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Achtung: Artikel und Texte aus NS/Hitler-Deutschland 1933-45

Nach der Gleichschaltung der reichsdeutschen Medien direkt nach der Machtübernahme in Februar/März 1933 sind alle Artikel und Texte mit besonderer Aufmerksamkeit zu betrachten. Der anfänglich noch gemäßigte politisch neutrale „Ton" in den technischen Publikationen veränderte sich fließend. Im März 1943 ging Stalingrad verloren und von da an las man zwischen den Zeilen mehr und mehr die Wahrheit über das Ende des 3. Reiches - aber verklausuliert.
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Blickpunkt und Blickrichtung bei der Bildeinstellung

aus Heft 5 / April Berlin 1937 von Leopold Kutzleb, Berlin-Grunewald
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Der künstlerische Wert des photographischen Bildes

Der künstlerische Wert des photographischen Bildes wird bestimmt durch:
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  • die Beleuchtung,
  • die photographischen Eigenschaften der Kopie und
  • die Einstellung.

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Die Beleuchtung verleiht dem Bilde Plastik und Stimmung, die photographischen Eigenschaften der Kopie sind maßgebend für die Tonabstufung im Bilde und wirken sich dadurch ähnlich aus wie die Beleuchtung, die Einstellung schließlich bestimmt den Bildinhalt und die Art, wie derselbe zur Darstellung gelangt; sie ist damit entscheidend nicht nur für den szenischen Gehalt, sondern weitgehend auch für die natürliche und ästhetische Wirkung des Bildes auf den Beschauer.

Der Kameramann braucht Kenntnis, Übung und Erfahrung

Dem berufsmäßig arbeitenden Kameramann wie auch der Mehrzahl der Kinoamateure ist die unmittelbare Einflußnahme auf die photographischen Eigenschaften ihrer Bilder vorenthalten, da das Entwickeln und Kopieren der Bildstreifen bzw. die Umkehrentwicklung zumeist durch eine Kopieranstalt ausgeführt wird, dagegen liegen Wahl der Beleuchtung und Einstellung ausschließlich in der Hand des Aufnehmenden.

Um Beleuchtung und Einstellung in jedem Falle meistern zu können, bedarf es einer gründlichen Kenntnis aller maßgebenden Faktoren, reicher Übung und Erfahrung, aber auch gewisser persönlicher Eigenschaften, die man als Blick, Gefühl, Geschmack usw. bezeichnen kann und die sich wohl schulen, letzten Endes aber nicht immer in vollem Umfange erlernen lassen.

Je deutlicher das Gefühl für die Bildwirkung bei einem Kameramann ausgeprägt ist, um so treffsicherer wird er die jeweils ansprechendste Beleuchtung und Einstellung zu finden wissen; immerhin kann auch der Künstler der handwerklichen Grundlage nicht entraten, und bewußtes Arbeiten, das für den weniger Begabten und Unerfahrenen geradezu Voraussetzung für den Erfolg ist, wird auch dem geborenen Künstler in vielen Fällen eine wertvolle Hilfe sein.

„Blickpunkt und Blickrichtung“

Im Nachstehenden soll das Problem „Blickpunkt und Blickrichtung“ behandelt werden, über das vermutlich selbst mancher routinierte Kameramann noch nicht näher nachgedacht hat, das aber durchaus der Betrachtung lohnt; denn die Anregung zu nachfolgenden Ausführungen über dieses Teilgebiet der Einstellung erhielt der Verfasser im Kino, in welchem oft eine ganze Anzahl der vorgeführten Bilder infolge eines ungünstig gewählten Blickpunktes nicht zu befriedigen vermag (vermochte).

Der Blickpunkt wird durch die Stellung des Aufnahmeobjektivs im Raume, die Blickrichtung durch die Lage der optischen Achse des Objektivs bestimmt. Es liegt nahe anzunehmen, daß die Wirkung eines Bildes dann am günstigsten sein müßte, wenn beide, Blickpunkt und Blickrichtung, denen entsprechen, welche das menschliche Auge bei Betrachten des betreffenden Vorwurfs in Wirklichkeit einnehmen würde.

Tatsächlich liegen die Dinge nicht so einfach, selbst wenn man davon absieht, daß die Körpergröße der Aufnehmenden und damit die Lage ihrer Blickpunkte sehr unterschiedlich ist. Aber auch dieser Umstand bedarf in gewissen Fällen schon der Beachtung; denn soll beispielsweise die Großaufnahme eines Schauspielers hergestellt werden, dergestalt, daß der Kopf das ganze Bild ausfüllt, und ist der Schauspieler beachtlich größer als der Aufnehmende, so würde die aus der Augenhöhe des letzteren hergestellte Großaufnahme nur befriedigen können, wenn eine Betrachtung des Kopfes von unten her durch die szenische Handlung begründet ist.

