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Achtung: Artikel und Texte aus NS/Hitler-Deutschland 1933-45

Nach der Gleichschaltung der reichsdeutschen Medien direkt nach der Machtübernahme in Februar/März 1933 sind alle Artikel und Texte mit besonderer Aufmerksamkeit zu betrachten. Der anfänglich noch gemäßigte politisch neutrale „Ton" in den technischen Publikationen veränderte sich fließend. Im März 1943 ging Stalingrad verloren und von da an las man zwischen den Zeilen mehr und mehr die Wahrheit über das Ende des 3. Reiches - aber verklausuliert.
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DIE KINOTECHNIK
HALBMONATSSCHRIFT FÜR DIE GESAMTE WISSENSCHAFT UND TECHNIK DER THEORETISCHEN UND PRAKTISCHEN KINEMAT OGRAPHIE

Heft 21 - Berlin, den 5. November 1935 - XVII. Jahrgang.

40 Jahre Kinematographie

„40 Jahre Kinematographie" das ist das Stichwort für den 1. November 1935; denn am gleichen Tage vor 40 Jahren haben die Brüder Max und Emil Skladanowsky in dem Berliner Varieté „Der Wintergarten erstmalig in Europa in öffentlicher Schaustellung auf eigens dazu gebauter Apparatur Filmbänder vorgeführt, die mit selbstkonstruiertem Apparat aufgenommen waren.

Dieses für die Geschichte der Kinematographie bedeutungsvolle Ereignis will die Reichsfilmkammer zum Anlaß nehmen, dem noch unter uns weilenden Max Skladanowsky als Pionier des Kinogewerbes eine besondere Ehrung zuteil werden zu lassen. Am Gebäude des Winerrgartens, der somit für die Kinematographie historisch gewordenen Stätte, wird am 1. November eine Erinnerungstafel angebracht werden.

Die Deutsche Kinotechnische Gesellschaft, die zur Förderung der Kinotechnik eingesetzte Stelle, weist mit besonderer Genugtuung darauf hin, daß Deutschland nicht nur auch, sondern ganz besonders an der Erfindung der Kinematographie sowie der Erkenntnis ihrer Bedeutung als Kulturgut und Volksunterhaltungsmittel beteiligt ist.

Denn wir Deutsche haben vor, neben und nach Edison und Lumiere zu verzeichnen:

1832 das Lebensrad von Stampfer,
1887 den elektrischen Schnellseher von Anschutz,
1894 dessen Projektor,
1895 Skladanowsky und
1896 Oskar Messter mit seiner Malteserkreuzschaltung, der Grundlage der heute üblichen Konstruktionen.

Teilen wir somit die Erfindung der Kinematographie, insbesondere des Stummfilms, mit Amerika und Frankreich, so ist die Erfindung des Lichttonfilms aber und seine praktische Durchbildung zu der die ganze Filmkunst in der Welt von Grund aus umwandelnden heutigen Form überwiegend deutsches geistiges Eigentum. Namen wie Vogt, Massolle und Engl mögen hier besonders genannt sein. So sind 40 Jahre Kinematographie für das deutsche Filmschaffen und die deutsche Kinotechnik ein stolzer Rückblick auf deutschen Erfindergeist, deutschen Weitblick und Wagemut, deutsches Pioniertum in Kunst und Technik, deren innigste Verbindung erst dem Kulturgut Film die höchste Vollendung bringt.

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Das 40jährige Jubiläum der Kinematographie

Am 1. November fand vor dem festlich geschmückten Hause des „Wintergarten“ in Berlin, in dem vor 40 Jahren die Brüder Max und Emil Skladanowsky erstmalig ihre selbst aufgenommenen Bilder bewegter Szenen in öffentlicher Vorführung auf der Leinewand darboten, die feierliche Enthüllung einer Gedenktafel statt. Den Mittelpunkt der Veranstaltung, zu der "Vertreter" von Staat und Stadt, Reichsfilmkammer und DKG erschienen waren, bildeten die Brüder Skladanowsky.
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Die Begrüßung .....

