Sie sind hier : Startseite →  Historie und Geschichte→  Über die "Wahrheit"→  1932 "Deutschland So oder So"→  1932 "Deutschland So oder So" 06

Das Buch "German crisis" - "Deutschland so oder so" aus 1932

Dieses Buch aus dem Frühjahr 1932 !!! enthält ganz viele Gedanken und Wahrheiten aus der Zeit vor der Machtübernahme Adolf Hitlers im März 1933. Der amerikanische Autor bereiste bereits während seines Studiums viele Orte in Deutschland und Europa und beschrieb sehr viele teils unbekannte Zustände der damaligen Gesellschaft. Und er belegt seine Schlussfolgerungen mit fundierten Daten. - Solllten Sie hier direkt eingelandet sein, beginnen Sie besser auf dieser einführenden Seite. Ganz viele zusammengesuchte Erklärungen und Ergänzungen haben wir auf dieser Erklärungs-Seite eingebracht, Informationen, die das Buch selbst nicht bietet, die aber zum Verstehen der einzelnen Kapitel wichtig sind.

.

Sechstes Kapitel - WEIMAR

.

WEIMAR (Die Tradition der Dichter und Denker)

Ein altes deutsches Sprichwort sagt: „Es wird nichts so heiß gegessen, wie es gekocht wird", und wenn Adolf Hitler in der politischen Küche Deutschlands Chef wird, wird er seine Gerichte vielleicht nicht so scharf gewürzt servieren, wie es das Nazi-Rezept vorschreibt, aber auf jeden Fall versprechen sich seine Mannschaften eine recht heiße Mahlzeit.

Wenn man sich darauf verlassen könnte, daß die Erwartungen des gemeinen Nazimannes tatsächlich dem entsprechen, was Hitler tun wird, sobald oder wenn er zur Macht gelangt, dann wird die Zeitspanne der nationalsozialistischen Herrschaft die kritischste in der Nachkriegsgeschichte Europas sein.

Als Frankreich 1928 ins Ruhrgebiet einmarschierte

Der durchschnittliche Nazimann erwartet vertrauensvoll, daß Hitler mit Frankreich nicht verhandeln, sondern ihm die Stirn bieten wird. Und wenn man Schlüsse aus dem Beispiel ziehen kann, das Frankreich 1928 gab, als es ins Ruhrgebiet einmarschierte, so bedeutet das die Besetzung deutschen Gebietes. Und eine Besetzung deutschen Gebietes wiederum, so schwört heute der Nazisoldat, heißt Krieg.

Die weltweite Erwartungshaltung - ein Trugschluß ?

Es kann nicht stark genug betont werden, daß außer den Nazis selbst kein Mensch erwartet, Hitler werde tun, was die zahllosen Redner und Leitartikelschreiber der Nazipartei vorausgesagt haben.

Was Hitler tun wird, läßt sich nicht genau sagen, aber was seine Anhänger von ihm erwarten, ist nicht schwer zu erfahren, und um es zu hören, kann man sich keinen besseren Platz aussuchen als eine nationalsozialistische Suppenküche.
.

Die Nazisuppenküche ist heute die beste Informationsquelle

In dieser Stadt, die wie keine andere Deutschlands die Tradition der Dichter und Denker repräsentiert, in dem „deutschen Athen", das Wolfgang Goethe, Johann Sebastian Bach, Martin Luther, Lucas Cranach, Franz Liszt beherbergt hat, in dieser Stadt, in der die Verfassung der deutschen Republik proklamiert wurde, ist heute die Nazisuppenküche die beste Informationsquelle, wenn man wissen will, welche Hoffnungen die 10, 12 oder 15 Millionen der Hitleranhänger hegen.
.

Die Gedanken von Millionen erforschen - das geht nicht

Es wäre natürlich ein sinnloses Unterfangen, die Gedanken von Millionen erforschen zu wollen.

Die Hitlergefolgschaft setzt sich überdies aus heterogeneren Schichten, Interessengruppen und Individuen zusammen als alle anderen Parteien in Deutschland.

Wenn man aber abzuschätzen versuchen will, was die Nationalsozialisten wirklich erwarten, ist es von einigem Wert, eine Reise durch Deutschland zu machen und so viele Mitglieder der Nazigemeinschaft zu befragen, wie nur möglich ist.

