Das Buch "German crisis" - "Deutschland so oder so" aus 1932
Dieses Buch aus dem Frühjahr 1932 !!! enthält ganz viele Gedanken und Wahrheiten aus der Zeit vor der Machtübernahme Adolf Hitlers im März 1933. Der amerikanische Autor bereiste bereits während seines Studiums viele Orte in Deutschland und Europa und beschrieb sehr viele teils unbekannte Zustände der damaligen Gesellschaft. Und er belegt seine Schlussfolgerungen mit fundierten Daten. - Solllten Sie hier direkt eingelandet sein, beginnen Sie besser auf dieser einführenden Seite. Ganz viele zusammengesuchte Erklärungen und Ergänzungen haben wir auf dieser Erklärungs-Seite eingebracht, Informationen, die das Buch selbst nicht bietet, die aber zum Verstehen der einzelnen Kapitel wichtig sind.
.
Das SCHLUSSWORT von Hubert Renfro Knickerbocker
.
Wir sind immer noch im Frühjahr 1932 .......
Deutschland kann jetzt keine Reparationen zahlen. In einer gesunderen Wirtschaftswelt könnte es zahlen, aber es wird es nicht tun, denn in Zukunft wird Deutschland keinen Teil des Versailler Vertrages erfüllen, zu dessen Erfüllung es nicht gezwungen wird, und die Aussichten, Reparationszahlungen zu erzwingen, sind geringer als je.
.
Nennt man das nicht "Erpressung" ?
Seine Privatschulden kann und wird Deutschland zahlen, vorausgesetzt, daß die Franzosen nicht mit Gewalt gegen das Reich vorgehen. Aber Deutschland ist entschlossen aufzurüsten, wenn Frankreich nicht abrüstet. Wenn und sobald die Franzosen gegen die deutsche Aufrüstung intervenieren, wird Deutschland die Zahlung seiner Privatschulden einstellen.
Das deutsche Volk hat als Ganzes den Versailler Vertrag abgelehnt und verworfen. Frankreich sieht in ihm seine einzige Lebensgarantie. Die französisch-deutschen Differenzen haben sich verschlimmert, und alles spricht dafür, daß sie sich in Zukunft noch weiter verschärfen werden. Ob die Entwicklung zu einem Krieg innerhalb absehbarer Zeit führt oder nicht, auf jeden Fall stehen Europa Kampfjahre bevor.
Unsere amerikanischen Investitionen (3 bis 7 Milliarden Dollar) auf diesem Kontinent sind in einem Schlachtfeld angelegt.
.
8 Jahre Beobachtung und eine ausführliche zweimonatige Reise durch ganz Deutschland
Das sind die nackten Erkenntnisse nach achtjähriger Beobachtung und einer etwa zwei Monate dauernden Reise durch Deutschland inmitten seines „schwersten Winters (1931 / 1932) seit einem Jahrhundert", im ersten Abschnitt der „Ära Hitler".
An diesen Erkenntnissen ändert sich nichts, wer immer auch an der Spitze der deutschen Regierung steht. Im Augenblick ist es unmöglich vorauszusagen, bis zu welchem Maße die nationalsozialistische Partei zu direkter, offizieller Verantwortung gelangen wird, aber soweit man in die Zukunft blicken kann, wird das Leben jeder deutschen Regierung davon abhängen, wie sehr sie sich der Politik des nationalen Widerstandes annähert, die sich am kräftigsten in der Hitler-Bewegung ausdrückt.
.
Immer wieder : Rund 3 Milliarden Dollar liegen in Deutschland
Die Existenz einer direkten amerikanischen Kapitalanlage von rund 3 Milliarden Dollar in Deutschland stärkt die deutsche Politik des nationalen Widerstandes gegen Frankreich.
