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Das Buch "German crisis" - "Deutschland so oder so" aus 1932

Dieses Buch aus dem Frühjahr 1932 !!! enthält ganz viele Gedanken und Wahrheiten aus der Zeit vor der Machtübernahme Adolf Hitlers im März 1933. Der amerikanische Autor bereiste bereits während seines Studiums viele Orte in Deutschland und Europa und beschrieb sehr viele teils unbekannte Zustände der damaligen Gesellschaft. Und er belegt seine Schlussfolgerungen mit fundierten Daten. - Solllten Sie hier direkt eingelandet sein, beginnen Sie besser auf dieser einführenden Seite. Ganz viele zusammengesuchte Erklärungen und Ergänzungen haben wir auf dieser Erklärungs-Seite eingebracht, Informationen, die das Buch selbst nicht bietet, die aber zum Verstehen der einzelnen Kapitel wichtig sind.

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Zehntes Kapitel - ESSEN

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ESSEN (im Ruhrgebiet)

Nordseenebel hingen über der vereisten Straße, die uns von Hamburg fortführte; Überschwemmungen blockierten den Weg nach dem Süden. Wir fuhren quer durch Westfalen, das Grün seiner Wiesen ließ uns den Winter vergessen.

Nach langen Strecken freundlichen Bauernlandes kamen wir auf die Spitze einer Anhöhe, und mit einem Male, wie bei einer Filmüberblendung, verschwanden die grünen Felder, die Landschaft wurde grau-gelb, der Himmel schmutzig-braun, und von nah bis fern waren nur Ziegel- und Stahlgebäude und "Essen" zu sehen.

Die "Essen" (Anmerkung : Eine Esse ist eine offene Feuerstelle mit Anblasung und Abzug zur Eisen- und Stahlerzeugung) waren nicht zu zählen. Sie standen da in Reihen und in Gruppen, die Schornsteine strebten nach oben, sie bedrängten den Himmel. Ein ganzer Wald war es. Aber in diesem Wald gab es kein grünes Blatt. Als wir ins Ruhrgebiet einfuhren, kam der Winter wieder.
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Die Ruhr schläft niemals.

Rote Flammen stießen durch den rauchigen Dunst. Die Ruhr schläft niemals. Ihre Hochöfen liefern drei Viertel des gesamten Stahls und Eisens Deutschlands, aus ihren Bergwerken stammen drei Viertel der gesamten Steinkohle.

Ihre 4 Millionen starke Bevölkerung, nicht mehr als 7% des ganzen Volkes, liefert den anderen 59 Millionen 70 bis 80% ihres Kohle-, Eisen- und Stahlbedarfs. Dieser Fleck Landes, ungefähr 2600 qkm, etwas mehr als ein 1/2% der Gesamtfläche Deutschlands, ist das höchstkonzentrierte Industriegebiet der Welt.

Der "röteste" Teil Deutschlands

Anmerkung :Wir verzeihen dem amerikanischen Übersetzer in 1932, daß man Farbattribute nicht steigern kann.

Politisch ist er der "röteste" Teil Deutschlands. Seine Arbeiterunruhen sind die heftigsten, und seine Wirtschaftsführer, die Herren der Schwerindustrie, gelten als die Mächte, die hinter der deutschen Politik stehen.

Des Ruhrgebiets, der reichsten und lebendigsten Partie der deutschen Industrie, bemächtigte sich Frankreich, als es Deutschland zur Zahlung der Reparationen zwingen wollte. Das hat man dort niemals vergessen.

Wie man an der Ruhr über die Aussichten einer deutsch-französischen Verständigung denkt, wie man sich zu der Frage stellt, ob zwischen den beiden Völkern jemals Frieden herrschen werde - das kann einfach belehrend sein oder auch bestürzend, je nachdem wie nahe zum Rhein man wohnt. Die Ruhr mündet in den Rhein.

Ein hypothetisches Zukunftsbild - die Franzosen kommen nochmal

Man betrachte folgendes Zukunftsbild: Frankreich besetzt zum zweitenmal das ganze Rheinland; französische Truppen evakuieren in einem etwa 3o Kilometer breiten Gebietsstreifen längs dem Deutschland noch belassenen Rheinufer die gesamte Bevölkerung, sie zerstören Gebäude und Fabriken, holzen die Wälder ab und machen aus dieser Niemandszone eine Wüstenei.

Alle Eisenbahnverbindungen zwischen Deutschland und Frankreich sind zerschnitten, die Chausseen enden an der geräumten Zone. Hinter dieser von verwüstetem Land und Fluß gebildeten doppelten Barriere bauen die Franzosen ihr Befestigungssystem am Rhein aus, bis eine lückenlose Kette aus Stahl, Beton und Geschützen sich von der belgischen Grenze bis Mainz hinzieht.

Hinter dieser dreifachen Verteidigungszone aus Wüste, Fluß und Befestigungen setzen die Franzosen, endlich frei von der „deutsche» Bedrohung", ihr tägliches Leben fort.
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Das obige Szenario ist eine „persönliche Meinung"

Das ist nicht die Phantasie eines von Angst besessenen Schriftstellers. Es ist ein Bild, eine „persönliche Meinung", die heute Dr. Wilhelm Rechlin mir gegenüber äußerte, ein außerordentlich nüchterner Mann, der als Präsident der Handelskammer für Essen, Mühlheim und Oberhausen eine der verantwortlichsten Stellungen im Ruhrgebiet einnimmt.

Das Bild schildert nicht Geschehnisse, deren Eintreten Dr. Rechlin für notwendig oder unvermeidlich, oder auch nur für wahrscheinlich hält, es drückt etwas aus, das er für nicht unmöglich hält, wenn das Reparationsproblem nicht augenblicklich endgültig und befriedigend gelöst wird, und wenn Frankreich nicht eine Politik aufgibt, in der die Deutschen den Ausdruck der Absicht sehen, das deutsche Volk für immer niederzuhalten.
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Es ist das Bild, welches die Amerikaner sehen

Dieses Bild ist für Amerika überdies von höchster Bedeutung als Beweis für die unleugbare Verzweiflung, die sich bei der bloßen Vorstellung, wieder Reparationen zahlen zu müssen, der Deutschen bemächtigt.

Einer der Führer im Wirtschaftsleben dieses wichtigen Teils Deutschlands ist der Meinung, daß etwas dieser Schilderung Ähnliches geschehen kann, wenn Frankreich nicht sofort und für immer die Reparationen streicht.

Denn die einzige Lösung des Reparationsproblems, die von Deutschland heute als endgültig und befriedigend angesehen wird, ist völlige Annullierung.

Dr. Rechlin legte großen Wert auf die Feststellung, daß das seine persönliche Ansicht sei. Er wünschte nicht, als Sprecher für die Ruhrindustrie genommen zu werden. Aber auf Grund von Unterredungen, die ich mit Deutschen aus allen Schichten und aus allen Teilen des Reiches hatte, kann ich sagen, daß seine Ansicht als durchaus repräsentativ zu werten ist.

Frankreich war der Haupt-Initiator der Reparationszahlungen

Das von ihm entworfene Bild der extremen Folgen, zu denen es kommen kann, wenn Frankreich auf Reparationszahlungen beharrt, die Deutschland nicht leisten zu können meint, ist nichts anderes als ein Ausdruck der von den meisten Deutschen geteilten tiefen Überzeugung,

  • daß Frankreich niemals aufgehört hat, das Reich zu bekriegen;
  • daß den Franzosen viel weniger daran liegt, Reparationen zu bekommen, als Deutschland im Zustand der Machtlosigkeit zu halten;
  • und daß Frankreich, um seinem Drang nach Sicherheit, der den Deutschen geradezu als pathologisch erscheint, Genüge zu tun, bis zum äußersten gehen wird.

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..... und Frankreich habe einen Minderwertigkeitskomplex

Es ist ein Ausdruck, der von der Mehrzahl der Deutschen gehegten tiefen Überzeugung, daß Frankreich, schwächer bei der Bevölkerungszahl nach und auch schwächer als Industriemacht, einen Minderwertigkeitskomplex hat, der nur durch die unbarmherzige Behandlung eines stärkeren und zeitweilig geschwächten Gegners kompensiert werden kann.

Es ist ein Ausdruck der Ansicht, daß Frankreich wünscht, Deutschland solle zahlen, vor allem aber wünscht, Deutschland solle nicht imstande sein zu zahlen. Und es ist ein Ausdruck der Hoffnungslosigkeit deutsch-französischer Beziehungen.

Die aktuelle Beurteilung der Lage :

Frankreich neigt, nicht anders wie viele nicht-französische Nationalökonomen, zu folgender Beurteilung der Lage:

Die Weltwirtschaftsdepression hat es Deutschland unmöglich gemacht, Reparationen zu bezahlen; sobald diese Depression vorüber ist, werden die Deutschen imstande sein, wieder Reparationen zu leisten.

Die Deutschen sind jedoch mit ganz wenigen Ausnahmen der, auch von etlichen nicht-deutschen Nationalökonomen geteilten, Meinung, die Reparationszahlungen der Vergangenheit seien eine Hauptursache der Weltwirtschaftsdepression.

Die augenblickliche Krise sei der beste Beweis dafür, daß Deutschland nicht nur nicht zahlen könne, sondern auch niemals werde zahlen können; und vor einer völligen Annullierung der Reparationen werde weder Deutschland noch die übrige Welt sich von der Depression erholen.

Solange alle Deutschen fest und unerschütterlich davon überzeugt sind, daß sie nicht imstande sind und niemals imstande sein werden, Reparationen zu zahlen, erscheint es dem neutralen Beobachter praktisch gleichgültig, ob Deutschland zahlen kann oder zahlen könnte.

Es mag sein, daß aus dem „Wir wollen nicht zahlen", „Wir werden nicht zahlen" ein „Wir können nicht zahlen und werden niemals dazu imstande sein" gemacht worden ist.

Das ist jedoch eine Konstruktion, die mit bösem Willen ebensowenig zu tun hat wie die Behauptung eines Hypochonders, daß er nicht aufstehen könne, auch wenn sie vielleicht zu der Feststellung des Psychiaters, der Patient habe so gesunde Muskeln wie ein Athlet, in Widerspruch steht.

Denn für den Arzt kommt es darauf an zu konstatieren, ob der Patient aufrichtig an sein Unvermögen glaubt oder nicht. Glaubt er daran, so kann ihn kein bloßes Zureden - und Gewalt noch weniger - in den Stand setzen, sich zu bewegen; nur eine Aufhebung der psychischen Hemmung kann die Heilung herbeiführen.
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Wie der Beobachter die Sache mit den Reparationen sieht

Für den Beobachter, der heute (1931) Deutschland studiert, kommt es darauf an zu konstatieren, ob die Überzeugung Deutschlands, daß es zahlungsunfähig sei, aufrichtig ist, und ob sie von allen geleilt wird, beziehungsweise von so vielen, daß die Haltung der ganzen Nation davon beeinflußt werden kann.

Wenn diese Überzeugung aufrichtig ist und von allen geteilt wird, dann wird das Verhalten der Nation um nichts anders sein, als wenn sie tatsächlich niemals zahlen könnte - daran können alle Feststellungen des gesunden Menschenverstandes, daß Deutschlands Wirtschaftsmuskeln gesund sind, nichts ändern.

Man muß schon eine Reise durch ganz Deutschland machen und mit - buchstäblich - Hunderten von Deutschen aus allen Kreisen und Schichten, aus allen Gewerbezweigen, Berufen und Parteien sprechen, wenn man Material für den Nachweis sammeln will, daß trotz aller latenten wirtschaftlichen Kraft des Landes, trotz seinem Ausfuhrüberschuß, seinen Energien, seinen Fähigkeiten und seiner Ausrüstung die Bevölkerung als ganzes völlig ehrlich und aufrichtig davon überzeugt ist, daß das Reich niemals mehr Reparationen zahlen kann.

