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Tagesaktuelle Gedanken - Aufzeichnungen von 1943 bis 1945

Dieses Kriegs-Tagebuch gibt uns einen sehr nachdenklichen Eindruck von dem, das in den oberen Sphären der Politik und der Diplomatie gedacht wurde und bekannt war. In ganz vielen eupho- rischen Fernseh-Büchern, die bei uns vorliegen, wird das Fernsehen ab 1936 in den Mittelpunkt des Weltinteresses gestellt - und hier kommt es überhaupt nicht vor. Auch das Magnetophon kommt hier nicht vor. Alleine vom Radio wird öfter gesprochen. In den damaligen diplomatischen und höchsten politischen Kreisen hatten ganz andere Tagesthemen Vorrang. Und das kann man hier sehr authentisch nachlesen. Im übrigen ist es sehr ähnlich zu den wöchentlichen Berichten des Dr. Wagenführ in seinen Fernseh Informationen.

Diese Aufzeichnungen hier sind aber 1963 - also 20 Jahre danach - getextet worden und wir wissen nicht, ob einzelne Absätze nicht doch etwas aufgehübscht wurden. Auch wurde das Buch 1963 für die alte (Kriegs-) Generation geschrieben, die das alles noch erlebt hatte.

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Seite 53 - Montag, den 22. März 1943 - merkwürdige Gerüchte

Der Krieg ist am 1. Dezember 1946 zu Ende! Diese Neuigkeit läßt sich einer Polizeiverordnung entnehmen, die über die Entfernung der Lattenverschläge in Bodenräumen erlassen wurde.

In Paragraph sechs dieser Verordnung heißt es: »Die Polizeiverordnung tritt mit dem Tage ihrer Veröffentlichung in Kraft und am 1, Dezember 1946 außer Kraft!« Meines Wissens ist es das erste Mal, daß eine zeitlich begrenzte Kriegs Verordnung verkündet wird. Offenbar bedurfte es erst des Angriffs vom 1. März, um die verantwortlichen Stellen aufmerksam zu machen, daß die Lattenverschläge auf den Hausböden Brandbomben eine ideale Nahrung bieten. Bereits vorgestern erschien um sieben Uhr früh der Kreisluftschutzmeister, um mitzuteilen, daß die Latten von der Hausgemeinschaft bis nachmittags um vier Uhr beseitigt werden müßten.

Madrider Botschafterposten neuerlich vakant

Der Tod Moltkes macht den Madrider Botschafterposten neuerlich vakant. Ich lernte Moltke im Jahre 1937 in Warschau kennen, wo er das Reich vertrat. Sein Haus war voller Kunstschätze, unter ihnen ein Veit-Stoß-Altar. Während der Beschießung Warschaus ging Moltkes Residenz in Flammen auf. Er verlor alles bis auf ein von Lenbach gemaltes Bild des großen Feldmarschalls. Nach der Einnahme der Stadt wurde es aus einer Mülltonne geborgen.

Obwohl Moltke den Krieg kommen sah, weigerte er sich, seine Kunstschätze in Sicherheit zu bringen, was ihm unter Benutzung des Kurierweges möglich gewesen wäre. Eine Haltung, typisch für die Pflichtauffassung des alten preußischen Beamten, der es unter seiner Würde fand, Sorge um persönlichen Besitz vor die Staatsinteressen zu stellen.

Nach der Erledigung seiner Mission in Polen wurde der Botschafter im politischen Archiv des Amtes mit der Herausgabe von Weißbüchern beschäftigt, eine Tätigkeit, die ihm wenig lag. In der Einemstraße bei Edgar Üxküll notdürftig einquartiert, führte er ein spartanisches Leben und ließ sich schließlich zur Disposition stellen, um in die Leitung eines schlesischen Industriesyndikats einzutreten.

Drei Monate drauf berief man ihn nach Madrid. Moltkes Frau, eine geborene Gräfin Yorck von Wartenburg aus Klein-Oels, die ihm acht Kinder geschenkt hat, ist aus gleichem Holz. Ihre Haltung wurde in Warschau so bewundert wie in Madrid. In Polen sagte man, daß Frau von Moltke ihr Leben nur als ausgefüllt betrachte, wenn sie gleichzeitig ein Kind erwarte, eine Grippe bekämpfe und die Nachricht erhalte, daß ihr Mann infolge einer Autopanne eine Veranstaltung auf der Botschaft versäumen und sie bitten müsse, in seiner Vertretung 150 Personen zu empfangen.