Die britische Angst vor der französischen Luftflotte bestärkt diese Politik. Auch die italienisch-französische Eifersucht bestärkt sie. Aber das Vorhandensein von 13.570.000 wahlberechtigten Deutschen, die am Krieg nicht teilgenommen haben und sich weigern, seine Folgen anzuerkennen, und die Tatsache, daß dieser Teil der Bevölkerung bald zu einer Majorität werden wird: diese beiden Umstände machen eine Politik des nationalen Widerstandes unvermeidlich.
Betrachtungen abseits der eigentlichen Weltkrise
Das sind Betrachtungen, die nichts mit der eigentlichen Weltkrise 1932 zu tun haben, und das sind Bedingungen, die auch noch weiter existieren werden, wenn die Krise behoben ist.
Es mag richtig sein, daß Reparationen und internationale politische Schulden die Weltkrise verschärft haben, aber in Deutschland läßt sich nichts entdecken, was darauf hinwiese, daß deren Streichung auch nur für einige Zeit von ernsthaftem Einfluß auf das Kernproblem Europas sein könnte: auf die Beziehung zwischen Frankreich und Deutschland.
In drei Hauptpunkten ist Deutschland stärker
Diese Beziehung besteht kurz darin, daß ein schwächeres Volk ein im Sinne latenter militärischer Kraft stärkeres niederhält. In drei Hauptpunkten latenter militärischer Kraft ist Deutschland stärker. Es hat eine größere Bevölkerung, eine bessere industrielle Ausrüstung, und seine Nationaleigenschaften sind den Erfordernissen einer technischen Epoche besser angepaßt.
Das französische Sicherheitsverlangen weist darauf hin, daß die Franzosen diesen Sachverhalt argwöhnen, Die Deutschen bauen auf ihn.
Deutschland ist entschlossen, seine militärische Gleichberechtigung als wesentliche Voraussetzung seiner nationalen Selbstachtung wiederherzustellen. Frankreich ist entschlossen, die militärische Überlegenheit, deren es sich jetzt erfreut, als wesentliche Voraussetzung seiner nationalen Existenz aufrecht zu erhalten.
Wie die Nationalsozialisten es ausdrücken: „Der Befreiungskrieg steht am Ende einer Politik des nationalen Widerstandes!"
.
Aus meiner Sicht sieht es zur Zeit so aus :
Die Streichung der Reparationen ist nicht das Ziel der deutschen Politik. Das Ziel ist die Streichung des Versailler Vertrages. Die politischen Kredite, die Amerika Europa, und die privaten, die es Deutschland gegeben hat, können Einfluß auf den Kampf nehmen, aber sie können ihn nicht entscheiden.
Der kapitalisierte Wert der interalliierten Schulden an Amerika beträgt ungefähr 5.6oo Millionen Dollar. Der Wert unserer Privatanlagen in Deutschland ist auf etwa 3 Milliarden zu beziffern.
Wir Amerikaner mögen dazu gezwungen werden, die 5.6oo Millionen Dollar zu opfern, und immer noch hoffen, dadurch die 3 Milliarden Dollar zu retten, aber nichts beweist, daß dieses Opfer die Rettung auch wirklich herbeiführen wird.
.
Die wirkliche „Rauchwand" rings um Europa ist das Argument
Denn die wirkliche „Rauchwand" rings um Europa ist das Argument, daß die Unsicherheit der ausländischen Kapitalanlagen einzig und allein auf die Reparationen zurückzuführen sei.
Die Unsicherheit ist in erster und in letzter Linie darauf zurückzuführen, daß der Versailler Vertrag entweder zu milde oder zu hart war. Wie alle anderen Verträge, die die Jahrhunderte alten Kriege zwischen Frankreich und Deutschland voneinander trennen, hat er es nicht vermocht, den Kampf um die Macht endgültig beizulegen.
Weder in Frankreich noch in Deutschland gab es jemals einen Dschinghis Khan, der die Heere des Landes führte und seinen Frieden diktierte. Nichts, auch nicht das schwächste Zeichen, deutet darauf hin, daß dieser Kampf um die Macht ein Ende finden wird, und sollte er auch wieder auf so lange unterbunden werden, wie es die Zeit der 43 Friedensjahre zwischen 1871 (Frankreich verlor den Krieg gegen Preußen) und 1914 (Beginn des neuen Weltkriges) war.
