Das Buch "German crisis" - "Deutschland so oder so" aus 1932
Dieses Buch aus dem Frühjahr 1932 !!! enthält ganz viele Gedanken und Wahrheiten aus der Zeit vor der Machtübernahme Adolf Hitlers im März 1933. Der amerikanische Autor bereiste bereits während seines Studiums viele Orte in Deutschland und Europa und beschrieb sehr viele teils unbekannte Zustände der damaligen Gesellschaft. Und er belegt seine Schlussfolgerungen mit fundierten Daten. - Solllten Sie hier direkt eingelandet sein, beginnen Sie besser auf dieser einführenden Seite. Ganz viele zusammengesuchte Erklärungen und Ergänzungen haben wir auf dieser Erklärungs-Seite eingebracht, Informationen, die das Buch selbst nicht bietet, die aber zum Verstehen der einzelnen Kapitel wichtig sind.
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Elftes Kapitel - RÜSSELSHEIM
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RÜSSELSHEIM (Die Opelwerke und die US-Kredite in 1932)
„Wozu sich über Europa den Kopf zerbrechen? Die sollen sich ihre Suppe allein auslöffeln." - Das ist die natürliche Reaktion vieler Amerikaner auf diese Zeit, in der die hartnäckigen Meinungsverschiedenheiten zwischen Deutschland und Frankreich wieder einmal den unbeständigen Kontinent erschüttert haben und für die Zukunft noch ernsthaftere Schwierigkeiten erwarten lassen.
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Wir, die Amerikaner, haben 1923 gelassen zugesehen .....
Als Frankreich im Jahre 1923 in das Ruhrgebiet einmarschierte, um die Reparationszahlungen zu erzwingen, konnten wir es uns leisten, diesem Ereignis mit der Gelassenheit der Neutralen zuzusehen.
Es ist nur begreiflich, daß viele von uns sich jetzt fragen, warum wir uns über die Streitigkeiten zwischen zwei fernen Ländern heute mehr Sorgen machen sollen als gestern.
Begreiflich ist es deshalb, weil die eminent wichtigen Ereignisse, die sich seit 1923 abgespielt haben und es uns unmöglich machen, den europäischen Geschehnissen länger mit Gleichmut zuzusehen, in aller Stille und Unsichtbarkeit vor sich gegangen sind.
Das Fließen von annähernd 6 Milliarden US-Dollar amerikanischen Kapitals nach Europa in den Nachkriegsjahren erfolgte so ruhig wie die Strömung eines großen Wasserlaufes.
„Wozu sich über Europa den Kopf zerbrechen?"
Die Antwort darauf drängt sich einem von selbst auf, wenn man sich hier, in der größten Automobilfabrik Deutschlands, umsieht. Diese eine, in amerikanischem Besitz stehende Fabrik spielt eine Rolle in dem Einkommen von rund 3oo.ooo amerikanischen Aktionären. Dabei stellen die 30 Millionen Dollar, die hier angelegt sind, weniger als 1% der gesamten Geldinteressen Amerikas in Deutschland allein dar.
Die Opel-Automobilwerke - ein Zweigunternehmen von General-Motors
Die Opel-Automobilwerke in dem rebenreichen Rheinland, ein Zweigunternehmen von General-Motors, sind eine kleine Welt unter den gewaltigen amerikanischen Kapitalanlagen in Deutschland.
Mit seinen langfristigen und kurzfristigen Darlehen, seinem Grundbesitz, dem Besitz an Fabriken und Werken, seiner Beteiligung an Konzernen im Reich und seinem Handel mit Deutschland stehen für Amerika rund 3 Milliarden Dollar in Deutschland auf dem Spiel.
Diese Summe kommt nahezu dem zehnfachen Steuerwert allen Privateigentums in New York City gleich. Sie entspricht den Gesamtausgaben der Stadt New York im Laufe zweier Jahre.
Sie stellt mehr als ein Sechstel unserer sämtlichen Kapitalanlagen im Ausland der ganzen Welt dar und ist weitaus die größte unserer Investitionen in allen fremden Ländern mit Ausnahme Kanadas. Und schließlich ist sie zehnmal so groß wie der Betrag an Gold und fremden Valuten, der der Deutschen Reichsbank als Währungsdeckung zur Verfügung steht.
