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Achtung: Artikel und Texte aus NS/Hitler-Deutschland 1933-45

Nach der Gleichschaltung der reichsdeutschen Medien direkt nach der Machtübernahme in Februar/März 1933 sind alle Artikel und Texte mit besonderer Aufmerksamkeit zu betrachten. Der anfänglich noch gemäßigte politisch neutrale „Ton" in den technischen Publikationen veränderte sich fließend. Im März 1943 ging Stalingrad verloren und von da an las man zwischen den Zeilen mehr und mehr die Wahrheit über das Ende des 3. Reiches - aber verklausuliert.
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Neuere Gesichtspunkte zur Bewertung nichtlinearer Verzerrungen (eine Betrachtung aus 1935 !!!)

aus Heft 15 / Heft 16 im August 1935 von Dr. Paul Hatschek, D.K.G.

Das Grundproblem der angewandten Akustik und Elektroakustik, welches bei jeder Phase der Tonaufnahme und Tonwiedergabe auftritt, ist die Wiedergabe von Schwingungen.

Hierbei wird stets die Aufgabe gestellt, daß zwischen der Aufnahme- und der Wiedergabeschwingung eine lineare Beziehung besteht oder daß doch die Abweichung von der Linearität irgendwelche Grenzwerte nicht überschreitet.

Abb. 1 zeigt graphisch *1) die Verzerrung einer sinusförmigen Aufnahmeschwingung, die durch eine Abweichung von der Linearität verursacht wird. Die Analyse der verzerrten Wiedergabeschwingung zeigt, daß zu der sinusförmigen Aufnahmeschwingung unerwünschte zusätzliche Sinusschwingungen hinzugekommen sind.

Da wir uns hier nur mit Schwingungen des Hörbereichs befassen, so können wir diese Erscheinung auch so beschreiben2), daß zum aufgenommenen Primärton in (oder "bei") der Wiedergabe 0bertöne hinzugekommen sind.

Bezeichnen wir den Primärton mit f, so lassen sich die Obertöne, die stets ein ganzzahliges Vielfaches des Grundtones bilden, mit mf bezeichnen, wobei m
eine beliebige ganze Zahl (1, 2, 3, 4 usw.) sein kann.

Wenn gleichzeitig zwei Primärtöne f1 und f2 aufgenommen werden, so hat die Nichtlinearität zwischen Aufnahme- und Wiedergabeschwingung die Entstehung zweier Gruppen von Obertönen von der Form mf1 und nf2 zur Folge, wobei auch n jede beliebige ganze Zahl sein kann.

Die gleichzeitige Aufnahme zweier Töne hat aber die weitere Folge, daß sich außer den Obertönen auch noch Kombinationstöne bilden, und zwar die Summationstöne der Form mf1 + nf2 und die Differenztöne der Form mf1 - nf2.

Da nun im allgemeinen niemals ein einziger Primärton aufgenommen wird, so hat man damit zu rechnen, daß an der Verzerrung nicht nur Obertöne, sondern auch Kombinationstöne mitwirken.

Das Auftreten kann man als Klirrfaktor bezeichnen

Man ist dahin übereingekommen, denjenigen Teil der nichtlinearen Verzerrungen, der durch das Auftreten von Obertönen entsteht, als Klirrfaktor zu bezeichnen, während man neuerdings *3) den auf Kombinationstöne zurückzuführenden Teil der nichtlinearen Verzerrungen als Kombinationsfaktor, die gesamte Verzerrung als Verzerrungsfaktor bezeichnet.

  • Anmerkung : Heutzutage nennen wir das TIM


Wenn für den Klirrfaktor bei Vorhandensein eines einzigen Primärtones die Bezeichnung "k1", bei Vorhandensein zweier Primärtöne die Bezeichnung "k2", für den Kombinationsfaktor die Bezeichnung "K" und für den Verzerrungsfaktor die Bezeichnung "V" eingeführt wird, so ergeben sich die folgenden Definitionen und Beziehungen:
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Bild der Formeln (kommt noch)
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*1) Nach Eggert und Schmidt, Einführung in die Tonphotographie, S. 16.
*2) Vgl. Hatschek und Wiegand, Niederfrequenzverstärker, S. 13-14.
*3) Graffunder Kleee und Wehnert, Leistungs- und Verzerrungsmessungen an Rundfunk-Empfängerröhren in „Die Telefunken-Röhre", Heft 4, 1935.
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Die Verzerrungen beim Lichtton

Die Amplituden der beiden Aufnahmeschwingungen oder Primärtöne können in beliebigem Größenverhältnis (n) zueinander stehen, wobei sich der Fall gleicher Amplitudengröße (n = 1) als Extremfall erweist. In den beiden Abb. 2 und 3 ist das Verhältnis des Verzerrungsfaktors, des Kombinationstonfaktors und des Klirrfaktors k2 zum Klirrfaktor k1 für verschiedene Amplitudenverhältnisse (n) der beiden aufgenommenen Primärtöne graphisch dargestellt, woraus sich die Besonderheit des Falles der Amplitudengleichheit deutlich ergibt.