Nach einer musikalischen Einleitung begrüßte der Vizepräsident der Reichsfilmkammer, Hans Weidemann, die Versammelten; alsdann hielt der Vorsitzende der deutschen kinotechnischen Gesellschaft, Dr. W. Raths, eine Ansprache, in der er zunächst kurz den Stand der Technik skizzierte, wie er sich vor 40 Jahren darstellte:

In Amerika hatte Edison als Ergänzung zu seinem Phonographen bewegte Bilder auf Filmstreifen aufgenommen, die er jedoch nicht projizierte; aus Frankreich war die Kunde von privaten Vorführungen der Brüder Lumière gekommen, bei denen Bilder bewegter Szenen auf der Leinwand gezeigt worden waren; in Deutschland hatte schon einige Jahre zuvor Anschütz Bewegungen von Einzelpersonen nach aufgeklebten Bildern projizieren können.

Noch nirgends aber war geschehen, was die Brüder Skladanowsky am 1. November 1895 im Wintergarten unternahmen: die Vorführung auf selbstgebautem Apparat aufgenommener lebender Bilder mittels selbstkonstruierten Projektors vor einem großen Zuschauerkreise.

Der Vortragende wies auf die bedeutenden Schwierigkeiten hin, die hierzu in jener Zeit zu überwinden waren, als die Photographie noch in den Anfängen der Entwicklung steckte, als es noch keine hochempfindlichen Emulsionen, noch keine sicher funktionierenden Momentverschlüsse für kurze Belichtungszeiten gab, und von einer hochentwickelten Technik der Rohfilmherstellung, die heute Filme mit hundertstel Millimeter Genauigkeit perforiert, noch nicht einmal die Anfänge vorhanden waren.

Trotzdem gelang es den Brüdern Skladanowsky, auf Filmstreifen so kurzzeitige Aufnahmen zu machen, daß bei der Vorführung mit ihrem Doppelprojektor, den sie aus eigenen Ideen heraus, mit unzulänglichen Mitteln und ohne die Hilfe größerer Industriefirmen entwickelt, hatten, der Eindruck der Bewegung hervorgerufen wurde.
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... stolz darauf, daß es deutsche Männer waren ....

Darauf ergriff nochmals Hans Weidemann das Wort und betonte, daß die deutschen Filmschaffenden stolz darauf seien, daß es deutsche Männer waren, die damals den ersten Schritt zur Schaffung des heute über die ganze Erde verbreiteten Lichtspielhauses getan haben; er gemahnte, nicht über die Mängel der ersten Filme zu lachen, denen als Ausgang für die Gestaltung des heute hochentwickelten Filmes die Bedeutung des grundlegenden Experiments zukomme.

Er umriß alsdann kurz die Entwicklung des Films, wobei er besonders auf seine heutige Bedeutung als Kulturfaktor einging. - Darauf fand die Enthüllung der am Eingang zum Wintergarten angebrachten, von Prof. Paul Scheurich geschaffenen bronzenen Gedenktafel statt; sie zeigt in ihrem oberen Teil symbolisch ein Kind am Kurbelkasten, darunter die Worte:

  • In diesem Hause fanden am 1. November 1895 die ersten öffentlichen
  • Filmvorführungen in Europa durch Max und Emil Skladanowsky statt mit Hilfe eigens aufgenommener Filme und selbst erfundener Apparate
  • des Max Skladanowsky.

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Die persönliche Ehrung Max Skladanowskys

Am späten Nachmittag fand eine persönliche Ehrung Max Skladanowskys in der Reichsfilmkammer statt, bei der ihm Reichsminister Dr. Goebbels sein Bild durch Ministerialrat Seeger überreichen ließ.

Bei diesem Festakt hielt der Präsident der Reichsfilmkammer, Prof. Dr. Lehnich, eine Ansprache, die wir nachfolgend im Wortlaut wiedergeben, weil sie mit bemerkenswerter Klarheit die so oft angeschnittene Frage der „Erfindung der Kinematographie" behandelt und mit aller Deutlichkeit ausspricht, welche Verdienste sich Skladanowsky erworben hat und worin die Bedeutung seiner Arbeiten zu erblicken ist.

Mit diesen Ausführungen, so meinen wir, hat der Präsident der Reichsfilmkammer, ohne in den oft mit Leidenschaft geführten Streit um und mit Skladanowsky einzugreifen oder auch nur Stellung zu ihm zu nehmen, doch mit seiner Ansprache die Entscheidung in diesen Streitfragen gefällt und alle etwa weiter geplanten Auseinandersetzungen über diesen Fall gegenstandslos gemacht. Prof. Dr. Lehnich führte folgendes aus:

„Ich danke Ihnen, daß Sie gerade an diesem Tage so zahlreich meiner Einladung gefolgt sind. Ich begrüße die Vertreter der Behörden, der Partei, der Presse und alle Vertreter des deutschen Filmes.