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Der Zustrom amerikanischen Geldes ging sehr schnell
Dieser Zustrom amerikanischen Geldes nach Deutschland ist in einer Größe, mit einer Plötzlichkeit und Raschheit vor sich gegangen, wie es noch niemals da war. Praktisch wanderten alle diese Summen, die ungefähr 1% des gesamten geschätzten amerikanischen Nationalvermögens entsprechen, zwischen der zweiten Hälfte 1924 und der zweiten Hälfte 1929 nach Deutschland.
In dem unglaublich kurzen Zeitabschnitt von fünf Jahren wurden diese ungeheuren Konten übertragen; und das ging in aller Stille vor sich, es war nicht mehr zu hören als das Kratzen der Federn auf dem Papier, auf dem diese gewaltigste Vermögensanlage der Finanzgeschichte gebucht wurde.
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Was wird, wenn der Golfstrom seine Richtung ändert ?
So, wie eine Richtungsänderung des Golfstroms zu einer Wandlung der Wetterbedingungen in den Ländern am atlantischen Ozean führen würde, hat der amerikanische Kreditstrom nach Deutschland das finanzielle und politische Klima dieses für uns wichtigsten Teiles der Welt umgewandelt.
Und wie die Wirkungen einer Abwanderung des Golfstroms sich nur langsam bemerkbar machen würden, so hat es auch lange Zeit gedauert, bis wir begriffen haben, daß wir die europäischen Ereignisse nicht mehr mit der gleichen Ruhe betrachten können wie im Jahre 1923.
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Es geht um weit mehr als diese 4 Milliarden Dollar
Denn das, was neuerdings in Deutschland für uns auf dem Spiel steht, sind nicht bloß die 3 Milliarden Dollar, um die es sich bei den vielerlei Kategorien unserer direkten Kapitalanlagen und Handelsinteressen handelt.
Die Summe erhöht sich auf rund 4 Milliarden Dollar, wenn man bedenkt, daß ein deutscher „Zusammenbruch" sich auch auf benachbarte Länder auswirken würde, in denen mindestens eine weitere Milliarde amerikanischen Geldes festliegt.
Und auf eine nahezu astronomische Zahl, auf rund 10 Milliarden Dollar, kommt man, wenn man in Betracht zieht, daß die interalliierten Schulden an Amerika bei 5 1/2% einen Kapitalwert von 5.6oo Millionen Dollar darstellen, und daß die Schuldner Amerikas anscheinend entschlossen sind, diese Summe für den Fall, daß Deutschland keine Reparationen mehr leistet, womöglich nicht zu bezahlen.
Es handelt sich hier nicht darum, die Nachteile oder Vorteile, die Erwünschtheit oder Unerwünschtheit einer Streichung der interalliierten Schulden oder der Reparationen zur Debatte zu stellen.
Hier muß lediglich klargemacht werden, in welchem Maße Amerika sich in Deutschland bereits finanziell festgelegt hat, und wie müßig der natürliche Wunsch ist, die Angelegenheiten des Reichs und Europas zu ignorieren.
Kein Bedauern, keine Vorwürfe und keine Verärgerung über die ewigen Streitigkeiten eines Kontinents, dessen Feindseligkeiten uns zum Teil stets unerklärlich bleiben werden, können etwas an der vollendeten Tatsache ändern, daß wir hier sehr große Interessen haben.
- Anmerkung : Das stimmt so nicht. Denn die Franzosen und die Engläner hatten sich auf dem Nordamerikanischen Kontinent ganze Schlachten geliefert.
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Über die Ausmaße und den Charakter unserer Interessen
Was wir tun können oder tun wollen, das ist eine Frage, die, wenn überhaupt, erst dann beantwortet werden kann, wenn wir uns über die Ausmaße und den Charakter dieser Interessen klar geworden sind.
Angesichts der häufig gestellten Frage „Wozu sich über Europa den Kopf zerbrechen?" lohnt es sich, der Betrachtung eines konkreten Grundes dafür, daß wir um diese Notwendigkeit nicht herumkommen können, einen Augenblick zu widmen.
Es ist unmöglich, unsere Kredite in Deutschland aufzusuchen. Wir können uns nicht vor sie hinstellen und ihre Größe bewundern oder beklagen. Aber die amerikanische Beteiligung an deutschen Unternehmen und der amerikanische Fabrikbesitz in Deutschland - diese beiden Posten unserer Gesamtanlagen sind groß genug, um eine Besichtigung der größten von diesen Fabriken in vielerlei Hinsicht lehrreich erscheinen zu lassen.
