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Achtung: Artikel und Texte aus NS/Hitler-Deutschland 1933-45

Nach der Gleichschaltung der reichsdeutschen Medien direkt nach der Machtübernahme in Februar/März 1933 sind alle Artikel und Texte mit besonderer Aufmerksamkeit zu betrachten. Der anfänglich noch gemäßigte politisch neutrale „Ton" in den technischen Publikationen veränderte sich fließend. Im März 1943 ging Stalingrad verloren und von da an las man zwischen den Zeilen mehr und mehr die Wahrheit über das Ende des 3. Reiches - aber verklausuliert.
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Als Tonfilmingenieur durch Südamerika

aus Heft 5 / April Berlin 1937 von Dipl.-Ing. A. Kögl
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Einleitung :

Im Auftrag der Klangfilm-Gesellschaft unternahm der Verfasser im Jahre 1936 eine längere Reise durch verschiedene Länder von Süd- und Mittelamerika. Er hat darüber in einem Vortrag vor der Deutschen Kinotechnischen Gesellschaft berichtet. Auf Grund seiner Eindrücke wird hier ein zusammenfassendes Bild über den Stand der Kinotechnik, insbesondere ihrer Ausdrucksform für das Kinotheater dieser Länder gegeben.
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Die Kinotechnik in Südamerika

Die Kinotechnik in Südamerika ist trotz ihres grundsätzlich gleichen Aufbaues in ihrer Anwendung vielfach andere Wege gegangen, als wir sie in Europa kennen und gewöhnt sind. Die Gründe und Ursachen hierfür sind mannigfach.

Jedoch werden zwei vorwiegen:

  • 1. die große Kinofreudigkeit aller Völker Südamerikas, die eine Reihe von Sonderansprüchen an das Kinotheater hervorgebracht hat,
  • 2. die geographische Lage und die dadurch bedingten unterschiedlichen klimatischen Verhältnisse der einzelnen Länder Südamerikas.

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Die Geographie von Südamerika und seiner einzelnen Länder

Es wird zweckmäßig sein, ganz kurz den allgemeinen Aufbau von Südamerika und seiner einzelnen Länder zu betrachten.

Südamerika besteht aus einer Reihe von unabhängigen Einzelstaaten, die in ihren geographischen Ausmaßen für unsere Begriffe als gigantisch bezeichnet werden müssen. Nicht nur die gewaltigen Entfernungen (die größten südamerikanischen Staaten erstrecken sich über 30 bis 40 Breitengrade), sondern auch die Höhenunterschiede der einzelnen Gebiete bedingen selbstverständlich sehr große klimatische Unterschiede, die sich zum Teil auch auf die wirtschaftlichen Verhältnisse auswirken.

Die Bevölkerung und deren Zusammensetzung ist ebenfalls in den einzelnen Ländern sehr verschieden; jedoch findet man hinsichtlich des Kinotheaters eine nicht allzu stark abweichende Geschmacksrichtung in den einzelnen Ländern.

Die folgenden Ausführungen werden sich darauf beschränken, den Stand der Kinotechnik in ihren Anwendungsformen auf das Kinotheater nur für die größeren Städte zu schildern, da die Provinz in dieser Hinsicht wenig Neues bietet.

Allgemeiner Aufbau der Kinotheater

Die anfangs erwähnten Gründe haben den Aufbau der Kinotheater in sehr starkem Maße beeinflußt. Die Kinofreudigkeit verlangt vor allem, daß der großen Masse die Möglichkeit eines häufigen Kinobesuches gegeben wird.

Da das Volkseinkommen vergleichsweise niedrig ist, braucht Südamerika große Kinotheater, die auch mit billigen Eintrittspreisen noch wirtschaftlich bleiben. In der Tat gibt es auch in allen großen Städten eine relativ große Anzahl von Kinotheatern mit einer Platzzahl von über 1.000, oft zwischen 1.500 und 2.000 Plätzen.

Die Forderung nach großen Theatern wird aber auch durch die klimatischen Verhältnisse unterstützt. Meistens haben wir es ja mit sehr heißem Klima zu tun, und die Theaterräume müssen luftig gebaut sein, um den Aufenthalt darin so angenehm wie möglich zu machen.

Daraus ergibt sich als weitere und selbstverständliche Forderung der Einbau von Entlüftungsanlagen, die wohl in keinem größeren Theater fehlen. Gewöhnlich sind es Exhaustoren, die die verbrauchte warme Luft an der Decke durch Absaugkanäle wegnehmen; an anderer Stelle wird Frischluft zugeführt.

In Luxustheatern findet man auch künstliche Kühlluftanlagen, die es gestatten, die Innentemperatur auch bei höchster Außentemperatur auf einer angenehmen Höhe zu halten. Diese Zusatzeinrichtungen sind besonders für Gegenden von Wichtigkeit, in denen (wo) ausgesprochenes Tropenklima herrscht.
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Das Leben in den Städten Südamerikas

Das Leben in den Städten Südamerikas spielt sich zum großen Teil wenigstens während des Tages auf der Straße ab, und man hält sich im allgemeinen nicht gern in geschlossenen Räumen auf.

