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Das Buch "German crisis" - "Deutschland so oder so" aus 1932

Dieses Buch aus dem Frühjahr 1932 !!! enthält ganz viele Gedanken und Wahrheiten aus der Zeit vor der Machtübernahme Adolf Hitlers im März 1933. Der amerikanische Autor bereiste bereits während seines Studiums viele Orte in Deutschland und Europa und beschrieb sehr viele teils unbekannte Zustände der damaligen Gesellschaft. Und er belegt seine Schlussfolgerungen mit fundierten Daten. - Solllten Sie hier direkt eingelandet sein, beginnen Sie besser auf dieser einführenden Seite. Ganz viele zusammengesuchte Erklärungen und Ergänzungen haben wir auf dieser Erklärungs-Seite eingebracht, Informationen, die das Buch selbst nicht bietet, die aber zum Verstehen der einzelnen Kapitel wichtig sind.

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Fünftes Kapitel - MERSEBURG

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MERSEBURG (Die Leuna-Werke oder die „I.G.Farben")

Der schmutzige Dunst des Wintermorgens hing so dicht über der mitteldeutschen Landschaft, daß die niedrigen Gebäude der Fabrikstädte, die an der von Jena ausgehenden Straße liegen, kaum zu sehen waren.

Der Nebel war aber nicht dicht genug, um die Essen Leunas zu verbergen, und als wir uns den größten chemischen Werken der Welt näherten, sahen wir sie gewaltig im Nebel daliegen, das Symbol eines Volkes, das allem zum Trotz die stärkste Industriemacht auf dem Kontinent bleibt.

Die Leuna-Werke - nahezu 6 1/2 km² und 5 Kilometer lang

Der Gebäudekomplex der Leuna-Werke nimmt eine Länge von nahezu 5 Kilometern ein, und über seine 600 Gebäude ragen 13 Schornsteine bis zu einer Höhe von mehr als 100 Metern empor. Ringsherum zog sich eine Mauer, vor der Polizisten patrouillierten.

Hinter der Mauer lagen Geheimnisse, waren die modernen Zauberapparate, mit denen der Stoff, der die Pflanzen üppiger wachsen läßt, aus der Luft erzeugt wird. Hinter den Mauern waren die Instrumente, mit deren Hilfe Benzin aus Kohle gemacht wird. Hinter den Mauern waren die Tatsachen zu suchen, die einen Schluß auf die Zukunft dieses Volkes gestatten und auf das schwierige Problem der Vermögenslage Deutschlands ein Licht werfen.

Wir durchfuhren die Werksanlage. Sie zu Fuß zu durchwandern, ist unmöglich, wenn man nicht eine Woche daran verwenden will.
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Anmerkung :

Hier bei den Leuna-Werken und natürlich auch bei den Zeiss-Werken müssen unbedingt ein paar unsichtbare Eigenschaften oder Gegebenheiten erläutert werden, die oft zwischen den Zeilen stehen.

Ein "Normalo", auch ein normaler Amerikaner - als Gast, Tourist oder Besucher- kam nie in die "Verlegenheit", solche großen Werke mit Werks-Begleitung einfach mal so sporadisch oder überhaupt zu besuchen. Hier oben drüber steht es ganz unscheinbar im Text, daß rund um das eingezäunte bzw. eingemauerte LEUNA-Werk Polizisten patrouillierten.

Der amerikanische Journalist H. R. Knickerbocker - mit einem hohen Bildungsgrad und sehr guten deutschen Sprachkenntnissen - hattte nicht nur einen amerikanischen Presseausweis, er war auch als Auslandskorrespondent der "New York Evening Post" akkreditiert und mit entsprechenden Dokumenten ausgestattet. Und er hatte ein erstaunliches Reise-Budget für seine Reisen durch das verarmte Europa von 1931.

Bei den Berichten über die Verarmung der Landbevölkerung - insbesondere im „sächsischen Sibirien" - wird mit keinem Wort erwähnt, daß es in der Weltwirtschaftskrise solche "sibirischen" Gegenden auch in den USA gab. und noch später nach dem 2. Welkrieg wurde zum Beispiel Detroit extrem betroffen und getroffen, als die Autokrise auch Amerika erreichte.