Solche Aufnahmen kommen häufig vor, nachdem man sich von der Gepflogenheit der Erstzeit der Kinematographie, alles nur rein frontal zu erfassen, freigemacht hat. Immerhin ist die Zahl der Großaufnahmen vorwiegend, die lediglich einen Ausschnitt aus dem Gesamtbild darstellen sollen, und für ihre Einstellung kann nicht die Augenhöhe des Aufnehmenden, vielmehr nur die des Aufgenommenen maßgebend sein, d. h. der Blickpunkt der Kamera, also die Höhe des Objektivs über dem Boden, muß etwa der Augenhöhe des Objekts entsprechen, woraus sich als Blickrichtung der Kamera die Horizontale ergibt.

Ein Beispiel

In Bild 1 ist eine solche Aufnahme durch die Grenzstrahlen schematisch angedeutet; sie zeigt, daß der Kopf in einer ästhetisch befriedigenden Einstellung vom Objektiv erfaßt wird und, wie gefordert, das Bildfeld voll ausfüllt.

Wie liegen nun die Verhältnisse, wenn nicht nur der Kopf, sondern ein Brustbild des Darstellers im Bilde gezeigt werden soll? Wenn wir uns der Wirklichkeit, d. h. der Betrachtung mit dem Auge anpassen wollen, so müssen wir den Abstand zwischen Kamera und Objekt vergrößern, aber die Augeshöhe unverändert lassen; wir haben also die Kamera auf der optischen Achse unserer ersten Aufnahme soweit nach rückwärts zu verschieben, bis das Objektiv den gewünschten Ausschnitt erfaßt.

Der entsprechende Blickpunkt ist in der Abbildung mit B bezeichnet; wir sehen nun aber, daß über dem Kopf ein unerwünscht breiter Streifen des Hintergrundes mit zur Abbildung gelangt; das Bild würde nicht befriedigen, weil „die Figur schlecht im Raume stände“.

Dem Mangel kann in verschiedener Weise abgeholfen werden. Am einfachsten hat es der Standphotograph: er verschiebt das Objektivbrett um ein weniges nach unten, so daß das Bild über dem Kopf in der gewünschten Höhe abschneidet und geht dabei nicht bis B sondern nur soweit mit der Kamera zurück, daß er auch nach unten nicht mehr als den geforderten Ausschnitt erfaßt; es entsteht so in der Tat das gewünschte Brustbild, ohne daß der Blickpunkt der Höhe nach praktisch verändert würde.

Dem Filmaufnahmetechniker ist diese Möglichkeit leider verschlossen, sofern er nicht eine Kamera mit Objektivrevolver besitzt. Dieser gestattet tatsächlich den gleichen Effekt zu erzielen, indem man die Revolverscheibe ein klein wenig aus der Rast herausdreht, ein Umstand der oft - besonders auch bei Außenaufnahmen - von großem Nutzen sein kann und einen der bedeutenden Vorzüge ausmacht, die dem Objektivrevolver eigen sind.

Anwendbar ist das Verfahren allerdings nur in Verbindung mit Objektiven der Brennweite 50mm und darüber, da bei kürzeren Brennweiten das scharf ausgezeichnete Bildfeld zu beschränkt ist, um ein Dezentrieren der Optik zu gestatten.

Die mit dem Herausdrehen der Revolverscheibe aus der Normalstellung gleichzeitig eintretende geringe seitliche Verschiebung des Objekts im Bildfeld läßt sich durch Zurückschwenken der Kamera leicht ausgleichen.
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Der Autor kannte die neue 35mm Arriflex noch nicht ...

Die in Deutschland eingeführten Aufnahmekameras besitzen leider im allgemeinen keinen Revolverkopf, man muß also einen anderen Weg gehen, um für das Brustbild eine ästhetisch befriedigende Einstellung zu gewinnen; es bieten sich zwei Möglichkeiten:

  • a) Wahl eines tieferen Blickpunktes unter Beibehalt der horizontalen Blickrichtung;
  • b) Beibehalt des Blickpunktes in Augenhöhe des Objekts und Neigen der optischen Achse.


Die Maßnahme zu a führt zu der schon eingangs als unerwünscht bezeichneten „Ansicht von unten“ und ist deshalb tunlichst zu vermeiden; es darf als Grundsatz gelten, daß ein Porträt von etwas zu hohem Standpunkte aufgenommen noch immer befriedigender wirkt, als die Ansicht aus der sog. Froschperspektive. Die günstigste Lösung der vorliegenden Aufgabe bringt die Maßnahme zu b, die in der Abbildung durch "gestrichelt" angedeutet ist.

Eine andere Einstellung wäre ....

Soll ein Darsteller als „Kniestück“ oder in ganzer Figur aufgenommen werden, so sind die Verhältnisse zwar grundsätzlich dieselben, wie vorstehend für das Brustbild dargelegt, man kann der Senkung des Blickpunktes aber nicht ganz "entraten" (?), da die Blickrichtung sonst so stark geneigt werden müßte, daß ein störend wirkendes Stürzen der senkrechten Linien und Ansteigen der horizontalen Flächen im Bilde unvermeidlich würde.