Wenn sich dabei herausstellt, daß die Meinungen aller aufs Geratewohl Befragten sich einigermaßen decken, darf man annehmen, daß es sich um die Ansichten der großen Masse handelt, die als solche mindestens ebensolcher Beachtung wert sind wie die vorsichtig und im Hinblick auf die Wirkung geäußerten Ansichten der Parteiführer.
.

Weimar eignet sich ganz besonders für den Beginn

Weimar eignet sich ganz besonders für den Beginn einer solchen Beobachtungsreihe, weil Weimar bereits einen nationalsozialistischen Minister gehabt hat, Herrn Wilhelm Frick, Minister für Inneres und Erziehungswesen; er war der erste Nazi, der in Deutschland Kabinettsmitglied war; und Weimar nimmt seine Nationalsozialisten sehr ernst.

Aus einer langen Unterhaltung mit einem nationalsozialistischen Schullehrer, der arbeitslos und infolgedessen Kunde der Suppenküche war, aber um so mehr Zeit hatte, sich mit der Politik zu beschäftigen, ergab sich folgendes Programm der Dinge, die von der Hitlerregierung erwartet werden:

A. Außenpolitik:

.

  • 1. Hitler wird den Versailler Vertrag zerreißen.
  • 2. Hitler wird den Franzosen sagen, sie sollen sich die Tributgelder in der Hölle holen gehen.
  • 3. Hitler wird die allgemeine Militärdienstpflicht wieder einführen und das alte deutsche Heer mit mindestens 600000 Mann wieder aufstellen.
  • 4. Frankreich wird es nicht wagen, auch nur das geringste gegen uns zu unternehmen. Sollte es aber das Rheinland zu besetzen versuchen, so werden wir die Franzosen hinauswerfen.
  • 5. Hitler wird den Polnischen Korridor, den deutschen Teil Oberschlesiens und unsere Kolonien wieder holen; wenn Frankreich manierlich ist, kann es Elsaß-Lothringen erhalten.

.

B. Innenpolitik:

.

  • 1. Hitler wird die Republik abschaffen.
  • 2. Hitler wird allen Erwerbslosen Arbeit geben.
  • 3. Hitler wird die kommunistische Partei auflösen.
  • 4. Hitler wird die Juden aus Deutschland vertreiben.
  • 5. Hitler wird ein Deutschland für die Deutschen schaffen, und wenn sich Ausländer hier betätigen wollen, werden sie sehr auf der Hut sein müssen.

.

Wer steht für dieses NAZI-Programm ?

Dieses Programm wird nicht als Programm eines verantwortlichen Hitlerführers zitiert. Es wird nicht einmal als Programm eines unverantwortlichen Hitlerführers zitiert.

Es wird lediglich angeführt als das Programm eines gemeinen Nazimannes von durchschnittlicher Wählerintelligenz, der seit drei Jahren Parteimitglied ist und seine politischen Ansichten seinen politischen Inspiratoren, den Sprechern und der Presse der nationalsozialistischen Partei, verdankt.

Es ist anzunehmen, daß Hitler und seine Parteiführer, die sich um so staatsmännischer verhalten, je erreichbarer ihnen die Regierungsämter erscheinen, das Programm dieses einfachen Nazimannes als Idiotie oder Provokation ablehnen würden.

Der nationalsozialistische Schullehrer aber war weder ein Schwachkopf noch ein Lockspitzel. Er war ganz einfach ein Nazi.
.

Es sind die Ziele und Ansichten der Allgemeinheit aus 1931/32

Überdies: wären seine Ideen wirklich ungewöhnlich, so verdienten sie nicht, hier angeführt zu werden. Sie decken sich tatsächlich ziemlich genau mit den Ansichten, die ich überall in Deutschland von Nazis gehört habe, von Arbeitern, Studenten, Geschäftsreisenden, Hotelgeschäftsführern, Landleuten, Fabrikangestellten, in Preußen, Sachsen und Thüringen.

Und jedermann, der das offizielle Programm der nationalsozialistischen Partei studiert hat, wird erkennen, daß die erstaunlichen Ziele, deren unmittelbare Erreichung der nationalsozialistische Schullehrer in seiner Vision vom Regime Hitler erwartet, im letzten Grunde auch die Ziele des offiziellen Programms sind, lediglich etwas kräftiger ausgedrückt und vereinfacht.