Der betrübliche Schatten der Affäre Scheliha

Über dem letzten Lebensjahr Moltkes lag der Schatten der Affäre Scheliha.
Schelihas Verhaftung und Verurteilung zum Tode durch den Strang traf das Auswärtige Amt wie ein Donnerschlag.

Aus schlesischem Adel, Sohn wohlhabender Gutsbesitzer, verheiratet mit Maria Luise von Medinger, einer Sudetendeutschen, hatte Rudolf von Scheliha bis Kriegsausbruch als zweiter Mann an der deutschen Botschaft in Warschau Dienst getan, um dann der neugegründeten Informationsabteilung des Auswärtigen Amtes zugeteilt zu werden. Nach dem Abteilungsleiter Dr. Günther Altenburg und seinem Stellvertreter Rudolf Rahn stand er dort rangmäßig an dritter Stelle.

Nach Kriegsausbruch trat Scheliha zu uns in engere Beziehungen und mietete während unserer Abwesenheit in den Niederlanden im ersten Halbjahr 1940 unsere in der Händelallee im Tiergarten gelegene Wohnung. Später bezog er eine geräumige Etage in einer Villa in der Sophienstraße, wo er ein großzügiges geselliges Leben entfaltete. Anläßlich eines Essens, das wir in der Händelallee für den spanischen Botschafter und Gräfin Mayalde gaben, war er zum letzten Mal unser Gast - und in Freiheit.

Am anderen Morgen wurde er von der Gestapo verhaftet. Auch seine Frau wurde zunächst festgenommen. Durch sein Hauspersonal informiert, begab ich mich sofort in die Sophienstraße, wo ich zwischen verstörten Dienstboten und den verschreckten Schelihaschen Töchtern ein halbes Dutzend Gestapo-Beamte antraf, die mir jede Auskunft verweigerten.

Was immer die Gründe der Verhaftung sein mochten, sie mußte für Scheliha überraschend gekommen sein. Er hielt sich noch kurz vorher in der Schweiz auf, wo er sich leicht hätte in Sicherheit bringen können. Nach einigen Monaten Haft wurde Scheliha hingerichtet. Im Auftrag des Auswärtigen Amtes mußte der Leiter der Presseabteilung, Gesandter Dr. Paul Schmidt, der Exekution beiwohnen.

Seite 55 - Hintergründe (nachträglch eine Notiz aus 1948)

Über die Geschichte des Falles wurde im Auswärtigen Amt sehr wenig bekannt. Man sprach von einem Landesverratsdelikt, ohne dessen Einzelheiten zu kennen. Erst im Frühsommer 1948 war es mir in Nürnberg möglich, von Geheimrat Albrecht, der als stellvertretender Leiter der Rechtsabteilung im Auswärtigen Amt in die Untersuchung des Falles eingeschaltet war, Näheres zu erfahren.

Albrecht kam auf die Angelegenheit zu sprechen, nachdem ihm der zur Vernehmung durch die Alliierten nach Nürnberg geholte, mit der Durchführung des Verfahrens gegen Scheliha betraut gewesene Oberreichsanwalt Roeder gesprächsweise die Affäre Scheliha als einen der schlimmsten Landesverratsfälle während des ganzen Krieges bezeichnete.

Albrecht trat dieser Darstellung scharf entgegen. Er stellte richtig, daß entgegen der vom Reichsführer SS in einer Denkschrift für Hitler aufgestellten Behauptung keinerlei Zusammenhänge zwischen dem Fall Scheliha und dem Fall der »Roten Kapelle« (Harnack, Schulze-Boysen usw.) bestanden hätten. Himmler habe diesen Zusammenhang konstruiert, um Hitler von den Leistungen der ihm unterstellten Polizei-Organe ein imponierendes Bild zu geben.

