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Die Lebensbiografie von Akio Morita (aus 1986), dem berühmten SONY Mitbegründer - Er war "Mister Japan"

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Waren Japaner wirklich als bloße Nachahmer verschrien ?

Hat man arbeitswillige, intelligente und tatkräftige Mitarbeiter gewonnen, müssen sie als nächstes zur Kreativität angehalten werden. Lange Zeit waren die Japaner als bloße Nachahmer verschrien; Kreativität wurde uns kurzerhand abgesprochen.

Ich aber meine, es wäre ziemlich anmaßend, wenn man das, was die japanische Industrie innerhalb der letzten vierzig Jahre vollbracht hat, nicht als kreativ bezeichnen würde. Die Leistungen auf dem Sektor der Biotechnologie und neuer Materialien wie Keramik- und Faserwerkstoffe, der Opto-Elektronik und auf anderen Gebieten sprechen für sich.

Und unsere Beiträge zur Produktionstechnologie und zur Qualitätskontrolle sind ebenfalls kreativ.
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Wir alle lernen durch Nachahmung

....... seien wir Kinder, Schüler und Studenten oder Neulinge in der Wirtschaft. Mit vorrückendem Alter lernen wir dann die angeborenen Fähigkeiten mit den erworbenen und erlernten Regeln und Gesetzmäßigkeiten zu kombinieren.

Dr. Makoto Kikuchi, Direktor unseres Forschungszentrums, weist immer wieder gern darauf hin, daß im Japanischen das Wort für >lernen< (manabu) aus dem Verbum >manebu< (nachahmen) entstanden ist.

Als sich Japan nach über zweihundertjähriger Isolation der Welt öffnete, war der Bevölkerung der aktuelle Kenntnisstand des Auslands fast unbekannt. Ermuntert durch Kaiser und Regierung suchte Japan sich dieses fremde Gedankengut anzueignen und die >neuen< Technologien zu übernehmen.
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Damals die ewigen Argumente des gesamten Ostblocks

Dies war gewissermaßen ein Akt der Notwehr, denn die westlichen Nationen hatten nach 1945 nicht nur die Öffnung des Landes erzwungen, sondern Japan gleichzeitig auch ungleiche Verträge aufgenötigt, so daß die heimische Wirtschaft mitsamt der erst in den Kinderschuhen steckenden Industrie fremden Interessen schutzlos ausgeliefert war.

Um gegen die damals recht habgierige und räuberische Völkergemeinschaft bestehen zu können, hielt man ein eigenes großes Industriepotential und eine schlagkräftige Streitmacht für unerläßlich.
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Die japanische Wirtschaftsmacht gab es schon vor dem 2. Weltkrieg

Wer glaubt, Japan habe es erst nach dem Zweiten Weltkrieg gelernt, eine mächtige Industrie aufzubauen, der kennt halt die Geschichte nicht. Japan, ein rückständiges Agrarland, begann mit der Industrialisierung erst im letzten Drittel des vorigen Jahrhunderts (um 1860), aber eine Generation später hatte die Nation bereits eine so große Wirtschafts- und Militärmacht aufgebaut, daß das kleine Japan mit einer Bevölkerung von etwa 30 Millionen Menschen erst China (1894/1895) und dann das zaristische Rußland (1904/1905) besiegen konnte.

Als in Europa der 1. Weltkrieg ausbrach, war Japan die stärkste Militärmacht und Industrienation Asiens. Dies sind geschichtliche Tatsachen, die ich nur erwähne, um das japanische Wirtschaftswunder seit 1945 in die rechte Perspektive zu rücken.
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Ein direkter Vergleich zwischen Meiji-Ära und Nachkriegszeit

Zu Beginn des Industrialisierungsprozesses hatte die Meiji-Regierung Wirtschaftspläne aufgestellt und der Industrie Zielvorgaben zwecks Planerfüllung gemacht, bis die Regierung bemerkte, daß sie selbst weder Industriebetriebe führen noch Güter produzieren konnte.