Da aber der Abstand der Kamera vom Objekt naturgemäß weiter vergrößert werden muß, ergibt sich bei nur mäßiger Senkung des Blickpunktes zwischen der durch das Zentrum der Optik gelegten Horizontalen und dem oberen Grenzstrahl der geneigten Kamera ein Winkel, der spitz genug ist, um den Eindruck einer „Ansicht von unten“ nicht störend werden zu lassen, zumal der Kopf des Darstellers jetzt erheblich kleiner zur Abbildung gelangt. Immerhin sollte man auch in diesen Fällen den Kamerastandpunkt so hoch wählen, wie es die jeweiligen Verhältnisse zulassen.

Die ganze Figur zeigen

Eine eigenartige Erscheinung zeigen Bilder einer oder mehrerer Personen in ganzer Figur, wenn die Aufnahme mit zu tief stehender Kamera (also mit nahezu horizontal verlaufender optischer Achse) ausgeführt wurde: man hat dann nicht mehr den Eindruck, das Handeln der Personen wirklichkeitsmäßig vor sich abspielen zu sehen, vielmehr wirkt das Ganze wie ein an der Wand hängendes Bild, und das sonderbare ist, daß diese Bilder oder die Menschen darin zu schweben scheinen.

Ein kürzlich in Berlin gelaufener, an sich gut photographierter Film enthielt einige deutliche Beispiele dieser Art - ein Beweis, daß auch routinierte Kameraleute dem hier behandelten Problem nicht immer hinreichende Aufmerksamkeit widmen.

Die Objektive werden doch gewechselt

Bei den vorstehenden Betrachtungen war unterstellt worden, daß alle Aufnahmen mit demselben Objektiv, also der gleichen Brennweite ausgeführt wurden. In der Praxis trifft das bekanntlich nicht zu, man pflegt einen großen Kopf mit einer langen, eine Gesamteinstellung mit einer beträchtlich kürzeren Brennweite aufzunehmen. Für das hier behandelte Problem wirkt sich dieser Umstand in dem Sinne aus, daß die oben entwickelten Einstellungsgrundsätze nur um so mehr Beachtung verdienen; denn wenn man beispielsweise den Übergang vom Brustbild zur ganzen Figur nicht dadurch bewirkt, daß man den Abstand zwischen Kamera und Objekt vergrößert, sondern indem man bei unverändertem Kamerastandpunkt ein Objektiv entsprechend kürzerer Brennweite verwendet, so arbeitet man im zweiten Falle mit einem stärker geöffneten Bildwinkel, der um so deutlicher den Eindruck der „Ansicht von unten“ fühlbar werden läßt.
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Filmaufnahmen aus allen erdenklichen Blickrichtungen

Es war eingangs bereits darauf hingewiesen worden, daß man sich heute bei den Filmaufnahmen aller erdenklichen Blickrichtungen bedient, wodurch die Bilderfolgen gegen früher bedeutend abwechslungsreicher und lebendiger geworden sind, und der Eindruck der Wirklichkeit des Geschehens eine wesentliche Steigerung erfahren hat.

Die obigen Betrachtungen haben naturgemäß nur für die rein frontalen Einstellungen Gültigkeit; aber auch für diese sollen keine strengen Gesetze aufgestellt, sondern nur allgemeine Richtlinien gegeben werden, die von Fall zu Fall der Abwandlung bedürfen, erfordert doch beispielsweise schon die Großaufnahme zweier Personen verschiedener Größe, daß ein Kompromiß geschlossen wird.

Es genügt aber, über das oben behandelte Problem einmal ernstlich nachgedacht und sich die Folgen der einen oder anderen Einstellungsart klargemacht zu haben, um gröbere Verstöße zu vermeiden, die sich im Bilde störend auswirken, wenn schon der Betrachtende den Grund des Unbehagens vielfach gar nicht wird feststellen können.

Köpfe der Darsteller werden allermeist von unten gesehen

Es ist bei einiger Übung nicht schwer zu erkennen, von welchem Blickpunkt etwa ein Bild aufgenommen wurde. Wer bei der Filmvorführung sein Augenmerk eine Zeitlang auf diese Zusammenhänge richtet wird bald feststellen, daß mit Ausnahme einiger Großaufnahmen die Köpfe der Darsteller zu allermeist von unten gesehen sind und zwar häufig in weit stärkerem Maße, als im Leben eine kleine Person seine Mitmenschen zu sehen gewöhnt sein dürfte.

Der Grund hierfür liegt naturgemäß in dem meist zu niedrigem Standort der Aufnahmekamera und dieser wiederum läßt sich, wie oben ausgeführt, häufig nicht vermeiden, weil die Optik an unseren Filmkameras nicht verschiebbar ist, das andere Gegenmittel aber - hoher Blickpunkt und Neigen der Kamera - sich wegen der unvermeidlichen Verzeichnungen nur in beschränktem Umfange anwenden läßt.

An sich ist aber die ständige „Ansicht von unten“ unnatürlich und somit unschön und störend; deshalb sollte man sie vermeiden oder doch einschränken, wo immer sich die Möglichkeit hierzu bietet. Auf diesen Umstand aufmerksam zu machen, war der Zweck vorstehender Ausführungen.
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