden stören. Ich kann aber auch nicht den ganzen Tag zu Hause bleiben und Stereo hören. Deshalb nehme ich das Gerät zur Arbeit mit - bloß, es ist einfach zu schwer.«

Seit einiger Zeit hatte ich mich mit einer Idee beschäftigt, die durch die Bemerkungen Ibukas nun feste Gestalt annahm. Ich wußte aus meiner eigenen Familie, daß junge Leute anscheinend ohne Musik nicht leben können.

Beinahe jeder hat eine Stereoanlage zu Hause oder im Auto. In New York, ja selbst in Tokio hatte ich gesehen, daß manche mit dröhnenden Tonbandgeräten oder Kofferradios auf den Schultern durch die Straßen zogen.

Meine Tochter Naoko lief einmal, von einer Reise zurückgekehrt, zunächst nach oben und schob eine Kassette in ihren Recorder, bevor sie ihre Mutter begrüßte.
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Also machen wir aus einer Idee ein Projekt

Ibukas Bemerkung brachte mich dazu, das Projekt in Gang zu setzen. Ich wies unsere Ingenieure an, den >Pressman<, einen zuverlässigen kleinen Kassettenrecorder, herzunehmen, den Aufnahmeteil mitsamt Lautsprecher auszubauen und durch einen Stereo-Verstärker zu ersetzen. Weitere Einzelheiten folgten.

Alle fielen über mich her. Anscheinend fand meine Idee nirgends Gnade. Auf einer unserer folgenden Produktplanungskonferenzen meinte ein Ingenieur: »Als Idee vielleicht gar nicht so schlecht, aber ob die Leute so was kaufen, wenn der Aufnahmeteil fehlt? Ich glaube es nicht.«

»Millionen Menschen kommen bei ihren Stereo-Kassettengeräten im Auto auch ohne Aufnahmeteil aus, deswegen meine ich, wird sich das Gerät ebenfalls millionenfach verkaufen.«

Ich wurde zwar nicht offen ausgelacht, aber ich konnte meine eigene Projektgruppe, die sich zögernd an die Arbeit machte, wohl nicht recht überzeugen.
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Den Preis hatte ich bereits vorher festgelegt

Noch ehe das erste Gerät stand, hatte ich sogar schon den Verkaufspreis festgesetzt: Er sollte für junge Leute erschwinglich sein. Der Pressman, monaural, war mit einem Inlandsverkaufspreis von 49.000 Yen relativ teuer, daher wollte ich, daß die ersten Exemplare unseres neuen Stereo-Experiments für höchstens 30.000 Yen über den Ladentisch gingen.

Unsere Kostenrechner protestierten, aber ich ließ mich nicht beeindrucken und verwies darauf, daß mit der zu erwartenden Großserie die Stückkosten sinken würden. Man schlug mir vor, von einer billigeren Grundausstattung als beim Pressman auszugehen; ich aber hielt die Grundstruktur des Pressman für unverzichtbar; denn weil ihre Zuverlässigkeit erwiesen war, brauchte man keine technischen Mängel des neuen Geräts zu befürchten. Hinzu kam, daß viele Pressman-Ersatzteile weltweit in unseren Kundendienstzentren vorrätig waren.
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Das neue Versuchs-Walkman war einfach nur toll

Nach kurzer Zeit schon bekam ich das erste Versuchsmodell mitsamt neuen Miniaturkopfhörern in die Hand. Das Taschenformat des Geräts und die hervorragende Tonqualität der Kopfhörer begeisterten mich.

Bei den großen Lautsprecherboxen der konventionellen Stereoanlagen geht der größte Teil der Energie verloren, weil nur die wenigsten Schallwellen auf das Ohr des Zuhörers treffen. Die meisten Wellen lassen Wände und Fenster erzittern.

Unser winzig kleines Gerät brauchte nur sehr wenig Batteriestrom, um die federleichten Kopfhörer mit Energie zu versorgen. Ihre Klangtreue war fast besser, als ich erwartet hatte.