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Damals 1928 gab es noch kein "Hessen"-Land
Die Opel-Werke, ein langgestrecktes, an den Ecken abgestumpftes Dreieck, liegen im Maintal in der Nähe der Brennstofflager des Rheinlandes, die der Grund dafür waren, daß die deutsche Industrie sich in diesem Teil des Landes konzentriert hat.
Der einzige gewaltige Schornstein der Werke, der den Namen „Opel" trägt, steht inmitten eines Gebietes von 390 Quadratkilometern, das zum Teil von Fabrikgebäuden eingenommen wird; diese selbst bedecken eine Fläche von ungefähr 260 Quadratkilometern.
In diesen Gebäuden könnten täglich 5oo Automobile und 6.000 Fahrräder erzeugt werden - im Laufe eines Jahres so viele Automobile, daß sich der höchste jährliche Automobilkonsum in Deutschland nahezu dreimal befriedigen, und so viele Fahrräder, daß sich die Nachfrage der ganzen Welt in einem Propagandajahr decken ließe.
Die Opel-Werke sind nicht nur die größte Fahrradfabrik der Welt und die größte Automobilfabrik Deutschlands, ihre Produktionskapazität ist größer als die Kapazität aller anderen deutschen Automobilfabriken zusammen.
General Motors erwarb die Opel-Werke im Jahr 1928
Als General Motors den von Ford angebotenen Kampf um die Beherrschung des Weltmarktes aufnahm, war einer der reichsten und am wenigsten befriedigten Märkte auf der Erde entschieden Deutschland, so daß der erste Schritt offenbar sein mußte, in das von den deutschen Zollschranken abgeschlossene Gebiet einzudringen.
In Deutschland, dem am stärksten industrialisierten und nächst Rußland der Bevölkerungszahl nach größten Land Europas, kommt nur ein Automobil auf 99 Einwohner. Deutschland steht unter den Automobil Besitzern der Welt an 17. Stelle.
Deutschland hat aber einen Zolltarif, der den inneramerikanischen Preis eines Wagens von 5oo Dollar für Deutschland auf rund 760 Dollar erhöht. Um hinter diese Zollmauer zu kommen und gleichzeitig den deutschen Kunden das Erzeugnis als deutsche Ware nachzuweisen, um Transportkosten zu sparen und sich in den Genuß der billigeren Arbeitskräfte zu setzen, erwarb General Motors im Jahre 1928 die Opel-Werke und zahlte für eine achtzigprozentige Beteiligung einen Preis, der damals auf rund 3o Millionen Dollar geschätzt wurde.
Die Opel-Werken gehören 315.ooo Amerikanern
Diese Beteiligung an den Opel-Werken gehört der General Motors Corporation, deren Aktienkapital von 622.536.000 Dollar Nominalwert wiederum nach der letzten erhältlichen Schätzung in den Händen von 315.ooo Amerikanern ist. Wenn alle diese einen gleichen Aktienbesitz hätten, würde jeder einzelne von ihnen mit ungefähr 100 Dollar an den Opel-Werken interessiert (beteiligt) sein.
Ein Einblick in das Opel-Werk von 1932
Wir gingen durch einige Abteilungen der Fabrik. Es war das beschäftigste Werk, das ich in Deutschland zu Gesicht bekommen habe.
6.000 deutsche Arbeiter arbeiteten in dem von den endlosen Förderketten bestimmten, sich ewig gleichbleibenden Rhythmus. Irgendwo in der Welt gab es noch einen Markt für Automobile.
Die Exportabteilung der Opel-Werke hatte am meisten von allen zu tun; ihre Exportziffern sind höchst interessant als Material für eine Beurteilung der wirtschaftlichen Möglichkeiten, die mindestens einer amerikanischen Kapitalanlage in Deutschland innewohnen.
Im Jahre 1931 steigerte Opel nämlich seine Ausfuhr von 1354 auf 7092 Wagen Die Zahlen selbst sind nicht überwältigend. Sie besagen jedoch, daß von allen deutschen Wagen, die ins Ausland gingen, auf Opel 65% kamen, und zwar in einem Jahr, in dem die Kaufkraft der Konsumenten überall abnahm und die gegen den Handel errichteten Schranken sich vervielfachten.