Über den Hintergrund des Falles führte Albrecht folgendes aus: Scheliha habe sich vor dem Kriege sein Gehalt als deutscher Gesandtschaftsrat in Warschau statt in Zloty in freier Währung auszahlen lassen, eine damals von vielen im Ausland befindlichen Mitgliedern des Auswärtigen Dienstes geübte legale Praxis. Durch den Verkauf dieser Devisen auf dem schwarzen Markt in Warschau erzielte Scheliha erhebliche Kursgewinne.

Bei diesen Geschäften bediente er sich gegen Zahlung einer Provision eines in Warschau lebenden deutschen Emigranten und ehemaligen Korrespondenten des »Berliner Tageblatt« namens Herrnstadt. Ein Teil der Überschüsse aus diesen Transaktionen ließ Scheliha durch Herrnstadt auf ein Nummernkonto überweisen, das er in der Schweiz unterhielt. In einem Fall wurden 200 Pfund Sterling in die Schweiz transferiert.

Diese Geschäfte verstießen zwar gegen die polnischen Devisenbestimmungen, wurden aber von fast allen in Warschau akkreditierten ausländischen Diplomaten zur Aufbesserung ihrer Bezüge getätigt. Als Scheliha nach Kriegsausbruch in die Informationsabteilung des Auswärtigen Amtes versetzt wurde, übernahm er dort als Sekretärin ein Fräulein Stube, die er aus Warschau kannte, wo sie Mitarbeiterin von Herrnstadt gewesen war. Die Verbindung zwischen Stube und Herrnstadt war durch den Krieg nicht abgerissen, wovon Scheliha keine Ahnung hatte.

Eines Tages überbrachte ihm Fräulein Stube eine Anfrage Herrnstadts, der sich damals in Riga oder Reval befand. In einem Buch über die Entwicklung, die zum Kriege führte, wollte Herrnstadt die Standpunkte beider Parteien möglichst objektiv schildern und sich hierbei der Mitarbeit Schelihas versichern. Er sollte Herrnstadt eine Aufzeichnung darüber geben, wie sich der Kriegsausbruch in der Vorstellung des Auswärtigen Amtes dargestellt habe.

Ohne viel Bedenken verfertigte Scheliha ein Schriftstück, in das er unter Nennung der Quelle die Sprachregelungen einflocht, die seitens der Reichsregierung zu Beginn der Feldzüge in Polen, Norwegen, Dänemark, Holland, Belgien usw. das Auswärtige Amt den deutschen Auslandsmissionen übermittelt worden waren. Nachdem Fräulein Stube für die Beförderung dieser Aufzeichnungen Sorge getragen hatte, übergab sie Scheliha im Auftrage Herrnstadts ein Honorar von RM 8000,-, das von diesem angenommen wrurde.

Während der Verhandlung ergab sich, daß Fräulein Stube die Aufzeichnung Schelihas nicht Herrnstadt, sondern der Berliner Sowjetbotschaft ausgeliefert hatte. Die Sowjetunion befand sich damals noch nicht im Kriege. Im Herbst 1941 nahm eine Wehrmachtsstreife einen russischen Agenten fest, der mit dem Fallschirm in Ostpreußen abgesetzt worden war und sich mit den Papieren eines gefallenen Angehörigen der deutschen Wehrmacht auszuweisen versucht hatte.

Der Zufall wollte es, daß der Führer der Zugstreife, dem die Dokumente vorgewiesen wurden, der Bruder des toten Inhabers der Ausweise war. Er erkannte sofort, daß mit den Papieren etwas nicht stimmte und schritt zur Festnahme des Agenten, der sich dieser zunächst durch Flucht entziehen konnte, bis er von Schüssen der ihn verfolgenden Streife getroffen auf dem Bahnkörper zusammenbrach und verschied. Als man die Leiche durchsuchte, fand man ein Notizbuch mit chiffrierten Eintragungen, deren Entschlüsselung ergab, daß der Erschossene in Berlin zwei Vertrauensleute anlaufen sollte - Stube und Scheliha. Beide wurden sofort verhaftet.

Durch die Gestapo vernommen, machte Fräulein Stube eine Inhaltsangabe der ihr von Scheliha übergebenen Aufzeichnungen, die unter anderem einen Passus über die deutsche Sprachregelung anläßlich des Einmarsches in Holland und Belgien enthielt. Die Gestapo entsann sich nun, daß ein Teil der Offensivpläne, die am 10. Mai 1940 in Holland und Belgien zur Ausführung gelangten, verraten worden war, ohne daß man die Quelle des Verrats gefunden hatte.