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Es war ein großes Privileg

Daß uns die Besichtigung gestattet wurde, war ein großes Privileg. In Leuna schätzt man zufällige Besuche nicht. Es ist das berühmteste Unternehmen in Deutschland, von dem man jedoch gleichzeitig am wenigsten weiß.

Wir fuhren in einem offenen Fabriksauto, dessen Sitze parallel zum Chassis lagen. Ununterbrochen waren die Schatten zahlloser Bauten über uns. Wir fuhren über Schienennetze, an hochragenden Silos vorüber, durch eine Gewirr von Kabeln, unter Unterführungen hindurch, an Reihen und Reihen gewaltiger Tanks vorbei, um Gebäude herum, deren Umfahrung zehn Minuten in Anspruch nahm, wir gerieten in ein Gewirr von Röhren und Rohren und Stahlkörpern, das bald ganz unmenschlich wirkte - das wahre Reich der Maschinen, wo der Mensch ein Eindringling ist.

Und doch war dies alles nichts anderes als eine etwas modifizierte und gewaltig vergrößerte Wiedergabe der Apparatur, mit der Friedrich Bergius und Karl Bosch im Laboratorium die Vorarbeiten für die Produktionsmethoden unternahmen, mit denen die Leuna-Werke heute Stickstoffdüngemittel aus der Luft und Benzin aus Kohle herstellen.

Die schwedische Akademie hat die beiden Forscher im vergangenen Jahr mit dem Nobelpreis ausgezeichnet.

Bürgerkrieg oder Anarchie - wäre soetwas denkbar ?

Es ist sehr viel geredet worden über die Möglichkeit eines „Unterganges" Deutschlands in dem Sinne, daß es in Bürgerkrieg und Anarchie versinken könnte. In Deutschland selbst sprechen die größten Pessimisten bereits von einer Wiederholung der Zustände des Dreißigjährigen Krieges, in dessen Verlauf das Land von den Kämpfen religiöser Fanatiker verwüstet und die Entwicklung Deutschlands um Generationen zurückgeworfen wurde.

Niemand jedoch, der das deutsche Volk seit Kriegsende beobachtet hat, kann die Möglichkeit in Betracht ziehen, daß ein solches Unheil einem Volk widerfahren könnte, das seit jenen fernen Tagen vor drei Jahrhunderten das bestdisziplinierte und ordentlichste Europas geworden ist und ein unbestrittenes Niveau technischer und erfinderischer Leistungen erreicht hat.

Über den nationalsozialistischen Jugendkalender - für die Jugend

Es wäre überflüssig, den historischen Bericht uneingeschränkt zu unterschreiben, den der nationalsozialistische Jugendkalender bringt; darin wird der Hitler-Jugend gelehrt, daß von den 14 „wichtigsten" Erfindungen, von der des Schießpulvers, 138o, bis zu der des lenkbaren Luftschiffes, 1900, zehn von Deutschen gemacht wurden.

Doch das Register der wissenschaftlichen und technischen Entwicklung enthält zu viele deutsche Namen, als daß man annehmen dürfte, ein solches Volk, das wie fast kein anderes den Erfordernissen des industriellen Zeitalters angepaßt ist, könnte auch nur für einige Zeit aus der Reihe der erstrangigen Mächte ausscheiden.

Unter jeder Flagge - sei es nun das Schwarz-Rot-Gold der Republik, des Schwarz-Weiß-Rot des alten Reiches, das Hakenkreuzbanner Hitlers oder das rote Hammer-und-Sichel-Emblem - müssen die deutschen Nationaleigenschaften für den Wettbewerb in der technischen Epoche ganz besonders geeignet bleiben.

Die Fragen, um die es sich im Augenblick handelt, lauten:


  1. Kann Deutschland zahlen?
  2. Was wird in Deutschland geschehen?


Diese Fragen sind gerade jetzt akut. Von der Perspektive des Gesamtlebens der Nation aus gesehen, sind sie nur für den Augenblick akut, und es gibt wohl keinen Kenner der deutschen Industrie, der sich des Eindruckes entschlagen könnte, daß hier eine latente Kraft vorhanden ist, die diesem Volke schließlich einen günstigen Platz wieder erobern muß.