Deutschland ist nicht nur davon überzeugt, daß es niemals Reparationen zahlen kann, sondern auch davon, daß es, wenn es die Reparationen zahlen muß, nichts anderes zahlen kann.

Der Patient ist nicht nur davon überzeugt, daß er nicht aufstehen kann, um für den Nachbarn Holz zu sägen, sondern auch davon, daß er, wenn er für den Nachbarn Holz sägen muß, überhaupt nicht aufstehen kann.

Die psychische Hemmung, die auf Deutschland lastet, ist die Überzeugung, daß die Reparationen ungerecht, daß sie wegen ihrer Ungerechtigkeit unerträglich und wegen ihrer Unerträglichkeit unmöglich sind.
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Deutschland, das politisch uneinigste Land der Welt

Das Deutsche Reich ist wohl das politisch uneinigste Land der Welt, und in der Vergangenheit gab es nur einen Punkt, in dem die ganze Bevölkerung, vom Kommunisten bis zum Monarchisten, vom Arbeiter bis zum Millionär, einig war: der polnische Korridor kann nicht in alle Zukunft weiterbestehen.

Heute sind sich die Deutschen zum erstenmal ebenso einig darüber, daß die Reparationen nicht bezahlt werden können, nicht bezahlt werden dürfen und nicht bezahlt werden.

Das Hooversche Reparationsfeierjahr

Den Wendepunkt in der nationalen Meinung brachte das Hooversche Reparationsfeierjahr. Die Verkündigung des Hoover-Jahres war selbst denjenigen Deutschen, die bei sich die Reparationslast für unerheblich gehalten hatten, ein Beweis dafür, daß nunmehr sogar die übrige Welt die Unmöglichkeit weiterer Zahlungen anerkenne.

Daß es als Feierjahr und nicht als ständige Befreiung gedacht war, wurde vergessen. Die ganze Nation freute sich in der Überzeugung, daß Deutschland niemals wieder zu zahlen haben werde.

Daher die bittere Enttäuschung, als Frankreich die Durchführung des Hoover-Jahres verzögerte, daher auch das Gefühl unerträglicher Ungerechtigkeit, als Frankreich zeigte, daß es nicht daran gedacht hatte, die Reparationen für immer zu annullieren, und bestenfalls einer Verlängerung des Moratoriums zustimmen würde.
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Die Ansprache an die Auslandspresse

In seiner Ansprache an die Auslandspresse drückte Reichskanzler Brüning sich folgendermaßen aus: „In dem Augenblick, in dem Deutschland nichts mehr geliehen bekommt und die Reparationen durch Warenüberschuß bezahlen muß, werden die Reparationszahlungen entweder die ganze Weltwirtschaft durcheinanderbringen oder es wird sich die Unmöglichkeit der Zahlungen erweisen."

Ein anderes Mal, vor der amerikanischen Handelskammer in Berlin: „Man muß sich entscheiden: entweder man läßt uns exportieren, dann können wir bezahlen, oder man verhindert unseren Export, dann macht man uns die Zahlung politischer Schulden selbst unmöglich."

Die Formulierung des Kanzlers war überaus maßvoll. Hier in Essen, da hier ein so großer Teil von Deutschlands Ausfuhrwaren erzeugt werden, drückte Dr. Rechlin sich folgendermaßen aus:

„Unsere Nerven können ein weiteres Moratorium nicht vertragen, selbst wenn es sich über drei oder fünf Jahre erstrecken sollte. Meiner Überzeugung nach kann unsere Industrie im Ruhrgebiet ihren Export kein halbes, kein Vierteljahr mehr aufrechterhalten, wenn die politischen Schulden nicht gestrichen werden. Das Gefühl, daß wir mehr als genug gezahlt haben, mehr als wir hätten zahlen sollen, mehr als wir jemals erwartet haben, daß von uns verlangt werden würde, und das Gefühl, daß man uns überhaupt Zahlungen abgelockt hat, ist zu bitter, um uns ein Fortmachen zu ermöglichen, wenn wir einer Wiederaufnahme der Tributzahlungen, wann immer sie erfolgen soll, entgegensehen müssen."

Der Export-Erfolg - teuer erkauft

Ich wies darauf hin, daß es Deutschland und vor allem dem Ruhrgebiet trotz allen Schwierigkeiten gelungen sei, im Jahre 1931 nahezu dreimal so viel Walzwerkprodukte zu exportieren wie die Vereinigten Staaten, und daß die deutsche Ausfuhr an solchen seit 1929 im Gegensatz zur amerikanischen, die um ungefähr 65% gefallen sei, um weniger als 30% abgenommen habe.

„Der größte Teil unserer Ausfuhr", erwiderte er, „ist ein Verlustgeschäft. Wir sind gezwungen, unsere Fabriken auch ohne Gewinn in Betrieb zu halten, weil es bedeutend kostspieliger ist, sie zu schließen. Wir können es mit jeder Konkurrenz aufnehmen, soweit es sich um unsere technische Ausrüstung handelt. Aber wir können es nicht weiter mit der Konkurrenz unserer Nachbaren aufnehmen, wenn wir unsere augenblicklichen Lasten an Steuern und Sozialabgaben weitertragen müssen.

Belgien, Frankreich und Luxemburg sind in der Lage, die Tonne Rohstahl um ungefähr 35 Mark billiger zu produzieren als Deutschland, weil sie niedrigere Löhne und niedrigere Steuern haben. Wie können wir den Wettbewerb fortsetzen, wenn uns dieses Handicap auferlegt ist? Unsere Stahlindustrie ist bereits derartig eingeschrumpft, daß sie nur noch 45% ihrer Produktionskapazität ausnützt.

Die Reparationszahlungen hängen theoretisch von der Weitererhaltung unseres Ausfuhrüberschusses ab. Aber selbst wenn wir ganz von der Frage absehen, ob die anderen Nationen eine Einfuhr bei sich überhaupt noch zulassen werden, bedeuten die Reparationszahlungen, daß die deutsche Industrie eine Steuerlast zu tragen hat, die sie unfähig macht, die Ausfuhr fortzusetzen, also unfähig, den notwendigen Exportüberschuß zu erzielen.

Es ist klar, daß Deutschland nicht nur heute keine Reparationen zahlen kann, sondern niemals dazu in der Lage sein wird, denn die Wiederaufnahme der Reparationszahlungen würde es Deutschland automatisch unmöglich machen, den Exportüberschuß beizubehalten, ohne den die Reparationszahlungen nicht fortgesetzt werden können."
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Die Abschlußerklärung von Dr. Rechlin

Ich warf ein, Deutschland habe im Jahre 1931 einen gewaltigen Ausfuhrüberschuß erzielt und im gleichen Jahr an das Ausland rund 1.200 Millionen Dollar Kapitalien zurückbezahlt, und das könne, wenn man behauptet, daß die Reparationen ursprünglich mit geborgtem Geld bezahlt worden seien, als eine Art verzögerter Reparationszahlung betrachtet werden.

„Der Unterschied", antwortete Dr. Rechlin, „liegt darin, daß das Geld, das wir uns geborgt haben und jetzt zurückzahlen, Kapital ist, an dem wir verdient haben. Es war eine produktive Anlage. Direkte Reparationszahlungen andererseits stellen einen außerordentlichen Kapitalentzug dar, dem kein Wirtschaftssystem standhalten kann.

Es ist keine Frage", wiederholte er, „wir konnten niemals Reparationen bezahlen, wir sind heute nicht dazu imstande, und wir werden es nie tun können. Sind sie einmal annulliert - dann würden wir unser Selbstvertrauen wiedergewinnen, die Welt würde wieder Vertrauen gewinnen, die ganze Zukunft würde ein anderes Gesicht bekommen. Wenn die Franzosen auf ihrem unmöglichen Verlangen bestehen, das wir nicht erfüllen können, dann müssen wir uns auf eine neue Rheinlandbesetzung gefaßt machen."

Ein Führer der Wirtschaft im Ruhrgebiet - Paul Reusch

Ein Führer der Wirtschaft im Ruhrgebiet von ganz anderem Schlag ist Herr Paul Reusch. Herr Reusch ist ein Magnat. Als Generaldirektor der Gute-Hoffnungs-Hütte, des größten unabhängigen Erzeugers von Stahl und Stahlprodukten außer dem Stahltrust und Krupp, ist Herr Reusch ein typischer Vertreter der Schwerindustrie, die das Rückgrat des deutschen Wirtschaftsgefüges ist.

Wir fuhren zu seinem Hauptquartier in Oberhausen. Zwischen zahllosen Reihen von Fabriken und freudlosen Arbeiterheimen führte die Straße quer durch das Land, aber „Land" bedeutet im Ruhrgebiet nicht weite Felder.

Die Landschaft des Ruhrgebietes 1931

An der Ruhr gibt es keinen ungenützten Flecken Erde. Wie ein Magnet, an dem Eisenfeilspäne hängen, haben die hier unter dem Boden liegenden 55 Milliarden Tonnen Kohle eine Unzahl von Menschen und Gebäuden angezogen, die die ganze 2.600 Quadratkilometer große Erdoberfläche des Ruhrgebietes bedecken.

Die Landschaft besteht zum größten Teil aus Rergen - Bergen von Kohle, die auf Absatz warten. 10 Millionen Tonnen, nahezu die ganze Produktion eines normalen Jahres, liegen an der Ruhr vor den Schachtöffnungen aufgehäuft.

An diesen gewaltigen Haufen vorüber fuhren wir in ein Gebiet des Feuers ein. Ein rosiger Glanz erleuchtete die Chaussee. Die Öfen der Guten Hoffnung waren in Betrieb.

Die "Gute Hoffnung" trügt ......

In seinem geräumigen Büro, das mit den Bildern berühmter Deutscher, vor allem dem Friedrichs des Großen, geschmückt ist, wirkte Herr Reusch nicht wie ein unter der Depression leidendes Opfer.

In seiner Erscheinung - er ist sehr groß und breitschultrig - war dem abwechselnd jovialen und finsteren Industriellen nichts von mangelndem Selbstvertrauen anzumerken.

Aber seine Ansichten straften den optimistischen Namen seines Unternehmens Lügen, das, mit einem Kapital von rund 20 Millionen Dollar ausgerüstet, das letzte Jahr mit einem buchmäßigen Verlust von ungefähr 600.000 Dollar abgeschlossen hat.

Von 60.000 auf 36.000 Arbeitnehmer in 2 Jahren

„Vor zwei Jahren", begann er, „hatten wir noch 60.000 Arbeitnehmer, heute sind es nur 36.000."
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Nach fast allen Kriegen kommt eine Depression

„Es ist klar", sprach er weiter, „daß es zu einer Depression auch gekommen wäre, selbst wenn keine politischen Schulden da wären. Wer sich mit Geschichte befaßt hat, muß wissen, daß auf jede Periode der Prosperität, die nach allen Kriegen kommt, eine Depression folgt.

Zuerst muß die Welt die im Krieg zerstörten Güter ersetzen. Zu diesem Zweck wird der Produktionsapparat vergrößert. Die Menschen sind immer so töricht, daß sie es niemals lassen können, die Vergrößerung des Apparates zu übertreiben.

Das Ausmaß der Zerstörung im Krieg bestimmt das Ausmaß der Expansion des Produktionsapparates. Das Ausmaß der Überexpansion bestimmt das Ausmaß der darauffolgenden Depression.

Die Zerstörung im letzten Krieg war größer als je zuvor, die Überexpansion nachher war größer, und die augenblickliche Depression ist auch größer.

Die politischen Schulden müssen ausgeschaltet werden.

Es fehlt jedoch nicht an Vergleichsmöglichkeiten. Denken Sie an die Depression nach den napoleonischen Kriegen. Die Wirtschaft des Kontinents lag jahrelang in Trümmern, aber schließlich wurde die Depression überwunden. Auch unsere Depression wird schließlich überwunden werden, aber nur dann, wenn das, was sie von allen anderen Nachkriegsdepressionen unterscheidet, ausgeschaltet wird. Das sind die politischen Schulden.

