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Die Lebensbiografie von Akio Morita (aus 1986), dem berühmten SONY Mitbegründer - Er war "Mister Japan"

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Ibuka bekam ein US-Magnetophonbandgerät zu sehen

Bei dieser Gelegenheit erblickte Ibuka in einer der Redaktionsstuben erstmalig ein amerikanisches Magnetophonbandgerät der Marke Wilcox-Gay.

  • Anmerkung : Diese Story ist zeitlich nicht schlüssig, weil die Amerikaner 1947 nur deutsche AEG und Ampex- Bandgeräte verfügbar hatten, die anderen kamen erst 1948/49 und später.


Nach kurzer kritischer Begutachtung war Ibuka davon überzeugt, daß das Drahtmagnetophon, so wunderbar die ihm zugrunde liegende Idee auch war, mit einem Bandgerät nicht mithalten konnte; denn seine Nachteile lagen auf der Hand: Um eine passable Klangtreue zu erzielen, mußte der Draht mit sehr hoher Geschwindigkeit über den Aufnahme- oder Wiedergabekopf geführt werden - und das hieß, man benötigte endlose Meter Draht auf großen Spulen.

Aber selbst die größten Spulen faßten nur relativ wenig dünnen Draht. Am schlimmsten jedoch war, daß sich eine Drahtaufnahme nicht einfach zusammenschneiden ließ. Wollte man weniger gut gelungene Teile einer Aufnahme löschen und neu einspielen, mußte dies in absolut perfekter Synchronisation mit dem bereits Aufgenommenen geschehen - eine Perfektion, die nur unter großen Schwierigkeiten zu erreichen war.

Daß sich mit Bändern einfacher arbeiten ließ, erkannte man auf den ersten Blick. Da sie sich problemlos zusammenkleben lassen, kann man Korrekturen oder Änderungen getrennt aufnehmen und an jeder gewünschten Stelle nachträglich einschieben.

Auf eine Spule vertretbarer Größe lassen sich viele hundert Meter Band wickeln. Am schwersten jedoch wog, daß von der Klangtreue her das Band dem Draht weit überlegen war.

  • Anmerkung : Das wußten Ibuka aber erst viel später, als er mit den RUnfunkleuten sprach.

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Das Magnetophonbandgerät kam aus Deutschland

Wir hatten gelesen, daß die Deutschen dieses Tonträgersystem erfunden und bereits im Kriege stundenlange Propaganda vom Band gespielt hatten.

Die Firma Ampex war einer der ersten amerikanischen Gerätehersteller der frühen Nachkriegszeit; der größte Bänderproduzent die Minnesota Mining and Manufacturing Company, die heutige 3M-Corporation. Die neue Technologie wurde zunehmend besser und präziser.
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Spontan beschloß Ibuka, Tonbandgeräte zu produzieren.

Nur hatte er schon von so vielen verschiedenen Produkten und Möglichkeiten laut geschwärmt, daß seine Kollegen - und ganz besonders der Finanzbuchhalter - es längst leid waren. Ibuka wußte, daß seine Glaubwürdigkeit sehr gelitten hatte. Da er aber zum Bau von Tonbandgeräten fest entschlossen war, mußte er seine Kollegen und unseren knauserigen Buchhalter unbedingt von der Festigkeit seiner Absicht überzeugen,

Er bat deshalb den amerikanischen Submissionsoffizier, ihm das Wilcox-Gay-Gerät für eine Weile zu leihen, damit er es seinen Mitarbeitern zeigen könne. Nach einigem Zögern war der Amerikaner bereit, zu uns zu kommen und das Gerät selbst vorzuführen.

Nach der Demonstration war jeder überzeugt, daß der Bau von Tonbandgeräten ein lohnendes Projekt sei, das in Angriff genommen werden sollte.
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Anderer Meinung war allein unser Finanzbuchhalter Junichi Hasegawa.

Hasegawa hatte ursprünglich für die Morita-Unternehmen gearbeitet, bis mein Vater ihn zu uns schickte, um für die finanzielle Solidität unseres kleinen Betriebes zu sorgen.