Dabei bezieht sich Abb. 3 auf symmetrische Verzerrungen, wie sie etwa bei Doppelzackenschrift oder Verstärkern mit Gegentaktausgang aufzutreten pflegen, während sich Abb. 2 auf eine quadratische Kennlinie bezieht und somit auf jene unsymmetrischen Verzerrungen, die etwa bei einfacher Zackenschrift und Verstärkern mit einfachem Ausgang typisch sind.

Beide Diagramme lassen erkennen, daß der Kombinationstonfaktor im Rahmen der Gesamtverzerrung eine größere Rolle als der Klirrfaktor selbst spielt, so daß der Verzerrungsfaktor nach Abb. 2 maximal 1,6 und nach Abb. 3 sogar 2,2mal so groß wie der Klirrfaktor selbst werden kann.

Die Mathematik, die Physik und die Psychologie

Durch diese Arbeiten erscheint die mathematische und physikalische Seite des Verzerrungsproblems weitgehend geklärt, während die Klärung der psychologischen Seite zum großen Teil noch aussteht. Diese Klärung ist aber um so notwendiger, als erst dann jene Konstruktionsbedingungen für Verstärker, Tonschreiber, Mikrophone und sonstige Geräte der angewandten Akustik und Elektroakustik festgestellt werden können, die das günstigste Kompromiß zwischen Herstellungskosten und Qualität verbürgen.

Denn eines steht bereits zweifelsfrei fest, daß die Charakterisierung der Linearität eines akustischen Geräts durch die prozentuale Angabe des Klirrfaktors vollständig unzulänglich ist.
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Symmetrische und unsymmetrische Verzerrungen

Erfahrungen mit der Doppelzackenschrift *4) und Gegentaktverstärkern *5) haben einwandfrei ergeben, daß das menschliche Ohr gegenüber unsymmetrischen Verzerrungen (vgl. Abb. 2) unvergleichlich empfindlicher ist als gegenüber symmetrischen (vgl. Abb. 3) Verzerrungen, so daß unter verschiedenen Geräten gleichen Klirrfaktors dasjenige als „besser" zu bezeichnen ist, welches nur symmetrische Verzerrungen hervorbringt.

Eine wichtige Erkentnis bezüglich der Klirrfaktorkennlinie

Eine weitere Eigenschaft akustischer Geräte beginnt erst in jüngster Zeit und vorläufig auch nur auf dem Gebiet der Verstärkertechnik einige Beachtung zu finden: die möglichen Varianten der Abhängigkeit der K1irrfaktorgröße von der Aussteueung.

Abb. 4 zeigt eine Darstellungsart dieser Beziehung, die als Klirrfaktorkennlinie allgemeine Verbreitung erfahren hat, obgleich sie - worüber hier der Nachweis erbracht werden soll - den psychologischen Verhältnissen nur unvollkommen Rechnung trägt.

Auf der Abszisse ist die Aussteuerung (quasi die Ausgangsleitung , auf der Ordinate der Klirrfaktor aufgetragen, beide in linearem Maßstab. Bei Gelegenheit von Diskussionen über die Gleichwertigkeit oder Unterlegenheit des B-Verstärkers gegenüber dem A-Verstärker wurde die Frage aufgeworfen, die offenbar am Kernpunkt des Problems vorbeigeht, ob die mit A oder die mit B in Abb. 4 bezeichnete Kennlinie die „bessere" sei.

Die Diskussion spitzte sich darum auf diese Frage zu, weil die marktgängigen Typen von A- bzw. B-Verstärkern Klirrfaktorkennlinien von der Form der mit A bzw. B in Abb. 4 bezeichneten aufzuweisen pflegen.

Dazu muß jedoch bemerkt werden, daß dieser Form-Unterschied im Gebiet starker Aussteuerung durchaus kein grundsätzlicher ist, daß man vielmehr in diesem Gebiet durch geeignete Maßnahmen *8) die Kennlinie praktisch beliebig verlaufen lassen kann, was für das Gebiet kleiner Aussteuerung nicht zutrifft.

Denn in diesem kann nur die Kennlinie des A-Verstärkers an die Nullinie außerordentlich angenähert werden, während die Kennlinie des B-Verstärkers in diesem Gebiet stets etwas höher liegen muß.

*4) Nach Pistor, vgl. Vortragsbericht in „Kinotechnik", Heft 7/1935, S. 115.
*5) Vgl. J. von Braunmühl in „Zeitschr. für techn. Physik“, Heft 12/1934.
*6) Vgl. Hatschek Verändereng von Röhrenkonstanten durch Schaltmaßnahmen. „Kinotechnik" Nr. 1, 1 1935.
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Es stellt sich eine grundsätzliche Frage

Die grundsätzliche Frage, die weit über das Verstärkerproblem hinaus von allgemeinster akustischer Bedeutung ist, hat daher dahin zu lauten, ob im Gebiet kleiner Aussteuerung ein besonders niedriger Klirrfaktor und somit auch Verzerrungsfaktor notwendig oder wünschenswert ist.