Deshalb entwickelten Regierung und Industrie ein Kooperations- und Beistandssystem zum Nutzen aller. Nur ist dieses System heute in mancherlei Hinsicht außer Funktion gesetzt.

Ein direkter Vergleich zwischen Meiji-Ära und Nachkriegszeit gibt nichts her, aber eine bemerkenswerte Tatsache sollte doch hervorgehoben werden: Seit Kriegsende haben alle Japaner gemeinsam an der Schaffung einer neuen Gesellschaftsordnung und am Wiederaufbau des - jetzt zur friedlichen Nutzung bestimmten - Industriepotentials gearbeitet; und erstmals in unserer Geschichte wurden die Früchte dieser Anstrengungen redlich geteilt - Japan gehört heute (1984), auch vom Lebensstandard her, zur Weltspitze.

Hier ein paar Beispiele unserer Entwicklungen

Selbstverständlich hat Japan auch in den letzten vier Jahrzehnten wieder auf fremde Technologien zurückgegriffen, um Versäumtes wettzumachen. Von diesen käuflich erworbenen Nutzungsrechten wurde teils unmittelbarer Gebrauch gemacht, teils wurden die Verfahren von uns weiterentwickelt.

So kauften japanische Stahlhersteller von den Österreichern das dort entwickelte Sauerstoff- Aufblaskonversionsverfahren *), aber nach weniger als 10 Jahren verkauften sie an ihre ehemaligen Lizenzgeber in Österreich eine verbesserte Variante des Verfahrens.

*) Von den VÖEST und der Österreichischen Alpinen zur Betriebsreife entwickelt. (A. d. Ü.)

Sony zum Beispiel gestaltete den Prototyp des Transistors für einen Verwendungszweck um, der von den geistigen Urhebern gar nicht erkannt worden war. Wir bauten einen völlig neuen Transistortyp, und im Zuge der Entwicklungsarbeiten wies Leo Esaki den Ein-Elektronen-Tunneleffekt nach, der zur Tunnel - beziehungsweise Esaki - Diode führte.

(Als Esaki siebzehn Jahre später hierfür den Nobelpreis erhielt, arbeitete er bereits für IBM. Frank Carey, der IBM Konzernchef, hätte die Feder gern am Hut seiner Forschungsabteilung gesehen, doch mußte er sich von Dr. Emanuel Piori, seinem Forschungsdirektor, über den wahren Sachverhalt informieren lassen. Als Frank Carey mich bei einer Pariser Konferenz darauf ansprach, sagte ich schlicht: »Wir freuen uns sehr.«
Das war eine mehr als zurückhaltende Äußerung; denn Esaki kam aus der Industrie; die übrigen japanischen Nobelpreisträger waren allesamt Hochschullehrer gewesen.)
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Die Unterscheidung zwischen adaptiver und originärer Kreativität

Dr. Makoto Kikuchi, der Chef unseres Forschungszentrums, unterscheidet zwischen adaptiver und originärer Kreativität. Mag man auch abfällig behaupten, daß Japan nur ersterem das Erreichen des internationalen Niveaus verdankt, so steht doch unbestritten fest, daß unser Land heute auf Grund eigener wissenschaftlicher Leistungen als vollwertiges Mitglied der technologischen Gemeinschaft anerkannt ist.

Japan, die Vereinigten Staaten und Westeuropa verkehren heute miteinander auf gleicher Ebene. Wenn Japan heute wissenschaftliche Konferenzen ausrichtet - wie etwa 1984 über die Computer-Technologie der fünften Generation -, versammeln sich Forscher aus aller Welt, um vom japanischen Fortschritt zu lernen.