Hasegawa und Shuzaburo Tachikawa, der Betriebsleiter, verfolgten unser Tun und Treiben mit unbestechlichen, kritischen Augen. Beide konnten dem neuen Vorhaben wegen zu großen Kostenaufwands bei geringen Erfolgsaussichten nichts abgewinnen. Ihrer Meinung nach sollten für Forschung und Entwicklung keine Mittel bereitgestellt werden.

Damit konnte die Sache steigen.

Aber Ibuka und ich waren von der Konzeption eines Tonbandgerätes so angetan und glaubten so fest an die Richtigkeit der Entscheidung, daß wir Hasegawa ein Licht aufzusetzen gedachten. Dazu luden wir ihn zum Abendessen in ein Schwarzmarktrestaurant ein, wo es sogar Bier gab.

Während wir bis tief in die Nacht aßen und tranken, stellten wir ihm die Vorzüge eines Tonbandgeräts in allen Einzelheiten dar. Machten wir uns diese revolutionierende Technologie frühzeitig zu eigen, behaupteten wir, könnten wir vor der nur träge reagierenden Konkurrenz der Großunternehmer einen Vorsprung gewinnen; aber wir müßten es geschickt anfangen und uns beeilen.

Wir beide müssen als Ideenverkäufer furchtbar überzeugt haben; denn mit vollem Bauch erklärte sich Hasegawa auf der Stelle mit unserem Vorhaben einverstanden. Damit konnte die Sache steigen.

Glaubten wir jedenfalls.

Doch schon sehr bald merkten wir, daß wir gar nicht wußten, wie oder woraus wir die Bänder, immerhin den entscheidenden Teil des Aufnahmesystems, herstellen sollten.

Da wir uns mit dem gescheiterten Projekt eines Drahtmagnetophons schon intensiv befaßt hatten, trauten wir uns den Bau eines Tonbandgeräts von der mechanischen und elektronischen Seite her durchaus zu. Mit dem Tonband selbst verhielt es sich indes anders. Niemand in Japan hatte die geringste Erfahrung mit Magnetband. Da es keine Importmöglichkeit gab, mußten wir das Band zwangsläufig selbst herstellen.

Wir beabsichtigten nämlich von vornherein, uns nicht auf den Bau von Geräten zu beschränken, sondern auch die Bänder herzustellen und anzubieten, da wir von einer permanenten Nachfrage ausgingen. Solange wir dem Software-Sektor fernblieben, überließen wir das Feld nur der zu erwartenden Konkurrenz.
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Wir brauchten natürlich auch das Magnetband

Die größte Schwierigkeit bestand in der Beschaffung oder Herstellung des Rohmaterials. Plastik gab es nicht; wir hatten bloß Cellophan. Obwohl wir das Material für grundsätzlich ungeeignet hielten, mußten wir, der Not gehorchend, das Beste daraus zu machen versuchen.

Gemeinsam mit Nobotoshi Kihara, einem glänzenden jungen Ingenieur, schnitten Ibuka und ich Cellophanbögen in viertelzollbreite Streifen und experimentierten mit den verschiedensten Beschichtungen.

Sehr schnell erkannten wir, daß alles nichts half, denn selbst das beste und stärkste Cellophan war nach ein oder zwei Läufen durch den Aufnahmemechanismus hoffnungslos überdehnt; Klangverzerrungen waren also unvermeidlich. Wir stellten ein paar Chemiker ein, aber auch sie bekamen das Problem der Nachgiebigkeit nicht in den Griff.

Schließlich erkundigte ich mich bei Goro Kodera, einem Cousin, der in der Papierindustrie tätig war, ob sich ein sehr dünnes und glattes, aber kräftiges Papier herstellen ließe, das als Werkstoff in Betracht käme.

Nachdem er uns einen kleinen Vorrat beschafft hatte, nahmen wir wieder die Rasierklingen zur Hand und schnippelten drauflos.
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Und wir brauchten magnetisierbares Material

Gutes, magnetisierbares Material war in jener Zeit der Knappheit praktisch unmöglich zu beschaffen. Selbst ich kann es heute kaum noch glauben, aber Ibuka, Kihara und ich stellten unsere ersten Bänder tatsächlich in Handarbeit her.

Sobald wir genügend Band für eine kleine Spule geschnitten hatten, legten wir den langen Papierstreifen auf dem Fußboden unseres Labors aus. Doch dann begannen die eigentlichen Schwierigkeiten. Zu feinem Staub zermahlene Permanentmagneten taten es nicht; wie sich herausstellte, mußten die Bänder mit nur schwach magnetischem Material beschichtet werden.