Wir haben uns hier versammelt, um die vierzigste Wiederkehr eines Ereignisses festlich zu begehen, das für immer ein Markstein in der Geschichte des Filmwesens darstellen wird.

Die am heutigen Tage an dem Gebäude des Wintergartens enthüllte Gedenktafel hält nunmehr die Erinnerung daran wach, daß am 1. November 1895 der Deutsche Max Skladanowsky, unterstützt von seinem Bruder Emil Skladanowsky, zum erstenmal in aller Oeffentlichkeit das veranstaltet hat, was man als eine Kinovorführung bezeichnen kann.

Es kann nicht meine Aufgabe sein, im einzelnen auf die verwickelten technischen Zusammenhänge und die voneinander getrennte Pionierarbeit einer Reihe ausgezeichneter Techniker des In- und Auslandes einzugehen, aus deren Ergebnis dann eines Tages wie ein Wunder das dagestanden hat, was aus dem Leben der Kulturwelt heute nicht mehr wegzudenken ist: die Kinematographie.

In meiner Eigenschaft als Präsident der Reichsfilmkammer muß ich mit besonderem Nachdruck zwei Tatsachen feststellen: Einmal verbietet es das Verantwortungsgefühl vor der geschichtlichen Wahrheit, irgend jemandem Verdienste zuzumessen, die ihm nicht gebühren und die mit den durch die Forschung erwiesenen Tatsachen nicht im Einklang stehen.

Deshalb wollen wir davon absehen, die Erfindung der Kinematographie als das Werk eines einzigen Mannes hinzustellen, denn bei dieser Erfindung, wie bei vielen anderen, haben mehrere, jeder an seinem Teile, eine Leistung vollbracht, die, zusammengenommen, dann schließlich den Enderfolg darstellten. So hat der Amerikaner Edison in seinem Kinetoskop die erste Grundlage für das Filmgerät geschaffen und insbesondere der Welt den Normalfilm geschenkt.

Der Franzose Lumière hat eine entscheidende Verbesserung gebracht, indem er das Kinetoskop in Projektion vorführte und außerdem die bei dem Aufnahmegerät bewährte Greiferschaltung schuf.

Der Deutsche Oskar Meßter hat dann schließlich die Vollendung gebracht, indem er mit der Einführung des Maltheserkreuzes die brauchbare Schaltung brachte und damit das wirklich praktisch brauchbare Vorführgerät vollendete.

Zum anderen kann es nicht meine Aufgabe sein, den Boden für unfruchtbare wissenschaftliche Streitereien zu nähren oder mich an ihnen in irgendeiner Form zu beteiligen. Größtenteils handelt es sich dabei um Fragen, deren Beantwortung uns doch keinen Schritt vorwärtsbringt und bei denen man über allen Kleinigkeiten und Einzelheiten das große Ganze aus dem Auge zu verlieren droht.

Es ist belanglos, ob beispielsweise die von Skladanowsky bei seiner historischen ersten Kinovorführung im Wintergarten verwendete Apparatur nach unseren heutigen Begriffen noch mit Mängeln behaftet war oder ob ein unvollkommener Bildstreifen und eine für die weitere Entwicklung bedeutungslose Schaltung verwendet wurde, da doch das eine feststeht, daß es bei dieser Gelegenheit jedenfalls gelungen ist, Filmaufnahmen auf der Leinwand dem erstaunten und begeisterten Publikum vorzuführen.

Es muß uns rückblickend heute als etwas Großes erscheinen, daß Sie, Herr Skladanowsky, als ein weder mit Glücksgütern gesegneter, noch von mächtigen Gönnern begünstigter selbständiger deutscher Bastler es verstanden haben, ein Gerät zu schaffen, das dieses Ergebnis zeitigte.

Sie haben unbekümmert um andere sich damals auf die Bühne des Wintergartens gestellt und Ihre Filme, die Sie selbst aufgenommen hatten, laufen lassen. Sie haben auf einmal der Öffentlichkeit
gezeigt, daß es möglich war, die Photographie zum Leben zu erwecken und als bewegte Handlung den Menschen vorzuführen.