Die besten Belege für diese Bemerkungen bietet die deutsche chemische Industrie im allgemeinen und die „Interessengemeinschaft Farbenindustrie Aktiengesellschaft", in Deutschland als die „I.G.Farben" bekannt, und die Ammoniak-Werke Merseburg, in der ganzen Welt als „Leuna-Werke" bekannt, im besonderen.

Die „I.G.Farben", im Jahre 1916 durch den Zusammenschluß zweier Gruppen, die seit 1904 die chemische Industrie Deutschlands beherrschten, entstanden, dehnte sich 1925 gewaltig aus und wurde nicht nur zum größten industriellen Unternehmen in Deutschland, sondern zum größten chemischen Trust der Welt.

Sie hat ein Kapital von 1.100 Millionen Mark, zählt mehr als 100.000 Angestellte und produziert alle erdenklichen Arten von chemischen und verwandten Produkten, angefangen von Farbstoffen bis zu Explosivstoffen und photographischen Artikeln, von Metallegierungen bis zu Kunstseide, von Parfüms bis zu Düngemitteln.
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Die chemischen Patente und Geheimnisse nach dem Krieg

Wenn man sich einen richtigen Begriff von den Leistungen dieses Konzerns bilden will und ihn gleichzeitig als repräsentativ für die chemische Industrie Deutschlands im ganzen betrachtet, darf man nicht vergessen, daß der Krieg Deutschland praktisch um alle seine chemischen Patente und Geheimnisse gebracht hat.

  • Anmerkung : Das betraf aber nur die Patente, die bis 1918 erteilt wurden. Die neuen Patente nach 1920 waren davon nicht betroffen.


Gleichzeitig spornte der Krieg den deutschen Erfindergeist zu solchen Leistungen an, daß die chemischen Produkte Deutschlands, sobald die Feindseligkeiten einmal eingestellt waren, die Märkte der Welt wieder überschwemmten; ihre Quantität, Qualität, Neuheit und Billigkeit war so außerordentlich, daß der amerikanische Export bereits nach wenigen Jahren überholt und aus dem Feld geschlagen war - 1929 belief sich die deutsche Ausfuhr an Chemikalien auf 827 Millionen Dollar, die amerikanische nur auf 232 Millionen Dollar.
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Wenn ein „besiegtes" Land „die Ketten abschüttelt"

Wenn das in einem „besiegten" Lande geschehen konnte, ist die Frage berechtigt, was von diesem Lande zu erwarten ist, wenn es einmal, wie Hitler sich ausdrückt, „die Ketten abschüttelt".

Die Leuna-Werke geben eine plastische Vorstellung sowohl von den Leistungen der chemischen Industrie Deutschlands wie von den Rückschlägen, unter denen sie zu leiden hat, und bieten überdies für eine Beantwortung der allgemeinen Frage nach Deutschlands jetziger und künftiger Lage wertvolle Anhaltspunkte.

Diese beiden Errungenschaften sind neu und weltbewegend

Stickstoff aus der Luft, Benzin aus Kohle, das sind die beiden Errungenschaften, die Leuna berühmt gemacht hätten, wenn es nicht schon um seiner Größe willen berühmt gewesen wäre.

Der Anfang wurde im Jahre 1917 gemacht. Heute nimmt es als ungeteiltes Werk einen Flächenraum von 6 1/2 Quadratkilometern ein. Es gibt nur wenige industrielle Unternehmungen in der Welt, deren Dimensionen sich mit denen der Leuna-Werke vergleichen ließen, und nicht ein einziges Unternehmen von dieser Größe, das in so kurzer Zeit aufgebaut worden wäre.

Bis Kriegsende war es ganz unbekannt, heute ist es in Deutschland ein Synonymon für das Große, das Gewaltige geworden und ein Symbol des Zeitalters der Industrie.

Und jetzt eine Hypothese .....

Die Zusammenhänge zwischen den Leuna-Werken und Deutschlands Zahlungsfähigkeit lassen sich in ganz einzigartiger Weise dartun.