Auf einmal Failienprobleme mit dem Walkman

Zu Hause hörte ich mir mit dem Versuchs-Walkman sofort jede Art Musik an, bis ich merkte, daß meine Frau sich darüber ärgerte: sie fühlte sich ausgeschlossen. Na gut, sagte ich mir, sorgen wir also für die Anschlußmöglichkeit eines zweiten Kopfhörers. In der folgenden Woche lag ein Versuchsmodell mit zwei Kopfhörerbuchsen vor.

Ein paar Tage später holte ich den Schriftsteller Kaoru Shoji, meinen ständigen Golfpartner, mit dem Wagen zu einer Partie ab.

Ich drückte ihm die Kopfhörer in die Hand, zog das zweite Paar selbst auf und spielte ihm eine Kassette vor: das Klavierkonzert von Grieg, interpretiert von Shojis Frau, der Konzertpianistin Hiroko Nakamura.

Shoji strahlte, wollte wohl etwas sagen, aber ich hörte es nicht, da wir beide am Kopfhörer hingen. Ich erkannte das Problem und sorgte sofort dafür, daß das Gerät mit einem durch Knopfdruck zuschaltbaren Mikrophon versehen wurde, so daß man sich, über die Musik hinweg, über den >heißen Draht< verständlich machen konnte.
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Ich war überzeugt, die anderen aber nicht

In meiner Begeisterung glaubte ich, uns wäre ein phantastisches Gerät gelungen; aber unsere Marketing-Abteilung gab sich skeptisch. Der Artikel würde sich nicht verkaufen, hieß es.

Ein wenig verlegen darüber, an ein Produkt zu glauben, das fast alle anderen für verfehlt hielten, übernahm ich die persönliche Verantwortung für das Projekt. Ich brauche es bis heute nicht zu bereuen. Die Produktidee setzte sich durch, der Walkman war von Anfang an ein Riesenerfolg.

Der Name "Walkman" bleibt - und fertig

Der Name Walkman, ein unmögliches Wortgebilde, gefiel mir noch nie, wurde aber anscheinend überall richtig verstanden. Als ich von einer Geschäftsreise zurückkehrte - inzwischen hatten sich ein paar unserer jungen Leute den Namen ausgedacht - bestand ich auf Änderung; ich schlug >Walking Stereo< oder ähnliches vor.

Zumindest aber sollte es ein Name sein, der der englischen Grammatik etwas mehr Rechnung trug als ausgerechnet Walkman. Doch es war zu spät; die Anzeigen waren fertig, der Name stand auch schon auf den Geräten. Es gab kein Zurück mehr.

Später versuchten wir es in Übersee mit anderen Produktnamen - >Stow Away< in England, >Sound About< in den USA - aber keiner war griffig. Nur >Walkman< prägte sich ein.

Schließlich rief ich Sony America und Sony UK an: »Dies ist ein Befehl: Der Name lautet >Walkman<.« Ein toller Name, höre ich heute.

Schon bald konnte unsere Produktion der Auftragsflut nicht mehr gerecht werden; es mußten neue Fertigungsautomaten konstruiert werden, um die Nachfrage zu befriedigen. Natürlich sorgten wir überall mit massiven Werbekampagnen für Absatzsteigerung. In Japan ließen wir gar sonntags zahlreiche junge Leute mit Walkmans durch das >Fußgängerparadies< im Tokioter Ginza-Viertel spazieren.
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Doch keine 2. Kopfhörerbuchse

Obwohl ich es zunächst für rücksichtslos hielt, andere vom Musikgenuß auszuschließen, sah die Kundschaft in ihren kleinen Stereo-Abspielgeräten bald die Möglichkeit zur individuellen Freude.

Jeder wollte seinen eigenen Walkman haben, während ich davon ausgegangen war, daß man sich zu zweit ein Gerät teilen würde. Bald kamen wir von dem >heißen Draht< wieder ab, und etwas später verzichteten wir bei den meisten Modellen auch auf die zweite Kopfhörerbuchse.