Hinsichtlich aller anderen Faktoren, die mitbestimmend sind, hat die ganze Welt denselben Fehler gemacht. Die ganze Welt hat Überexpansion getrieben. Dieser Vorwurf ist der ganzen Welt zu machen. Hinsichtlich der politischen Schulden sind einer ganz bestimmten einzelnen Nation Vorwürfe zu machen."
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Der Bericht des Basler Sachverständigen-Ausschusses

Er griff in seine Schublade, holte den Bericht des Basler Sachverständigen-Ausschusses heraus und las vor: „So sehr sich auch die gegenwärtige Krise von anderen unterscheidet, es gibt in der Wirtschaftsgeschichte kein Beispiel einer Krise, und sei sie noch so groß gewesen, der nicht Perioden der Stabilität oder Prosperität gefolgt wären. Ebenso wie es unrecht wäre, über die wirtschaftliche Zukunft eines Landes auf Grund einer Prosperitätsperiode etwas vorauszusagen, ebenso ungerechtfertigt wäre es, seine Aussichten für die Zukunft auf Grund einer Depressionsperiode zu beurteilen."

„Dieser Satz", erklärte Herr Reusch, bedachtsam in einen anderen Ton fallend, „wurde in den Basler Bericht im vollen Bewußtsein seiner Unrichtigkeit aufgenommen. Er wurde niedergeschrieben, um Frankreich zu beruhigen.

Er ist unrichtig, weil er involviert, daß wir Reparationen zahlen können, sobald die Wirtschaftskrise vorüber ist, obwohl alle recht gut wissen, daß die Wirtschaftskrise nicht überwunden werden kann, solange das Damoklesschwert der Reparationszahlungen über Deutschlands Haupt hängt.

Er wurde in der Erwartung niedergeschrieben, daß uns ein Moratorium gewährt wird. Die Franzosen werden uns auch ein Moratorium gewähren. Aber ein Moratorium wird uns nicht das geringste nützen. Es ist ganz gleichgültig, ob das Moratorium für ein Jahr oder drei oder fünf Jahre gewährt wird; solange die Möglichkeit besteht, daß Deutschland eines Tages die Zahlung einer Schuld, die es nicht bezahlen kann, wieder aufnehmen muß, wird Deutschlands Kredit nicht gut sein. Solange Deutschland in solchem Ausmaße politischer Schuldner ist, wird uns niemand Geld leihen.

Nehmen Sie an, Sie haben eine Million Dollar Schulden, und Ihr Gläubiger läßt Ihnen ein oder zwei Jahre Zeit. Im Laufe dieses Jahres brauchen Sie Geld, um Ihr Werk in Betrieb zu halten; aber wenn Sie zur Bank kommen, sagt Ihnen der Bankier:

'Schön, Ihr Kredit ist gut, aber da ist ja noch die Million Dollar, die Sie schuldig sind. Die werden Sie nie zurückzahlen können. Solange Sie diese Schuld nicht los sind, kann ich Ihnen kein Geld leihen.'

Es geht immer wieder um die politischen Schulden

„Und der Bankier hätte ganz recht. Ich sage Ihnen", Herr Reusch sprach jetzt in sehr erregtem Ton, „jeder, der uns Geld leiht, solange diese politische Schuld über uns hängt, wäre ein Riesenesel.

„Geben Sie gut acht", rief er, „Sie müssen klarmachen, daß ich dabei an die Zukunft denke, nicht an die Vergangenheit. Niemand, der uns in der Vergangenheit Geld geliehen hat, war ein Esel. Davon wird alles bis auf den letzten Pfennig zurückgezahlt werden. Aber jetzt, da es der ganzen Welt endlich klar ist, daß wir keine Reparationen zahlen können, wäre es eine große Dummheit, uns Geld zu leihen, solange die Reparationen nicht annulliert sind. Ohne Kapital können wir nicht arbeiten. Ohne Arbeit können wir nichts bezahlen."

„Wie viel an Kapitalien", fragte ich, „würde Deutschland aus dem Ausland brauchen, wenn die Reparationen gestrichen werden sollten?"

„Wir würden zunächst versuchen, uns allein weiterzuhelfen", antwortete er, „und uns aus unseren eigenen Ersparnissen zu finanzieren. Eine langwierige und schwere Sache wird das auf jeden Fall sein. Die Krise wird noch lange fortdauern, auch wenn die politischen Schulden annulliert werden. Werden sie nicht gestrichen, so wird die Krise nie überwunden werden. Werden sie nicht gestrichen, so stehen wir Deutschen vor dem Zusammenbruch. Nicht vor einem physischen Zusammenbruch."
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"Wir Deutschen sind der Verzweiflung nahe."

Er stand auf, seine riesige Gestalt beugte sich über den Tisch. „Vor einem geistigen Zusammenbruch. Was hat es denn für einen Sinn zu arbeiten", rief er, „wenn einem die Früchte der Arbeit weggenommen werden. Wir Deutschen", beschloß er seine Ausführungen, „sind der Verzweiflung nahe."

Das letzte Wort war von allem, was gesagt worden war, das einzige, das nicht überzeugend klang. Herr Reusch, der inmitten seiner Hochöfen, Stahlhütten, Kohlenbergwerke und Maschinenfabriken sprach und in seiner eigenen Gestalt und seiner Redeweise die Energie des deutschen Volkes verkörperte, sah vielleicht desperat aus, aber nicht verzweifelt.

Die Überzeugung der Deutschen, daß sie keine Reparationen zahlen können, mag unerschütterlich sein. An dem Entschluß der Franzosen, daß die Deutschen zahlen müssen, mag nicht zu rütteln sein.

Mein Besuch bei Dr. Gustav Krupp von Bohlen und Halbach

In dem Feuerschein der Hochöfen der Guten Hoffnung schien uns während der Rückfahrt nach Essen das Dilemma jedenfalls einer Lösung noch sehr fern zu sein.

Von einer Galerie, die auf der Kuppel eines häßlichen Gebäudes im Herzen Essens sitzt, zeigen Pfeile in die vier Richtungen der Windrose. Sie weisen auf die einzelnen Teile eines Gebietes, das sich so weit dehnt, wie das Auge reicht.

Es ist ein Reich des Stahls, das Reich Krupps. Der Beherrscher dieses Reiches ist unbestritten der erste in der Reihe der Wirtschaftsherren Deutschlands.

Dr. Gustav Krupp von Bohlen und Halbach, Stahlerzeuger, Besitzer der Friedrich-Krupp-Gesellschaft, neugewählter Präsident des allmächtigen Reichsverbandes der deutschen Industrie, äußerte heute der New York Evening Post gegenüber, Deutschland erwarte von Amerika Hilfe zur Erlangung des einzigen Mittels, das seiner Ansicht nach etwas gegen die Wellwirtschaftskrise ausrichten könne - Streichung der Reparationen.
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Dieses hier war Dr.Krupps erstes öfentliches Interview

Noch niemals im Laufe der letzten 23 Jahre - so lange steht er an der Spitze seines Konzerns, in dem sich mehr als in allen anderen Wirtschaftsunternehmen die Geschichte von Deutschlands Vorkriegs-, Kriegs- und Nachkriegsmacht spiegelt - hat Herr Dr. v. Bohlen die Veröffentlichung eines Interviews gestattet.

Kein Kompromiß, kein Moratorium, nichts als völlige und endgültige Streichung der Reparationen kann nach der Ansicht Dr. v. Bohlens die durcheinander geratene Maschinerie des Weltkredils und des Wellhandels wieder in Ordnung bringen.

Er sprach nicht von der Konferenz in Lausanne. Er, der Mann, der hier in Essen während der Besetzungszeit von französischen Truppen aus seinem Büro geholt wurde und ein halbes Jahr lang im Kerker sitzen mußte, im Kerker der Stadt, die ihre überragende Stellung in der Industrie seinem Unternehmen verdankt, hatte keine Vorwürfe für ein besonderes Land.

Er wog seine Worte ab, er verlas eine Aufzeichnung dessen, was zu sagen er sich vorgenommen hatte. Die Verantwortlichkeit, die ihm seine Stellung als gewählter Führer der deutschen Industrie auferlegt, duldete keine Extravaganzen der Ausdrucksweise.

Aber was er meinte, war nicht mißzuverstehen: völlige und endgültige Reparationsstreichung ist die einzige Lösung der Krise. Und er legte Wert auf die Feststellung, daß das seiner Meinung nach nicht nur die einzige Lösung für Deutschland, sondern auch für Amerika und die ganze Welt sei.
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Krupps Armee von 160.000 Mann - 4 Jahre lang

Wir saßen in schweren Stühlen. In einer Fensternische, von der man einen weiten Ausblick auf Fabriken, Bergwerke und Öfen hatte, stand eine kleine Bronzefigur: ein Soldat, der eine Handgranate schleudert.

In einer Ecke des Zimmers stand ein zweiter. Das waren die letzten Kriegserinnerungen in einem Werk, das einst die größte Munitionsfabrik der Welt war, das einst täglich 1oo.ooo Granaten, monatlich 5o 15cm-Kanonen und wöchentlich so viele Feldgeschütze produzierte, daß damit ein ganzes Armeekorps auszurüsten war.

Aus seinen Docks in Kiel kamen Torpedos und Unterseeboote. Seine Werkstätten versorgten die deutschen Truppen so, daß sie vier Jahre lang der ganzen Welt Trotz bieten konnten. Seine 180.000 Arbeiter waren eine Armee.
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Herr v. Bohlen hat amerikanisches Blut in seinen Adern

Der Führer dieser einstigen Armee, ein 62 jähriger, hagerer, aufrechter, weißhaariger Mann mit hellen Augen, hat eine frappante Ähnlichkeit mit dem Typus des Philadelphier Aristokraten.

Es war sonderbar; gerade als ich diese Beobachtung machte, begann Herr v. Bohlen: „Ich glaube, ich kann die Angelegenheiten auch vom amerikanischen Standpunkt aus betrachten, denn ich habe amerikanisches Blut in meinen Adern.

General Bohlen, mein Großvater mütterlicherseits, diente im amerikanischen Bürgerkrieg bei den Nordtruppen. Er fiel in der Schlacht bei Rappahanock und ist in Philadelphia begraben, in der Stadt, in der noch Verwandte von mir leben. Großartige Burschen, die Bohlen."
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Beeindruckende Bilder der Krupp Dynastie

Am einen Ende des Zimmers hing ein Porträt, am anderen ein zweites. „Das sind der Vater und der Großvater meiner Frau", erklärte Herr v. Bohlen. Alfred Krupp, der Großvater, waltete von 1826 bis 1887, Friedrich Alfred Krupp, sein Sohn, von 1887 bis 1902.

Friedrich Alfred hatte zwei Töchter. Der älteren, Berta, hinterließ er die Kruppwerke ungeteilt. Als Herr v. Bohlen, deutscher Legationssekretär am Vatikan, im Jahre 1906 Fräulein Berta heiratete, legalisierte der Kaiser, um dem Namen der größten Industriellenfamilie Deutschlands das Fortbestehen zu sichern, die Änderung seines Namens in Krupp von Bohlen.

Während der Lebenszeit der beiden Krupps, deren Bilder dort an den Wänden hängen, stieg Deutschland zu seiner Weltgeltung auf. Sie hatten mit diesem Aufstieg nicht wenig zu tun.

Friedrich Krupp, der älteste der Familie, 1787 bis 1826, der Begründer der Dynastie, der erste Fabrikbesitzer in dem Dorf Essen, ließ sich niemals porträtieren.
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Für einen Krieg produzierte Krupp englischen Stahl

Ein Krieg machte das Unternehmen des ersten Krupp möglich; seine Werkstatt war mit der Produktion englischen Stahls beschäftigt, dessen Einfuhr auf den Kontinent durch Napoleons Kontinentalsperre verboten war. Drei Generationen hindurch war der Krieg ein Förderer der Krupp-Werke.