Wie Dr. Kikuchi hervorhob, gibt es verschiedene Arten von Kreativität. Auf einer Veranstaltung des Atlantic Institute erklärte ich im Dezember 1985 in Paris den versammelten Europäern und Amerikanern, entscheidender Faktor der industriellen Weiterentwicklung sei die Kreativität, und zwar Kreativität auf den Gebieten der Technologie, der Produktplanung und des Marketing. Der Mißerfolg ist einem Unternehmen sicher, wenn es nur auf einem dieser Gebiete kreativ ist.
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Der technische Fortschritt in Japan ist unabhängig von der Rüstungsindustrie

Um einige Fehlbeurteilungen zu beseitigen, die es immer noch im Hinblick auf japanische Kreativität gibt, muß ich daraufhinweisen, daß sich der technische Fortschritt in Japan unabhängig von der Rüstungsindustrie vollzieht.

Die europäische und amerikanische Technologie dagegen ist bekanntlich zum großen Teil ein Abfallprodukt der staatlich finanzierten Verteidigungsanstrengungen. Dagegen ist nichts einzuwenden, doch in Japan gibt es keine nennenswerte Rüstungsindustrie.

Wir verändern fortwährend den Konsumgütermarkt und bringen kommerzielle Innovationen in jedes Haus. Interessanterweise hat in Europa und Amerika inzwischen eine gewisse Trendwende stattgefunden; die europäische und amerikanische Rüstungsindustrie sucht heute Zugang zum japanischen nichtmilitärischen Know-how.

So wurde tatsächlich zwischen Japan und den Vereinigten Staaten ein Abkommen über den Technologie-Transfer unterzeichnet; auf dem Sektor der Bildleittechnik arbeiten amerikanische Firmen heute mit von Japan entwickelten ladungsgekoppelten Halbleiterbauelementen (CCD).
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Die Träger der wissenschaftlichen Forschung sind staatlich

Außerdem sollte ich darauf hinweisen, daß in Japan nicht etwa private, sondern die staatlichen Universitäten Träger der wissenschaftlichen Forschung sind. Diese staatlichen Institute versuchen, sich jedem Einfluß von außen zu entziehen und wachen eifersüchtig über ihre Unabhängigkeit von der Privatwirtschaft.

Daher ist bei uns eine Zusammenarbeit zwischen der Industrie und den Universitäten schwieriger als anderswo. In Amerika dagegen ist der Austausch von Forschungspersonal und -mittein zwischen den Hochschulen und der Privatindustrie etwas völlig Normales.

Ich habe bereits angedeutet, daß in Japan die Last der Forschung von der Privatindustrie getragen wird. Das widerlegt die Annahme, daß Kooperation zwischen Staat und Privatwirtschaft die Ursache für den wirtschaftlichen Erfolg Japans sei.

Im Jahre 1984 wurden 77,7% der Kosten für Forschung und Entwicklung von der Wirtschaft getragen; der Anteil des Staates lag also nur bei gut 22%. In der Wirtschaft hat man manchmal sogar das Gefühl, daß uns die Regierung nicht hilft, sondern statt dessen innovativen Entwicklungen in Form von übermäßiger Intervention und veralteten Vorschriften Hindernisse in den Weg stellt.
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Hervorragend ausgebildetes japanisches Arbeitskräftepotential

Das hervorragend ausgebildete japanische Arbeitskräftepotential stellt seinen Wert beim Streben nach Kreativität auch weiterhin unter Beweis. In der Aufbauphase nach dem Krieg waren die niedrigen Lohnkosten noch ein großer Vorteil für die zwar aufblühende, jedoch nur geringen technologischen Anforderungen genügende Industrie.

Da heute aber nur noch Hochtechnologie gefragt ist, konnte sich Japan mit seiner gutausgebildeten Arbeitnehmerschaft der neuen Herausforderung stellen. Trotz hoher Lohnkosten bleibt die Intelligenz der Arbeitnehmer weiterhin ein Vorteil der japanischen Industrie.