Diese Frage hätte nie gestellt werden können, wenn man sich (von Anfang an) zur ausschließlichen Darstellung der Klirrfaktorkennlinie in logarithmischem Maßstab entschlossen hätte, der allein maßgebend erscheint, weil für das menschliche Ohr die Empfindungslautstärke in Betracht kommt, die nach dem Weber-Fechnerschen Gesetz grundsätzlich logarithmischer Natur ist.

Die Klirrfaktorkennlinie bei kleiner Leistung

Würde man beispielsweise von einem Klirrfaktor von 10% ausgehen, so bedeutet dies, daß der Klirrfaktor der Empfindungslautstärke nach um 20 Phon schwächer ist als die Primärtöne *7). Im ungünstigsten Fall (vgl. zu Abb. 3) ist der Verzerrungsfaktor etwa doppelt so groß wie der Klirrfaktor, so daß die Verzerrungen im ungünstigsten Fall um rund 10 Phon lautschwächer gehört werden als die Primärtöne.

Bei Aussteuerungen bis zu 10 Phon kann daher der Klirrfaktor einen Wert bis 10% annehmen, ohne die Gehörschwelle von Null Phon zu überschreiten. Diese Überlegung beweist, daß der Verlauf der Klirrfaktorkennlinie im Bereich niedriger Aussteuerung vollkommen belanglos ist, wodurch auch die Spezialfrage des B-Verstärkers geklärt sein dürfte.

Die Klirrfaktorkennlinie bei mittlerer / höherer Leistung

Wesentlich schwieriger erscheint - ohne eingehende experimentelle Untersuchungen - die Beantwortung der Frage nach dem günstigsten Verlauf der Klirrfaktorkennlinie im Gebiet mittlerer und starker Aussteuerung, so daß man hier vorläufig nur auf Vermutungen angewiesen ist, die an Versuche und Arbeiten von Knudsen und von Ries *8) anknüpfen.

Von diesen wurde ziemlich einwandfrei festgestellt, daß der Mindestwert wahrnehmbarer Lautstärkenunterschiede über den ganzen Hörbereich eine Konstante bildet.

Diese Feststellung dürfte zu der Folgerung berechtigen, daß ein angenähert gleicher Unterschied der Empfindungslautstärke zwischen Primärtönen und Verzerrungsfaktor über den ganzen Aussteuerungsbereich wünschenswert ist oder daß wenigstens Veränderungen des Lautstärkenunterschieds nicht sprunghaft, sondern stetig erfolgen sollen.

In graphischer Betrachtung besagt dies, daß die Klirrfaktorkennlinie (vgl. Abb. 4) eine Gerade bilden sollte, die entweder genau horizontal verläuft oder wenigstens in geringem Maße stetig ansteigt oder abfällt.

In Abb. 4 kommt daher die Kennlinie B dieser Forderung recht gut nach, was mit vorgenommenen Hörversuchen in Übereinstimmung steht. Es darf jedoch keinesfalls vergessen werden, daß der Verlauf der Klirrfaktorkennlinie im Gebiet starker Aussteuerungen durchaus noch nicht abschließend festgestellt werden kann, sondern eingehende Versuchsreihen noch angestellt werden müssen.

*7) Da nämlich die Schalldrücke den Schwingungsamplituden proportional sind, so beträgt der Schalldruck P1 des Klirrfaktors im obigen Beispiel 1/10 des Schalldrucks Po des Primärtons: Po = 10 P1. Der Unterschied der Empfindungslautstärken (L) beträgt jedoch: L=20log P1/Po Phon, in unserem Beispiel daher 20 Phon.

*8) Vgl. G. W. Stewart und R. B. Lindsay, Akustik, Carl Heymanns Verlag, Berlin 1934, insbes. S. 243-245.
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Zusammenfassung

Zusammenfassend können zur Bewertung akustischer Geräte in bezug auf nichtlineare Verzerrungen die folgenden Regeln angegeben werden.

Die Größe des Klirrfaktors ist nicht allein ausschlaggebend, vielmehr kann der Verzerrungsfaktor im ungünstigsten Fall doppelt so groß wie der gemessene oder berechnete Klirrfaktor werden. Ferner hängt die Qualität der Wiedergabe nicht nur von der absoluten Größe des Klirr- bzw. Verzerrungsfaktors, sondern auch von dessen Form und Kennlinie ab.

Hierbei steht fest, daß die symmetrischen Verzerrungen erheblich schwächer als die unsymmetrischen Verzerrungen empfunden werden und daß der Verlauf der Klirrfaktorkennlinie im Bereich schwacher Aussteuerung innerhalb weiter Grenzen belanglos ist.

Über den günstigsten Verlauf der Klirrfaktorkennlinie im Bereich starker Aussteuerung läßt sich zwar noch nichts Endgültiges aussagen, doch besteht die wohlbegründete Vermutung, daß ein stetiger horizontaler oder doch wenig von der Horizontalen abweichender Verlauf anzustreben ist.

JM
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