Und jetzt, zum ersten Male, keine Kriegsgeräte mehr

Heute hat der Krupp-Konzern zum ersten Male in seiner ganzen Geschichte nichts mit Kriegen zu tun. Unter ihrem letzten und ihrem jetzigen Leiter schmiedeten die Krupp-Werke so viele Schwerter wie keine andere Schmiede der Welt.

Unter dem gleichen Leiter produzieren sie heute so viele Pflugscharen wie kein anderer einzelner Konzern in Europa. Herr v. Bohlen führte das Unternehmen durch eine Periode der Wandlungen, die Zerstörung und Wiederaufbau brachte.

Der Versailler Vertrag zwang Krupp nicht nur zur Einstellung der Waffenfabrikation, sondern auch zum Abbruch und zur Verschrottung eines Maschinenapparates im Werte von 3o Millionen Dollar.

  • Anmerkung : Die USA bangen 1932 um ihr Investment in Deutschland von ca. 4 Millionen Dollar.


Mit einem Ruck mußten die Krupp-Werke inmitten der fieberhaft betriebenen Massenproduktion im letzten Gigantenkampf des deutschen Heeres mit knirschenden Bremsen haltmachen.

Sein Heer von 180.000 Mann schmolz auf nichts zusammen. Über Nacht wurde das investierte Kapital, dessen Nominalwert auf mindestens 60 Millionen Dollar geschätzt wird, praktisch wertlos.
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Aus Schwertern Pflugscharen schmieden, wörtlich

Herr v. Bohlen nahm die Trümmer auf und setzte sie wieder zusammen. Noch niemals war das Wort, daß aus Schwertern Pflugscharen geschmiedet werden sollen, wörtlicher erfüllt worden.

Die „Pflugscharen", die Krupp heute produziert, umfassen alles von Schiffen bis zu Ersatzzähnen aus Stahl, von Rechenmaschinen bis zu Lokomotiven.

Die Essener Werke beschäftigen wieder 20.000 Mann, alle Betriebe Krupps zusammen haben 50.000 Mann in ihren Lohnlisten.

Dr. v. Bohlen sprach weiter: „Außerdem war ich drei Jahre lang an der Deutschen Botschaft in Washington, bis 1900; damals wurde ich während des Boxeraufstandes nach China geschickt."

Einer seiner Direktoren, der verstorbene Otto Wiedfeldt, war nach dem Krieg der erste deutsche Botschafter in Washington. Die Beziehungen Krupps zu Amerika sind sehr zahlreich.

„Wegen der vielen Dinge, die mich mit Amerika verbinden", fuhr Herr v. Bohlen fort, „glaube ich Verständnis dafür zu haben, daß Amerika in Deutschland mehr als materielle Interessen hat. Es dürfte wohl richtig sein, daß Ihr Anteil an unserem Lande, von einem rein materiellen Standpunkt aus gesehen, sich auf rund 4 Milliarden Dollar belaufen wird. Aber das ist nicht alles. Amerika hat die entscheidende Wendung zum Sieg gebracht. Das leugnet niemand."
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Die Franzosen haben den Krieg nicht gewonnen

„Die Franzosen", warf ich ein. „Nein, nicht mehr. In den letzten Veröffentlichungen geben sie zu, was die Engländer und die anderen Verbündeten schon längst zugegeben haben.

Und aus diesem Grunde hat Amerika ein Interesse an den Kriegsfolgen und am Frieden nach diesem Kriege. Dieses Interesse ist ein ideales und ist um nichts unwichtiger als das materielle.

Auf Grund der 14 Punkte Ihres Präsidenten Wilson hat Deutschland Frieden geschlossen. Aus diesen 14 Punkten bestand das Programm, das Amerika im Frieden, der dem Krieg folgte, verwirklicht zu sehen wünschte.

Die Tatsache, daß der Friede nicht auf dieser Basis und nicht gemäß diesem Programm realisiert wurde, war von einschneidender Bedeutung für die sich anschließende Entwicklung in Europa und der Welt, und an dieser Entwicklung muß Amerika noch immer das lebhafteste Interesse haben."
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Krupp (Herr v. Bohlen) übt sich in Mäßigung,
obwohl die Franzosen ihn 6 Monate engekerkert hatten

Neu an diesen wohlbekannten Ansichten war die Mäßigung, mit der sie geäußert wurden. Herr von Bohlen sprach in durchaus liebenswürdigem Ton.

Von der gewaltigen Energie, die dazu gehört haben muß, das Unternehmen durch alle Schwierigkeiten des Wiederaufbaus in der Nachkriegszeit zu steuern, war jetzt wenig zu merken. Der Stahlhüttenbesitzer war seinem ersten Beruf treu geblieben. Die Formulierungen, deren er sich bediente, waren die des Diplomaten.
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Die Gedanken und der Weg zur augenblicklichen Krise

„Denn die Entwicklung, zu welcher der mit so wenig Rücksicht auf das amerikanische Programm abgeschlossene Friede führte, hatte Folgen der ernstesten Art sowohl für Ihr Land wie für unseres. Ich bin im Gegensatz zur Ansicht mancher Nationalökonomen nicht der Meinung, daß es zur Weltwirtschaftsdepression und zur augenblicklichen Krise, und zwar mit einigermaßen ähnlicher Heftigkeit, auch ohne die Reparationen, ohne die politischen Schulden, gekommen wäre.

Es wird behauptet, daß die Depression auf jeden Fall als Folge der Überproduktion eingetreten wäre, und zwar nach der Periode, in welcher die während des Krieges zerstörten Güter ersetzt wurden.

Aber wenn man sich einige unbezweifelbare Tatsachen überlegt, zeigt sich, wie falsch dieses Argument ist. Man braucht nur eine Kurve zu zeichnen, die den Konsum und die Produktion Europas vor dem Krieg darstellt, und sie so zu verlängern, als hätte es überhaupt keinen Krieg gegeben. Die Kurve steigt ständig an.

Dann muß man eine Kurve für den tatsächlichen Konsum und die tatsächliche Produktion Europas für die Jahre von der Vorkriegszeit bis heute ziehen.

Aus diesen beiden Kurven, deren zweite ziemlich weit unterhalb der ersten liegt, kann man recht gut abschätzen, wie weit wir davon entfernt sind und entfernt waren, den Bedürfnissen unserer Bevölkerung zu genügen.

Schon diese einfache Überlegung tut dar, wie weit wir von einer Überproduktion entfernt waren und wie weit wir noch jetzt von einer Ausfüllung der fürchterlichen Lücke entfernt sind, die durch den Krieg in der Weltwirtschaft aufgerissen worden ist.

Es ist nicht richtig, daß wir diese Lücke ausgefüllt haben und dann einen zu großen Produktionsapparat und eine zu große Produktion hatten. Der Stahlverbrauch auf den Kopf der Bevölkerung ist ein Viertel dessen, was er vor dem Krieg war. Die Lücke ist noch da und wartet darauf, ausgefüllt zu werden.
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Eine Frage ohne eine Antwort

Aber warum", sprach er in seinem ruhigen Ton weiter, „warum sind wir nicht imstande, die Lücke auszufüllen? Warum liegen bei dieser gewaltigen Nachfrage, die nur darauf wartet, befriedigt zu werden, unsere Fabriken still, warum sind ihre Tore geschlossen, warum rauchen ihre Essen nicht?"
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Meine Wanderung durch die Krupp-Werke

Ich dachte an meine Wanderung durch die Krupp-Werke, an die Batterie gewaltiger hydraulischer Pressen - eine zu 3.ooo, eine zu 4.ooo und eine zu 5.ooo Tonnen - die alle in einem ungeheuren verlassenen Saal ruhten.

An den riesigen Großvater aller Pressen, der in Amerika, in der ganzen Welt nicht seinesgleichen hat und ein Gegenstand neidischer Spekulationen für den russischen Fünfjahresplan sein könnte.

Sie stand bedrohlich da in der Dämmerung eines 45 Meter hohen hangarähnlichen Gebäudes, das angefüllt von Schatten, aber leer von Menschen war, einer Reinhardt-Dekoration zu einem Stück „Die tote Maschine".

Ihre 15.ooo Tonnen genügten, um Stahlmassen wie Butter zu zerdrücken. Ihre Kette, geschmiedet, um Lasten zu tragen, die schwerer sind als Lokomotiven, hing substanzlos in dem Dämmerlicht wie ein Halsband.

Nichts war in dem ungeheuren Gebäude zu hören. Nichts regte sich. Die Luft war kühl wie in einem Dom. Einer sagte, wir sollten das Haupt entblößen.

Wir kamen an einem 13 1/2 Meter langen Stahlzylinder mit einem Durchmesser von 1 3/4 Metern vorbei, der aus dem kalten Mau] eines Ofens hervorragte wie ein halb gekautes Streichholz. Wir kamen an der Presse vorbei. Traurig in ihrer aufgezwungenen Müßigkeit glich sie dem Deutschland von heute. In ihrer latenten Kraft glich sie dem Deutschland von morgen.

Nur einer von sechs 100 Tonnen-Öfen arbeitet

Ich mußte an den Feuerschein des einen Hochofens denken, den wir im Betrieb sahen, an das Zauberlicht, das die durch das Gitterwerk der Masselformen fließenden Ströme geschmolzenen Eisens zischend emporsandten und an den ausgeblasenen Hochofen gleich daneben.

Die Krupp-Werke haben zwölf Hochöfen, zwei hier und zehn in Rheinhausen. Nur sechs davon arbeiten, und diese mit verkürzter Zeit.

Ich mußte an den offenen Schmelzraum in einem langen, breiten Gebäude denken; es war überall dunkel dort - mit Ausnahme eines Winkels, in dem drei weißglühende Ofenschlünde sich in regelmäßigem Wechsel öffneten und Männer Mangan in brodelnde Tröge voll siedenden Stahls schaufelten.

Mit unbewehrten Augen kann man nicht, ohne Schaden zu nehmen, auf siedenden Stahl blicken. Wir mußten blaue Brillen aufsetzen. Doch das Licht war nicht stark genug, das ganze Gebäude zu erhellen, in dem fünf weitere 1oo-Tonnenöfen still lagen.
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Ursachenforschung : „Warum sind wir müßig?"

„Warum sind wir müßig?" wiederholte Herr v. Bohlen. „Vor allem wegen des Durcheinanders im Handel, in den Finanzen und der gesamten Industrie der ganzen Welt, das durch die Reparationen angerichtet worden ist.

Ein schlagendes Beispiel: wir brauchen Kapital in Deutschland. Bei uns angelegtes Geld bringt mindestens 7-8%. Aber gleich hinter der Grenze, in der Schweiz, muß man den Banken etwas dafür zahlen, daß man sein Geld bei ihnen einlegen darf.

Läßt sich eine groteskere Situation denken?

Und warum ist das möglich? Warum ist es möglich, daß man jenseits der Grenze den Banken dafür zahlen muß, daß sie Einlagen annehmen, während diesseits der Grenze Banken und Industrie bereit sind, hohe Zinsen für Geld zu zahlen?

Die Ursache ist ganz einfach die, daß die auf Deutschland lastenden Reparationen, die Unsicherheit, ob wir die Zahlung der Reparationen wieder aufnehmen müssen oder nicht, das Kapital fortscheucht, das sonst gewinnbringend hier angelegt werden könnte.

Es ist Tatsache, daß Deutschland, von den Reparationen befreit, sich ohne fremdes Kapital forthelfen könnte, aber ohne einiges Betriebskapital aus dem Ausland wären wir nicht in der Lage, unsere volle Produktionskapazität auszunützen.

Der gesunde Menschenverstand würde sagen, es müßte möglich sein, daß wir von denjenigen Ländern, die an Kapital Überschuß leiden, Geld erhalten, das uns wieder in die Lage versetzen würde, den zahlreichen Märkten der Welt, die Kredite brauchen - die auch kaufen könnten, wenn sie nur Kredite hätten - die nötigen Kredite zu geben.