Heute herrscht im Lande eine gewisse Unzufriedenheit mit dem derzeitigen Bildungssystem, das zwangsläufig dazu führt, daß sich die jungen Leute hauptsächlich Wissen aneignen, um die Zulassungsprüfungen zu renommierten Hochschulen zu bestehen.

Das System läßt ihnen zu wenig Zeit zum Experimentieren und selbständigen Denken. Es hat uns zwar bislang gute Dienste geleistet, nun aber erkundet man neue Wege, um das Bildungswesen effizienter zu gestalten und den heutigen Erfordernissen anzupassen.

Sony hat von seinen Mitarbeitern schon immer selbständiges Denken verlangt und auch bewiesen bekommen. Vom unternehmerischen Standpunkt aus gesehen, ist es außerordentlich wichtig, die angeborene Kreativität eines jeden Mitarbeiters freizusetzen. Denn jeder hat nach meiner Auffassung kreative Fähigkeiten, doch leider können sie nur von sehr wenigen genutzt werden.
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Eine Problem-Lösung - Der Mensch braucht ein Ziel

Ich löse dieses Problem stets durch eine Zielvorgabe. Bestes Beispiel für diese Methode ist das Apollo-Projekt der Vereinigten Staaten. Als die Sowjetunion den Sputnik, den ersten künstlichen Satelliten, in eine Erdumlaufbahn brachte und danach mit Jurij Gagarin den ersten Menschen in einer Raumkapsel ins All beförderte, wurde das Selbstverständnis der Amerikaner schwer erschüttert.

Viele Nationen, die den Vereinigten Staaten immer eine technische Führungsrolle zugeschrieben hatten, konnten kaum glauben, daß ein anderes Volk die Fähigkeit haben sollte, als erste in den Weltraum vorzustoßen. Amerika versuchte den Vorsprung der Russen einzuholen, aber erst als Präsident Kennedy ein klares Ziel setzte - bemannte Mondlandung vor Ablauf von zehn Jahren - wendete sich das Blatt.

Ein gewaltiger Sprung nach vorn tat not, um das gesteckte Ziel erreichen zu können. Die Voruntersuchungen wurden sofort in Angriff genommen: Wieviel Schub war nötig? Wie mußte das Navigationssystem beschaffen sein? Welche Computer mußten entwickelt werden? Danach wandte man sich der Materialfrage zu; man erfand die Graphitfaser und viele simple, aber zweckmäßige Dinge wie etwa das Klettenband.

Im Zuge des Forschungsprogramms wurde auch das Trägheitsnavigationssystem entwickelt, ohne das heute kein Verkehrsflugzeug mehr denkbar ist.
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Die MIL-Normen und das Null-Fehler-Programm

Die Zielerreichung setzte die Kreativität ungezählter Mitarbeiter *) voraus. Das Management hatte Unterziele vorzugeben und die Belegschaft zu Höchstleistungen anzuspornen. Das Null-Fehler-Programm der NASA gewann größten Einfluß auf die japanischen Qualitätssicherungsmethoden.

Wir waren mit den hohen amerikanischen Qualitätsstandards schon einmal in Berührung gekommen: Während des Korea-Krieges von 1950-53 führten militärische Beschaffungsstellen in Japan das MIL-Spezifikationssystem **) ein. Die amerikanischen Aufträge brachten der heimischen Industrie einen gewaltigen Aufschwung.

*) Am Apollo-Projekt waren etwa 2000 Firmen und Institutionen und
über 300.000 Beschäftigte direkt beteiligt.

**) Auflagen zur Qualitätssicherung von elektronischen und elektromechanischen Bauteilen, die unter erschwerten militärischen Bedingungen (militär. Einsatz, Luft- und Raumfahrt u. dgl.) funktionssicher bleiben müssen. (A. d. Ü.)