Damit sind Sie derjenige gewesen, der der Oeffentlichkeit den entscheidenden Anstoß gegeben hat, und es kann, wenn man dieses Verdienst festhält, nicht entscheidend sein, ob dann später andere mit besseren Geräten und größeren Mitteln Vollkommeneres geleistet haben.

Seit jener ersten Kinovorführung von 1895, die nur eine Varietenummer war, sind Tausende von Lichtspielhäusern entstanden, in denen das Filmwesen eine würdige Stätte gefunden hat. Entwicklungen, die man damals kaum ahnte, sind heute zur Wirklichkeit geworden.

Für ihre Pioniertat, die Sie heute vor 40 Jahren mit Ihrer ersten Filmvorführung im Wintergarten vollbracht haben, danke ich Ihnen, Herr Skladanowsky, im Namen aller, die in Deutschland und in der Welt am Film schaffen. Ich freue mich, nach soviel Jahren Sie in voller Würdigung Ihres Verdienstes heute durch diese Veranstaltung ehren zu können.

Wie sehr auch Herr Reichsminister Dr. Goebbels Ihre Verdienste anerkennt, geht daraus hervor, daß er Ihnen durch Herrn Ministerialrat Dr. Seeger sein Bild mit Widmung überreichen läßt.

  • Anmerkung : Aber selber gekommen ist er nicht, der Herr Reichsminister.


Der Film, einst die kinematographische Erfindung, ist zum gewaltigen Kulturfaktor im deutschen Leben geworden. Er ist im nationalsozialistischen Deutschland zur höchsten künstlerischen Leistung berufen. Helfen wir alle zusammen an seinem Aufbau!

Folgen wir alle dem Ruf und Gebot seiner größten Förderer, unseres Führers Adolf Hitler und unseres Ministers Dr. Goebbels! Ihrer gedenken wir in dieser Stunde.

Unser Führer und Dr. Goebbels Sieg Heil!"

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Eine im Sinne der Nationalsozialisten gehaltenen Rede im November 1935
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Ob der Herr Skladanowsky ein wirklich gutes Gefühl im Bauch hatte, ist nicht überliefert. So oder so mußte er zu seiner Belobigung "antanzen". Als 1938 der greise Paul Nipkow in Berlin zu dem ersten deutschen Fernsehsender geschleppt wurde, bekam er wenigstens eine Ehrenrente von 800 Reichsmark, damit er nicht verhungert wäre. Denn mit dem Fernsehsender unter seinem Namen hatte er immer noch nichts Eßbares auf dem Esstisch.

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Nov. 1935 - Das Jubiläum der Kinematographie in Frankreich

Auch in Frankreich hat man nicht versäumt, das 40jährige Jubiläum der Kinematographie festlich zu begehen. Am 6. November 1935 fand zu Ehren Louis Lumières im Beisein des Präsidenten der Republik eine festliche Veranstaltung statt, zu der außer den Spitzen der Behörden, der Technik, Kunst und Wissenschaft auch Vertreter vieler Länder geladen waren. Deutschland war durch Dr. Scheuermann, den Präsidenten der Internationalen Filmkammer, vertreten.

Die Deutsche Kinotechnische Gesellschaft richtete an die "Société Française de Photographie et de Cinematographie" in Paris folgendes Glückwunschschreiben:

Die Deutsche Kinotechnische Gesellschaft entsendet Ihnen zum Lumière-Jubilâum ihre aufrichtigsten Glückwünsche. Die Deutsche Kinotechnische Gesellschaft als die "berufene" ?? Vertreterin der deutschen Filmtechnik erkennt die großen Verdienste an, die sich Louis Lumière um die Erfindung der Kinematographie durch seine genialen Konstruktionen und durch seinen der damaligen Zeit vorauseilenden wirtschaftlichen Scharfblick erworben hat.

So wie sich die Kinematogaphie aus dem Zusammenarbeiten vieler genialer Männer aus vielen Ländern zu ihrer heutigen Höhe entwickelt hat, so hoffen und wünschen wir anläßlich des in der Geschichte der Kinematographie bedeutsamen 6. November, daß auch in Zukunft Kinematographie und Film bei Aufrechterhaltung nationaler Eigenheiten ein Völker verbindendes und Völker versöhnendes Band darstellen mögen und daß durch internationale Zusammenarbeit wie auf anderen, so auch auf filmtechnischem Gebiete die Saat, die Louis Lumière gesät hat, fortdauernd neue Früchte hervorbringen möge. Die Deutsche Kinotechnische Gesellschaft.