Nach den eigenen Berechnungen der „I.G.Farben" nämlich birgt eine einzige ihrer Erfindungen die latente Möglichkeit, der internationalen Zahlungsbilanz Deutschlands einen Aktivposten von solcher Größe zuzuführen, daß es dem Reich möglich wäre, seinen gesamten Reparationsverpflichtungen plus Zinsen und Amortisationsraten für seine privaten Auslandsschulden nachzukommen.
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Das Wasserstoffverfahren zur Gewinnung hochwertiger Brennstoffe

Diese Erfindung ist die der Entwicklung des Benzins und verwandter Produkte aus der Kohle oder, genauer ausgedrückt, das Wasserstoffverfahren zur Gewinnung hochwertiger Brennstoffe und Brennöle aus minderwertigen Rohstoffen, zu denen nicht nur die billigsten Sorten von Kohle und schlechter Holzkohle zu rechnen sind, sondern auch das Petroleum selbst.

Der Prozeß Benzin aus Kohle ist nahe verwandt dem anderen Prozeß der Leuna-Werke: Stickstoff aus Luft. In Variationen eines sich ähnlich bleibenden Verfahrens werden bei gewaltigem Druck und hohen Temperaturen unter Zusetzung eines Katalysators der Stickstoff, der Wasserstoff, der Kohlenstoff und der Sauerstoff, die in Luft, Dampf und Braunkohle enthalten sind, voneinander geschieden und zu Ammoniak, Methanol oder Benzin wieder verbunden.

Viele Jahre hindurch bildete die Ammoniakherstellung die Haupttätigkeit der Leuna-Werke. Das Benzinverfahren, das erst in jüngster Zeit wirtschaftlich rentabel gemacht wurde, ist heute so weit fortgeschritten, daß Leuna monatlich 10.ooo Tonnen Benzin im Wasserstoff prozeß herstellt, und daß die I.G. eine Berechnung vorlegen kann, aus der hervorgeht: wenn Deutschland ausschließlich deutsche Mineralöle kaufte und keine mehr aus dem Ausland bezöge - was bei einer Ausdehnung und Vervollkommnung des Verfahrens durchaus möglich wäre - würde die internationale Zahlungsbilanz des Reiches um mindestens 1oo Millionen Dollar im Jahr erleichtert werden.

Deutschlands Reparationsverpflichtungen betrugen 1.817.4oo.ooo Mark

Bei einer Zugrundelegung der Zahlen von 1930 würde dies nach der Berechnung der „I.G.Farben" folgendes bedeuten: Deutschlands Reparationsverpflichtungen betrugen 1.817.4oo.ooo Mark, wozu Zinsen und Amortisationen der Privatauslandskredite kamen, so daß auf der Passivseite der Zahlungsbilanz in summa 2.5oo Millionen Mark erschienen.

Zum Ausgleich stand ein Exportüberschuß von 1.642.200.000 Mark plus einem geschätzten Betrag von 175 Millionen Mark für Einkünfte aus Transporten, Schiffsfrachten usw. im Ausland, im ganzen also 1817 Millionen Mark, ungefähr die Höhe der Reparationsverpflichtungen; es blieb also ein Passivsaldo von 683 Millionen Mark, rund 160 Millionen Dollar, übrig, der theoretisch durch Goldzahlungen oder Geldanleihen im Ausland zu decken war.

Diese Berechnung ist für den Augenblick praktisch unverwertbar

Nun kauft Deutschland, so argumentiert die „I.G.Farben", jährlich für rund 1oo Millionen Dollar Mineralöle im Ausland. Könnte es diese Ausgaben durch Erzeugung des gesamten Mineralölbedarfs im Inland vermeiden, so hätte das Reich im Jahre 1930 diese 1oo Millionen Dollar dazu verwenden können, seine Reparationspflichten und Privatschulden bis auf 60 Millionen Dollar abzudecken, mit anderen Worten, den Forderungen seiner politischen und kommerziellen Gläubiger nachzukommen.

Diese Berechnung hat selbstverständlich normale Kreditbedingungen zur Voraussetzung. Die Kreditkrise, die den Handel und alle Finanzaktionen in der ganzen Welt seit dem Jahre 193o zum Einfrieren gebracht hat, macht eine derartige Berechnung für den Augenblick praktisch unverwertbar, da die an Deutschland gestellten Forderungen sich nicht bloß auf die Bezahlung von Zinsen und Amortisationsraten beziehen, sondern auch auf die Rückgabe des Schuldkapitals.