Die Zahlen sind nichts anderes als ein Hinweis auf die Konkurrenzfähigkeit der Fabrik, auf die wirtschaftlichen Vorteile, die ein Arbeiten innerhalb der sich über die ganze Welt erstreckenden Organisation eines meisterhaft geleiteten Konzerns bietet.
Einige andere Statistiken der Opel-Werke sprechen für die von dem Leiter der Finanzabteilung, Edward Palmer, geäußerte Ansicht, daß die deutschen Werke der General Motors keinen Grund zur Besorgnis geben würden, wenn nicht Politik und Weltkreditkrise das ihre getan hätten, um den Absatz zu lähmen.
Von den 138.282 deutschen Wagen, die insgesamt im Jahre 1929 verkauft wurden, kamen auf Opel 32.832, 23,7%; von 96.309 im Jahre 1930 24.563, 25,5%; von 68.682 im Jahre 1931 19.889, 28,2%.
Daraus geht hervor, daß der Anteil der Opel-Werke am deutschen Absatz sich in den beiden letzten schweren Jahren ständig steigerte.
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Exportfirmen der Welt schrumpfen, die Opel-Werke wachsen
Selbst heute, da alle Länder der Erde und wohl die meisten Exportfirmen der Welt eine Abnahme der Ausfuhr aufzuweisen haben, haben die Opel-Werke ihren Export vergrößert.
Wir standen in der Ausfuhrabteilung und sahen zu, wie die Wagen verpackt und nach allen Enden der Welt expediert wurden, zu den G.M.C.-Montage-Werkstätten in Antwerpen, Kopenhagen, Stockholm, Buenos Aires, Sao Paolo und nach zehn oder zwölf Ländern im fernen Osten.
Der Anteil der Opel-Werke an den im Jahre 1929 insgesamt aus Deutschland exportierten 7.784 Wagen betrug 2.408 Wagen, 30,9%; an 5.665 im Jahre 1930 1.354, 23%; an 10.800 im Jahre 1931 7.092, 65,7%.
Die niedrigen Exportzahlen der Jahre 1929 und 1930 fielen in die Zeit der Vorbereitung des neuen, kleinen, leichten, billigen Wagentyps, der jetzt, nach den Angaben der Opel-Werke, zu einem um 25% niedrigeren Preis verkauft wird als der nächstbillige Wagen der Konkurrenz.
Diese kolossale Auswirkung des Preisniveaus auf die Ausfuhr bestätigt die Argumentation derjenigen Nationalökonomen, die in der Verbilligung der Fertigwaren einen Hauptfaktor zur Gesundung der Weltwirtschaft sehen.
Unter anderem wurde dieses niedrige Preisniveau dadurch ermöglicht, daß seit der Übernahme der Opel-Werke durch General-Motors Rationalisierung und Anwendung amerikanischer Methoden die Fabrik, nach den Angaben ihrer Leiter, in den Stand gesetzt haben, mit 7.000 Mann die Arbeit zu leisten, zu der vorher 13.ooo gebraucht wurden.
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Die amerikanischen Kapitalanlagen pro US-Bürger = 25 Dollar
Die Totalsumme der amerikanischen Kapitalanlagen in Deutschland nachzuweisen, ist eine unerfreuliche Aufgabe. Unerfreulich vor allem deshalb, weil in der Gesamtsumme so entmutigend große Beträge eingefrorenen Kapitals erscheinen.
Hat man jedoch zum Ziel, die Ausmaße der erzwungenen Interessen Amerikas in diesem Teil Europas mit aller Klarheit zu begreifen, und will man den Vorwurf einer Übertreibung vermeiden, so ist es notwendig, der Berechnung authentisches Material zugrunde zu legen.
Vielleicht erleichtert es die langweilige Aufgabe, vierteilige Zahlen zu lesen, wenn man sich vor Augen hält, daß jede dieser Zahlen lediglich ein Teil des Beweises dafür ist, daß von der Gesamtsumme der unmittelbaren Interessen in Deutschland auf jeden amerikanischen Bürger ein Mindestdurchschnitt von 25 Dollar kommt.
Die außerordentliche Verschärfung der Weltwirtschaftskrise, die durch das zeitweilige Einfrieren ausländischer Kredite in Deutschland zustande kam, müßte Beweis genug dafür sein, daß diese Investierungen indirekt auch die wirtschaftlichen Verhältnisse aller Amerikaner und Ausländer, nicht nur derjenigen, die eigene Kapitalinteressen in Deutschland haben, in Mitleidenschaft ziehen.