Wir Japaner nahmen uns die MIL-Normen und das Null-Fehler-Programm sehr zu Herzen. Der >Schutzpatron< der japanischen Qualitätssicherung ist seltsamerweise ein Amerikaner namens W. Edwards Deming, auf den man praktisch erst aufmerksam wurde, als seine Vorstellungen von Qualitätskontrolle die japanische Industrie bereits nachhaltig beeinflußten.

Die Amerikaner hatten die Stimme dieses Propheten zwar auch gehört, seine Ansichten aber weniger ernst genommen als wir. Der Deming-Preis für Qualität gehört zu den höchsten Auszeichnungen, die einer japanischen Firma verliehen werden können.
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Ein SONY CC-Recorder war mit in der Apollo-11 Kapsel

Wir Sony-Leute waren schon immer Qualitätsfanatiker; einfach deswegen, weil höhere Produktqualität weniger Service-Probleme nach sich zieht.

Erfreut, stolz und völlig überrascht erfuhren wir, daß die Besatzung der Apollo-11-Raumkapsel einen Sony-Kassettenrecorder auf die Reise zum Mond mitgenommen und in der Schwerelosigkeit erprobt hatte.

Die NASA hatte es sich viel Geld kosten lassen, um alle Bordgeräte auch bei Schwerelosigkeit funktionssicher zu machen. Unser handelsüblicher Recorder war bei einem entsprechenden Test nicht beanstandet worden, ohne das uns dies mitgeteilt worden wäre.

Als ich davon erfuhr, warf ich unseren Ingenieuren im Scherz übertriebenen Ehrgeiz vor. »Niemand hat verlangt, daß unsere Recorder unter Bedingungen der Schwerelosigkeit funktionieren. Es reicht, wenn sie überall auf der Erde ihren Dienst tun«, meinte ich.
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Mit der Zielvorgabe den Ehrgeiz ankurbeln

Wenn ein Ingenieur oder Wissenschaftler eine eindeutige Zielvorgabe hat, bemüht er sich nach Kräften um deren Realisation; wenn man aber dem Forscher anstelle eines Zieles nur einen enormen Etat gibt - »So, und nun erfinde mal was!« -, ist mit Erfolg nicht zu rechnen.

Leider ist letzteres bei den staatlichen japanischen Forschungsinstituten der Regelfall. Die Regierung glaubt, in einem großen, mit modernstem Gerät und großzügigen Geldmitteln ausgestatteten Labor stelle sich Kreativität ganz automatisch ein. - Das ist falsch.

In meiner Studienzeit errichtete einer unserer großen Elektrokonzerne in Mitteljapan in einem wunderschönen Hain eine neue Forschungsanstalt. Der architektonisch ebenso ansprechende wie zweckmäßige Bau verfügte über die modernste technische Ausstattung. Die dort tätigen Wissenschaftler wurden von allen Kollegen um ihre wunderbaren Arbeitsbedingungen beneidet.

Das Unternehmen glaubte, wenn man sich die Sache nur genügend Geld kosten ließe, würden die Wissenschaftler schon zu Ergebnissen kommen. Das Institut brachte indes nur wenig zustande - sieht man einmal davon ab, daß viele Wissenschaftler auf Firmenkosten forschen, um höhere akademische Abschlüsse zu erreichen.

So produzierte das bewußte Unternehmen zwar zahlreiche Doktortitel, brachte aber keine nennenswerten Produkte hervor.
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Ein Irrweg - damals auch von unserer Regierung

Unsere Regierung hat bei vergleichbaren Ergebnissen denselben Weg eingeschlagen. Auch in der Industrie ist ein theoretischer Hintergrund unerläßlich, und der Entwicklung neuer Produkte muß auflagenfreie Forschung vorausgehen; trotzdem habe ich erfahren, daß sich die gemeinsamen Anstrengungen nur bei Vorhandensein eines klaren Ziels konzentrieren lassen.