  • Anmerkung : Laut anderer Quellen hat der Einmarsch der Franzosen in 1928 ins Ruhrgebiet maßgeblich zu diesen Zielen und Wunsch-Träumen geführt.

.

Ziele, die den Träumen zugrunde liegen

Es sind in der Tat eben solche Ziele, wie sie nach Siegmund Freud den Träumen zugrunde liegen: nämlich Wunscherfüllungen. Wenn aber Wünsche zum Gemeingut einer Anzahl von Menschen werden, die nahezu die Majorität eines großen Volkes umfaßt, und wenn diese Wünsche zu einem politischen Aktionsprogramm zu werden drohen, dann muß die übrige Welt ihnen, und mag der Traum zunächst auch noch so phantastisch erscheinen, ebensolche Aufmerksamkeit zuwenden wie politischen Taten.

Wir gingen das Programm Punkt für Punkt durch.


  • Erstens, Hitler wird den Versailler Vertrag zerreißen, denn: „Wir wurden dazu gezwungen, den Vertrag zu unterschreiben, und eine erzwungene Unterschrift taugt nichts."
  • Zweitens, Hitler wird die Reparationszahlungen verweigern, denn: „Wir haben den Krieg nicht angefangen und sind denen, die ihn angefangen haben, nichts schuldig. Wenn man von uns erwartet, daß wir beim Wiederaufbau der zerstörten Gebiete in Nordfrankreich mithelfen - das haben wir schon längst getan, und wir werden keinen Pfennig mehr bezahlen."
  • Drittens, Hitler wird das alte deutsche Heer wieder schaffen: „Nicht weil wir Krieg führen wollen, sondern weil Deutschland ein ebenso gutes Recht auf Sicherheit hat wie Frankreich. Übrigens hat Frankreich in seinem eigenen Versailler Vertrag versprochen abzurüsten, wenn wir abrüsten« und hat es nicht getan."
  • Der vierte Punkt war interessant. Frankreich, sagte der Nazi, werde aus zwei Gründen nicht wagen, mit Gewalt gegen Deutschland vorzugehen: weil Hitler ein Militärbündnis mit Italien und England eingehen und sich die Neutralität Amerikas sichern, und weil Hitler eben dieses Heer von 600.000 Mann geschaffen haben werde.

.

Nattürlich gab es Nachfragen zu diesem Programm

„Was aber, wenn Frankreich nicht wartet, bis Ihr Euer Heer organisiert und ausgerüstet habt?" fragte ich. „Waren
Sie an der Front? Wissen Sie, was es für eine Armee ohne Kampfflieger, ohne schwere Artillerie, ohne Tanks und ohne Gaskampfmittel bedeutet, gegen ein zahlenmäßig viel stärkeres Heer zu kämpfen, das mit diesen Waffen ausgerüstet ist?"

„Ja", antwortete er, „ich war an der Front, aber wir würden nicht nur die 1oo.ooo Mann der Reichswehr haben. Vergessen Sie nicht die Hitlerschen Sturmabteilungen und die Stahlhelmer. Sie wissen vielleicht nicht, daß Passagierflugzeuge mit Leichtigkeit in Militärflugzeuge umgewandelt werden können. Außerdem, in einem scharfen, raschen Kampf braucht man keine schwere Artillerie, und wenn man sich nicht eingegraben hat, braucht man keine Tanks. Und das Gas - Deutschland hat die größten Chemiker der Welt."

„Aber die Hitlerschen Sturmabteilungen bestehen zum größten Teil aus jungen Burschen, die nie gedient haben", warf ich ein. „Wozu können sie denn taugen, wenn sie nicht einmal Gelegenheit gehabt haben, schießen zu lernen?"

„Viele von den Leuten haben gedient", erwiderte er, „und die Stahlhelmer sind fast ausnahmslos Kriegsteilnehmer; außerdem braucht man nicht lange zur Ausbildung von Leuten, wenn man die Führer hat. Und die Führer hat die nationalsozialistische Partei ganz entschieden."
.

Der fünfte Punkt - ein starkes Deutschland

Wenn man die Voraussetzungen des Nazi gelten läßt, ergibt sich der fünfte Punkt ganz von selbst, und ein Deutschland, welches Frankreich so einschüchtern könnte, daß es sich mit dem bisher entwickelten Programm abfindet, würde es natürlich nicht schwer haben, mit Polen fertig zu werden.