Der Vorsitzende: Dr. W. Rahts.

Auch in Paris wurde zur Erinnerung an die erste öffentliche Vorführung lebender Bilder in Frankreich durch die Brüder Lumière eine Gedenktafel enthüllt - der Text hat folgenden Wortlaut:

Ici le 28 décembre 1895 eurent Heu les premières projections publiques de photographie animée a l’aide du cinématographe, appareil inventé par les frères Lumière.

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Die Jubiläumsveranstaltung der Reichsfilmkammer und der Deutschen Kinotechnischen Gesellschaft
„40 Jahre deutsche Kinotechnik“

Am Dienstag, dem 10. Dezember 1935, hatten der Präsident der Reichsfilmkammer und der Vorstand der Deutschen Kinotechnischen Gesellschaft zu einer Veranstaltung in das „Haus der Kameradschaft vom 30. Januar 1933" in Berlin, Schadowstraße 7, eingeladen, deren Zweck und Bedeutung aus der Ansprache hervorgeht, die der Präsident der Reichsfilmkammer, Prof. Dr. Lehnich, nach Eröffnung der Sitzung durch den Vorsitzenden der Deutschen Kinotechnischen Gesellschaft, Dr. W. Rahts, an die Versammelten richtete; er führte folgendes aus:

Meine Damen und Herren!

Der Vorstand der Deutschen Kinotechnischen Gesellschaft und ich haben Sie heute hierher gebeten, um Ihnen, die Sie am Film interessiert sind, in Wort und Bild einen Rückblick auf 40 Jahre deutsche Kinotechnik zu geben und damit zugleich ein Jubiläum zu feiern, das für die deutsche Technik ein Ruhmesblatt ist.

Ich freue mich über das große Interesse, das diese Veranstaltung gefunden hat und begrüße Sie, insbesondere die Vertreter der Behörden, der Partei, der Wirtschaft und der Wissenschaft.

Die Veranstaltung dient der Erinnerung an das Jahr 1895, das für die Kinotechnik und damit für das Kulturgut Film in der ganzen Welt höchst bedeutungsvoll geworden ist, denn in diesem Jahre haben die ersten öffentlichen Kinovorführungen in Europa stattgefunden; wir feiern mit diesem Jubiläum zugleich die deutschen technischen Pionierarbeiten von Anschütz, Skladanowsky und Messter, durch die schon damals der entscheidende Übergang von der Photographie zur Kinematographie vorbereitet worden ist.

(ein Lob auf die Reichsfilmkammer)

Mir ist es eine besondere Freude, durch diese von der Reichsfilmkammer gemeinsam mit der DKG veranstaltete Jubiläumsfeier der Kinotechnik zum Ausdruck bringen zu können, daß sich das in der Reichsfilmkammer ständisch zusammengefaßte deutsche Filmschaffen zu enger und fruchtbarer Zusammenarbeit mit der von der Deutschen Kinotechnischen Gesellschaft erfaßten deutschen Kinotechnik verbunden hat.

Von den primitivsten Anfängen vor 40 Jahren, "wo" der Film uns lediglich als technisches Wunder erschien, entwickelte er sich zur Vollendung von heute, "wo" wir in ihm das Kunstwerk sehen wollen. Wir dürfen nicht vergessen, daß die moderne Kinotechnik heute genau so wie früher wertvolle und unentbehrliche Helferin zu diesem von allen Filmschaffenden erstrebten Ziel ist.

Nur im engen Zusammenwirken von Kunst, Wirtschaft und Technik auf dem Gebiete des Films werden Werke entstehen können, die künstlerische und kulturelle Höchstleistung bedeuten. Die Deutsche Kinotechnische Gesellschaft, als berufener Zusammenschluß aller an der Entwicklung der Kinotechnik Beteiligten, wird in der Reichsfilmkammer immer ihren Freund und Förderer finden, wenn sie auch in Zukunft, ihrer Tradition bewußt, darum bemüht ist, unseren künstlerisch und wirtschaftlich Filmtätigen das beste Werkzeug und die beste Ausbildung zu geben.