Ich betrachte die Zukunft vom Standpunkt des gesunden Menschenverstandes aus. Aber wo", er beschrieb eine weite Geste, „wo in aller Welt herrscht der gesunde Menschenverstand?"
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Wer hat Vorrang, die politischen oder die privaten Schulden

„Wird Deutschland unter diesen Umständen imstande sein, seinen Privatverpflichtungen nachzukommen?" fragte ich.

Herr v. Bohlen beugte sich vor und sagte, seine Worte sorgfältig abwägend: „Ich bin sicher, daß Sie unter den Deutschen nicht einmal den Bruchteil eines Prozentes finden werden, dem es nicht als Entschluß, als unerschütterlicher Entschluß gälte: unsere Privatverpflichtungen werden bis auf den letzten Pfennig erfüllt werden."

„Aber werden Sie imstande sein, den Privatverpflichtungen nachzukommen, wenn Sie weiter Reparationszahlungen leisten müssen?"

„Das ist die alte Frage danach, ob den politischen oder den privaten Schulden der Vorrang gebührt. Für mein Empfinden gibt es darauf nur eine Antwort. Die Erfüllung der Privat- Verpflichtungen ist die unerläßliche Vorbedingung zur Erfüllung der politischen Verpflichtungen. Ohne Erfüllung der privaten Verpflichtungen können keine öffentlichen Verpflichtungen erfüllt werden.
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Ein Beispiel aus der Geschichte des Krupp Konzerns

Ich will Ihnen ein Beispiel aus der Geschichte unseres Konzerns geben. Nur weil wir unsere Privatverpflichtungen erfüllten, waren wir in der Lage, unseren öffentlichen Verpflichtungen nachzukommen.

Wir, die Krupp-Werke, nahmen im Dezember 1924, unmittelbar nach der Markstabilisierung, in Amerika eine Anleihe von ungefähr 7 Millionen Dollar auf, um unsere Werkanlagen zu erneuern, frisch auszurüsten und produktionsfähig zu machen.

Nach dem Krieg stellte es sich nämlich als notwendig heraus, den größten Teil unseres Maschinenparks zu erneuern, um ihn dem neuen Charakter unserer Produktion anzupassen.

Wir suchten nach allen möglichen Arten von Waren, die sich für unsere Produktionsweise eignen könnten. Um Ihnen das zu illustrieren: wir nahmen sogar die Fabrikation von Mülleimern auf. Kein Mensch hatte sich mit der technischen Konstruktion dieses Bedarfsgegenstandes vom Standpunkt des Ingenieurs aus befaßt.

Unsere Techniker arbeiteten den wirtschaftlichsten und besten Typ des Eimers aus, und dann schritten wir an seine Fabrikation. Mit anderen Worten: wir rationalisierten unsere Produktion, modernisierten unsere Ausrüstung und wurden fähig, billiger und besser zu produzieren als je zuvor.

Dann kamen wir, dank unserer Produktion, in die Lage, zu den Reparationszahlungen beizutragen. Unsere Produktion aber war teilweise möglich gemacht durch die finanziello Hilfe aus dieser amerikanischen Anleihe, die wir zurückgezahlt haben.

Hätte es sich nicht um die Erfüllung unserer privaten Verpflichtung gehandelt, hätte es sich nicht darum gehandelt, daß unsere Gläubiger wußten, wir würden der Privatverpflichtung nachkommen, so wären wir nicht imstande gewesen, unserer öffentlichen Pflicht zu genügen.

Die Frage der Priorität ist damit klar und deutlich entschieden.
Heute, in einer Zeit, die mit Recht unser härtester Winter genannt worden ist, liegt natürlich ein großer Teil unserer Produktionsanlagen brach.

Es gibt Kritiker, die kurzsichtig genug waren, den Rationalisierungsprozeß »für die Stillegung unserer Fabriken verantwortlich zu machen. Aber ohne diese Rationalisierung wäre es uns nicht möglich gewesen, überhaupt weiterzumachen, wäre es uns nicht möglich gewesen, überhaupt zu konkurrieren, es wäre uns im letzten Grunde also auch nicht möglich gewesen, überhaupt Reparationen zu zahlen.

Ein Paradoxum - alle Länder verkaufen (exportieren) mit Verlust

Kann man eine Erklärung für die Tatsache finden, daß in der ganzen Welt Waren unter ihren Gestehungskosten verkauft werden? Es ließe sich begreifen, wenn ein Land, das sich besonderer Vorteile erfreut, Waren mit Gewinnmöglichkeit zu so niedrigen Kosten produzieren würde, daß seine Preise die Konkurrenten in allen anderen Ländern dazu zwängen, unter Verlust zu verkaufen, um überhaupt absetzen zu können.

Daß aber alle Länder unter Verlust verkaufen, ist schwer zu begreifen. Dieser paradoxe Zustand ist nur durch das Einfrieren der Kredite in der ganzen Welt zu erklären, und dieses wiederum läßt sich mit aller Klarheit auf die Lage in Deutschland zurückführen, wo das Vorhandensein der Reparationslast ein derartiges Einfrieren des Kredites herbeigeführt hat, daß das Übel auf alle Länder übergegriffen hat.
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Und wieder geht es um die Reparationen

Ich besinne mich noch auf die Worte Ihres Mr. Farrell von der United States Steel Corporation: „Warum können wir nicht zusammenkommen, um unsere Preise auf Grund der tatsächlichen Gestehungskosten zu reduzieren, statt uns jeweils nach dem zu richten, was der Konsument zu zahlen bereit ist?"

Solange aber die Zahlungsfähigkeit des Konsumenten durch Kreditmangel beschränkt, solange der Produzent nicht in der Lage ist, ihm den nötigen Kredit vorzustrecken, wird es ein Ding der Unmöglichkeit sein, die Preise auf der Grundlage zu senken, auf der sie gesenkt werden sollten, auf Grund der tatsächlichen Gestehungskosten.

Und diese Kreditmöglichkeiten werden erst dann erreichbar sein, wenn die Reparationen nicht mehr die Finanzoperationen der Welt verwirren.

Bei dem Reparationsproblem handelt es sich jedoch nicht nur um Zahlungen und um die lähmende Wirkung, die es auf den Weltkredit ausübt. Es handelt sich um die technische Möglichkeit des Transferierens der Reparationen.

Es ist offenbar, daß ein Transfer nur durch Warenexport zustandekommen kann. Bei der Londoner Konferenz konnte kein Mensch einen anderen Weg als den des Warenexportes für den Reparationstransfer auch nur in Vorschlag bringen. Natürlich könnte das Geld so lange transferiert werden, wie wir Kredite aus dem Ausland bekommen, oder so lange wie der Goldvorrat reicht. Aber für ein ständiges Weiterdauern des Transfers ist ein Ausfuhrüberschuß unerläßlich."

Kann Deutschland Reparationen zahlen ?

„Wenn Sie alle politischen und psychologischen Erwägungen beiseite lassen und das Problem von einem rein technischwirtschaftlichen Standpunkt aus betrachten", fragte ich, „wie würde dann Ihre Antwort auf die einfache Frage: Kann Deutschland Reparationen zahlen, lauten?"

„Die Antwort", erwiderte er, „lautet theoretisch: Ja, wenn man uns exportieren läßt, aber auch nur, wenn man uns wirklich exportieren läßt, und es ist Tatsache, daß man uns nicht exportieren läßt.

Wir können beliebig große Mengen von Ausfuhrgütern herstellen, aber Fabrikation ist etwas anderes als Verkauf. Wir müssen einen Markt haben, und die Märkte der Welt verschließen sich uns.

England hat seine Zolltarife erhöht; in Frankreich, Italien, in der Schweiz, im Balkan, überall, wohin man sich wendet, stößt der Handel auf Schranken, die allmählich unüberwindbar werden.

Ich sehe voraus, daß unsere Ausfuhr sich gewaltig verringern muß. Denkt man an diese gegen den Handel gerichteten Schranken und gleichzeitig an die Unbeweglichkeit der Kredite, die ein Ergebnis des drohenden Reparationsproblems ist, so leuchtet einem die Schwierigkeit der Lage ein."

Eine deutsch-französische Verständigung ? Bittere Erinnerungen

Wir hatten noch nicht die wichtige und zentrale Frage berührt, auf der alle Sorgen Europas beruhen. Ich stellte sie ohne alle Umschweife:

„Halten Sie eine deutsch-französische Verständigung für möglich?"

In ganz Deutschland wäre kein Mann zu finden, dessen Antwort auf diese Frage interessanter sein könnte. Am 11. Januar 1923 besetzten die Franzosen mit 60.000 Mann unter General Degoutte das Ruhrgebiet.

Am 31. März ordnete das Kruppdirektorium die Arbeitseinstellung an. Während einer Konferenz zwischen den Franzosen und dem Arbeiterrat der Krupp-Werke eröffneten die französischen Truppen mit Maschinengewehren Feuer auf die Arbeiter. 13 Mann wurden getötet, 3o verwundet.

Am 1. Mai 1923 verhafteten französische Truppen Dr. Krupp von Bohlen. Er wurde vor ein Kriegsgericht gestellt und zu 15 Jahren Zwangsarbeit verurteilt. Sechs Monate lang bewohnte er eine Zelle im Essener Zuchthaus, wurde er wie ein gewöhnlicher Gefangener behandelt, mußte er seine Zelle säubern und sich der Zuchthausdisziplin unterwerfen.

Im Oktober 1923 wurde er auf Ehrenwort freigelassen und kehrte in sein Büro in Essen zurück. Die ganze Nation sah in ihm ein Symbol ihres Kampfes. In der Essener Handelskammer hängt ein Bild, das Dr. Krupp v. Bohlen zeigt, wie er zwischen französischen Soldaten die Treppe der Krupp-Werke herunterkommt.

Die deutsch-französische Verständigung - möglich und wünschenswert ?

Herr v. Bohlen spielte auf diese Ereignisse nicht an. Er richtete sich lediglich ein wenig auf, als ich die Frage an ihn stellte und antwortete: „Ich halte eine deutsch-französische Verständigung sowohl für möglich wie für wünschenswert; meiner Meinung nach kann sie aber erst Zustandekommen, wenn das Reparationsproblem gelöst ist."

„Ich halte eine deutsch-französische Verständigung für möglich."

Dieser Satz war aus dem Munde des Herrn v. Bohlen eine Äußerung der Vernunft. Eine Äußerung des Gefühls war es wohl weniger. Ganz entschieden ist es nicht eine Äußerung dessen, was das deutsche Volk als ganzes empfindet, vor allem nicht der Teil Deutschlands, der die französische Besetzung zu spüren bekam, der eine zweite voraussieht und, besonders in den letzten sechs Monaten, dahin gekommen ist, eine Verständigung mit Frankreich vielleicht für wünschenswert, aber nicht für möglich zu halten.

„Eine Verständigung kann erst Zustandekommen, wenn das Reparationsproblem gelöst ist", wiederholte Herr v. Bohlen, „und ich fürchte, daß ein mehrjähriges Moratorium für die Reparationszahlungen von geringem Nutzen sein wird; dieses mein Gefühl gründet sich auf die Erfahrungen des Hoover-Jahres.

Ihr Präsident Hoover konzipierte diesen Plan in einem idealen Geist der Liberalität. Aber die Tatsache, daß wir später genötigt waren, die geschützten Annuitäten des Young-Planes zu zahlen, erzeugte in der Bevölkerung das Gefühl, daß sie wohl für den Augenblick von den Zahlungen befreit wäre, daß diese Befreiung aber im letzten Ende nur eine noch größere Börde bedeuten werde. Dieses Gefühl übt eine lähmende Wirkung auf die meisten Deutschen aus.

Für die meisten Deutschen besteht die Wirkung der so geschaffenen Situation darin, daß der einzelne sich sagt: ,Wozu arbeiten, wenn wir der Früchte unserer Arbeit beraubt werden?'

Für mich existiert diese Wirkung nicht. Ich bin mit Leib und Seele Optimist. Und zwar bin ich Optimist, weil man nur durch Vertrauen in die Zukunft etwas erreichen kann."
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Weitere Gedanken - Die Möglichkeit einer deutsch- französischen Zollunion

Ich fragte weiter: „Glauben Sie an die Möglichkeit einer deutsch- französischen Zollunion?"