Hinsichtlich der Kolonien wies der Nazi darauf hin, daß Hitlers Bündnis mit England die britische Zustimmung zur Übernahme der afrikanischen Mandate durch Deutschland voraussetzen würde.

Das innenpolitische Programm

Was das innenpolitische Programm betraf, lohnte es sich kaum, Worte darüber zu verlieren, daß Hitler mit der Republik, die solches Elend über das deutsche Volk gebracht hätte, aufräumen, daß er augenblicklich einen Weg finden würde, den Arbeitslosen durch Erteilung von Staatsaufträgen Beschäftigung zu schaffen, und so fort.

Als ich fragte, was die Kommunisten tun würden, wenn Hitler sie unterdrückte, ob das nicht vielleicht ein gefährlicher Schritt wäre, gab er mir zur Antwort: „Wir werden die Macht haben, uns der Führer zu entledigen, und wenn die Führer nicht mehr da sind, werden die kommunistischen Arbeiter auf unsere Seite treten."
.

Die letzte Frage an den Lehrer

Das stimmte nicht mit den Ansichten überein, die kommunistische Arbeiter mir gegenüber geäußert hatten, und die Vorstellung von 6 Millionen durch ein faschistisches Dekret unterdrückter Roter war nicht gerade beruhigend, aber meine nächste Frage, die letzte, war die wichtigste von allen:

„Was würden die Nationalsozialisten machen, wenn Hitler nicht alles tut, was sie von ihm erwarten?"

„Das ist unvorstellbar", rief er aus. Als ich ihn jedoch drängte, um der Debatte willen das „Unvorstellbare" als rethorische Möglichkeit gelten zu lassen, gab er mir widerwillig zur Antwort: „Dann müßten wir uns wohl Hitlers entledigen und die Sache selbst in die Hand nehmen."
.

Was wäre, wenn Hitler eine Koalition machen müsste

Doch der Weimarer Hitlerianer rechnete damit, daß Hitler die absolute Majorität haben, also ohne Koalition mit anderen Parteien eine Reichsregierung bilden und handeln könnte, ohne Rücksicht auf andere nehmen zu müssen.

Aus der Perspektive des Jahresbeginns 1932 erscheint in der deutschen Politik nichts unmöglich, aber alles scheint dafür zu sprechen, daß es zu einer Kombination zwischen Hitler und der einen oder anderen der sogenannten „bürgerlichen" Parteien, der Volkspartei oder dem Zentrum, kommen dürfte.

Und wenn man die möglichen Wirkungen einer derartigen Koalition auf die Nationalsozialisten beurteilen will, ist es von Nutzen, sich mit der Geschichte der thüringischen Regierung zu beschäftigen, in der der Nazi Frick in Koalition mit der Volkspartei und den anderen Rechtsparteien vom Januar 1930 bis zum April 1931 als Minister für Inneres und Erziehungswesen amtierte.

Es ist nur ein sehr oberflächlicher Vergleich

Selbstverständlich läßt sich nur ein sehr oberflächlicher Vergleich ziehen zwischen einer von Hitler und einer anderen Partei gebildeten Reichsregierung, in der Hitler die Führerschaft hätte, und dem Frick-Regime in Thüringen, in der die Nationalsozialisten von den 55 Landtagssitzen nur sechs inne halten und lediglich wegen der Schlüsselposition der Partei einen Ministerposten besetzen konnten. Einige Züge des Frick-Regimes ermöglichen jedoch lehrreiche Schlüsse auf das, was von Hitler zu erwarten ist, wenn er in eine Koalitionsregierung im Reiche eintritt.
.

Der Nazi Frick machte 1930 vor, was von Hitler zu erwarten war

Frick, der zur Zeit des Hitler-Ludendorff-Putsches im Jahre 1923 Polizeibeamter in München war, wurde mit den Haupträdelsführern dieses berüchtigten Aufstandes wegen Hochverrats angeklagt und verurteilt, aber, wie auch die anderen, später amnestiert.

Als er Minister in Thüringen wurde, beobachtete ihn die ganze Nation gespannt, weil er der erste Nationalsozialist war, der in eine mit Exekutivrechten ausgestattete Position kam.