- Anmerkung : Ein bitterer Frieden für die Franzosen. Der Friedensschluss vom 10. Mai 1871 bedeutete für Frankreich herbe Verluste und eine Demütigung: Das Elsass und Teile Lothringens gingen an Deutschland, Frankreich musste fünf Milliarden Francs Kriegsentschädigung zahlen – eine für die damalige Zeit sehr hohe Summe.
.
In einem solchen Krieg gibt es nur chronische Phasen und akute Phasen. In den chronischen Phasen sind ausländische Kapitalanlagen in Europa sicher. In akuten Phasen werden sie seit jeher zur Förderung des Kampfes verwendet.
.
Es ist nach wie vor ein Kampf um die Macht in Europa
Wir stehen heute (1932) in einer akuten Phase, und es gibt nichts, das uns annehmen ließe, daß eine Streichung der interalliierten Schulden und der Reparationen nicht von beiden Seiten zu einer Verbesserung ihrer Instrumente im Kampfe um die Macht ausgenützt werden würde.
Im Lichte dieses Kampfes kann man jeden wichtigen Schritt sowohl der Innen- wie der Außenpolitik in Deutschland beurteilen. Die Errichtung der Republik verhalf Deutschland dazu, sich wieder auf die Füße zu stellen, als Wilson und die Alliierten dem deutschen Kaiser Wilhelm die Schuld am Kriege gaben.
Wenn es sich erweist, daß die Republik für Deutschland der wirksamere politische Unterbau in seinem Kampf gegen Frankreich ist, dann wird die Republik wahrscheinlich erhalten bleiben.
Wenn die Republik sich als unzureichendes Mittel für die wiedererwachenden nationalen Kräfte Deutschlands erweist, dann wird vielleicht eine andere Form gewählt werden; Hitler hat sie in Bereitschaft.
.
Wie Hitler die 50% erreichen könnte .....
Im Augenblick hat die Republik unter Brüning versprochen, gegen Frankreich nicht nachgiebiger zu sein, als Hitler es wäre. - Hält Brüning diese Versprechungen, so kann nur eine fortgesetzte Verschlechterung der Wirtschaftslage Deutschlands die Stimmen für Hitler so vermehren, daß er die entscheidenden 50,1% erreicht.
Der größte Erfolg, den Hitler seit 1930 gehabt hat, hat ihm und seinen Verbündeten, den Deutschnationalen, in einer örtlichen Wahl etwa 40% gebracht.
Seine Partei hat praktisch alle anderen verschlungen; eine Ausnahme bilden nur die Kommunisten, die aus philosophischen Gründen, der in den Gewerkschaften organisierte Teil der Sozialdemokraten, der aus wirtschaftlichen, und die Katholiken der Zentrumspartei, die aus religiösen Gründen gegen den Hitlerismus immun sind.
Diese Parteien werden jetzt noch ungefähr 60% der Bevölkerung für sich haben. Hitler wird in persona nicht zur Macht gelangen, ehe ein Anwachsen der Arbeitslosigkeit, eine Inflation oder irgendein anderer verzweifelter Zustand die noch fehlenden 11% aus den Reihen der bis jetzt immun gebliebenen Kommunisten, Sozialdemokraten und Zentrumskatholiken ins andere Lager treibt.
In jeglicher Hinsicht, die für die Umwelt von Wichtigkeit ist, hat Hitler bereits die Macht, denn die zweite Voraussetzung dafür, daß er nicht in persona an die Macht kommt, liegt darin, daß die Regierung seine Politik des Widerstandes gegen Frankreich verfolgt.
.