„Ja", war die Antwort, „selbst heute, mitten in unserer oft so hoffnungslos aussehenden Lage glaube ich an diese Möglichkeit. Ich glaube, die Zollunion muß kommen. Es fragt sich nur, wann."

  • Anmerkung : Es ist doch erstaunlich, welche weisen Voraussagen aus dem Mund der erfolgreichsten Wirtschaftsführer im Jahr 1931 zu hören sind. Es dauert(e) aber noch über 30 Jahre - bis 1963 (der Élysée-Vertrag).


„Was wären Ihrer Meinung nach die wahrscheinlichen Folgen für das amerikanische und übrige fremde Kapital in Deutschland, wenn eine nationalsozialistische Regierung ans Ruder kommt?"

„Ich glaube nicht", antwortete er, „daß eine nationalsozialistische Regierung an dem Entschluß Deutschlands, seine Privatschulden zu zahlen, etwas ändern würde."

„Und der Kommunismus?" fragte ich. „Zum Kommunismus könne es in Deutschland nur kommen, wenn alle Deutschen restlos verzweifelt wären. Wie weit wir davon entfernt sind? Das ist schwer zu sagen, aber ewige Unsicherheit kann kein Volk ertragen.

Auf die Herbeiführung einer dauernden befriedigenden Lösung, die nicht nur zur Wohlfahrt Deutschlands allein, sondern der ganzen Welt beitrüge, könnte Amerika entscheidenden Einfluß nehmen. Amerika ist noch immer der Gläubiger der Welt. Amerikas ideeller und materieller Einfluß in Deutschland läßt uns hoffen, daß es bei der Lösung, die nicht nur für uns, sondern auch für Sie von so großer Bedeutung ist, sein Gewicht geltend machen wird."
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Es bleiben die bislang optimistischsten Äußerungen

Eine aufmerksame Untersuchung der Ansichten des Herrn von Bohlen könnte ergeben, daß sie mehr auf Hoffnungen als auf konkreten Gründen basieren.

Trotzdem bleiben es die optimistischsten Äußerungen, die ich bis jetzt gehört habe. Es sind die Äußerungen eines Mannes, der mindestens so viel, wenn nicht noch mehr als alle anderen im Reich zu verlieren hat, wenn Deutschland „untergehen" sollte.

Das Krupp Vermögen 1932 - 200 Millionen Mark

Aus einer Aufstellung der Privatvermögen Deutschlands, die Ferdinand Fried in seinem verbreiteten und paradoxerweise gerade in kapitalistischen Kreisen beliebten Buch „Das Ende des Kapitalismus" gibt, geht hervor, daß das Vermögen der Familie Krupp, das auf 200 Millionen Mark geschätzt wird, unter allen Industrievermögen Deutschlands weitaus an erster Stelle steht.

Der Kaiser, der allgemein als der „reichste Deutsche" gilt, hat ein nur gleichgroßes Vermögen, so daß die Familie Krupp, die aus Herrn Krupp v. Bohlen, seiner Frau und sieben Kindern besteht, als die reichste Familie in Deutschland angesehen werden kann.

Die „Villa Hügel" - ein Palais der Familie Krupp

Wenn man jedoch die Zukunft Deutschlands beurteilen will, ist die „Villa Hügel", das auf einer Anhöhe vor Essen gelegene Palais der Familie Krupp, weniger interessant als ein spitzgiebeliges Holzhäuschen, das sich an eine Mauer inmitten der Krupp-Werke schmiegt.

Es ist so ziemlich der einzige Holzbau auf einem Gebiet von 25 Quadratkilometern und sieht so aus, als wäre es vielleicht ein altmodischer Unterschlupf für Werksnachtwächter.

Ringsumher überragen Fabrikgebäude sein niedriges Dach; bescheiden, absonderlich, vergessen hockt es da im Schatten des Kruppschen Verwaltungsgebäudes.

Bescheiden, absonderlich und alt ist es, aber nicht vergessen. Es ist das ursprüngliche Heim der Krupps, genau in dem Zustand erhalten, in dem es vor 124 Jahren dastand, als der Gründer der Familie es für einen Vormeister gebaut hatte.

Doch Friedrich Krupp, der Urgroßvater der jetzigen Generation, fuhr nicht sehr gut mit seiner kleinen Schmiede, der Vormeister mußte das Häuschen räumen und Krupp einziehen lassen, damit dieser ein Dach über den Kopf bekam.

Die Besonderheiten dieses kleinen Häuschens

Friedrich lebte hier von 1824-1826, und als er starb, hatte sich seine Vermögenslage nicht gebessert; die Aussichten für das Haus Krupp waren damals noch etwas schlechter als heute.

Alfred Krupp wohnte in dem kleinen Häuschen bis zum Jahre 1887, als die Familie schon längst zu Reichtum und Ruhm gekommen war. Das war nicht die einzige Absonderlichkeit Alfreds.

In der Nähe der Haustür stand eine Waage; darauf wog er jeden Gast, der hereinkam, und führte über die Gewichte in einer Kladde Buch. Die erste Eintragung wurde im Jahre 1886 gemacht, die letzte 1899. Jeder Vertreter, der von draußen hereinkam, mußte sich wiegen lassen, bevor er seinen Bericht abstatten durfte. Herr v. Bohlen hat diese Tradition nicht fortgesetzt.

Als der erste Kupp dieses Häuschen baute, gab es noch gar keine deutsche Nation, Deutschland war damals kaum ein Begriff, höchstens eine Bezeichnung für einen Teil Europas, der eine gemeinsame Sprache hatte.

Die Krupps repräsentierten das Jahrhundert von Deutschlands Aufstieg. Das kleine Holzhäuschen im Stahlreich ist ein Beweis dafür, daß nach 124 Jahren auch der „härteste Winter" nur mehr eine Episode ist.
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Schlagzeilen, die den Beobachter neugierig machen

„Kommunistischer Aufstand in Deutschland", Generalstreik an der Ruhr", „Wilde Ausschreitungen im Ruhrgebiet", „Polizei verhaftet Rebellenführer".

Diese Schlagzeilen, welche die Kopfseite einer am Bahnhof Essen gekauften Zeitung füllten, versprachen dem Beobachter, der sich zur Aufgabe gesetzt hat, die Revolutionsaussichten im Reich zu untersuchen, eine ganz außerordentliche Gelegenheit.

Und wieder geht es um die 4 Milliarden US Dollar

Am Tage eines „Kommunistischen Aufstandes", eines „Generalstreiks" und „Wilder Ausschreitungen" in die Hauptstadt des roten Ruhrgebietes zu kommen, das versprach ganz besonders viel Material für die Beantwortung derjenigen Frage, die erledigt sein muß, bevor man den Grad der Sicherheit, beziehungsweise Unsicherheit, der 4 Milliarden Dollar abschätzen kann, die für Amerika in Deutschland auf dem Spiel stehen.
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Die Aussichten der Kommunisten abschätzen

Diese Frage lautet: Haben die Kommunisten Aussichten, jetzt oder in der nächsten Zukunft im Reich zur Macht zu kommen, oder nicht?

Fast jede andere erdenkliche Gefahr, die heute Deutschland droht, wird als Gefahr hauptsächlich deshalb angesehen, weil sie á la longue den Kommunismus im Gefolge haben könnte.

Hitler wird weniger darum gefürchtet, weil seine Regierung zum Faschismus führen könnte, als darum, weil der Faschismus im Kommunismus enden könnte.

Wenn die Franzosen, wenn die Möglichkeit, daß sie das Rheinland besetzen, gefürchtet wird, so geschieht das weniger wegen der Unannehmlichkeiten, der Verluste und der Kränkungen, die eine Besetzung durch fremdes Militär mit sich bringt, als deshalb, weil alle diese Konsequenzen die letzte Konsequenz, den Kommunismus, nach sich ziehen könnten.

Wenn der völlige finanzielle Zusammenbruch, die Inflation, gefürchtet wird, so hat das seinen Grund weniger in dem Elend, das er mit sich brächte, als wieder darum, weil ein verzweifeltes Volk sich dem Kommunismus zuwenden könnte.

Und schließlich: im letzten Grunde gibt es nur ein einziges Ereignis, das den dauernden und nie wieder gutzumachenden Verlust alles dessen zur Folge hätte, was Amerika in Deutschland angelegt hat, und das ist eine erfolgreiche kommunistische Revolution.
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Das „Ruhrecho", das Hauptorgans der kommunistischen Partei

Wir eilten zur Redaktion des „Ruhrecho", des Hauptorgans der kommunistischen Partei an dieser Zentralstelle proletarischer Unzufriedenheit.

Die hohen Mauern der Krupp-Werke blickten finster auf uns herab, als wir durch die Straßen hasteten. Von diesen Mauern eingeschlossen, ist der ungeheure Betrieb der Stahlwerke eine Festung.

Einmal war diese Festung von den Kommunisten eingenommen worden, und damals kapitulierte das ganze Ruhrgebiet vor der roten Flagge.
Wir sahen nach Revolutionszeichen aus. Wir suchten nach „Ausschreitungen".

Auf einem Platz staute sich eine gewaltige Menschenmenge. Kriegerische Musik drang aus ihrem Zentrum. Wir drängten uns vorwärts. Die Musik verstummte. Ein Mann trat vor und begann auf die Massen einzureden.

„Brüder und Schwestern" - es war eine Heilsarmee-Versammlung.
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Heute würde man es Fake-News nennen - die Schlagzeile

Der vor drei Tagen ausgerufene Streik war vorüber, abgebrochen, überhaupt nicht zustande gekommen. Von einem Aufstand konnte nicht einmal im Traume die Rede sein. Die Ausschreitungen waren Phantasiegebilde.

Die Zeitung, um die es sich handelte, war eine englische Zeitung. Das einzige, was an ihren Informationen stimmte, war die Schlagzeile „Polizei verhaftet Rebellenführer".

Nichts könnte die Aussichten, die eine kommunistische Revolution in Deutschland im Augenblick oder in der nächsten Zukunft hat, besser illustrieren als diese ihre ernsthafteste Aktion im Verlauf des „härtesten Winters". Die wesentlichen Daten besagen alles.
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Darum nocheinmal die wesentlichen Daten aus Essen

Es gibt in Deutschland 5 bis 6 Millionen Arbeitslose. Der Standard, auf dem sie leben, liegt häufig unter dem Lebensstandard des beschäftigten Arbeiters in der Sowjet-Union.

Es gibt ungefähr 16 Millionen beschäftigte Arbeiter in Deutschland. Diese beziehen Löhne, die vom amerikanischen Standpunkt aus unerträglich niedrig erscheinen würden.

Die Kommunisten gaben bei der Reichstagswahl im September 1930 l.590.179 Stimmen ab und dürften heute wahrscheinlich 6 Millionen Wähler zählen. Die kommunistische Partei weist 25o.ooo eingetragene Mitglieder aus.

Die niedrige Erwerbslosenunterstützung der 6 Millionen Arbeitslosen ist durch Regierungsverordnungen weiter herabgemindert worden. Die niedrigen Löhne der 16 Millionen beschäftigten Arbeiter sind durch Regierungsverordnungen nominell um 10%, faktisch um 15 bis 20% gesenkt worden.

Ein Generalstreik gegen die Lohnverkürzung

Die kommunistische Partei proklamierte einen Generalstreik gegen die Lohnverkürzung.

Obwohl es heute im Reich an die 6 Millionen kommunistische Wähler und 2.5oo.ooo Parteikommunisten gibt, beteiligten sich von sämtlichen Arbeitern im Reich, einschließlich der 16 Millionen Beschäftigten, nach der höchsten existierenden - einer kommunistischen - Schätzung nicht mehr als 20.000 am Generalstreik.

20.000 von 16 Millionen, das ist so viel wie ein Mann von 800. Das war das Ergebnis des aktuell genannten Generalstreiks, der überdies nur drei Tage dauerte.