Aber unter normalen Verhältnissen, und eine Überwindung der Kreditkrise vorausgesetzt, hätte die Verwertung dieses einen Postens - 100 Millionen Dollar durch eine einzige chemische Erfindung - Deutschland 1931 in den Stand gesetzt, theoretisch nicht nur alle seine Reparationen und Zinsen aus Privatanleihen zu bezahlen, sondern darüber hinaus noch einen Überschuß zu erzielen.

Der Exportüberschuß im Jahre 1931 = 2 1/2 Milliarden Mark

Deutschlands Exportüberschuß im Jahre 1931 betrug nämlich bedeutend mehr als 2 1/2 Milliarden Mark, 600 Millionen Dollar. Dazu füge man weitere 175 Millionen Mark oder 4o Millionen Dollar für die oben erwähnten Transporteinkünfte und weitere 100 Millionen Dollar für die Ersparnisse, welche die Leuna-Methode zur Ersetzung ausländischen Benzins durch inländisches gestattet, und es ergibt sich eine Summe von rund 740 Millionen Dollar gegen rund 600 Millionen oder 700 Millionen Dollar, die zur Zahlung der Reparationen und der Zinsen für Handelsschulden im Ausland gebraucht werden.

Diese Berechnung bleibt zwar theoretisch, aber sie ist keineswegs phantastisch und gehört nicht in die Gruppe jener häufigen Versuche, „Gold zur Befreiung Deutschlands zu fabrizieren", welche viele hoffnungsfrohe Seelen wie Ludendorff und andere, weniger bedeutende Männer seit dem Versailler Vertrag unaufhörlich locken.

Die Herstellung von Benzin im April 1927

Denn die Leuna-Werke, die mit der Verwertung ihres Wasserstoff Verfahrens zur Herstellung von Benzin im April 1927 begannen, erzeugen bereits 120.000 Tonnen im Jahr, ungefähr 1o% des deutschen Bedarfes.

Die Herstellung von Benzin aus Braunkohle ist aber nicht der einzige Vorteil, den das Wasserstoffverfahren bietet. Es eignet sich in gleicher Weise zur Erzeugung von Benzin aus Petroleum, und zwar auf eine bedeutend ökonomischere Weise, sowohl in technischem wie in wirtschaftlichem Sinn, als der herkömmliche Destillationsprozeß gestattet.

Aus einer gegebenen Menge Petroleum sind nach den Angaben der „I.G.Farben" im besten Destillationsprozeß 40 bis 45% Benzin herzustellen, während der Leunaprozeß 90% ergibt. Dieser Vorzug des Leunaprozesses war es, der die Standard-Oil (Anmerkung : später ESSO) dazu veranlaßte, sich für die „I.G.Farben" zu interessieren und ein Arbeitsabkommen mit ihr zu treffen.

Weltpreise für Petroleum (Rohöl) von 250 auf 50 gesunken

Die „I.G.Farben" weist darauf hin, daß die Weltpreise für Petroleum in noch nie dagewesener Weise von der Indexzahl 25o des Jahres 1920 auf 5o im Jahre 1981 gestürzt sind, und will damit beweisen, daß die heimische Petroleumindustrie sich erfolgreich nur dann entwickeln kann, wenn sie durch genügend hohe Zölle geschützt wird.

Wenn für einen solchen Schutzzoll gesorgt wird, kann im Laufe der allernächsten Jahre, so behauptet die „I.G.Farben", „der entscheidende Schritt zur Selbstversorgung mit Mineralölen unternommen werden."

1 Liter Automobil-Betriebsstoff kostet 40 Pfennige

Wenn das richtig ist, kann man erwarten, daß Deutschland wirklich zum Selbstversorger wird, denn die Gebühren, die in Deutschland auf dem Benzin lasten, gehören zu den höchsten auf dem Kontinent; der Zoll beträgt 16 Pfennig auf den Liter, die Steuer 2 Pfennig - auf einem Liter liegen also 18 Pfennig, so daß der Liter Betriebsstoff für Automobile sich für den Konsumenten in diesem Lande auf rund 40 Pfennig stellt.