Ich will den Wert der reinen Grundlagenforschung nicht bestreiten. Wir sind im Augenblick sogar selbst intensiv damit befaßt; und ich meine auch, daß in Zukunft auf diesem Gebiet noch mehr getan werden muß; denn die Grundlagenforschung spielt bei der Entwicklung neuer Technologien eine entscheidende Rolle.

Wenngleich in Japan die Ausgaben für Grundlagenforschung gegenüber der angewandten Forschung und Entwicklung überproportional steigen, so besteht doch kein Grund zur Selbstzufriedenheit.

Aus dem Jahresbericht für 1985 des japanischen Instituts für Wissenschaft und Technik geht hervor, daß die Beteiligung unseres Landes an der Grundlagenforschung »als nicht ausreichend bezeichnet werden muß«. Des weiteren sagt der Bericht, daß Japan in die angewandte Forschung zwar mehr investiert als die drei großen europäischen Industrieländer, daß aber der auf die Grundlagenforschung entfallende Anteil niedriger und bei Universitäten und staatlichen Instituten zudem offenbar rückläufig ist. Das heißt nichts anderes, als daß die Grundlagenforschung Japans in zunehmendem Maße von der Industrie finanziert werden muß.
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Unser Anfang war : »Laßt uns ein Tonbandgerät bauen.«

Als wir kurz nach Gründung unseres Unternehmens noch nicht einmal Klarheit über die eigenen Fähigkeiten und die Begabungen und das Können unserer Mitarbeiter hatten, sagte Ibuka bereits: »Laßt uns ein Tonbandgerät bauen.«

Wir wußten nicht, aus welchem Material das Band zu fertigen war; wir wußten nicht, wie es beschichtet wurde - ja, wir wußten nicht einmal, wie ein Magnetband aussah.

Wir machten uns daran, spezielle neuartige Produkte zu entwickeln, doch nach der reinen Wissenschaft stand keinem von uns der Sinn. Mit zunehmender Expansion begaben wir uns jedoch nach und nach auch auf dieses Gebiet. Im übrigen sind die beiden Bereiche nicht eindeutig gegeneinander abzugrenzen.

Wir selbst bemühten uns zu keiner Zeit um staatliche Hilfen. Wenn wir von einer neuen Entwicklung hören oder selbst auf ein bislang unbekanntes Phänomen stoßen, fragen wir uns sofort:

  • Wie läßt sich das verwerten?
  • Was kann man damit anfangen?
  • Läßt sich daraus ein sinnvolles Produkt machen?


Das ist vielleicht eine typisch japanische Reaktion.
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Die Aufgabe der Chefetage - fortwährend neue Ziele vorgeben

Die Chefetage eines Industrieunternehmens muß den Ingenieuren fortwährend neue Ziele vorgeben. Dieser technische Aspekt des Aufgabenkomplexes der Unternehmensleitung ist besonders wichtig; denn gibt man falsche Ziele vor, werden Forschungsmittel vergeudet.

Daher wird dieser Aspekt zu Recht sehr hoch bewertet. Meiner Meinung nach setzt diese Teilaufgabe eine sehr gute Sachkenntnis voraus. Wenn unser kleines Unternehmen 1946 von einem Bilanzbuchhalter geführt worden wäre, wären wir heute ein kleiner Zulieferer der Großindustrie. Umgekehrt gilt, daß ein Nur-Wissenschaftler nicht unbedingt der beste Mann am Ruder ist.
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Peter Goldmark - der Erfinder der Langspielplatte

Der inzwischen verstorbene Peter Goldmark war ein bemerkenswert kreativer, äußerst fähiger Ingenieur. Er, der Erfinder der Langspielplatte, wurde schließlich Chef der CBS-Forschungslabors.

Er hatte den Einfall, Video-Aufzeichnungen mittels Schwarzweißfilm und Elektronenstrahl vorzunehmen. Die Demonstration des Verfahrens beeindruckte den CBS-Vorstand, der allerdings auf Grund mangelnder technischer Vorbildung kein Urteil abgeben konnte.