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Ein Beweis mehr für die Vielfalt der amerikanischen Interessen
Die Opel-Werke sind lediglich das hervorragendste Beispiel für eine bestimmte Kategorie amerikanischer Kapitalanlagen in Deutschland, und es ist nicht einmal gewiß, ob sie tatsächlich die größte direkte amerikanische Investition in Deutschland darstellen.
Seit dem Jahre 1924 sind in Deutschland 84 rein amerikanische Fabrikbetriebe aufgezogen worden; die Vielfalt ihrer Tätigkeit ist ein Beweis mehr für die Vielfalt der amerikanischen Interessen im Reich.
In diesen Betrieben werden landwirtschaftliche Geräte erzeugt, Autozubehörteile, Chemikalien, elektrotechnische Artikel, Nahrungsmittel, verstahltes Eisen und Eisenwaren, Maschinen, Bergbauprodukte, Schuhe und Lederwaren, Spezialartikel und Textilien.
Die amerikanische Beteiligung an der deutschen A.E.G. ist auf 30 Millionen Dollar, die an anderen deutschen Elektrokonzernen bis auf 17 Millionen Dollar geschätzt worden.
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- Anmerkung: Als bei der AEG in Berlin in 1935 das Magnetophon erfunden und entwickelt wurde, hatten die Amerikaner den sogenannten "Impact" dieser die ganze Welt umwälzenden Technik entweder nicht verstanden oder verpennt.
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Berücksichtigt man sämtliche Abarten amerikanischer Beteiligungen an deutschen Firmen und direkter Besitzrechte, so kommt man nach einer Schätzung amerikanischer Bankiers in Berlin auf einen Gesamtwert von etwa 3oo Millionen Dollar.
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US-Beteiligungen an Grundbesitz und Aktiengesellschaften
Zwei weitere hierher gehörige Kategorien sind die amerikanischen Beteiligungen an deutschem Grundbesitz und die amerikanischen Beteiligungen an deutschen Aktiengesellschaften.
Die Gesamtsumme ausländischer Beteiligungen an deutschem Grundbesitz wird von der Reichsbank auf rund 360 Millionen Dollar geschätzt, und davon sollen rund 200 Millionen Dollar in amerikanischen Händen sein.
Den Wert des amerikanischen Aktienbesitzes in Deutschland abzuschätzen, ist besonders schwer, weil die Tatsachen,
daß die deutsche Börse seit langem geschlossen ist, daß es unmöglich ist, ausländische Beteiligungen zu liquidieren, und daß der Devisenverkehr infolge der Gesetze zu seiner Regelung überaus erschwert ist, die Festsetzung eines angemessenen Kurses außer Frage stellen.
Auf Grund der Kurse zur Zeit der Erwerbung haben jedoch amerikanische Bankiers in Berlin die Gesamtsumme des amerikanischen Aktienbesitzes in Deutschland auf rund 3oo Millionen Dollar abgeschätzt.
Das ergibt als vernünftige Schätzung für den amerikanischen Besitz an Fabriken, Grundstücken und Aktien in Deutschland eine Gesamtsumme von 800 Millionen Dollar.
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Die langfristigen und die kurzfristigen US-Kredite
Nun sind noch die beiden wichtigeren Kategorien der amerikanischen Anlagen im Reich zu untersuchen, die langfristigen und die kurzfristigen Kredite.
Die langfristigen Kredite Amerikas in Deutschland wurden vom Handelsministerium der Vereinigten Staaten im Jahre 1931 auf 1.420 Millionen Dollar geschätzt.
Diese Summe entspricht mit ziemlicher Genauigkeit derjenigen Zahl, zu der man gelangt, wenn man die Angaben des Layton-Berichtes über den amerikanischen Anteil an den langfristigen Anleihen Deutschlands zugrunde legt und mit den Zahlen in Verbindung bringt, die später von der Reichsbank für die Gesamtsumme dieser Anleihen genannt wurden.
Auf diese Weise dürfte man zu der bestmöglichen Schätzung kommen. Die betreffende Summe stellt den Ausgabewert dar, der auf dem Markt mittlerweile selbstverständlich um volle 5o% gesunken ist.