An dieser Stelle möchte ich noch besonders darauf hinweisen, daß unser Ziel sein muß, in ständiger Fühlungnahme mit dem Auslande den Stand unserer Kinotechnik ständig zu heben, um auf diese Weise dem deutschen Film in der Welt Geltung zu verschaffen.

Wenn wir heute mit Stolz auf die deutsche Kinotechnik zurückblicken, so muß das zugleich allen, die in und am Film schaffen, seien sie Künstler, Wirtschaftler oder Techniker, Ansporn sein, in Zukunft die Arbeitskameradschaft noch enger und fester zu gestalten und mit allen Kräften dem deutschen Film zu dienen.
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Der Vorsitzende der DKG, Dr. Rahts fährt fort

Nach dieser Ansprache des Präsidenten der Reichsfilmkammer, Prof. Dr. Lehnich, nahm der Vorsitzende der DKG, Dr. Rahts, das Wort zu einem geschichtlichen Überblick über die Entwicklung der Film- und Kinotechnik in den ersten 40 Jahren ihres Bestehens.
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Seine Ausführungen - nur Lob auf "Deutsche"

Angesichts der mit primitivsten Mitteln zusammengebastelten Apparate, mit denen die Brüder Skladanowsky im Jahre 1895 ihre ersten Aufnahmen machten und im Wintergarten vorführten, könne man das Wort prägen: „Im Anfang war die Technik", denn es gab damals keine Filmkunst und keine Filmwirtschaft.

Den Übergang zur Kino-Industrie haben wir zweifellos Oskar Messter zu verdanken; nach den ersten Vorführungen war er es, der in Deutschland Grundlegendes auf dem Filmgebiet schuf. Er baute nicht nur die ersten käuflichen Aufnahmeapparate, Filmbearbeitungsmaschinen und Vorführungsapparate, sondern er erkannte auch als erster die Möglichkeit der Erschließung eines vollkommen neuen Wirtschaftsgebietes; Ende 1896 konnte man bei ihm bereits alles haben, einschließlich fertiger Filme.

Dies muß als Verdienst Oskar Messters besonders hervorgehoben werden; denn Lumière in Lyon hielt seine Apparate geheim und auch die Brüder Skladanowsky verwendeten ihren Apparat nur für eigene Schaustellungen.
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Die weitere Entwicklung

Die nächsten Jahre zeigten zunächst eine nur langsame Weiterentwicklung; bis 1900 gab es in Deutschland fast nur Wanderkinos; im Laufe der nächsten 10 Jahre entstanden dagegen bereits etwa 1.000 feste Kinos zu je etwa 200 Sitzplätzen.

Die Grundlagen für diese Entwicklung sind technischer Art, die Verschmelzung von Kunst und Technik ist auf dem Gebiete des Films eine besonders innige, während bei anderen Künsten die Technik eine untergeordnete Rolle spielt; die Technik des Films erstreckt sich auf sehr weite Gebiete der Naturwissenschaften, auf Photochemie, Optik, Akustik, Elektrotechnik usw.

Der Vortragende erläuterte die technische Entwicklung des Films weiter, indem er die einzelnen Teile getrennt betrachtete: Das Atelier, das Aufnahmematerial, die Bearbeitung (Kopieranstalten) und die Vorführung.

Die letzte Etappe auf dem Wege bis zum heutigen Stande des Films war die Einführung des Tonfilmes auf elektroakustischer Grundlage, die wir vor etwa sieben Jahren erlebten.

Durchgearbeitet bis zur Theaterfähigkeit von den drei Männern der deutschen Triergon-Erfindergruppe, Vogt, Massolle und Engl, gelang es leider nicht, ihm in Deutschland unmittelbar Ausbreitung zu verschaffen, vielmehr gelangte er erst auf dem Umwege über USA in seine Heimat zurück.

  • Anmerkung : Selbstverständlich enthielt er sich jeglicher Kritik an den deutschen Banken und den anderen beteiligten deutschen Filmfirmen wie der UFA und anderen, die völlig zukunftsblind die drei Genies von Triergon finanziell an die Wand laufen ließen.