Nach umfangreichen Untersuchungen stieß Kihara auf Oxalsäuren Ferrit, eine Substanz, die beim Erhitzen in Eisenoxid umgewandelt wird. Das war's! Doch woher nehmen? Kihara und ich grasten die Tokioter Chemikaliengroßhändler der Reihe nach ab, und siehe da, es gab ein einziges Geschäft, in dem das Gesuchte zu haben war.

Wir erstanden zwei Flaschen und kehrten in unser Labor zurück. Da wir keinen elektrischen Heizkessel besaßen, gaben wir die Chemikalie in eine geborgte Bratpfanne und rührten mit einem Holzlöffel, bis sich der Stoff zunächst braun, dann schwarz verfärbte: das Braune war Eisenoxid, das Schwarze ist Fe304, der schwach magnetische Hammerschlag [Eisen(II, III)oxid].
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Das Aufspritzen der Beschichtung klappte auch nicht

Kihara überwachte das Brennen mit prüfendem Blick; sobald der Farbton stimmte, riß er die Pfanne vom Feuer. In den Staub rührten wir dann nach und nach farblosen Japanlack, bis eine Konsistenz erreicht war, die das Auftragen per Spritzpistole gestattete.

Das Aufspritzen indessen bewährte sich ebenfalls nicht. Nachdem wir alle erdenklichen Möglichkeiten durchprobiert hatten, beschafften wir uns feine Pinsel - weiches Bauchhaar des Waschbären - und bestrichen die Bänder von Hand. Zu unserer Verblüffung erzielten wir mit diesem Verfahren die besten Ergebnisse.

Natürlich waren die ersten Papierbänder einfach fürchterlich; trotzdem waren wir sehr stolz auf unsere Leistung.
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Wir waren damals schon eine Hightech Firma

Von unseren seinerzeit 45 Beschäftigten waren mehr als ein Drittel College-Absolventen. Aber obwohl unser Unternehmen sozusagen kopflastig war, ließ sich die angestrebte Produktqualität ohne Plastik als Rohmaterial nicht erreichen.

Sobald Plastik erhältlich war, entwickelten wir unsere eigene Verarbeitungstechnik, das heißt, die Technik hatten wir eigentlich schon vorab entwickelt, so daß wir mit unserem Produkt sehr schnell auf den Markt gehen konnten. (Da Ibuka unbedingt auch den Bandsektor abdecken wollte, investierten wir in die Produktentwicklung viel zusätzliche Mühen und Anstrengungen.
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Lob und Ehre kam erst sehr spät - 1965 von IBM

Zu seiner und unserer großen Befriedigung erfuhren wir etliche Jahre später, im November 1965, die erhoffte Rechtfertigung: IBM entschied sich für unsere Magnetbänder als Speichermedium. Wir platzten beinahe vor Stolz, war uns doch ein echtes Überholmanöver gelungen; unser Unternehmen lieferte IBM die Technologie der Bandherstellung und stattete die IBM-Produktionsanlagen in Boulder/Colorado mit Maschinen und Technikern aus.)
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Der Schlüssel zu künftigem geschäftlichem Erfolg

In jener Anfangszeit sahen wir im Magnetband den Schlüssel zu künftigem geschäftlichem Erfolg. Was die Hardware-Seite betraf, so hatten wir den Aufnahme/Wiedergabe-Mechanismus nach allen Regeln der Kunst vervollkommnet.

Die Tonbandmaschine, die wir 1950 produzierten, fiel ungeschlacht und schwer aus, funktionierte nach unserer Einschätzung aber vorzüglich.

Ich war daher völlig überzeugt, daß wir uns nach langen Anstrengungen nun endlich auf dem Wege zu größtem Erfolg befanden. Als die Maschine Marktreife hatte, glaubten wir mit Aufträgen überschwemmt werden zu müssen.

Ein böses Erwachen

Doch uns stand ein böses Erwachen bevor: sie verkaufte sich nicht. Ein Tonbandgerät war in Japan etwas so Neues, daß sich kaum jemand etwas darunter vorstellen konnte, und die wenigen vermeintlichen Kenner glaubten gut und gern darauf verzichten zu können.

