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Achtung: Artikel und Texte aus NS/Hitler-Deutschland 1933-45

Nach der Gleichschaltung der reichsdeutschen Medien direkt nach der Machtübernahme in Februar/März 1933 sind alle Artikel und Texte mit besonderer Aufmerksamkeit zu betrachten. Der anfänglich noch gemäßigte politisch neutrale „Ton" in den technischen Publikationen veränderte sich fließend. Im März 1943 ging Stalingrad verloren und von da an las man zwischen den Zeilen mehr und mehr die Wahrheit über das Ende des 3. Reiches - aber verklausuliert.
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Die Emanzipation der Tonkamera - März 1935

Von Dr. Paul Hatschek, D.K.G, Berlin.

Die Entwicklung der Tonkamera verlief bisher in vollkommen anderer Weise "wie" (als) die der Bildkamera. Während die letztere stets so konstruiert wurde, daß sie für das Arbeiten mit beliebiger Optik und beliebigen anderen Vorsatzeinrichtungen verwendbar war, ja diese universale Verwendbarkeit geradezu als selbstverständliche Bedingung der Brauchbarkeit galt, verlief die Entwicklung der Tonkamera in genau umgekehrter Richtung.

Hier wurde nämlich stets nur von Fall zu Fall für einen bestimmten Tonschreiber eine Tonkamera konstruiert, die nicht einmal für Tonschreiber gleichen Prinzips jedoch anderer Type verwendbar war.

DerEntschluß, zu einer anderen Methode der Tonaufzeichnung überzugehen, bedeutete also nicht nur die Auswechslung des Tonschreibers, sondern auch zugleich der Tonkamera, deren Anschaffungspreis u. U. ein Mehrfaches des Tonschreibers selbst betragen mochte.

Während also die Bildkamera von Anbeginn an von Aufnahmeoptik und Vorsatzgeräten vollkommen emanzipiert war, hing die Tonkamera vollständig vom Tonschreiber ab, war also vollkommen unselbständig.

Eine Tonfilmkamera für mehrere Tonschreiber

Das Bedürfnis jedoch, die Tonfilmkamera zu emanzipieren, d. h. sie für beliebige Typen von Tonschreibern verwendbar zu machen, wächst immer stärker an. Dies hängt teilweise damit zusammen, daß sich in Europa die Umstellung von Sprossenschrift auf Zackenschrift und damit von einer Tonschreibergruppe zur anderen zu vollziehen beginnt, andererseits damit, daß territoriale Verschiedenheiten der Patentlage und der technischen Entwicklung zu fortwährenden Umstellungen besonders in den kleineren europäischen Ländern führen.

Dazu kommt, daß die technische Entwicklung verschiedener interessanter Tonaufzeichnungsverfahren immer wieder daran scheitert und scheitern muß, weil den Erfindern der neuen Systeme keine Tonkameras zur Verfügung stehen und die Entwicklung solcher durch Kostenfragen oder Unzulänglichkeiten mechanischer Natur gehemmt ist.

Es bildet das Verdienst der Prager Fa. Fribo, diese Tatsachen klar erkannt und eine universale Tonkamera konstruiert zu haben, die eben auf dem Markt erscheint. An dieser Entwicklung sind in hervorragendem Maße zwei Berliner Techniker beteiligt, über deren Aufnahmesystem mit Braunscher Röhre in Heft 4/1934, S. 53 eingehend berichtet wurde.
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Die Annehmlichkeiten einer transportablen Stromquelle

Die Konstrukteure waren von der Notwendigkeit überzeugt, daß eine wirklich universale Tonkamera keinesfalls gegen irgendwelche territorialen Schutzrechte verstoßen und konstruktiv so beschaffen sein mußte, daß das Arbeiten mit ihr auch an minder neuzeitlichen Stromnetzen und zwar sowohl im Atelier als auch außerhalb desselben möglich ist.

Infolgedessen entschloß man sich dazu, als Stromquelle für den Antriebsmotor der Tonkamera und die mit ihm synchron laufenden Projektormotoren eine Akkumulatorenbatterie von 110 Volt Klemmenspannung und solchen Abmessungen zu wählen, daß deren Transport keine Schwierigkeiten bereitet.

Zusätzliche Ladeeinrichtungen gestatten es, diese Batterie an beliebigen Netzen, allenfalls auch aus der Starterbatterie eines Autos aufzuladen.