Aber Deutschland hat noch keine der von ihm gegebenen Sicherheiten nicht eingelöst und solange die Zinsen und die Amortisationen geleistet werden, kann man den Ausgabewert vielleicht als tatsächlichen Wert gelten lassen.
Die Sicherheiten sind von der Regierung garantierte Emissionen
Die meisten dieser Sicherheiten sind von der Regierung garantierte oder kontrollierte öffentliche Emissionen. Die von städtischen und anderen gemeinnützigen Unternehmen ausgegebenen Obligationen repräsentieren nach den Angaben des amerikanischen Handelsministeriums nahezu 235 Millionen Dollar, die von der Regierung garantierten Bankobligationen insgesamt 167 Millionen Dollar.
Ungefähr 290 Millionen langfristig kreditierten amerikanischen Kapitals sind in gemeinnützigen Unternehmen der deutschen öffentlichen Hand angelegt, über 33o Millionen in Fabriken und 210 Millionen in Banken. Ungefähr 13o einzelne deutsche Garantieemissionen sind insgesamt im amerikanischen Portefeuille vertreten.
Unsere kurzfristigen Kredite in Deutschland sind schwerer abzuschätzen, weil die Abziehungen, zum Teil in Übereinstimmung mit den verschiedenen Stillhalteabkommen, zum Teil trotz ihnen, nicht aufgehört haben.
Überdies ist die Gesamtsumme der kurzfristigen Verpflichtungen Deutschlands verschiedentlich Änderungen unterzogen worden.
Wenn man jedoch den Layton-Bericht als Basis gelten läßt und die Korrekturen in Rechnung stellt, auf welche die Reichsbank in ihrer späteren Untersuchung gekommen ist, betrug die kurzfristige Gesamtverschuldung Deutschlands gegen Ende 1931 rund 2.14o Millionen Dollar.
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Amerikanische Darlehen summieren sich auf 800 Millionen Dollar
Von dieser Summe ist schätzungsweise mehr als ein Drittel, etwa 800 Millionen Dollar, der Anteil Amerikas, der aus 320 Millionen Dollar Deckungskrediten und 48o Millionen Dollar anderen kurzfristigen Darlehen besteht.
Diese auf das Ende 1931 berechnete und mit Berücksichtigung der von der Reichsbank getroffenen Änderungen auf den Layton-Bericht gegründeten Zahlen stellen die der Wirklichkeit mit der größten Genauigkeit nahekommende Schätzung dar.
Die langweilige Rechnung ergibt, daß aus 3oo Millionen Dollar amerikanischer Beteiligungen und direkter Besitzrechte an deutschen Werken, 200 Millionen Dollar amerikanischer Beteiligungen an deutschem Grundbesitz, 3oo Millionen Dollar amerikanischen Aktienbesitzes in Deutschland, 1.420 Millionen Dollar amerikanischer langfristiger Kredite in Deutschland und 800 Millionen Dollar amerikanischer kurzfristiger Kredite in Deutschland eine Gesamtsumme von 3.020 Millionen Dollar für direkte amerikanische Anlagen im Reich resultiert.
Amerika ist damit weitaus der größte Gläubiger
Das sind ungefähr 40% des gesamten fremden Kapitals in Deutschland, das von der Reichsbank auf annähernd 7 Milliarden Dollar geschätzt wird; Amerika ist damit weitaus der größte Gläubiger.
Daß das eine vorsichtige Schätzung der direkten Interessen Amerikas in Deutschland ist, läßt sich ermessen, wenn man bedenkt, welche Stelle der deutsche Markt im Außenhandel Amerikas einnimmt.
Im Verlauf der wenigen Jahre verhältnismäßiger Stabilität, deren sich Deutschland im letzten Jahrzehnt erfreut hat, war das Reich unser drittgrößter Markt und nahm nahezu eine halbe Milliarde Dollar an Waren im Jahr auf.
Fast 1.200 amerikanische Firmen, die ihre Erzeugnisse in Deutschland durch die Vermittlung ständiger deutscher Agenten verkaufen, werden in der amerikanischen Handelsvertretung in Berlin geführt.
Das Einzige von diesen 3.020 Millionen Dollar, das sich unter den gegenwärtigen Umständen wenigstens theoretisch liquidieren ließe, wären die 800 Millionen kurzfristige Kredite.