Man wähnte, in Scheliha den Schuldigen vor sich zu haben. Vor Gericht konnte sich Scheliha an Einzelheiten seiner mit Herrnstadt getätigten Devisenmanipulationen nicht mehr erinnern, was die Richter gegen ihn einnahm. So sagte ihm der Vorsitzende: »Wenn Sie glauben, den Kopf aus der Schlinge ziehen zu können, indem Sie sich auf Devisenschiebereien herausreden, so irren Sie sich. Auch darauf steht Todesstrafe.« Das Verhängnis wurde vollständig, als Scheliha zugeben mußte, von Herrnstadt 8000,- RM empfangen zu haben. Das Gericht erkannte auf Todesstrafe. Geheimrat Albrecht, der im Auftrag des Auswärtigen Amtes der Urteilsverkündung beiwohnte, bezeichnete das Urteil in einer Aufzeichnung an Ribbentrop als Justizirrtum.

Er führte aus, daß eine Sprachregelung kein Staatsgeheimnis darstelle. Geheim sei nicht der Inhalt einer Sprachregelung, sondern der Charakter ihrer Quelle. Diese genannt zu haben, bedeute zweifellos einen Verstoß, für den Scheliha auch in der Weimarer Republik oder im Kaiserreich zur Verantwortung gezogen worden wäre. Da die Verbreitung von Sprachregelungen zu seinen Amtspflichten gehörte, hätte er dafür kein Geld nehmen dürfen. Albrecht bezeichnete Schelihas Verhalten als Pflichtverletzung. Als Landesverrat konnte seine Handlungsweise schon deswegen nicht angesehen werden, weil der Tatbestand in die Zeit vor Ausbruch des Krieges mit der Sowjetunion fiel und Scheliha Herrnstadts und Stübes Eigenschaft als russische Agenten nicht bekannt war.

An Versuchen, Scheliha zu retten, fehlte es nicht. Auch Moltke wurde gebeten, bei Ribbentrop zu intervenieren. Das Gericht, das Scheliha zum Tode verurteilte, wurde von Senatspräsident Krell präsidiert. Beisitzer waren Admiral Thomsen sowie je ein Vertreter der Luftwaffe und des Heeres im Generalsrang. Die Anklage vertrat Oberreichsanwalt Roeder.

Der Fall Scheliha bildete wochenlang den Gesprächsstoff der Berliner Gesellschaft. Niemand wollte glauben, daß Scheliha für Geld Spionage getrieben habe. Man unterstellte ihm ideelle Motive, für die es manchen Anhaltspunkt gab. So hatte Scheliha bei vielen Gelegenheiten aus seiner Feindschaft gegen das Regime keinen Hehl gemacht. Auf Abendgesellschaften in seinem Hause zeigte er, selbst vor Gästen, die er das erste Mal bei sich hatte, hitlerfeindliche Karikaturen und Artikel aus der ausländischen Presse. Bekannt war, daß er zahlreichen Mitgliedern der polnischen Aristokratie nach Kriegsausbruch zu helfen versucht hatte. So stand manches dafür, daß Scheliha als Gesinnungstäter gehandelt hatte.

Dienstag, den 23. März 1943 - Vision - die Welt nach dem Krieg

Nach einem Bonmot (geistreiche bemerkung) wird die Sowjetunion am Ende dieses Krieges eine konstitutionelle Monarchie sein, Deutschland und die Vereinigten Staaten Sowjetrepubliken, Großbritannien wird faschistisch regiert werden. Diese Formulierung enthält einen richtigen Kern. Wir sind heute an einem Punkt angelangt, wo alle Fronten sich verkehren.