Gegen sein Regime hatten die Oppositionsparteien folgende Einwendungen zu machen:

  • Er ersetzte eine Anzahl hoher Polizeibeamter durch Nationalsozialisten und tat alles, was in seiner Macht stand, um neue Mitglieder der Polizeitruppe aus den Reihen der Nationalsozialisten zu holen.
  • Er führte in den Schulen Thüringens ein Gebet ein, in welchem Gott angefleht wurde, Deutschland aus „Lug und Verrat" zu befreien - eine Phrase, die von guten Republikanern dahin ausgelegt wurde, er wünsche Deutschland von den Republikanern befreit zu sehen.
  • Er hob das Verbot einer öffentlichen Demonstration gegen den Young-Plan auf, beteiligte sich aber als Mitglied der thüringischen Regierung an der Eintreibung der Steuern, die zur Erfüllung des Young-Planes dienten.
  • Er erließ ein Dekret, in welchem die Jazzmusik verboten wurde und „alle öffentlichen Vorführungen und Unterhaltungen, welche die Eigenschaften und Gefühle der Neger verherrlichen". Aber der Widerstand der Hotel- und Tanzlokalbesitzer machte das Dekret zu einem toten Stück Papier,
  • Er lieferte das Staatstheater den Nationalsozialisten zu Demonstrationen gegen die Objekte ihrer Abneigung aus, unter denen auch die Republik nicht fehlte, und erschwerte nach Kräften die Aufführung von Stücken, die seiner Meinung nach nicht den besten Nazitraditionen von germanischer Kultur entsprachen.

.

Die Gegner sprachen von Sünden und „Verbrechen"

Noch einige leichtere Sünden werden von seinen Gegnern genannt, aber diese Liste enthält die wichtigsten seiner „Verbrechen". Alles, was er tat, wirbelte im Lande selbst viel Staub auf, einen Widerhall im ganzen Reich fanden jedoch nur die beiden zuerst genannten Handlungen.

Wegen der Ersetzung von Polizeibeamten durch Nationalsozialisten stellte die Reichsregierung die Zahlung der Gelder ein, die Thüringen für die Erhaltung seiner Polizei vom Reiche zustehen; erst nach monatelangem Hin und Her konnte dieser Streit beigelegt werden.

Aus dem Versuch Fricks, die Polizei Thüringens zu einem Werkzeug der nationalsozialistischen Partei zu machen, läßt sich mit Sicherheit darauf schließen, daß Hitler bemüht sein wird, die Polizei im ganzen Reich zum Parteiwerkzeug zu machen, wenn er in der Reichsregierung und in den Staaten, denen in Deutschland die Polizei untersteht, an die Macht gelangen sollte. Von allem, was Frick getan hat, scheint dieser Versuch der einzige zu sein, der unbedingt ernst genommen werden muß.
.

Eine Analyse von 1932, wer zur Zeit mit wem sympathisiert

In Deutschland ist die bewaffnete Macht zu nahezu gleichen Teilen zwischen dem 1oo.ooo Mann-Heer der Reichswehr und der unter der Verwaltung der einzelnen Staaten stehenden Polizeitruppe geteilt, die gleichfalls rund 1oo.ooo Mann zählt.

Im Augenblick steht in Preußen, das zwei Drittel des Reiches bildet, die Polizei unter sozialistischer Leitung, und die Mannschaften selbst gelten allgemein als treue Anhänger der Republik, wenn auch ihre Offiziere Sympathien für die Nationalsozialisten bekundet haben.

Von der Reichswehr, die als unpolitisch gilt, wird angenommen, daß sie ein völlig verläßliches Instrument in den Händen ihrer Offiziere ist. Die Offiziere aber sympathisieren ganz offen mit der Rechten, welche die Traditionen des alten Heeres hegt.
.

Hitler und die Reichswehroffiziere - eine große Gefahr

Von Hitler glaubt man, daß er sich recht großer Sympathien unter den Reichswehroffizieren erfreut, obwohl es gerade die Reichswehr war, die im Jahre 1923 seinen Putsch mit einem einzigen kurzen Maschinengewehrfeuer erledigte.

Wenn aber Hitler, was durchaus möglich erscheint, in Preußen früher an die Macht gelangen sollte als im Reich, wird, wenn man nach dem von Frick gegebenen Beispiel urteilen darf, sein erster Versuch dahin gehen, die preußische Polizei zu einem nationalsozialistischen Werkzeug zu machen.