Die Entwicklung des Tonfilmes, so führte der Vortragende aus, ist eine technische Angelegenheit, ein Fall, bei dem die Technik herrschend aufgetreten ist, bei dem die künstlerisch Tätigen sich nach der Technik haben richten müssen und bei dem letzten Endes allen zugute gekommen ist, was die Technik geschaffen hat. So werde es wohl auch in Zukunft bleiben.
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Die Überleitung von Tonfilm zum Farbenfilm

Es werden sicherlich wieder neue Momente auftreten: das Problem des Farbenfilms, das wohl im Laufe der nächsten fünf Jahre seine Lösung finden werde, und das des plastischen Filmes. Es wird wieder die Technik sein, die Künstler und Wirtschaft vor diese neuen Fragen stellt, und Sache aller gemeinsam wird es sein, daß etwas Schönes dabei herauskommt.

Im Anschluß an diesen Vortrag erfolgte die Vorführung des Ufa-Kulturfilmes „Als man anfing zu filmen“, in dem Oskar Messter persönlich in Wort und Bild die wichtigsten kinotechnischen Erfindungen, auf denen alles Weitere sich aufbaut, erklärt, und in denen er auch Ausschnitte aus Filmen der allerersten Zeit zur Vorführung bringt - ein hochinteressanter Film, der mit großem Beifall aufgenommen wurde.
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Zwei weitere ebenfalls unkritische Vorträge

Die beiden weiteren Vortragenden des Abends unterzogen sich der Aufgabe, unter Vorführung instruktiver Szenenausschnitte aus Spielfilmen die Anwendung der Technik im Filmschaffen zur Darstellung zu bringen.

Es sprach zunächst Herr Wysbar in Vertretung Carl Froelichs, der durch Krankheit am Erscheinen verhindert war. Der Vortragende erläuterte als Erstes den Übergang von der ursprünglich allein üblichen starren Totaleinstellung über die Nah- und Großaufnahme zur entfesselten Kamera (Bildbeispiele aus „Mazurka", „Mortimer“, „Choral von Leuthen", „Die Diva in Vertretung"), erläuterte die Entstehung der Doppelgänger aufnahme (Conrad Veith in dem Stummfilm „Student von Prag").

Dann gab er ein sehr charakteristisches Beispiel für die Anwendung des Wandelprospektes (Pola Negri in der Schlußszene von „Mazurka", in der ("wo") sie scheinbar eine Treppe hochsteigt, in Wirklichkeit aber ihren Platz nicht verläßt, vielmehr der Hintergrund vorbeigezogen wird), zeigte dann mehrere Kombinationsaufnahmen, durch welche die mittels des Rückprojektion- und des Dunning Verfahrens zu erzielenden Bildwirkungen veranschaulicht wurden (Straßenbahnszene aus „Endstation", Szene aus dem Piel-Film „Ein Unsichtbarer geht durch die Stadt") und gab auch Beispiele für die Ausnutzung von Model- und Spiegeltrick aufnahmen („Der Kurier des Zaren“).

Schließlich wurden noch die Möglichkeiten mit Vorrichtungen im Ateliergelände, die Erzeugung künstlichen Regens im Filmbild und der Gebrauch von Überblendungen und Überkopierungen zur Darstellung gebracht; ein vortreffliches Beispiel dafür, wie durch Überkopierungen Rückerinnerungen im Bild gezeigter Menschen sichtbar gemacht werden können, bildete eine Bildfolge aus dem Film „Fähnlein der sieben Aufrechten".
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Die Naturfilme von Dr. Fanck werden gezeigt

Es nahm dann Herr Dr. Fanck das Wort, der den Versammelten an Hand von Ausschnitten aus seinen eigenen, prächtigen Naturfilmen in anschaulicher Weise erläuterte, wie er jeden Vorteil, den die fortschreitende Technik im Lauf der Jahre zu bieten vermochte, nicht nur zur Hebung der Bildqualität, sondern auch zur Erzielung neuartiger Bildwirkungen auszunutzen verstanden hat.

Den kurzen Einblick, den der Vortragende einleitend in seine Studien und Tätigkeit vor Aufnahme der Filmarbeiten gab, machten es verständlich, daß er zu einem „Fanatiker der Technik und aller technischen Vervollkommnungen des kinematographischen Rüstzeuges“ geworden ist.
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Der erste Naturfilm „Wunder des Schneeschuhs“

1919 stellte Dr. F a n c k seinen ersten Naturfilm „Wunder des Schneeschuhs“ her; mit einer denkbar bescheidenen Aufnahmeausrüstung - einer alten Ernemann-Kamera mit nur einem Objektiv, einem alten Stativ und 3.000m Rohfilm in „geklebten Längen" - schuf er einen Welterfolg!