Solange die Kreditkrise fortbesteht, und solange die deutschen Restriktionen des Devisenverkehrs in Kraft bleiben, kann von allem, was für Amerika in Deutschland auf dem Spiel steht, nur der Teil der 800 Millionen kurzfristiger Kredite zurückgezogen werden, dessen Abziehung Amerika durch das Stillhalte-Abkommen zugebilligt ist.
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Die Kündigung großer Kredite hätte katastrophale Verluste zur Folge
Jede Veräußerung amerikanischer Besitzrechte oder Beteiligungen an deutschen Industrieunternehmen, jeder Verkauf von deutschen Grundstücken und deutschen Aktien in amerikanischem Besitz müßte unter katastrophalen Verlusten realisiert werden, wenn er zu den jetzigen unverhältnismäßig niedrigen Preisen erfolgte, und nachher würde es noch immer keine Möglichkeit geben, die Mark- in Dollarbeträge umzuwechseln und aus dem Lande herauszubekommen.
Deutsche Schuldverschreibungen, die im Ausland liegen, können natürlich verkauft werden, aber durch eine Besitzverschiebung von einem Amerikaner an einen anderen wird an den amerikanischen Interessen im Reich nichts geändert.
Mit anderen Worten, zunächst wenigstens gibt es für die amerikanischen Kapitalanlagen keinen Ausweg aus Deutschland.
Das mag recht unangenehm sein, aber es gestattet jedenfalls keine Erfüllung des Wunsches, sich um die Vorgänge in Europa nicht zu kümmern.
Amerikanische Kapital in Deutschland investieren - warum ?
Welche Wandlungen aber haben sich in Deutschland vollzogen, die das Reich für das amerikanische Kapital heute um so viel weniger anziehend erscheinen lassen als in den Jahren 1924 bis 1929 ?
Die Bewegung amerikanischen Kapitals nach Deutschland begann im Oktober 1924, als die Amerika zugesprochenen 110 Millionen Dollar der Dawes-Plan-Anleihe verkauft wurden.
Die Dawes-Bonds fanden ebenso wie die später emitierten deutschen Bonds ihren Absatz, weil das Publikum im Ausland an Deutschlands Fähigkeit, sich zu erholen, glaubte und Vertrauen zu den wirtschaftlichen Möglichkeiten der Deutschen hatte.
Diese Möglichkeiten sind heute noch größer, als sie im Jahre 1924 waren. Die deutschen Industrieanlagen sind seit damals stärker ausgebaut, rationalisiert und erweitert worden. Im Jahre 1929 schwamm Deutschland mitten im Strom der Weltwirtschaft.
Heute würde Deutschland zweifellos auf jeden Fall mit der ganzen Welt unter der Depression leiden. Morgen aber wird Deutschland wirtschaftlich besser gerüstet sein denn je, den Wettbewerb mit der Welt wieder aufzunehmen; es ist in einer Weise gerüstet, die seine Überlegenheit über die meisten Länder der Erde sichert.
Der Lohn von Stresemanns Politik der Versöhnung mit Frankreich
Das erste Ereignis war etwas sehr einfaches, etwas, das jedem menschlichen Wesen bestimmt ist. Ich machte damals eine Reise durch Ostpreußen und hielt mich gerade in Marienburg auf. Der Bürgermeister der Stadt, bei dem wir zu Gast waren, hatte sich mit seinen Besuchern vom Ausland, die direkt von der Bahn kamen, um sechs Uhr früh zum Frühstück gesetzt, als er ans Telephon gerufen wurde. Er kam bleich zurück und sagte mit stockender Stimme: „Stresemann ist heute morgen um 5 Uhr 25 plötzlich gestorben."
So rasch war diese Nachricht durch Deutschland geeilt. Doch nur wenige begriffen damals ihre ganze Bedeutung. Heute ist der Ablauf der Ereignisse jedermann klar.
Stresemann starb im Oktober 1929. Der Locarno-Geist, der erste und letzte Beweis für die Möglichkeit einer deutsch-französischen Verständigung, überlebte ihn um ungefähr neun Monate.
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Was kam nach Stresemann ?
Was aber hat sich ereignet, daß sich in Deutschland seit dem Jahre 1929 mehr geändert hat als in der übrigen Welt?
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- Im Juni 1930 wurde das Rheinland geräumt - das Ziel und der Lohn von Stresemanns Politik der Versöhnung und der Vertragserfüllung.