Ein solches Vorgehen würde politisch ebenso selbstverständlich erscheinen wie das Pflücken einer Frucht. In Thüringen wurde es für unheilvoll gehalten, weil es von den republikanischen Parteien als ein Zeichen dafür angesehen wurde, daß die Nationalsozialisten sich daran machten, die Herrschaft mit illegalen Mitteln an sich zu reißen.

Wenn Hitler jedoch auf legalem Wege zur Macht gelangt .....

Gelangt Hitler jedoch auf legalem Wege zur Macht, dann würde es einen etwas anderen Sinn haben, wenn er die Truppen unter seinen Einfluß stellt.

Es würde bedeuten, daß er, im Falle der Alleinregierung, die Waffengewalt hat, die es ihm ermöglichen kann, am Ruder zu bleiben, wie immerauch die Wahlresultate sich verschieben mögen; beziehungsweise daß er, in einer Koalitionsregierung mit anderen Parteien, die Waffengewalt hat, die es ihm ermöglicht, mit Hilfe nicht verfassungsgemäßer Mittel die unbeschränkte Gewalt zu erlangen.

Mit anderen Worten: Hitler würde, mit Hilfe von der Verfassung sanktionierter Methoden ans Ruder gelangt, die Beherrschung der Truppen anstreben, um gegen die Verfassung an der Macht zu bleiben.
.

Entsetzliche Aussichten - eine Betrachtung aus 1932

Diese Aussicht entsetzt natürlich die Republikaner, aber es ist eben die Ironie der Demokratie, daß sie es den Demokraten unmöglich macht, etwas dagegen zu unternehmen und dabei Demokraten zu bleiben.

Sie haben kaum eine andere Waffe als das Schlagwort, daß die Polizei unpolitisch sein müsse. Aber die Sozialdemokraten, die jetzt in Preußen am Ruder sind, legen großen Wert darauf, daß sie eine Polizeitruppe haben, die zum größten Teil aus treuen Republikanern besteht, um es den Gegnern der Republik schwer zu machen, sie zu stürzen.

Für diese Zwecke sind nach sozialdemokratischer Ansicht die besten Polizisten Sozialdemokraten. Wenn Hitler zur Macht gelangte, würde er voraussichtlich das Beispiel sowohl der Sozialdemokraten wie seines Parteianhängers Frlck befolgen und danach streben, sich eine Polizeitruppe heranzuziehen, die zum größten Teil aus der Hitlerregierung ergebenen Männern besteht, um es den Gegnern der Hitlerregierung schwer zu machen, sie zu stürzen.

Vom politischen Standpunkt aus scheint zwischen den beiden Vorgängen nur sehr wenig Unterschied zu bestehen, aber jede der beiden Seiten betrachtet einen und denselben Vorgang, wenn er sich bei der anderen Partei abspielt, als ein Verbrechen.
.

Die Aussichten der Nationalsozialisten im ganzen Reich

Auf jeden Fall ist die Reaktion Thüringens auf das Regime Fricks von größtem Wert, wenn man die Aussichten der Nationalsozialisten im ganzen Reich abschätzen will.

Frick schied am 1. April 1931 aus seinem Amt aus, nachdem einer seiner Parteifreunde Mitglieder der (Anmerkung : größeren) Volkspartei in der Weimarer Parteizeitung der NSDAP als „charakterlos", „bodenlos unfähig", „verlogen", „korrupt", „Untermenschen", „Feiglinge" und „trottelhafte Greise" bezeichnet hatte.

Die Volkspartei beantwortete diese „Komplimente", indem sie sich aus der Koalition mit den Nazis zurückzog.
.

Die Nationalsozialisten bekämen heute 50% der Wählerstimmen

Trotz der Kanonade von Einwendungen, die in allen Teilen Deutschlands von den Journalisten und Rednern der Nazigegner gegen Frick erhoben wurden, schien die Bevölkerung Thüringens mit seiner Regierung einverstanden zu sein.

Die Nationalsozialisten haben in dem 1929 gewählten Landtag 6 Sitze von 55 inne, aber in Weimar gaben mir Männer aus den Reihen ihrer schärfsten Feinde bedauernd zu, es sei zu erwarten, daß eine Abstimmung in Thüringen den Nationalsozialisten heute 50% der Wählerschaft zuführen würde.