Zeitweise hat es den Anschein, daß Mächte, die als Waffenbrüder den Krieg führen, sich eines Tages bekämpfen, während andere, die sich bekriegen, morgen Verbündete sein werden. Ebenso ist es offensichtlich, daß Deutschland den totalen Krieg nur bestehen kann, wenn es russische Methoden übernimmt. Andererseits lehnen sich viele Kriegsmaßnahmen in Großbritannien und den Vereinigten Staaten an Vorbilder aus Deutschland und Italien an.
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Donnerstag, den 25. März 1943 - Hitlers erlassene Verfügung

Gestern sah ich bei meinem Schneider Dietel zwei hellgraue Militärröcke mit bunten Aufschlägen hängen. Das Futter war mit einem W und der Kaiserkrone gezeichnet. Es handelt sich um Uniformstücke Wilhelms IL, die sein Enkel, Prinz Franz von Preußen, geerbt hat und die Dietel für ihn umarbeiten soll. Der Vater des Prinzen, der im Westen mit Auszeichnung kämpfte, war der 1918 freiwillig aus dem Leben geschiedene jüngste Kaisersohn Joachim.

Kaiserliche Umformstücke pflegten früher in Museen zu wandern. Heute muß der Interimsrock des einmal so mächtigen Monarchen die Equipierung eines Enkels vervollständigen, der froh sein darf, als Leutnant in einer Armee geduldet zu werden, deren oberster Kriegsherr Prinzen als Offiziere nicht begehrt, ja ihnen selbst den Tod auf dem Schlachtfeld verweigert. Die nach dem Heldentod des ältesten Kronprinzensohnes von Hitler erlassene Verfügung, nach der Mitglieder ehemals regierender Häuser keinen Frontdienst tun dürfen, ist nach wie vor in Kraft. Da die Prinzen meist nicht studiert haben und viele von ihnen aus Neigung Offizier wurden, ist ihr Lehen um seinen Sinn gebracht.

Seite 61 - Die Deutschen in Serbien 1943

Dr. Gregoric, der frühere politische Leiter der Belgrader »Vreme« (vermutlich eine Zeitschrift - übersetzt "Zeit"), machte mir einen Besuch. Gregoric spielte beim Zustandekommen des Dreierpaktes mit Jugoslawien eine wichtige Rolle. Als der Krieg zwischen Jugoslawien und Deutschland ausbrach, hatte er das Glück, bei einer Truppe zu sein, die sich den Deutschen ergab. Andernfalls hätten ihn seine Landsleute totgeschlagen.

Gregoric, ein von österreichischer Kultur geprägter Südslawe, kam nach Berlin, um einen Besuch des serbischen Ministerpräsidenten, General Neditsch, vorzubereiten, der hofft, die Reichsregierung zu einer Einschränkung ihres Verwaltungsapparates in Serbien veranlassen zu können.

In Serbien herrschen heute fünf deutsche und zwei einheimische Regierungen, über eine Bevölkerung von noch nicht viereinhalb Millionen Menschen. Von den deutschen Regierungen gilt die des Generalkonsuls Neuhausen, der vordem die Göring-Interessen in Jugoslawien vertrat, als die mächtigste. Neben der Skuptschina hat Neuhausen einen Büropalast von 800 Zimmern bezogen, in dem er Dutzende von »Kriegsverwaltungsräten« beschäftigt.

Die zweite Regierung ist die des Militärbefehlshabers Bader, die dritte die des Militärverwaltungschefs, Staatsrat Thurnau. Die vierte deutsche Regierung wird vom SD gebildet, während das Haupt der fünften der Gesandte Benzler vom Auswärtigen Amt ist.

Letzteren halte ich für den fähigsten. Es ist mir unbegreiflich, warum man Benzler nicht zum Generalgouverneur ernennt und ihm die anderen Stellen unterordnet. Die einheimischen Regierungen sind die des Ministerpräsidenten General Neditsch und des aufständischen Generals Mihailowic. Letzterer, zugleich Kriegsminister der jugoslawischen Emigrantenregierung in London, gilt dem serbischen Volk als nationaler Befreier. Dessen ungeachtet, erfreut er sich des Wohlwollens der deutschen und italienischen Stellen in Serbien, die in ihm einen Gegner der serbischen Kommunisten sehen.

Zwischen allen Stühlen, der Herr Mihailowic

Aber Mihailowic arbeitet auch mit den Engländern zusammen, die ihn als Herold einer Invasion auf dem Balkan zu benutzen hofften. Gregoric ließ erkennen, daß die Serben zwei Vorstellungen über die Zukunft ihrer Nation haben: Im Fall eines deutschen Sieges Aufnahme in einen mitteleuropäischen Staatenverband auf föderativer Grundlage, für den Fall einer deutschen Niederlage die Errichtung einer serbischen Sowjet-Republik innerhalb eines Balkanverbandes oder die Wiederherstellung des jugoslawischen Staates auf kommunistischer Basis.