Es wäre daher naheliegend, anzunehmen, daß das Freilichttheater in diesen Ländern besondere Erfolge zu verzeichnen hätte. Gerade das Gegenteil ist aber hier der Fall; Freilichttheater sind überhaupt nicht anzutreffen.

Die Städte der einzelnen Länder Südamerikas liegen vielfach in beträchtlicher Meereshöhe, z. B. Sao Paulo etwa 800m, Santiago de Chile etwa 700m, La Paz 3.700m, Mexico City 2.200m, sodaß die Temperaturunterschiede zwischen Tag und Nacht erhebliche Werte annehmen.

Bei Tag drückendste Hitze, bei Nacht fröstelnde Frische, so daß ein Sitzen unter freiem Himmel ausgeschlossen ist, wenigstens für längere Zeit. In den ausgesprochenen tropischen Hafenstädten, die ungefähr auf Meereshöhe liegen, wäre an und für sich der Bau von Freilichttheatern vertretbar, jedoch haben die oft plötzlich auftretenden Wetterumschläge auch dort Freilichttheater nicht aufkommen lassen.

Getürkt : Freilichttheater im Kino-Saal

Um nun dem Kinobesucher wenigstens ein Freilichttheater vorzutäuschen, hat man zuerst in Mittelamerika und dann auch in Südamerika einen Baustil gefunden, der ein Freilichttheater vorstellen soll.

Der vollständig geschlossene Zuschauerraum des Theaters wird so ausgeführt, daß man den Eindruck hat, unter freiem Himmel zu sitzen, ganz besonders dann, wenn solche Theater noch künstliche Kühlluftanlagen haben.

Die Seitenwände des Saales sind als Häuserfronten mit verschiedenen Balkonen, Nischen, emporragenden Hecken ausgebildet, die Decke als Sternenhimmel, meistens noch mit dahinziehenden Wolken.

Äußerer Aufbau der Kinotheater

In der äußeren Form und dem äußeren Aufbau zeigen die Kinotheater in Süd- und Mittelamerika keinen einheitlichen Stil, jedoch kann man wohl sagen, daß sich das Kinotheater mehr als selbständiger Zweckbau herausgebildet hat, etwa wie in Berlin der Ufa-Palast, das Atrium, der Titania-Palast und andere.

Sehr oft findet man in Südamerika die Kinotheater im Zentrum der Stadt zusammengedrängt, ein ausgesprochenes Kinovergnügungsviertel bildend. Ganz besonders ausgeprägt ist dieses Kinoviertel in Buenos Aires und in Rio de Janeiro.

Bild 1 zeigt eine Straße des Kinoviertels in Buenos Aires mit der Außenansicht eines Großtheaters. Die Straßen sind an sich eng, jedoch reiht sich ein Kinotheater an das andere, sowohl zu beiden Seiten dieser Straße als auch in den umliegenden Straßen.

Die einzelnen Theater suchen sich bei eintretender Dunkelheit durch Lichtreklame gegenseitig zu übertreffen. Man kann sich vielleicht eine richtige Vorstellung von diesem Kinoviertel machen, wenn man sich die Gegend um die Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche in Berlin in zehnfachem Maßstabe vorstellt.
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Ein Vergleich zwischen Rio de Janeiro und Buenos Aires

Obwohl Rio de Janeiro, die Hauptstadt von Brasilien, ebenfalls ein ausgesprochenes Kinoviertel hat, spielt sich dort das Leben in ganz anderen Formen ab. Während in Buenos Aires im Kinoviertel und in den umliegenden Straßen erst nach 9 Uhr abends das Leben beginnt und bis in die frühen Morgenstunden fortdauert, sind die Straßen in Rio nach 9 Uhr abends recht leer und beleben sich nur noch einmal nach Mitternacht, wenn die letzten Vorstellungen der Kinotheater aus sind.

Auch die Ansprüche des Kinopublikums sind in Buenos Aires andere als in anderen Ländern Südamerikas. Während in Brasilien und Chile das Programm mehr unserem europäischen Geschmack entspricht, d. h. einige kurze Vorspannfilme mit einem Hauptfilm zeigt, bekommt (gibt) man in Buenos Aires für einen Eintritt drei Hauptfilme, man kann also vier bis fünf Stunden im Kino sitzen.

Am meisten besucht sind in Buenos Aires die späten Nachtvorstellungen; die Programmeinteilung wird auch so gelegt, daß in der Zeit zwischen 7 und 10 Uhr die weniger wichtigen und interessanten Filme gespielt werden, da zu dieser Zeit die Kinotheater schwach besucht sind.

Bild 1. Straße des Kinoviertels in Buenos Aires
Bild 2. Teatro Santiago in Santiago de Chile

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Innenaufbau der Kinotheater und die Eintrittspreise

Die Sitzplatzanordnung sowie überhaupt die Innenausführung der einzelnen Theater ist je nach Land verschieden, entsprechend den durch die abweichenden Lebensbedingungen hervorgerufenen verschiedenen Anforderungen.