- Im Juli 1930 stürzte sich die Bevölkerung des Rheinlands auf die Separatisten und nahm Rache für ihre Verrätereien während der französischen Besetzung. Das erregte Frankreichs Groll.
- Im September 1930 gewannen die Nationalsozialisten, die geschworen haben, an den Franzosen für die Verletzung der nationalen Ehre Rache zu nehmen, 107 von den 577 Reichstagssitzen. Frankreich war beunruhigt.
- Im Oktober 1930 marschierten 100.000 Stahlhelmer in Koblenz auf. Die Beunruhigung Frankreichs wuchs.
- Vom Frühling 1931 an folgten die Ereignisse einander in dramatischer Geschwindigkeit. Deutschland und Österreich proklamierten ihre Zollunion. Frankreich, das nicht informiert und nicht auf einen Schritt vorbereitet war, den es als unmittelbares Vorspiel zur österreichisch-deutschen Vereinigung ansah, wurde alarmiert.
- Österreich, der schwächere Teil der beiden, war das selbstverständliche Angriffsziel. Die österreichische Kreditanstalt brach zusammen.
- Aus den Kündigungen ausländischer Kredite, die seit dem nationalsozialistischen Wahlsieg in aller Stille in Deutschland vor sich gegangen waren, wurde ein Run.
- Eine der größten Banken Deutschlands, die Darmstädter und Nationalbank, schloß ihre Schalter. Sämtliche Banken Deutschlands schlössen.
- In ganz Europa froren die Kredite ein. Hoover verkündete sein Schuldenfeierjahr. Frankreich verzögerte seine Zustimmung, willigte nur widerstrebend und unter Bedingungen in ein Reparationsmoratorium ein. Die Kredite froren noch fester ein.
- Der Wiggin-Ausschuß trat in Basel zusammen, schuf ein Stillhalte-Abkommen für die kurzfristigeren deutschen Kredite, bezeichnete die Situation als drängend kritisch.
- England schwankte, kämpfte, glitt aus, mußte den Goldstandard aufgeben. Ein Dutzend Länder folgte ihm. Deutschland bat um ein Moratorium innerhalb des Young-Plans.
Der Sachverständigenausschuß trat in Basel zusammen, erkannte die Notwendigkeit des Moratoriums an, erklärte, die Gefährlichkeit der Situation habe zugenommen. Sein Bericht ist der düsterste genannt worden, den eine verantwortliche Körperschaft in modernen Zeiten veröffentlicht habe.
„Wir können aus der Vergangenheit zu der Verwirrung, die Platz greift und leicht zu einem tiefgehenden Wandel in den Wirtschaftsbeziehungen der Völker untereinander führen kann, keine Parallele aus Friedenszeiten nennen.
Das deutsche Problem, das hauptsächlich für die zunehmende finanzielle Lähmung der Welt verantwortlich ist, wird sich, wenn ihm nicht zuleibe gegangen wird, lediglich als der vorausgeworfene Schatten weiterer Katastrophen erweisen."
Ein Amerikaner, Dr. Walter W. Stewart, vom Gouverneur der Federal Reserve Bank of New York ernannt, unterzeichnete gemeinsam mit den Vertretern Frankreichs, Englands, Italiens, Deutschlands, Belgiens und Japans den Bericht.
Im Jahre 1923 sahen wir dem deutsch-französischen Konflikt aus der Ferne zu. In den Jahren von 1924 bis 1929 genossen wir den Frieden und setzten unser Geld auf sein Bestehen. In 1932 sehen wir, daß der Friede ein Waffenstillstand war.
In der Ära Stresemann haben wir unser Kapital investiert. In der Ära Hitler werden wir es uns vielleicht zurückwünschen.
Sich um die Vorgänge in Europa nicht zu kümmern, ist ein angenehmer Traum, aber 3 bis 10 Milliarden Dollar sind ein teures Vergnügen.
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Damit keine Mißverständnisse aufkommen, dieses Buch wurde von einem studierten Journalisten Anfang 1932 geschrieben.
Auch wenn viele Voraussagen und Prophezeihungen des Amerikaners Knickerbocker erstaunlich dicht an den späteren Ereignissen schrammen, das Buch ist ca. 1 Jahr vor dem März 1933 geschrieben worden, als Adolf Hitler zum Reichskanzler ernannt wurde.