Die Selbstversorgung kostet hier wie in allen Fällen den Konsumenten wohl Geld, aber, wie die „I.G.Farben" selbst hervorhebt, würde sie es dem Lande sicherlich leichter machen, seinen Auslandsverpflichtungen nachzukommen, und es ist ja immer der Konsument, der bei der Abwicklung aller Transaktionen schließlich die Rechnung zu bezahlen hat.

Die zweischneidige Wirkung aller Wirtschaftspolitik

Die Leuna-Werke sind aber gleichzeitig ein besonders lehrreiches Beispiel für die zweischneidige Wirkung aller Wirtschaftspolitik. Um ihre Benzinproduktion in Deutschland zu schützen, müssen sie einen hohen Zoll haben.

Aber die von anderen Ländern eingeführten hohen Zölle auf künstliche Düngemittel und die in den allerletzten Jahren erfolgte Errichtung von Stickstoffwerken in einigen Ländern haben mit dazu beigetragen, daß die tägliche Stickstofferzeugung in Leuna von 1.5oo Tonnen im Jahre 1929 jetzt bereits auf 275 Tonnen heruntergegangen ist.

Als die Leuna-Werke im Jahre 1917 zur Erzeugung von Stickstoff aus Luft erbaut wurden, standen sie ganz allein da. Heute könnten sie den Gesamtbedarf ganz Europas decken.
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Hier die aktuellen Produktionsdaten von Stickstoff

Die gesamte Produktionskapazität der „I.G.Farben" von 1 Million Tonnen jährlich - Leuna 85o.ooo, die Schwesterwerke in Oppau 15o.000 Tonnen - ist nahezu doppelt so groß wie die gesamte Stickstoffproduktionskapazität der Vereinigten Staaten, die für 1930 auf 578.000 Tonnen berechnet wurde.

Aber seitdem Leuna vorangegangen ist, haben mehr als zehn Länder sich eigene Werke erbaut, und heute steht die Stickstoffproduktionskapazität der Welt von 4 Millionen Tonnen gegen einen geschätzten Weltverbrauch von 1.5oo.000 Tonnen.

Während Korn, Baumwolle, Kaffee und alle anderen landwirtschaftlichen Produkte ihre noch nicht dagewesenen niedrigen Preise behalten und gewaltige Überschüsse auf die Märkte drücken, geben nur wenige Landwirte Geld für Düngemittel aus.

Und hier die sehr gute Zukunftsperspektive

Wenn aber der Aufschwung kommt und die Landwirtschaft wieder gesundet, wird kein Land besser dafür gerüstet sein, den wiedereinsetzenden Bedarf an Düngemitteln zu decken, als Deutschland. Die Leuna-Werke stehen auf ihren eigenen Braunkohlenflözen, die das wichtigste Rohmaterial für den synthetischen Stickstoff bilden.

Nach der Aussage der Beamten (gemeint ist die Geschäftsleitung) kann das Werk Düngemittel billiger erzeugen als alle anderen Hersteller in Europa. Sobald die Weltkrise vorüber ist, wird Deutschland auf Grund der Tatsache, daß es die größte und billigste Stickstoffproduktionskapazität hat, wieder die höchsten Trümpfe in der Hand haben, gleichgültig, ob es sich um eine Wiederaufnahme des Wettbewerbs handeln wird oder um Verhandlungen zur Bildung eines Ringes der Weltproduzenten. So steht es um die Aussichten für die Zukunft.

4/5 der Stickstoffproduktionskapazität liegen brach

Augenblicklich (Frühjahr 1932) beschäftigen die Leuna-Werke 6.000 Mann. Im Jahre 1929 hatten sie eine Belegschaft von 20.000. Vier Fünftel seiner Stickstoffproduktionskapazität liegen brach, und viele ihrer Werkseinheiten sind ohne Beschäftigung.