Wenn Hitler seine Versprechen halte, gibt es Krieg (aus 1932 !)

Ein führender Mann der Industrie und des Handels in Thüringen äußerte in meiner Gegenwart für den Fall, daß Hitler an die Macht gelange, tiefe Besorgnisse hinsichtlich der Zukunft Deutschlands.

Er teilte die bereits nahezu klassisch gewordenen Befürchtungen, wenn auch mit einigen interessanten Einschränkungen. Wenn Hitler seine Versprechungen hält und Frankreich trotzt, dann, so meinte dieser Sprecher für den Handel, sei die Wahrscheinlichkeit sehr groß, daß Frankreich nicht auf jeden Fall augenblicklich das Rheinland besetzen, sondern Polen zur Besetzung Ostpreußens ermuntern und ihm dabei Beistand gewähren werde.

In diesem Falle würde Deutschland ganz allein dastehen, da eine Hitlerregierung von der Sowjet-Union, die bisher Deutschlands stärkste Rückendeckung gegen polnische Angriffe gebildet habe, keinerlei Unterstützung erwarten könne. Krieg, Unheil seien die Aussichten, wenn Hitler seine Versprechen halte.

Halte Hitler seine Versprechungen nicht, dann Chaos ......

Andererseits jedoch, halte Hitler seine Versprechungen nicht - dahin ging die Ansicht, die sich der thüringische Industrielle auf Grund seiner Kenntnis der nationalsozialistischen Psychologie gebildet hat - dann werde der größte Teil der Anhängerschaft Hitlers zu den Kommunisten überlaufen.

Bürgerkrieg, Anarchie, Unheil - das seien die Aussichten, wenn Hitler seine Versprechungen nicht halte.

Fricks Amtstätigkeit aber scheint noch eine andere Möglichkeit zuzulassen. Vom unparteiischen Standpunkt des neutralen Beobachters aus gesehen, erscheint Fricks Amtsführung weniger ihrer Härte als ihrer Milde wegen bemerkenswert.

Das ist, wie bereits betont wurde, kein sicherer Anhaltspunkt für das, was Hitler im Reich tun mag. Frick hatte natürlich keine Möglichkeit, die Außenpolitik zu beeinflussen.

Von größter Bedeutung ist jedoch folgendes: Nachdem ein Nationalsozialist 15 Monate lang der Landesregierung angehört hat, ohne auch nur einen Bruchteil des Parteiprogramms auszuführen oder ausführen zu können, haben die Nazis in Thüringen seine Regierungstätigkeit nicht nur im höchsten Maße befriedigend gefunden, sondern auch ihre Macht in einem solchen Maße vergrößert, daß ihre Feinde einräumen, sie hätten wohl die absolute Majorität.

Wenn man aus diesem Beispiel Schlüsse ziehen darf, kann man annehmen, es sei möglich, daß Hitler im Reich ans Ruder gelangt, sein Programm den Erfordernissen der Wirklichkeit anpaßt, „staatsmännisch" wird, sich mit Frankreich aussöhnt und seine Gefolgschaft dennoch nicht an die Kommunisten verliert.

Die Besucher der Nazisuppenküche versprechen sich vielleicht ein heißes Mahl, aber sie haben es auch schon kalt gegessen, wenn es ihnen vom Chef so serviert worden ist
.

Damit keine Mißverständnisse aufkommen, dieses Buch wurde von einem studierten Journalisten Anfang 1932 geschrieben.

Auch wenn viele Voraussagen und Prophezeihungen des Amerikaners Knickerbocker erstaunlich dicht an den späteren Ereignissen schrammen, das Buch ist ca. 1 Jahr vor dem März 1933 geschrieben worden, als Adolf Hitler zum Reichskanzler ernannt wurde.

- Werbung Dezent -
Zur Startseite - © 2006 / 2025 - Deutsches Fernsehmuseum Filzbaden - Copyright by Dipl.-Ing. Gert Redlich - DSGVO - Privatsphäre - Redaktions-Telefon - zum Flohmarkt
Bitte einfach nur lächeln: Diese Seiten sind garantiert RDE / IPW zertifiziert und für Leser von 5 bis 108 Jahren freigegeben - Tag und Nacht, und kostenlos natürlich.