Gregoric sieht den historischen Fehler der Serben darin, sich frontal gegen die Habsburgische Monarchie gestellt, statt um Aufnahme in dieselbe ersucht zu haben. Im Rahmen der trialistischen Politik des Erzherzogs Franz Ferdinand habe diese Möglichkeit bestanden und sei in Serbien viel erörtert worden, bis das Attentat von Sarajewo alle Möglichkeiten verschüttet habe.

Eine Eingliederung der Serben in die Donaumonarchie hätte die Stärkung des Südostslawentums bewirkt und selbst bei einem Auseinanderfallen der Monarchie noch ihr Gutes gehabt, weil sie das Knüpfen von Beziehungen zu Kroaten und Slowenen erleichtert haben würde. Die Fehler, die zum Ende Jugoslawiens führten, wären dann vielleicht vermieden worden.

Montag, den 29. März 1943 - ein Staatsakt für Moltke

Heute findet in Breslau ein Staatsakt für den verstorbenen Botschafter von Moltke statt. Das halbe Auswärtige Amt hat sich in einem Sonderzug dorthin begeben, an der Spitze der RAM, der eine Rede halten wird. Der tote Moltke wird auf eine Weise geehrt, die der lebende kaum für möglich gehalten hätte.

Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, als seien die Spanier die Inspiratoren dieses Staatsbegräbnisses. So konnte der »Völkische Beobachter« anstandslos abdrucken, daß der Caudillo dem politischen Leiterkorps der NSDAP in Spanien Instruktionen für das Defilee hinter dem Sarge Moltkes erteilt habe.

Der hiesige spanische Botschafter, die hiesige Falange sowie die spanische Kolonie sind vom spanischen Außenminister, Graf Jordana, in corpore nach Breslau beordert worden. Den Spaniern gibt Moltkes Tod die Gelegenheit, ihre Freundschaft für Deutschland zu demonstrieren, ohne sich in politische Kosten zu stürzen.

Als Nachfolger des Botschafters werden Dieckhoff, Schulenburg, Bülow-Schwrante, Rinteln, Henke und Bismarck genannt. Als Außenseiter ist der SS-Obergruppenführer Lorenz im Gespräch.

Nachwirkungen des Oertzen-Skandals

Die Erregung des italienischen Botschafters Alfieri über den Oertzen-Skandal hat sich noch immer nicht gelegt. Sefton Delmers englischer Sender »Gustav Siegfried Nr.1« verbreitete vor etwa sechs Wochen ein bis in Einzelheiten gehendes angebliches Abenteuer, das Alfieri im Hause einer Frau von Oertzen gehabt haben soll.

Es wurde behauptet, der Botschafter sei von dem aus Afrika zurückkehrenden Mann der Frau von Oertzen in flagranti ertappt und ins Gesicht geschlagen worden. In Berlin wurde dieser Geschichte zunächst keine Bedeutung beigemessen. In Rom um so mehr.

Sie lieferte den Neidern Alfieris Gesprächsstoff, als sich herausstellte, daß es tatsächlich eine Frau von Oertzen in der vom Sender »Gustav Siegfried Nr.1« angegebenen Adresse gibt. Obwohl diese Dame keinen Gatten hat und der Botschafter sie gar nicht kennt, ließen Alfieris Gegner keine Ruhe. Sie verstiegen sich schließlich zu der Behauptung, der Botschafter habe die Geschichte selbst in die Welt gesetzt, um durch ein Dementi seine Rehabilitierung in Gang zu setzen und seine geplante Abberufung zu hintertreiben.

Ideen zur Optimierung der Kriegs-Verwaltung

Zwei neue Geschäftsordnungen gingen mir zu. Die eine betrifft die Auflösung der Abteilung Deutschland und die Zerlegung der Organisation, die der ehemalige Staatssekretär Luther aufgebaut hatte.

Leider wird die Gelegenheit der Schließung der Abteilung Deutschland und der ihr angegliederten Referate zu einer Auflösung von »Sachgebieten« nicht benutzt.