Es gibt wieder eine Möglichkeit des Krieges bzw. Kriegsgefahr
Wenn die Vereinigten Staaten nicht bereit sind, ihr ganzes Gewicht mit solcher Kraft in die eine oder die andere Waagschale zu werfen, daß eine dauernde Entscheidung in dem französisch-deutschen Kampf herbeigeführt wird, kann eine amerikanische Initiative im internationalen Schuldenproblem das Gleichgewicht der Kräfte im Kampf nur vorübergehend beeinflussen.
Kein Mensch erwartet, daß dieser Kampf sofort oder in der nächsten Zukunft in offenen Krieg übergeht. Aber noch niemand hat mit glaubhaften Argumenten dartun können, daß die Möglichkeit des Krieges, die Kriegsgefahr, solange das Verhältnis zwischen Deutschland und Frankreich so bleibt, wie es heute ist, nicht wachsen wird.
Über den Kulminationspunkt im Kampf um die Macht
Weder Frankreich noch Deutschland will den Krieg. Keines von beiden weiß, wie zu verhindern wäre, daß die Kriegsdrohung das allgemeine Vertrauen Europas lähmt, auf dem das ganze Handels- und Finanzleben ruht.
Die wesentlichste theoretische Sicherung Europas vor einem allzu heftigen Kulminationspunkt im Kampf um die Macht ist der Völkerbund. Heute wurde der Bericht gedruckt, in dem zu lesen steht, daß der Völkerbund sich wieder einmal dazu gezwungen sieht, den Bau seines Palastes in Genf aufzuschieben, der schon längst geplant war, ehe die Sowjet-Union, der Hauptgegenspieler des Völkerbundes, ihren Fünfjahresplan erdacht hatte.
Gleichzeitig erschien ein Bericht, in dem zu lesen steht, daß die Sowjet-Union ihren zweiten Fünfjahresplan bekanntgegeben hat, der im Ausland sicherlich auf nicht weniger Ungläubigkeit stoßen wird, als seinerzeit der erste, sich jetzt seiner Erfüllung nähernde Plan erweckte.
Adolf Hitler, der lebhafteste Förderer des deutschen Selbstvertrauens, hat erklärt, es müsse das politische Ziel Deutschlands sein, „zu erreichen, daß in hundert Jahren 25o Millionen Deutsche als Arbeiter und Bauern auf diesem Erdteil leben". - Die Lebensstatistik Europas spricht nicht dafür, daß dieses Ziel Hitlers erreicht werden kann.
Ein Blick auf Europas Lebensstatistik im Jahr 1932
Europas Lebensstatistik, wie sie in der (russischen) „Isvestia" zitiert wird, besagt, daß die 372 Millionen, die außerhalb der Sowjet-Union in Europa wohnen, im Jahre 1928 einen natürlichen Zuwachs um 3.2 Millionen zu verzeichnen hatten, während die natürliche Vermehrung der 152 Millionen Einwohner der Sowjet-Union in dem gleichen Jahre 3.6 Millionen betrug.
Die Sowjet-Union, die nicht ganz halb so viel Einwohner hat wie das übrige Europa, hat einen um 0,4 Millionen größeren Bevölkerungszuwachs zu verzeichnen.
.
Amerika und Europas unheilbarer Wirrwarr ......
Amerika, durch seine Entfernung vor Europas unheilbarem Wirrwarr geschlitzt, mag seine finanzielle Leichtfertigkeit bereuen, es mag die Verluste bedauern, die es jetzt erleidet und die es noch gewärtigen muß.
Es kann dem Atlantischen Ozean dankbar sein. Zwischen Westeuropa und der Sowjet-Union liegt kein Ozean.
.
Damit keine Mißverständnisse aufkommen, dieses Buch wurde von einem studierten Journalisten Anfang 1932 geschrieben.
Auch wenn viele Voraussagen und Prophezeihungen des Amerikaners Knickerbocker erstaunlich dicht an den späteren Ereignissen schrammen, das Buch ist ca. 1 Jahr vor dem März 1933 geschrieben worden, als Adolf Hitler zum Reichskanzler ernannt wurde.