Abgesehen von den sonstigen Annehmlichkeiten einer transportablen Stromquelle hat die Akkumulatorenbatterie eine außerordentlich konstante Klemmenspannung, durch welche die Verwendung von Schwungmsssen, die ja doch hauptsächlich nur zur Kompensierung von Netzschwankungen dient, und damit praktisch die Benutzung des einzigen maßgeblichen, in einer Reihe von Staaten in Geltung stehenden Patents (Deutsche Patentnummer: 387058} vermieden wird.

An die Akkumulatorenbatterie können nebst der Tonkamera bis zu drei Spezialmotoren von 1/6 PS Leistung (Größe: 210x110x110mm) angeschlossen werden. Die überschlägige Rechnung ergibt, daß sonach die Akkumulatorenbatterie bei verhältnismäßig kleinen Abmessungen mehrstündigen Aufnahmebetrieb gestattet, wenn mit drei Bildkameras gleichzeitig gearbeitet wird.

Die Aufnahmedauer verlängert sich entsprechend, wenn - was wohl in den meisten Fällen die Regel bildet - nur mit ein oder zwei Kameras gleichzeitig aufgenommen wird.
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Forderung nach vollkommen stetigem Bildablauf

Zur einwandfreien Erfüllung der Forderung nach vollkommen stetigem Bildablauf gehört bekanntlich nicht nur der Konstantlauf des Motors und damit der Transportorgane selbst, sondern auch die Sicherung dagegen, daß das Fi1mband relativ zu den Transportorganen unerwünschte Schwingungen ausführt.

Die Erfahrung hat gelehrt, daß hauptsächlich gezahnte Transportrollen und starre Gleitkufen zur Entstehung derartiger Schwingungen Anlaß geben. Bei der Fribos-Kamera erfolgt der Antrieb der Vor- und Nachwickerrolle gesondert vom Antrieb der eigentlichen Transportrolle und zwar der Antrieb der Sammeltrommel in der Kassette - wie aus der nebenstehenden Abbildung erkennbar - über eine biegsame Welle mit Friktionskpplung.

Die Transportrolle selbst ist ungezahnt. Durch diese Maßnahmen wird ein vollkommen stetiger Filmablauf erzielt, der das Freisein der Wiedergabe von dem gefürchteten zusätzlichen Ton garantiert, der sich als Heiserkeit oder Rauhigkeit in hohen Tonlagen bemerkbar macht.
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Keine Kugellager, nur Gleitlager

Zum Transportmechanismus ist noch zu bemerken, daß zwecks Erzielung eines vollkommen geräuschlosen Ganges bewußt von jeglichen Kugellagern abgesehen wurde und man sich zur ausschließlichen Verwendung von Gleitlagern besonders hoher Präzision entschieden hat.
Die Inneneinteilung wurde so gewählt, daß Tonschreiber auch unbequemen Formats (z. B. etwa größere Braunsche Röhren) verwendet werden können. Die Abbildung zeigt die Tonkamera mit einer eingesetzten Spezialglimmröhre.

Ebenso wurde genügend Raum freigehalten, um an geeigneten Stellen eine Photozelle und Spezialoptik einbauen zu können, mittels welcher derjenige Anteil des vom Tonschreiber gelieferten Wechsellichts, der sonst als Streulicht unverwertet bleibt, der Photozelle zugeleitet wird, die über einen Verstärker den Abhörlautsprecher betreibt.

Selbstverständlich ist für die gewählte Doppelkassette für 300m-Film ein Meterzähler und ein Einstellmikoskop, Zentralschalter, bequeme Steckbuchsen usw. vorgesehen, welche die Bedienung auf das äußerste vereinfachen.

Das Gewicht der Normalkamera mit aufgesetzter Kassette beträgt nur 36kg, so daß sie im Koffer von einem Träger transportiert werden kann. Trotzdem entschloß man sich zur Herstellung einer besonderen „Type R“ für Reportagezwecke, bei welcher es durch weitgehende Verwendung von Elektronguß gelang, das Gewichl auf 25kg herabzudrücken.

Zweifellos erscheinen demnach durch die Fribos-Kamera das unbestreitbare Bedürfnis nach Emanzipation der Tonkamera vom Tonschreiber erfüllt und nebenher alle jene Aufgaben gelöst, die an eine neuzeitliche Tonkamera gestellt werden.
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