Hier liegt ein Fehler der Aktion »Heldenklau« des Generals von Unruh, die nur Menschen aus der Bürokratie zieht, statt die Bürokratie zu liquidieren. Erst wenn letzteres geschähe, würde man entdecken, daß die für die Kriegsführung notwendigen Menschenreserven tatsächlich nicht erschöpft sind.

So gehört zur kulturpolitischen Abteilung ein Referat »Kult Spr«, das sich mit der Werbung für die deutsche Sprache im Ausland und der Betreuung der Auslandsarbeit der Deutschen Akademie befaßt. Nachdem deutsche Truppen den Kontinent vom Eismeer bis zur Südspitze Siziliens besetzt halten, wodurch sich in Europa die Verbreitung der deutschen Sprache erübrigt, die Feindwelt uns aber nicht zugänglich ist, könnte das Referat »Spr« ohne Schwierigkeiten stillgelegt werden.

Seite 64 - "die Beamten zwingen, schneller zu arbeiten"

Die zweite Verordnung regelt die »Erhöhung der Mindestarbeitszeit im öffentlichen Dienst während des Krieges« mit dem Ziel der Personaleinsparung. Zweckmäßiger wäre es, die Arbeitszeit zu verkürzen und die Beamten zu zwingen, schneller zu arbeiten.

Letzten Samstag feierten wir in Kladow den Geburtstag von Max Schaumburg, als es Alarm gab. Von dem an der Peripherie der Stadt gelegenen Haus ließ sich der Ablauf des Angriffs gut beobachten. Flakfeuer, Scheinwerfer und Leuchtschirme illuminierten die Nacht. Plötzlich erfolgte in nächster Nähe ein schwerer Einschlag. Ein Flakblindgänger bohrte sich nur wenige Meter vor dem Haus in den Rasen und wühlte einen großen Trichter auf. Später erschien am Himmel der Abglanz eines riesigen Feuers. Unter Maxens Gästen befanden sich zwei der hannoverschen Prinzen, die nach dem Gesetz der Erbfolge Anrechte auf den englischen Thron haben. Die Möglichkeit, daß britische Bomben sie dieser Chance für immer berauben würden, war nicht sehr fern!

Dienstag, den 6. April 1943 - die Zeit nach Moltke

Allmählich sickern Einzelheiten des großen Revirements durch, das mit dem Abgang Luthers und dem Tod Moltkes in Bewegung kommt. Steengracht wird Staatssekretär, Weizsäcker geht an den Vatikan, Woermann nach Nanking. An seine Stelle tritt Henke, gegenwärtig Geschäftsträger in Madrid. Die dortige Botschaft übernimmt Dieckhoff, Kroll verläßt Ankara und geht nach Barcelona, Gauss und Hewel werden Botschafter z.b.V. Steengracht soll auch als Staatssekretär seine Funktion eines Generaladjutanten des RAM beibehalten. Auf seine Arbeit ist man gespannt. Die ausländischen Diplomaten fragen sich, ob er das Amt in Berlin oder vom jeweiligen »Feldlager« des RAM aus leiten wird.

Gestern abend sah ich Lanza. Die Italiener sind der Auffassung, daß der Versuch der Türkei, den Balkan-Bund zu erneuern, von Churchill angeregt wurde. Sie glauben, daß die Engländer der Türkei die Führung eines neuen Süd-Ost-Staatenbundes übertragen möchten, dessen Front gegen ein siegreiches Rußland gerichtet wäre. Lanza gab der Besorgnis Ausdruck, daß die Engländer in Sardinien landen, wo die Italiener nur fünf Divisionen stehen haben.

Ein heute erschienener Gayda-Artikel, der von Sardinien in Form eines historischen Rückblicks eine Art Abschied nimmt, wurde vom römischen Propagandaministerium verboten. Lanza behauptet, die Kampfmoral der italienischen Truppen sei nie höher gewesen als jetzt, eine Information, die sich nicht mit den uns vorliegenden deckt!