Aus der Rückschau betrachtet, erkenne ich heute recht deutlich, wo unsere damaligen Probleme lagen. Jene erste, klobige 35 Kilo schwere Maschine kostete 170.000 Yen, für das Japan der Besatzungszeit eine ungeheure Summe (der Dollar wurde damals offiziell mit 360 Yen bewertet).

Nur sehr wenige Japaner konnten es sich leisten, so viel Geld für ein Gerät auszugeben, das sie vermeintlich gar nicht brauchten. (Ein in der Industrie beschäftigter Akademiker verdiente seinerzeit monatlich keine 10.000 Yen.) Wir produzierten fünfzig dieser Geräte für einen Markt, der offenbar gar nicht existierte.
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Wir hatten kein Consumer-Produkt für den Massenmarkt

Weder Ibuka noch ich verfügten über Erfahrung in Produktion und Verkauf von Konsumgütern. Ibuka hatte, sieht man von Kurzwellenadaptern und Plattenspielerersatzteilen einmal ab, immer nur für den Staat oder das Rundfunkwesen produziert.

Ich selbst hatte noch niemals etwas für den Verkauf produziert. Obwohl ich als Junge bei meinem Vater ein >Management Training< genossen hatte, auf das ich in der Kriegsmarine erfolgreich zurückgreifen konnte, verstand ich nichts von Absatzvorbereitung, -förderung und Verkaufstechnik.

Ibuka und ich kamen gar nicht einmal auf die Idee, daß solche Kenntnisse unerläßlich waren; teilten vielmehr die unerschütterliche Ansicht, daß man gute Produkte bloß herzustellen brauchte, um Aufträge zu erhalten. Wir bekamen eine Lektion erteilt.
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Wir Ingenieure träumten vom großen Erfolg

Wir waren Ingenieure, träumten vom großen Erfolg und dachten, mit unserem einzigartigen Produkt ließe sich ein Vermögen verdienen. Ich war deshalb fest entschlossen, das Tonbandgerät durchzusetzen.

Wo immer ich ein Publikum fand, demonstrierte ich unser Gerät. Ich suchte Geschäfte auf und führte es den Universitäten vor; lud das Gerät auf den Laster, fuhr zu Freunden und nahm ihre Stimmen auf, nicht anders als ein Unterhaltungskünstler, der zur Verblüffung und Freude des Publikums mitgeschnittene Gespräche abspielt.

Das Gerät gefiel allen, nur kaufen wollte es niemand. »Das ist ja eine feine Sache, aber für ein Spielzeug ist die Maschine zu teuer«, so oder ähnlich kommentierte man meine Darbietungen.
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Meine Erkenntnis kam spät

Ich mußte erkennen, daß der Besitz einer einzigartigen Technologie und die Produktion einmaliger Güter nicht hinreicht, um ein Unternehmen in Gang zu halten. Man muß die produzierten Güter auch verkaufen; dem potentiellen Käufer muß der wahre Wert des angebotenen Produkts verdeutlicht werden. Gleichzeitig erfaßte ich, daß ich die Marktvorbereitung und Absatzorganisation selbst in die Hand nehmen mußte.

Ein Glücksfall brachte mir die Erleuchtung.

Zu der Zeit, als ich immer noch an den Ursachen für den mangelnden Absatz unserer Tonbandgeräte herumrätselte, kam ich unweit meiner Tokioter Wohnung an einem Antiquitätengeschäft vorüber.

Ich betrachtete die ausgestellten Stücke ohne wirkliches Interesse, wunderte mich jedoch über die hohen Preise. Ein Kunde, der eine alte Blumenvase erstand, griff ohne zu zögern in die Brieftasche und entnahm ihr zahlreiche große Scheine.

Er bezahlte weitaus mehr, als wir für unser Tonbandgerät verlangten. Wieso, dachte ich, zahlt jemand für einen alten Gegenstand ohne jeden praktischen Nutzwert so viel Geld, während unser Tonband, ein neues Gerät von hohem Gebrauchswert, einfach keine Käufer findet?

In meinen Augen war ein Tonbandgerät viel wertvoller als die Vase, da es einer praktisch unbegrenzten Zahl von Menschen das Leben verschönern konnte. Die fein geschwungenen Linien der Vase würden demgegenüber nur wenige bewundern, noch weniger dürften das teure Stück der Bruchgefahr wegen in die Hand nehmen.