Wir besichtigten die gewaltigen Kesselhäuser - es sind 6 Stück mit je 21 Kesseln - aber von den 126 Kesseln waren nur 26 in Betrieb. Von den 34 in 3 Gebäuden untergebrachten großen Gaskompressionspumpen arbeiteten nicht mehr als vier.
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Ein betriebliches Mittagessen für nur 60 Pfennige

Wir besichtigten den großen Speisesaal. 1.000 Arbeiter kamen zum Mittagessen. Sie erhielten für 60 Pfennig eine Mahlzeit, die aus appetitanregender Selleriesuppe, Rinderroulade, Kartoffeln und Apfelpüree bestand; nach der Aussage des Ökonomen betragen die wirklichen Kosten 1 Mark, die Differenz wird von der Firma getragen.

Das bedeutet jedoch recht wenig angesichts der Tatsache, daß die Löhne, wie der Personalchef der Gesellschaft mitteilte, in den letzten 18 Monaten um ein Drittel gekürzt wurden, so daß ein gelernter Arbeiter, der vor 1 1/2 Jahren noch 3oo Mark im Monat verdient hat, heute nur 200 Mark bekommt.
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Alle warten auf den Zug nach oben in der Entwicklung der Weltwirtschaft

Wie alles andere in Deutschland haben die Leuna-Werke eine verhältnismäßig niedrige kinetische, aber eine außerordentlich hohe potentielle Energie.

Sie warten nur auf jenen vielbesprochenen Zug nach oben in der Entwicklung der Weltwirtschaft, um, mit einer Überlegenheit gerüstet, die typisch für die Fähigkeiten dieser Nation ist, auf den Plan zu treten.

Die Leuna-Werke machen jedenfalls eines auf überzeugende Weise klar: in diesem Lande ist ein solches Ausmaß von augenblicklich latenter wirtschaftlicher Kraft vorhanden, daß die Wahrscheinlichkeit, Deutschland könne auf die Vormachtstellung, die es vor dem Krieg auf dem Kontinent eingenommen hat, auf einige Dauer verzichten, überaus gering ist.

Wenn das Anwachsen der Zollmauern in der ganzen Welt und die anscheinend beständige Neigung aller Länder zur Selbstversorgung Deutschland zu einer Politik der Autarkie zwingen sollten, sind seine Aussichten auf Erfolge mit einer derartigen Autarkie größer als die der meisten Völker Westeuropas.

Werden die Zollmauern nicht unübersteigbar hoch, so hat es "á la longue" bessere Aussichten, seine Erzeugnisse ins Ausland zu verkaufen, als die meisten seiner Nachbaren.
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Die Militärmacht ist eine Widerspiegelung der Industriemacht

Militärmacht ist im Zeitalter der Industrie eine Widerspiegelung der Industriemacht, und auf jeden, der Deutschland selbst inmitten dieses kalten Winters von 1931, der sicherlich einer der schwierigsten seit dem Kriege ist, beobachtet und studiert, macht nicht die augenblickliche Schwäche des Landes den stärksten Eindruck, sondern seine latente Kraft.

Von den Faktoren, die eine schließliche Auslösung dieser latenten Kraft verhindern könnten, scheint im Augenblick am ehesten die Möglichkeit vorstellbar zu sein, daß eine mißverstandene Außenpolitik den Versailler Vertrag in einen punischen Frieden verwandelt. (Krieg des jungen Römische Reichs gegen die nordafrikanische See- und Handelsmacht Karthago 264 bis 146 vor Chr. mit mehrfachem Bruch aller Verträge)
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Hitler hat versprochen, „die Ketten abzuschütteln".

Was seine Anhänger von ihm erwarten, ist vielleicht ebenso wichtig wie das, was er versprochen hat; von Weimar und Braunschweig, in Städten, in denen Hitlerleute bereits in der Regierung waren, lassen sich Schlüsse auf die Erwartungen der Hitlerscharen ziehen.
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Damit keine Mißverständnisse aufkommen, dieses Buch wurde von einem studierten Journalisten Anfang 1932 geschrieben.

Auch wenn viele Voraussagen und Prophezeihungen des Amerikaners Knickerbocker erstaunlich dicht an den späteren Ereignissen schrammen, das Buch ist ca. 1 Jahr vor dem März 1933 geschrieben worden, als Adolf Hitler zum Reichskanzler ernannt wurde.

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