Allerdings war es ihm gelungen, seine Ausrüstung um ein kostbares Stück, eine Ernemann-Zeitlupe, zu bereichern; sie bot ihm Gelegenheit, zum erstenmal in einem Spielfilm Zeitlupenaufnahmen zu zeigen, die ihren Eindruck auf den Zuschauer nicht verfehlten.

Die Versammlung bekam diese ersten Zeitdehneraufnahmen zu sehen, aber darüber hinaus auch solche, die später für andere Filme („Die weiße Kunst“, „Der heilige Berg“, „Das weiße Stadion") mit neuen Apparaten aufgenommen worden waren und die allmählich immer weiter fortschreitende Verbesserung dieses Kameratyps deutlich erkennen ließen.

Die Umwertung der Bewegungen im entgegengesetzten Sinne durch die Zeitraffer aufnahme wurde an sehr eindrucksvollen Wolkenbildern, unter denen besonders das Hinüberwälzen der sogenannten Föhnmauern über die Bergkämme erwähnt sei, demonstriert.
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Ein neuer „Schwenk- und Neigekopf" - der Kurbelkopf

Ein weiteres Problem, dessen Bedeutung der Vortragende in anschaulicher und überzeugender Weise erläuterte, ist das schon zuvor von Herrn Wysbar behandelte und mit instruktiven Atelierszenen illustrierte „Mitgehen mit den handelnden Personen" durch Neigen und Schwenken der Kamera.

Dr. Fanck begleitete seine Ausführungen mit Szenen aus der hochgebirglichen Winterlandschaft und bewies, wie erst die Ablösung des alten Kamerastativs mit seinem durch Kurbeln zu betätigenden „Schwenk- und Neigekopf" (dem sogenannten Kurbelkopf) durch das moderne „Verfolgungsstativ" die Fesseln sprengte, die dem Regisseur dereinst auferlegt waren, wenn es sich um das „Mitgehen" mit einem schnell dahinsausenden Skifahrer (z. B. in „Das weiße Stadion" und „Der weiße Rausch"), mit einem Flieger („Stürme über dem Mont Blanc“, „SOS Eisberg") usw. handelte.

Neue Technik - gezeigt durch begleitende Vorführungen

Die weiteren Aus- und Vorführungen galten dem Nachweis, wie die Technik durch ständige Verbesserung der Emulsionen (erst die hochfarben-empfindliehe Schicht bot die Möglichkeit, Menschen und Himmel, Schnee und Eis in naturwahrer Wiedergabe zu schildern!), durch Schaffung von Objektiven extremer Lichtstärke und solcher langer Brennweiten (Tele- und Spiegellinsensysteme) dauernd neue Möglichkeiten bot, das dramatische Geschehen in den Szenen bildlich zu unterstützen und Effekte in das Bild zu legen, die ehedem unerreichbar waren.

Die begleitenden Vorführungen ließen mit Deutlichkeit erkennen, wie der technische Fanatismus Dr. Fancks ihn mit Begeisterung alle technischen Fortschritte aufgreifen und verständnisvoll verwirklichen ließ, und wie der Künstler Fanck hierdurch in die Lage versetzt wurde, Naturbilder von dramatischer Wucht und künstlerischer Vollendung auf die Leinwand zu zaubern.

Der Beifall der Versammlung bewies, daß diese Darstellungen der „Technik als Hilfsmittel des Filmschaffens" größtem Interesse begegnet waren.

Der Vorsitzende der DKG, Herr Dr. Rahts, bemerkte in seinem Schlußwort, daß wir zwar nicht am Schlusse dessen angelangt seien, was wir noch alles hätten zeigen können, daß aber die vorgerückte Zeit zwinge, Schluß zu machen.

Er dankte den Herren Wysbar und Dr. Fanck, daß sie in so außerordentlich anschaulicher und packender Weise dargestellt hatten, was die Technik auf dem Gebiete des Films bedeutet.

Es war 10.45 Uhr abends geworden, als sich die Versammelten zu geselligem Beisammensein auf die übrigen Räume des Hauses verteilten.

L. Kutzleb.

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