Ein Tonbandgerät aber konnte Hunderten, wenn nicht gar Tausenden von Menschen dienen: zur Unterhaltung, zur Belustigung und Fortbildung etwa. Für mich stand völlig außer Frage, daß man mit dem Tonband den besseren Fang machen würde.
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Der Schlüssel zum Erfolg war der "erkennbare Wert"

Ich mußte aber anerkennen, daß die Vase für den Antiquitätensammler einen erkennbaren Wert hatte. Seine Gründe, viel Geld für ein solches Kunstobjekt auszugeben, mußte man gelten lassen.

Einige meiner Vorfahren hatten für Antiquitäten ebenfalls sehr viel Geld ausgegeben (und ich tat es später auch).

Diese zufällige Beobachtung machte mir deutlich, daß wir, wenn wir unser Gerät verkaufen wollten, jene Personen und Institutionen ausfindig machen mußten, die den Wert unseres Produkts aller Wahrscheinlichkeit nach erkennen würden.
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Bei uns fehlte die "Zielgruppen-Analyse"

Uns - eigentlich Tamon Maeda - fiel auf, daß es in der ersten Nachkriegszeit kaum Stenografen gab, weil viele junge Leute von den Schulen geholt und in die Kriegswirtschaft gesteckt worden waren. Den japanischen Gerichten zum Beispiel standen zum Protokollieren des Prozeßverlaufs nur einige wenige, völlig überlastete Gerichtsstenografen zur Verfügung.

Nachdem wir durch Maedas Vermittlung dem Obersten Gerichtshof unsere Maschine vorgeführt hatten, verkauften wir auf der Stelle beinahe auf einen Schlag zwanzig Stück! Das Gericht erkannte die Nutzungsmöglichkeiten unseres Geräts und mithin seinen Gebrauchswert.

Es erschien mir logisch, als nächstes an die japanischen Schulen heranzutreten.
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Endlich - eine neue erfolgreiche Verkaufsstrategie

Bei einer unserer zahlreichen Diskussionen über die anzuwendenden Verkaufsstrategien hatte Ibuka beiläufig davon gesprochen, daß im Mittelpunkt des herkömmlichen japanischen Schulwesens die Unterweisung im Lesen, Schreiben und Rechnen gestanden habe, während die Amerikaner audiovisuellen Lehrmitteln große Bedeutung beimaßen.

Das japanische Erziehungsministerium hatte sich den Standpunkt der Besatzungsmacht zwar zu eigen gemacht, aber die wenigen in Japan erhältlichen 16mm-Lehrfilme waren nicht synchronisiert und daher ohne großen Wert.

Da der Englischunterricht während des Krieges untersagt gewesen war, hatten nur wenige Lehrer hinreichende Sprachkenntnisse, um dem gesprochenen Wort folgen zu können; die Schüler selbst verstanden gar nichts.

Der Gedanke, statt der englischen Tonspur parallel zum Film ein japanisch besprochenes Tonband laufen zu lassen, setzte sich in den Schulen sehr schnell und landesweit durch. In jedem japanischen Regierungsbezirk war eine zentrale Bildstelle eingerichtet worden, aber alle Filme waren in englischer Sprache gehalten. Die japanische Übersetzung vom Tonbandgerät würde die Verständigungsprobleme lösen.
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Der H-Typ, eine mittelgroße Tonbandmaschine

Da amerikanische Lehrfilme überall zum Unterricht gehörten, glaubten Ibuka und ich, daß innerhalb kürzester Zeit alle Schulen ein Tonbandgerät anschaffen wollten. Ibuka stellte außerdem fest, daß alle Schulen über einen gewissen Lehrmitteletat verfügten, so daß wir versuchten, ein kleineres, preiswertes Gerät für den Schulgebrauch zu konstruieren.

So entstand der H-Typ, eine mittelgroße Tonbandmaschine, zwar immer noch größer als eine Aktentasche, aber kleiner als ein kleiner Koffer. Das Gerät war robust und anspruchslos und verfügte über nur eine Bandgeschwindigkeit von 7 1/2" pro Sekunde. Das erste Exemplar dieser Serie erhielten Yoshiko und ich 1951 als Hochzeitsgeschenk von der Belegschaft.
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Endlich im Aufwärtsgng - dann wieder ein Rückschla

Als wir zum Bau von attraktiveren Koffergeräten übergingen, begann das Unternehmen zu expandieren, so daß wir auf dem Gotenyama auch angrenzende Räumlichkeiten beanspruchen mußten.