Doch Goldmark hatte einen ausgezeichneten Ruf als Erfinder und verstand es außerdem hervorragend, andere für seine Ideen einzunehmen. Mag sein, daß man ihm auch nicht die richtigen Fragen stellte, jedenfalls beschloß der Vorstand, eine Menge Geld in Goldmarks System zu investieren.

In der Hoffnung, uns seine Idee verkaufen zu können, trat Goldmark auch an mich heran; aber wir hatten uns bereits zu intensiv mit dem viel einfacheren Magnetaufzeichnungsverfahren beschäftigt.
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Peter, Sie sind mit "EVR" auf dem Holzweg .....

»Peter, wir sind selbst Video-Experten«, erwiderte ich ihm, »wir arbeiten schon lange an einem magnetischen Aufzeichnungsverfahren, und die Sache funktioniert phantastisch. Wir meinen, Sie sind auf dem Holzweg.«

Goldmark war enttäuscht. Die fotochemische Methode, sagte ich ihm daraufhin, sei zu kompliziert, und viel zuviel könne dabei schiefgehen. Die CBS hielt jedoch an dem Verfahren fest (sie nannten es EVR = Electronic Video Recording) und investierte sehr viel Geld, ließen es aber schließlich dann doch fallen. Das Verfahren beruhte zwar auf einer schöpferischen Idee, war aber geschäftlich unvernünftig.
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RCA und die kapazitive Bildplatte .....

Um noch ein Beispiel zu nennen: Die RCA versuchte sich mit einem mechanisch-kapazitiven System auf dem Bildplattenmarkt, mußte am Ende jedoch viele Millionen Dollar als Verlust abschreiben, weil sich das System als Flop herausstellte.

  • Anmerkung : Aber nur, weil Philips das mit dem deutlich besseren Laserspieler bereits fertig hatte und 1972 als funktionierends System vorstellte. Teledec und Pioneer scheiterten auch mit ihren Bildplattenspielern.


Ob nun die technische Ausführung oder die Technologie an sich schlecht war, ob die Verkaufspolitik, die Absatzförderung oder sonst etwas nicht ausreichte - der Fehlschlag muß als Versagen der Unternehmensleitung gesehen werden. Niemand in der RCA-Führungsspitze verstand etwas von Hochtechnologie. Führungskräfte, die die Brauchbarkeit eines Produkts nicht von der technischen Seite her beurteilen können, sind in einer äußerst unglücklichen Lage.

Ich habe es immer für gefährlich gehalten, daß professionelle Topmanager von einer Branche zur nächsten wechseln. Selbst wenn man einer Branche treu bleibt und sein Metier beherrscht, so gibt es dennoch keine Gewähr dafür, daß alle Möglichkeiten ausgeschöpft und Fehler vermieden werden, doch stehen die Chancen in diesem Falle weitaus besser.
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Es gibt noch weitere Beispele gelungener Innovationen

Die Ingenieure von Texas Instruments bewiesen mit dem Bau eines Hörfrequenztransistors schon weise Voraussicht, als wir uns noch mit dessen Entwicklung abmühten. Sie erfanden den integrierten Schaltkreis und wurden daraufhin die Hauptzulieferer von IBM und weiterer amerikanischer Rüstungsbetriebe.

Außerdem unterstützten sie die Firma Regency, die ein paar Monate vor uns das erste Transistorradio auf den Markt brachte. Trotzdem traf TI keine Anstalten, den Vorsprung in einen nachhaltigen Marktvorsprung umzumünzen.