Tatsächlich sind die meisten für den Kommunismus im Reich abgegebenen Stimmen nicht Stimmen für die Revolution. Es sind Stimmen gegen die Arbeitslosigkeit, gegen die niedrigen Unterstützungen, gegen die niedrigen Löhne, gegen Hitler, gegen das herrschende System.

Es ist nicht denkbar, daß die Gesamtheit der auf 6 Millionen geschätzten kommunistischen Wähler aus Arbeitslosen besteht. Die Zusammensetzung der Arbeiterräte in den Fabriken und Betrieben weist darauf hin, daß mindestens ein Drittel der kommunistischen Wähler, also schätzungsweise 2 Millionen, noch beschäftigt ist. Wenn das zutrifft, dann gestattet das Ergebnis des Generalstreiks den Schluß, daß von 200 Leuten, die kommunistisch wählen, beziehungsweise bei der nächsten Wahl ihre Stimmen aller Voraussicht nach für den Kommunismus abgeben werden, nur einer für den Streik als verläßlich in Betracht kam.
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Knn man unter diesen Umständen auf diese Menschen zählen ?

Wie viele dürfte man unter diesen Umständen in dem Falle, daß es zu Barrikadenkämpfen kommt, für verläßlich halten?

Diese Streikparole wurde in einem Augenblick ausgegeben, in dem man erwarten durfte, daß die Unzufriedenheit des Proletariats am Explosionspunkt angelangt ist.

Es ist durchaus berechtigt, den Streik nicht als etwas Vereinzeltes, Isoliertes zu betrachten. Die Kommunisten setzten große Hoffnungen auf ihn. Sie rechneten allerdings nicht damit, einen wirklichen Generalstreik durchsetzen zu können, und sie dachten auch nicht im entferntesten daran, eine Revolution heraufzubeschwören.

Sie erwarteten jedoch, daß der Streik in diesem kritischen Abschnitt des „kritischsten" Winters Angst in die Reihen der Bourgeoisie tragen, die Arbeiter im Klassenkampf stählen und die Bemühungen der Kapitalisten, die Wirtschaftsdepression zu überwinden, erschweren würde.
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Der Einfluß dieser Meldung in einer englischen Zeitung

Er erregte einige Besorgnisse in der Bourgeoisie, aber mehr unter den bürgerlichen Lesern ausländischer Blätter als unter den Lesern deutscher Zeitungen.

Er stählte etliche Arbeiter im Klassenkampf, aber die 20.000, die die Arbeit niederlegten, waren sicherlich Elitekommunisten, die keiner Stählung bedurften.

Er erschwerte keineswegs - zumindest nicht in wahrnehmbarer Weise - die Bemühungen anderer Seiten zur Überwindung der Krise. Der Streik war also ein völliger Fehlschlag.

Für die Behauptung, daß eine kommunistische Revolution in Deutschland überaus unwahrscheinlich sei, lassen sich zwei wesentliche theoretische Gründe anführen. Erstens hat die Regierung nicht aufgehört zu regieren. Zweitens wünscht die Majorität der Bevölkerung keinen Wechsel zum Kommunismus.
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Die Erfahrung Lenins in Dingen der Revolution

Lenin, dessen Autorität in Dingen der Revolution kaum anfechtbar ist, hat die Lehre ausgesprochen, die beiden unerläßlichen Bedingungen einer Revolution seien, daß die Majorität der Bevölkerung für eine Änderung sei und daß die Regierung nicht mehr imstande sei, die Herrschaft auszuüben.

Die Majorität der Bevölkerung Deutschlands ist allerdings für eine Änderung, aber sie sind nicht eines Sinnes darüber, welcher Natur sie sein soll, und diejenigen, die eine Änderung herbeiwünschen, bekämpfen einander mit mehr Erbitterung als die, welche dagegen sind.

Wenn es zwei theoretische Gründe dafür gibt, daß die Kommunisten in der nächsten Zukunft keine Aussichten haben, so sprechen acht eminent praktische Gründe dafür, daß das richtig ist.

  1. Erstens: die Sowjet-Union ist nicht für eine kommunistische Revolution im Ausland vorbereitet.
  2. Zweitens: was die fünf bis sechs Millionen Arbeitslosen in Deutschland beziehen, ist allerdings nicht „genug zum Leben", aber auch „zu viel zum Sterben".
  3. Drittens: die Kommunisten haben keine Waffen, jedenfalls keine solchen, die für eine Revolution von Bedeutung wären.
  4. Viertens: sie haben kein Geld.
  5. Fünftens: es fehlt ihnen an revolutionärem Elan.
  6. Sechstens: es gibt unter ihnen keine Führer, die qualitativ auch nur irgendeiner Anzahl ihrer russischen Genossen gleichkämen.
  7. Siebentens: ihr Einfluß in der Reichswehr ist gleich Null, der in der Polizei nur gering.
  8. Achtens: die vier bis fünf Millionen Mitglieder der nicht-kommunistischen politischen Kampforganisationen in Deutschland, des Reichsbanners, des Stahlhelms und der Hitlerschen Sturmabteilungen, bilden zusammen eine Streitmacht, die sich fast nur in einem Punkte, in ihrer Feindschaft gegen die Kommunisten, einig sind und gegen eine kommunistische Erhebung einen so allgemeinen Widerstand einleiten könnten, daß dessen Erfolgsaussichten schon aus diesem Grund allein gering wären.


Das sind im Augenblick die gegebenen Tatsachen.
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Es müssten alle 8 Punkte geändert werden

Um die Aussichten der Kommunisten zu ändern, wäre es nicht nötig, daß bei allen Punkten eine Änderung eintritt. Welche Änderungen sind nun möglich?

Bevor die Sowjet-Union darauf vorbereitet ist, das Risiko eines Krieges auf sich zu nehmen, wird sie auch nicht bereit sein, das Risiko zu tragen, das eine kommunistische Revolution in Deutschland für sie mitbringt.

Abgesehen von allen anderen Konsequenzen würde eine kommunistische Revolution fast unvermeidlich eine Mobilisierung des polnischen Heeres nach sich ziehen. Eine Mobilisierung des polnischen Heeres würde Mobilisierung der Roten Armee bedeuten.

Was das heißt, hat der August 1914 gelehrt. Die Sowjet-Union wird frühestens, sobald der Fünfjahresplan durchgeführt ist, also Ende 1933, bereit sein, dieses Risiko auf sich zu nehmen. Es ist kaum anzunehmen, daß sie selbst dann sich gern dieser Gefahr aussetzen wird.

Bevor die Sowjet-Union diese Bereitschaft hat, ist schwer abzusehen, wohin die deutschen Kommunisten sich wenden sollten, um Waffen oder Geld zu bekommen, und obwohl allgemein angenommen wird, daß die Sowjet-Union sich darauf vorbereitet, eines Tages die Offensive an der Front der Weltrevolution zu ergreifen, gibt es gute Gründe, die es ungewiß erscheinen lassen, welche Gestalt eine derartige Offensive annehmen würde.

Wo bekommen die deutschen Kommunisten Waffen her ?

Die deutschen Kommunisten bestreiten, daß sie sich für die Zukunft darauf verlassen wollen, von der Sowjet-Union Waffen zu bekommen. Die russischen Kommunisten stellen in Abrede, daß die kommunistische Internationale eine Förderung der Weltrevolution durch Waffenschmuggel aus der Sowjet-Union ins Ausland in Erwägung ziehe.

Diesen Erklärungen widersprechen die Erfahrungen in China, aber damals handelte es sich noch um eine frühere Periode der Komintern-Strategie.

Folgende Behauptung würde auch bei Parteigängern der Sowjets nicht auf Widerspruch stoßen: die Sowjet-Union wird Waffentransporte an kommunistische Parteien im Ausland nicht eher gestatten, als sie bereit ist, einen Krieg zu riskieren.

Der Polizeikommissar von Essen, Dr. Kurt Melcher

Der Polizeikommissar von Essen, Dr. Kurt Melcher, der in diesem am heißesten umstrittenen Proletarier-Distrikt des Reiches, in welchem im Jahre 1920 die Rote Armee nach dem Kapp-Putsch eine Zeitlang herrschte, seit i3 Jahren an der Spitze der Polizei steht, hatte die Freundlichkeit, mich über diese überaus wichtigen Fragen der Bewaffnung, der Ausbildung und des revolutionären Geistes der deutschen Kommunisten zu unterrichten.

Der Aufstand nach dem Kapp-Putsch war, abgesehen von der ein Jahr früher ausgerufenen bayerischen Sowjet-Republik, während deren Bestehen München und dessen Umgebung in den Händen der Roten war, die ernsthafteste Aktion der Kommunisten in Deutschland. Die Erfahrungen Dr. Melchers lassen es als ausgeschlossen erscheinen, daß er die Kommunisten unterschätzt.

Die Beurteilung einer kommunistischen Revolution

„Seit 1919", erklärte er, „ist die Gefahr einer kommunistischen Revolution in Deutschland stets geringer geworden. Das sagen mir meine Beobachtungen, an denen auch die gewaltige Zunahme der kommunistischen Stimmen nichts ändern kann."

Dr. Melcher nannte einige Beispiele. Die folgende Liste verdient die Aufmerksamkeit aller, die ein Interesse daran haben, die unmittelbaren Aussichten einer kommunistischen Revolution in Europa sowohl wie in Deutschland abzuwägen:

  1. April 1919: Max Hoelz und seine Roten Garden beherrschen einen Teil Sachsens; heftige Gefechte; Dauer neun Tage.
  2. April und Mai 1919: Sowjet-Republik Bayern; ernsthafte militärische Zusammenstöße; roter Terror; große Verluste; Dauer zwei Monate.
  3. März und April 1920: Eroberung der Ruhr durch die Rote Armee; schwere Kämpfe; große Verluste; Dauer zwei Wochen.
  4. März 1921: Kommunistischer Generalstreik in Hamburg; heftige Gefechte; Dauer drei Tage.
  5. April und Oktober 1928: Kommunistische Aufstände in Hamburg und Mülheim; 22 Tote; Dauer vier Tage.
  6. Mai 1929: Barrikaden im Berliner Wedding; 19 Tote; Dauer vier Tage.
  7. Sommer 1931: Kommunistische Plünderungen am Bülowplatz in Berlin; 3 Tote; Dauer eine Nacht; Plünderungen in Gelsenkirchen und Essen, einige barrikadenähnliche Straßen-Verrammelungen; keine Toten.
  8. Januar 1932: Kommunistischer Generalstreik im ganzen Reich; Anhaltung einiger Straßenbahnwagen, Blockierung einiger Weichen; 20.000 von 16 Millionen Arbeitern leisten der Streikparole Folge; keine Toten; Dauer der Unordnung zwei Tage.

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Das Schwinden der revolutionären Kraft

Das Schwinden der revolutionären Kraft der deutschen Kommunisten wird durch diese chronologische Aufzählung der Ereignisse ausgezeichnet klar gemacht.

Es beginnt mit weitverbreiteten Erhebungen, in deren Verlauf die Kommunisten sowohl gegen die Polizei wie gegen das Heer kämpfen. Die Kulmination bringt die bayerische Sowjet-Republik; damals leisteten die Roten Truppen Polizei und Heer zwei Monate lang Widerstand. 13 Jahre später ist das Ende eine Reihe von Straßenkämpfen, in denen das Heer überhaupt nicht gebraucht wird und die Polizei einen entscheidenden Sieg erringt.

Eine imponierende Anzahl von Stimmen reicht nicht

„Ich bin überzeugt", erklärte Dr. Melcher, „daß die Gefahr einer kommunistischen Revolution heute unvergleichlich geringer ist als kurz nach dem Krieg, obwohl die kommunistische Partei eine imponierende Anzahl von Stimmen auf sich gezogen hat.

Meiner Ansicht nach gibt es zwei Hauptgründe dafür; der erste davon ist die Tatsache, daß die Kommunisten praktisch keine wirksamen Waffen haben. Unmittelbar nach dem Krieg war die Anzahl der Waffen, die die Bevölkerung in Händen hatte, sehr beträchtlich.