Sehr schnell wurden wir in eine neue kriegerische Auseinandersetzung hineingezogen, die sehr lehrreich für mich war und Erkenntnisse zeitigte, die uns später, als wir auf den Auslandsmarkt gingen, sehr zustatten kamen.

Zum Beispiel hatten wir uns im Interesse einer einwandfreien Aufzeichnung und Wiedergabe für das von Dr. Kazuo Nagai entwickelte Wechselstrom- Hochfrequenz- Vormagnetisierungsverfahren entschieden *).

*) Dabei wird das Band vor Erreichen des Aufnahmekopfes zunächst entmagnetisiert. Die Aufzeichnung selbst erfolgt bei anliegender Wechselspannung. Die Folge sind weniger Nebengeräusche und Verzerrungen als beim damals üblichen Gleichstrom-Verfahren.

Inhaber des Patents war die Anritsu Electric, damals wie heute eine Tochter der Nippon Electric Company (NEC). Das Patent zu erwerben, reichten unsere Mittel jedoch nicht hin, so daß wir uns 1949 mit der NEC die Nutzungsrechte teilten.

Dr. Nagai hatte sein Verfahren im Dezember 1941 auch in den Vereinigten Staaten angemeldet und der Library of Congress und anderen Stellen bereits Monate zuvor den Gegenstand seiner Erfindung beschrieben.

Allerdings wurde ihm in Amerika kein Patent erteilt, vermutlich, weil er sich für die Anmeldung gar keine unglücklichere Zeit hätte aussuchen können. Aber interessierte amerikanische Kreise hatten zu seiner Erfindung Zugang.
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Nun zur weltweiten Patentlage - und wieder gab es neuen Ärger

Sobald wir uns mit der NEC einigten, informierten wir weltweit alle Bandgerätehersteller, daß wir nunmehr das Patent auf das Wechselstrom-Vormagnetisierungsverfahren besäßen, und boten Lizenzen an.

Gleichzeitig wiesen wir daraufhin, daß von uns nichtlizenzierte, auf dem Nagai-Verfahren basierende Tonbandgeräte in Japan nicht verkauft werden durften.

Mehrere Unternehmen ließen uns wissen, daß sie am japanischen Markt nicht interessiert wären und daher in einer Lizenznahme keinen Sinn sähen. Daß im Ausland von dem Verfahren unlizenzierter Gebrauch gemacht wurde, wußten wir, nur konnten wir dagegen nicht einschreiten.

Eines Tages wurde Ibuka telefonisch aufgefordert, sich beim für das Patentrecht zuständigen Offizier im Hauptquartier der Besatzungsmacht zu melden. Bei solchen Aufforderungen war seinerzeit stets damit zu rechnen, von den Schatten der Vergangenheit eingeholt oder wegen irgendeiner unbewußten Rechtsverletzung eingesperrt zu werden. Ibuka war daher so besorgt, daß er seine Frau telefonisch von der Vorladung in Kenntnis setzte.

Der Offizier erkundigte sich in allen Einzelheiten nach unserem Patentanspruch, während Maeda den Dolmetscher spielte. Ibuka hatte in weiser Voraussicht alle Dokumente bei sich, die den Erwerb und den Umfang des Patents betrafen.
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Wenn ein amerikanischer Offzier lächelt ....

Nachdem der Offizier die Belege sorgfältig geprüft hatte, lehnte er sich lächelnd zurück, bot den beiden zu ihrer großen Erleichterung eine
Tasse Kaffee an und bestätigte die Rechtmäßigkeit des Erwerbs.

Kurze Zeit später erfuhren wir, daß die Tokioter Balcom Trading Company Tonbandgeräte aus Amerika importierte. Wir machten schriftlich darauf aufmerksam, daß der Vertrieb von Geräten dieser Art lizenzabhängig sei, aber unser Schreiben wurde ignoriert. Deswegen beschlossen wir, eine richterliche Anordnung gegen die Firma zu erwirken.