Ich war, wie gesagt, von Anfang an von der Durchsetzbarkeit des Walkman überzeugt gewesen, aber selbst ich hatte nicht mit einem so regen Käuferinteresse gerechnet.
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Erstaunlich bald hatten wir die 5 Millionen erreicht

Als ich mit meiner anfänglich so skeptischen Projektgruppe mit dem fünfmillionsten Walkman für ein Foto posierte, wagte ich die Prognose, daß dies erst der Anfang gewesen sei.

Inzwischen haben wir mehr als zwanzig Millionen Walkmans abgesetzt (Stand 1985), brachten mehr als siebzig verschiedene Modelle - darunter auch wasser- und staubdichte - auf den Markt und wollen weitere folgen lassen.
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  • Anmerkung : Am Ende der Walkmann Zeit - lange nach dem Tod von Akio Morita, waren es 180 Millionen protable vom ersten Walkmana bgeleitete Geräte.

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Die hohe Anerkennung meiner Idee - ohne Marktforschung

Interessant ist nun, daß wir im Zuge unserer Modellpolitik dem Walkman nach und nach all das zurückgaben, was ihn anfänglich von einem herkömmlichen Kassettenrecorder unterschied. So gibt es zum Beispiel inzwischen kleine Zusatzlautsprecher für alle Typen; manche Modelle lassen nun auch wieder das Kopieren fremder Kassetten zu.

Mit diesem kleinen Exkurs möchte ich eine sehr einfache Feststellung unterstreichen: Ich glaube nämlich nicht, daß noch so umfangreiche Marktforschung die Erkenntnis gebracht hätte, daß der Sony Walkman ein Erfolg werden würde - um nicht zu sagen ein sensationeller Verkaufsschlager, der viele Nachahmer finden würde.

Trotzdem hat dieses kleine Gerät überall auf der Erde das Konsumverhalten von Millionen Musikfreunden verändert. Einige meiner Freunde aus dem Musikleben - Dirigenten wie Herbert von Karajan, Zubin Mehta und Lorin Maazel; Virtuosen wie Isaac Stern - sind mit dem Wunsch nach immer neuen Walkmans an mich herangetreten. Ich sehe darin eine hohe Anerkennung meiner Idee und des Produkts selbst.
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SONY, einer der weltgrößten Kopfhörerhersteller

Da wir mit der Walkman-Serie eine leichte, handliche Alternative zu den herkömmlichen Recordern schaffen wollten, mußten wir auch unsere Standard-Kopfhörer kleiner halten und qualitativ verbessern.

Wir brachten Dutzende neuer Modelle auf den Markt und entwickelten uns nebenher zu einem der weltgrößten Kopfhörerhersteller. Unser Anteil am japanischen Markt liegt bei etwa fünfzig Prozent.
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Ibuka's Firmenphilosophie von Anfang an

Innovationen dieser Art hatte Ibuka im Sinn, als er unserem Unternehmen noch in der Gründungsphase eine Art Handlungsprogramm und philosophische Absichtserklärung auf den Weg gab.

»Wenn sich Bedingungen schaffen ließen«, schrieb er damals, »die die Menschen mit unerschütterlichem Teamgeist erfüllen würden und ihnen gestatteten, ihre technologischen Fähigkeiten ungehindert einzusetzen, dann könnte eine solche Unternehmensstruktur Nutzen und Zufriedenheit in bisher nicht gekanntem Ausmaß erzeugen.«

Ibuka dachte an Kreativität als gruppendynamischen Prozeß, der zu neuen und lohnenden Produkten führt. Maschinen und Computer sind selbst nicht kreativ; denn Kreativität ist mehr als die bloße Verarbeitung von Informationen.

Kreativität verlangt menschliches Denken und spontane Einfälle und sehr viel Mut - den wir in unseren Anfängen reichlich hatten und uns bis heute erhalten haben.
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