Viele, wahrscheinlich die meisten, Soldaten nahmen ihre Gewehre mit nach Hause. Heute sind seit Kriegsende 14 Jahre vergangen. Selbst wenn die Leute die Waffen behalten hätten, wären die meisten heute nutzlos, denn eine Waffe, die in Ordnung gehalten werden soll, muß sorgfältig gepflegt werden, und es ist unmöglich, Gewehre, die in der Erde, womöglich weiß Gott wo, vergraben sind, sorgfältig zu pflegen.

Ich kenne die Schwierigkeiten guter Waffenpflege zu genau, um zu glauben, daß es möglich gewesen sein sollte, Gewehre, die vielleicht verborgen gehalten worden sind, in gebrauchsfähigem Zustand zu erhalten.

Aber die meisten von diesen Gewehren wurden der Bevölkerung in einer Reihe von Konfiskationen abgenommen. Die kommunistischen Aufstandsversuche, die seit 1920 gemacht worden sind, lassen keineswegs darauf schließen, daß die Kommunisten noch nennenswerte Mengen von Waffen besitzen, wenn sie vielleicht auch noch eine gewisse Anzahl von Revolvern und Kleinwaffen haben. 1920 war das ganz anders. Damals waren die Kommunisten ausgezeichnet mit Gewehren und Munition versehen.
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1920 waren es zum größten Teil verhältnismäßig junge Leute

Zweitens aber waren die Kommunisten im Jahre 1920 zum größten Teil verhältnismäßig junge Leute, die den Krieg mitgemacht hatten und nicht nur mit Waffen umzugehen wußten, sondern auch taktische Kenntnisse hatten.

Ich war selbst dabei, als die Roten Truppen 1920 das Essener Rathaus stürmten, und kann nur sagen, daß sie dabei mit vorbildlicher militärischer Tüchtigkeit vorgingen; sie rückten etappenweise vor, befestigten ihre Stellungen und warteten immer den strategisch richtigen Augenblick ab.

Heute wäre das unmöglich. Die jungen Kommunisten von heute, die sich nach einem Kampf sehnen, sind zu jung, um den Krieg mitgemacht haben zu können. Die, die im Krieg gedient haben, sind heute beträchtlich älter geworden und wahrscheinlich nicht so tatenlustig.

Feldmarschall v. Moltke hat einmal gesagt: „Schlachten werden von Linientruppen entschieden, nicht vom Landsturm." Die kommunistischen Linientruppen des Jahres 1920 sind der kommunistische Landsturm von heute.
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Wo könnten moderne Waffen herkommen ?

Bleibt also nur die Möglichkeit, fuhr der Polizeikommissar fort, „daß die Kommunisten Waffen aus dem Ausland bekommen könnten. Aber in meiner ganzen Dienstzeit war ich nicht ein einziges Mal imstande, Material in die Hand zu bekommen, das darauf hinweist, daß für die Kommunisten Waffen eingeschmuggelt worden wären, und das, obwohl die holländische Grenze ganz nahe ist. Ich kann natürlich nichts über die Verhältnisse an der Nordgrenze sagen und ebensowenig über die Möglichkeit russischer Waffenlieferungen für die Kommunisten, aber ich halte auch das für unwahrscheinlich.

Ich suche die Erklärung für die Abnahme des revolutionären Elans bei den Kommunisten darin, daß die Bevölkerung zehn Jahre lang immer wieder ihre Versuche gesehen, und beobachtet hat, daß sie stets fehlschlugen und von Fall zu Fall schwächer wurden.

Vielleicht ist es zum Teil darauf zurückzuführen, daß die Arbeiter an der Ruhr im Gegensatz zur allgemein verbreiteten Ansicht nicht so revolutionär sind wie ihre Genossen in Berlin und Hamburg, wo der Einfluß der Großstadt auf die Haltung der Kommunisten recht beträchtlich ist.

Außerdem muß man bedenken, daß die Aufstände an der Ruhr und in Mitteldeutschland 1920, die einzige wirklich ernsthafte Aktion der Kommunisten nach der Ausrufung der bayerischen Sowjet-Republik im Jahre 1919, eine Konterrevolution gegen das Regime Kapp waren.

Es kam die Nachricht, daß Kapp die Macht an sich gerissen hatte und die Arbeiter aller ihrer Revolutions- Errungenschaften berauben würde. Darauf reagierten sie mit Revolten.

Aber sie revoltierten in der Hauptsache gegen Kapp. Sobald Kapp gestürzt war, existierte der vornehmste Grund für den Kommunistenaufstand nicht mehr."
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Der Polizeikommissar führt weiter aus :

„Ich muß besonders betonen", sprach der Polizeikommissar weiter, „daß alles, was ich gesagt habe, sich auf den revolutionären Aspekt des Kommunismus bezieht. Es ist eine sonderbare Tatsache, daß die Wahlstärke der Partei zunimmt, während die Revolutionskraft des deutschen Kommunismus sich verringert.

Ich erkläre mir das als Wirkung der verzweifelten Wirtschaftslage in Deutschland. Die Mehrzahl der Wähler, die für die Kommunisten stimmen, bekunden damit nicht, daß sie für das kommunistische Programm kämpfen wollen. Sie protestieren lediglich gegen die wirtschaftliche Notlage. Aus der Anzahl der kommunistischen Stimmen ist keineswegs auf die revolutionäre Kraft der Partei zu schließen.

Meine Beobachtungen sagen mir übrigens auch, daß die finanzielle Hilfe, die Moskau den deutschen Kommunisten gewährt, bedeutend geringer geworden ist. Auch das hat die revolutionäre Kraft der Partei geschwächt.

Zur Finanzierung von Streiks ist Geld unerläßlich. Der Geldmangel und die weitverbreitete Arbeitslosigkeit tun gemeinsam das ihre dazu, daß kommunistische Generalstreiksversuche so nutzlos sind, wie eben der letzte bewiesen hat."

Es gibt noch weitere Fragen zur kommunistischen Revolution

Von den übrigen praktischen Gründen, die für die Unwahrscheinlichkeit einer kommunistischen Revolution angeführt wurden, bleiben noch zu untersuchen die folgenden Fragen:

Führerschaft; Grad der Verzweiflung bei den Arbeitslosen; kommunistischer Einfluß bei den Truppen; bürgerliche Kampfformationen, die gegen einen roten Aufstandsversuch ins Treffen geführt werden könnten.

Die Frage nach der Führerschaft wird von Marxisten mit der Erklärung erledigt, Revolutionen schüfen sich ihre Führer selbst.

Nichtsdestoweniger kann man von deutschen Kommunisten immer wieder hören, daß Deutschland heute eine Sowjet-Republik sein könnte, wenn ihre beiden großen Führer Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg nicht ermordet worden wären.

Was nun die Truppen betrifft, so gilt hier die Maxime, daß eine Revolution nur durchgeführt werden kann, wenn die revolutionäre Partei entweder Sympathien bei den Truppen genießt oder imstande ist, sie zu schlagen.

Die Sympathien der Reichswehr neigen sich entschieden viel mehr der Rechten zu als der Linken. Die Polizei ist mit einer überwältigenden Majorität für die Erhaltung der Republik. Ohne wirksame Waffen und ohne die Sympathien der Regierungstruppen sind die Kommunisten heute zu einer Politik des Abwartens genötigt.

Wie die Kommunisten argumentieren

Sie erklären, daß sie auf eine weitere Verschärfung der kapitalistischen Krise warten. Einige Kommunisten behaupten, daß sie erwarten, der Höhepunkt der Krise werde im Herbst 1932 erreicht werden. Daß die gleichfalls abwartende Haltung der Sowjet-Union ein entscheidender Faktor in ihren Plänen sei, wird von den deutschen Kommunisten nicht zugegeben.

Der Außenstehende jedoch hat den Eindruck, daß die deutschen Kommunisten, nachdem ihnen die Unerwünschtheit aller Störungen im Fortschreiten des Fünfjahresplanes von Moskau aus mit genügender Deutlichkeit klargemacht worden ist, diese Winke „rationalisiert" und daraus eine Analyse der Lage gemacht haben, die beweisen soll, daß die kapitalistische Krise noch nicht weit genug fortgeschritten sei, um einen Revolutionsversuch zu rechtfertigen.

Alle diese Faktoren tragen zusammen dazu bei, daß die deutsche kommunistische Partei im Augenblick nicht viel mehr ist als eine radikale sozialistische Partei und sich ganz gewaltig von dem Schlag kämpfender Rolschewisten unterscheidet, die die russische Revolution gemacht haben.

Denkbaren Ereignisse zugunsten einer kommunistischen Revolution

An denkbaren Ereignissen in der unmittelbaren Zukunft, von denen erwartet werden könnte, daß sie die Lage zugunsten einer kommunistischen Revolution ändern, sind vor allem zwei zu nennen: eine weitere Reduzierung der Arbeitslosenunterstützung bis zu einem Punkt, der unter dem Hungerniveau liegt, und die Übernahme der Macht durch eine nationalsozialistische Regierung, die vielleicht bald nicht mehr imstande wäre, die Herrschaft auszuüben, so daß die Mehrheit des Volkes einer Änderung sympathisch gegenüberstände, diesmal aber einer Änderung zum Kommunismus.

Weitere drastische Reduktionen der Unterstützungen müßten unweigerlich zu Unruhen führen und die Massensezession der Arbeiter von der sozialdemokratischen zur kommunistischen Partei fördern. Aber selbst dann - nur recht wenige Revolutionen sind mit leeren Mägen gemacht worden, und wenn man die am stärksten verelendeten Schichten der Arbeitslosen im ganzen Reich studiert hat, gewinnt man den Eindruck, daß sie um so apathischer werden, je elender sie sind.

Wenn die nationalsozialistische Regierung versagt, dann .....

Etwas ganz anderes ist es mit der Möglichkeit einer nationalsozialistischen Regierung, die nicht mehr imstande ist, die Herrschaft auszuüben. Es ist die Ironie der Hitlerbewegung, daß sie einen großen Teil ihres Erfolges der Annahme verdankt, sie sei das einzige Bollwerk gegen eine Gefahr - den Kommunismus - die um so rascher zu einer Gefahr werden könnte, wenn die Nationalsozialisten zur Macht gelangen.

Auch aus der Perspektive des „härtesten Winters" gesehen, erscheint eine kommunistische Revolution gegen die Republik als eine der fernsten unter den politischen Möglichkeiten in Deutschland, und eine kommunistische Revolution gegen ein Regime Hitler würde, obwohl sie etwas weniger unwahrscheinlich erscheint, was ihren Erfolg betrifft, ganz vom Regierungsgeschick der Nationalsozialisten abhängen.

Es ist bedeutsam, daß die deutschen Kommunisten sich von einer nationalsozialistischen Regierung nicht eine günstige Revolutionsgelegenheit versprechen.

Von welchen Seiten immer man es ansieht, die augenblickliche oder für die allernächste Zeit vorauszusehende Gefahr einer erfolgreichen kommunistischen Revolution in Deutschland ist so gering, daß sie vernachlässigt werden kann.

Trotzdem ist es vielleicht nicht unwichtig, zu beachten, daß von den acht mehr oder weniger ernsthaften kommunistischen Aktionen seit dem Jahre 1919 sechs in den Frühling, in die Zeit zwischen März und Mai, fielen, und daß die ernsthafteste von diesen nach dem ersten Nachkriegsjahr eine Revolte gegen eine reaktionäre Regierung war.
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Damit keine Mißverständnisse aufkommen, dieses Buch wurde von einem studierten Journalisten Anfang 1932 geschrieben.

Auch wenn viele Voraussagen und Prophezeihungen des Amerikaners Knickerbocker erstaunlich dicht an den späteren Ereignissen schrammen, das Buch ist ca. 1 Jahr vor dem März 1933 geschrieben worden, als Adolf Hitler zum Reichskanzler ernannt wurde.

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