Das Regency-Radio wurde nach kurzer Zeit aus dem Markt genommen. Hätte man sich anders entschieden, hätten wir Marktanteilen nachjagen müssen, aber der Konkurrenzkampf blieb aus, weil Regency Kleinradios offenbar für zukunftslos hielt. Wir waren ganz anderer Ansicht.
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Gute Iedeen aber ohne Erfolg - wegen mangelnder Kreativität

Man kann durchaus eine gute Idee haben oder eine fabelhafte Erfindung machen, ohne daß sich Erfolge einstellen. Produktplanung, das heißt die Umsetzung von Technologie in Produktform, verlangt daher kreatives Denken. Hat man ein gutes Produkt geschaffen, braucht man Kreativität, um es zu vermarkten.

Nur wenn sich die Kreativität auf diese drei Bereiche - Technologie, Produktplanung und Marketing - erstreckt, kann das Publikum aus einer neuen Technologie Nutzen ziehen. Ohne eine Unternehmensorganisation, die diesen drei Teilbereichen das zum Teil sehr langfristig erforderliche Ineinandergreifen gestattet, wird man neue Projekte nur schwerlich reifen sehen.
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Auch bei Mitarbeitern gefragt - Unternehmergeist

Es wird behauptet, die vielen Riesenunternehmen im heutigen Japan lassen keine unternehmerische Kreativität mehr zu. Da es heute aber mehr Risikokapital als je zuvor gibt, werden wir sehen, was neue kleine und innovative Firmen zustande bringen. Unser Großunternehmen fördert den Unternehmergeist durch das Organisationsprinzip.

Wir haben den Gesamtbetrieb nach Ressorts gegliedert - zum Beispiel Fernsehen, Video, Audio, Magnetik und so weiter. Jedes Ressort hat seinen eigenen Führungsstab, der für alle Aktivitäten allein verantwortlich ist; in den einzelnen Abteilungen ist nur der Sektionschef für seinen Bereich verantwortlich.

Er hat die Befugnis, neue Überlegungen, Entwicklungen oder Verfahrenstechniken direkt dem Topmanagement vorzustellen. Besitzt die Unternehmensleitung - wie in unserem Falle - technischen Sachverstand und schätzt sie die neuen Möglichkeiten günstig ein, darf der Betreffende die jüngsten Erkenntnisse weiterverfolgen.

Sehen wir für den Augenblick keine vernünftigen Verwendungsmöglichkeiten, dann verwerfen wir den Vorschlag nicht etwa, sondern behalten uns eine spätere Neubewertung vor.
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Die Grenzen des Familiengeistes - wir ließen ihn ziehen

Unlängst brachte einer unserer jungen Forscher ein Plasma-Display-System zur Sprache, das sich, entsprechend modifiziert, eines Tages vielleicht für Computer- oder gar Fernsehmonitore eignen könnte.

Seine Gedanken schienen uns jedoch zu weit in die Zukunft zu reichen, als daß es sich gelohnt hätte, im Augenblick schon viel Zeit und Geld zu investieren. Doch statteten wir den jungen Mann mit etwas Geld aus, zusätzliches Kapital beschaffte er sich selbst und machte sich dann selbständig.

Wir ließen ein solches Talent nur ungern ziehen. Andererseits war sein Unabhängigkeitsdrang so groß, daß auch wir für seine Begabung in einer flexibleren Umgebung die größeren Entfaltungsmöglichkeiten sahen.

Während ein Gedanke die Sony-Organisation durchläuft, bleibt der geistige Urheber dafür zuständig, seine Vorstellungen dem Konstruktions-, Produktions- und Marketingbereich schmackhaft zu machen, bis sie sich in Gestalt eines neuen Verfahrens oder eines marktfähigen Produkts konkretisiert haben.

Auf diese Weise bleibt einerseits der Familiengeist gewahrt, zum anderen bekommen die einzelnen Gruppen und ihre Mitglieder das Gefühl, nicht nur einer Mannschaft anzugehören, sondern gleichzeitig auch unternehmerisch tätig zu sein und dadurch zum Wohlergehen unserer ganzen Familie beizutragen.

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