Für uns bedeutete dies eine schwerwiegende Entscheidung; denn japanische Gerichte verlangen vor einem Zivilprozeß von der klagenden Partei eine am Streitwert orientierte, sehr hohe und grundsätzlich verlorene Klageerhebungsgebühr, um sich leichtfertige Prozessierer, aber auch Bagatellsachen vom Leibe zu halten.

Wenn wir also vor Gericht ziehen wollten, mußten wir zunächst sehr viel Geld investieren. Wir waren unserer Sache jedoch sehr sicher, hatten wir inzwischen doch sozusagen den Segen der Besatzungsmacht.
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Das Gericht erließ eine einstweilige Anordnung.

Schnurstracks begaben wir uns in Begleitung eines Justizbeamten zum Zollager der Firma und klebten ein Gerichtssiegel an die Tür. Bis zur endgültigen Urteilsverkündung waren die Geräte Balcoms Zugriff also entzogen.

In der Lokalpresse machte der Fall Schlagzeilen. Nach Ansicht der Zeitungen war es als seltener Beweis japanischer Unabhängigkeit zu sehen, daß sich ein kleines inländisches Unternehmen großen amerikanischen Herstellerfirmen trotzig in den Weg stellte.

Die Balcom-Verantwortlichen wurden fürchterlich wild, denn sie hatten vom amerikanischen Gerätehersteller erfahren, daß dieser vor Aufnahme der Produktion von der Firma Armour Research eine Lizenz erworben hatte.
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Armour Research hatte in USA ein Patent angemeldet

Armour Research selbst fühlte sich zur Lizenzvergabe berechtigt, da die Firma sich das Vormagnetisierungsverfahren in Amerika hatte patentieren lassen. Ebenfalls aufgebracht, schickte Armour daher Donald Simpson, den Firmenanwalt, nach Japan.

In ihm lernte ich erstmalig einen amerikanischen Juristen kennen. Simpson war ein zäher Gegner, ein Kontrahent, der mich sehr beeindruckte. Wir konnten jedoch nachweisen, daß Dr. Nagais Verfahrensbeschreibung in englischer Sprache in den USA bereits vorlag, noch ehe Armour Research das Patent darauf erhielt.

Da Dr. Nagais Verfahren als allgemein bekannt angesehen werden müsse, argumentierte ich, sei das Vormagnetisierungsverfahren in den Vereinigten Staaten ja wohl kein schutzwürdiges geistiges Eigentum mehr, womit auch die Patentfähigkeit nicht mehr gegeben sei. Ich drohte, in die USA zu fahren und das Patent für ungültig erklären zu lassen.

Eigentlich wußte ich gar nicht, wie ich das hätte bewerkstelligen sollen, aber die Möglichkeit muß es wohl tatsächlich gegeben haben; denn als schließlich in der Hauptsache verhandelt werden sollte, wurde Dr. Nagais Patentanspruch von Armour anerkannt.
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Der Streit dauerte 3 Jahre

Der Streit hatte sich über drei Jahre hingezogen. Im März 1954 schlossen wir endlich einen Vergleich, wonach uns für jedes in Japan verkaufte Tonbandgerät Lizenzgebühren zustanden - sofern das Aufzeichnungsverfahren auf dem Nagai-Prinzip beruhte.

Ich verpflichtete mich, nicht gegen Armour vorzugehen. Als Gegenleistung bekamen wir das Nutzungsrecht an dem in USA weiterhin geltenden Armour-Patent, so daß wir unsere eigenen Geräte lizenzgebührenfrei dorthin exportieren konnten.

Außerdem waren wir berechtigt, anderen japanischen Herstellern Unterlizenzen zu erteilen: im Falle fremder Amerika-Exporte stand uns die Hälfte der Lizenzgebühren zu.

An diesen Rechten hielten wir viele Jahre fest. Da meine ersten Verhandlungen mit Amerikanern einen so zufriedenstellenden Abschluß fanden, sah ich mit neuem Mut in die Zukunft.
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  • Anmerkung : Was hier nicht erwähnt wird, daß in Deutschland in 1941 auch dieses HF Verfahren für Magnetbandmaschinen entdeckt wurde, vermutlich zeitgleich. Morita nimmt hier überhaupt keinen Bezug darauf.

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