Bild 2 zeigt die Innenansicht eines Großtheaters in Santiago de Chile. Neben dem üblichen Parkett und der ersten Galerie gibt es noch eine zweite Galerie, die als charakteristisches Zeichen der Theater in Chile bezeichnet werden kann.

Während Parkett und erste Galerie höhere Eintrittspreise verlangen, sind die Eintrittspreise der zweiten Galerie niedriger und je nach der Lage des Theaters oft sogar nur in der Größenordnung von 30% des Eintrittspreises im Parkett.

Auch räumlich ist die zweite Galerie von den anderen Plätzen vollständig abgetrennt durch eigene Eingänge und eigene Kassen. Diese zweite Galerie wird vom Kinobesucher „Pareiso“ genannt.

Man legt im allgemeinen in Chile großen Wert auf bequeme Sessel, die auch meist schwer mit Leder gepolstert sind, jedenfalls überall dort, "wo" nicht ausgesprochenes Tropenklima herrscht.

In den anderen Ländern haben die Kinotheater dagegen eine Platzverteilung, wie wir sie auch hier in Europa kennen mit Parkett und einer Galerie. Im Parkett gibt es allerdings einen einheitlichen Preis von der ersten bis zur letzten Reihe, ebenso in der Galerie.

Luxus auch im Vorstadttheater

Trotz der durchschnittlich niedrigen Eintrittspreise verzichtet der Südamerikaner im Kinotheater nicht auf einen gewissen Luxus, der auch noch im Vorstadttheater zu finden ist. Kennzeichnend hierfür sind z. B. die in allen Theatern vorhandenen geräumigen und prunkvollen Warteräume.
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Akustische Fragen

Abgesehen von der kleinen Anzahl der von einer Nationalindustrie hergestellten Filme werden alle Filme in Südamerika in Originalsprache mit einkopierten Titeln in der jeweiligen Landessprache gezeigt, also in Brasilien mit portugiesischen, in den übrigen Ländern mit spanischen Titeln.

Aus diesem Grunde war die Sprachverständlichkeit bis heute kein großes Problem, und man hat daher auch nicht besonderer» Wert auf die akustische Ausgestaltung der Theater gelegt.

In letzter Zeit jedoch, gefördert durch den nationalen Film, treten auch die akustischen Fragen in den Vordergrund; man versucht nicht nur in der Formgebung, sondern auch in der Festlegung eines bestimmten günstigen Nachhalls den Anforderungen des Tonfilmtheaters gerecht zu werden.

Als Musterbeispiel in dieser Hinsicht kann der Ufa-Palast in Sao Paulo angesehen werden. Tafel 1 enthält die Nachhallberechnung für den Saal einmal ohne Verwendung von besonderen Schalldämpfungsmaterialien, das andere Mal mit Verwendung von besonderen Schalldämpfungsmaterialien. Die Berechnung des Nachhalls ist nach der bekannten Erfahrungsformel von Sabine ausgeführt.

Tafel 1
Nachhallzeiten im Ufa-Palast in Sao Paulo

Besetzung Nachhall in Sekunden Nachhall in Sekunden
des Saales ohne SchalIdämpfungsmittel mit Schalldampfungsmitteln
________ 128Hz 512Hz 2048Hz 128Hz 512Hz 2048Hz
leer 8,55 5,71 5,19 4,14 2,46 2,10
1/3 4,45 3,15 2,96 2,74 1,72 1,51
1/2 3,59 2,56 2,43 2,33 1,48 1,32
2/3 3,0 2,17 2,07 2,03 1,30 1,16
voll 2,27 1,62 1,59 1,59 1,03 0,93

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Kinotechnische Einrichtung und Abschluß des Berichtes

In den Städten Südamerikas gibt es vorwiegend große und geräumige Kinotheater. Daraus ergeben sich auch zum Teil schon von selbst die Anforderungen an die Vorführungsgeräte.

In erster Linie werden Großgeräte gebraucht. Infolge der großen Entfernung der letzten Sitzplatzreihen von der Leinwand ergibt sich als erste Forderung die eines großen Bildformats mit heller Ausleuchtung; Bildbreiten von 8 bis 11m sind sehr oft anzutreffen.

Ebenfalls liebt der Südamerikaner, der im Durchschnitt musikalisch veranlagt ist, sehr laute Wiedergabe, ohne dabei auf gute Qualität zu verzichten. Die Ton-Apparaturen müssen daher leistungsfähiger sein, als es rein technische Überlegungen erfordern würden.

Aber nicht nur die Qualität in der Wiedergabe stellt an die Apparate sehr hohe Ansprüche, sondern auch der Betrieb selbst. Meist spielen die Theater in Südamerika vom frühen Nachmittag an bis nach Mitternacht, so daß sehr hohe Anforderungen an die Betriebssicherheit und Dauerhaftigkeit der Apparate gestellt werden.

Die deutsche kinotechnische Industrie hat erfreulicherweise in diesen Ländern zum Teil sehr gut Fuß fassen können und dadurch wiederum den Beweis erbracht, daß die deutschen Geräte wirklich den höchsten Anforderungen gerecht werden.
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