Sorge bereiten uns die Besprechungen Eisenhowers und Clarks mit General Orgaz in Spanisch-Marokko, mit dem sich die Alliierten über die beiderseitige Zurückziehung von Truppen verständigen wollen. Die Amerikaner haben den Wunsch, ihren Rücken frei zu bekommen, die Spanier, eine Entspannung in ihrem Verhältnis zu den Angelsachsen herbeizuführen. Ein solches Abkommen würde den Einsatz frei werdender amerikanischer Truppen gegen Rommel und Arnim erlauben. Daß die Spanier sich in solche Unterhandlungen eingelassen haben, zeigt die Schwäche unserer Position in Madrid.

Das "Promi" und die Pannen im April 1943

Am Freitag, dem 2. April 1943, fand für Friedrich Hussong ein feierliches Begräbnis statt. Es stand unter der Leitung von Sündermann, der eine wohlgesetzte Rede hielt. Hussong war ein Journalist, der die Tinte nicht halten konnte. Seiner fleißigen Feder entströmten in bunter Fülle politische und unpolitische Artikel, Feuilletons, Gedichte und Glossen. Politisch diente er verschiedenen Herren, ohne an einen zu glauben. Wenn ihm jemand Zynismus vorwarf, pflegte er zu antworten: »Offenbar haben Sie das Unglück, nicht über Ihrem Beruf zu stehen!«

Das Begräbnis für Hussong wird in Kreisen des Promi sarkastisch als Entlastungsoffensive bezeichnet. Die Situation im deutschen Journalismus ist zur Zeit wieder recht gespannt. Es gibt vier »Pannen«, zwei bei der »Frankfurter Zeitung«, eine bei der »DAZ« und eine beim »Reich«, alles Zeitungen, die noch ein gewisses Niveau halten.

Zunächst unterlief der »Frankfurter Zeitung« ein »Druckfehler«. Ein Artikel begann: »Reichspressechef Dr. Dietrich . . .« Kaum war dies geschehen, veröffentlichte das Blatt eine Würdigung der Lebensarbeit von Dietrich Eckhardt, in der erwähnt wurde, daß Eckhardt »Morphinist« gewesen sei.

Der Verfasser, Küsel, hatte kurz vorher einen Artikel über das Promi geschrieben, der den Beifall von Goebbels fand und ihn retten sollte. Küsel wurde zunächst vom Gauleiter Sprenger in Frankfurt verhaftet, während der stellvertretende Hauptschriftleiter Welter 24 Stunden in Schutzhaft mußte. Da diese Maßnahmen über den Gauleiter statt durch das Reichspropagandaministerium erfolgten, bedeuteten sie einen Eingriff in die Zuständigkeit einer Obersten Reichsbehörde. So hätte gegen Küsel zuerst ein Verfahren des Reichsverbandes der Presse eröffnet werden müssen.

Dem Wunsch des Promi, Küsel zu enthaften, gab Gauleiter Sprenger nicht nach. Erst über das Reichsicherheitshauptamt Berlin gelang es, den Gefangenen in die Reichshauptstadt zu schaffen, wo er verhört und freigelassen wurde.

Während der Einvernahme durch die Gestapo stellte sich heraus, daß zwar der Deliquent, nicht aber die Obrigkeit sich in Dietrich Eckhardt auskannten. Auch durfte sich Küsel darauf berufen, die anstößigen Passagen über Eckhardts Morphinismus einem Buch von Alfred Rosenberg entnommen zu haben.

Schließlich konnte er Eckhardt selbst zitieren, der für sich gefordert hatte: »Die Nachwelt soll mich nicht besser machen, als ich war, denn dies wäre unnationalsozialistisch gedacht und gehandelt.« Silex, der Hauptschriftleiter der »DAZ«, legte sein Amt nieder und teilte diesen Entschluß am Ende eines Leitartikels den Lesern mit. Weder seine Mitarbeiter noch der Verlag hatten die geringste Ahnung von seinem Vorhaben.

In der Pressekonferenz des Promi war Silex mit der Bemerkung angegriffen worden: »Die >DAZ< erscheint überhaupt nur zu dem Zweck, damit die anderen sehen, wie man es nicht machen soll.« Silex' Vertreter verließ nach dieser Bemerkung den Konferenzsaal und unterrichtete seinen Chefredakteur, worauf dieser die Konsequenzen zog und zur Marine ging.

Die vierte Panne verursachte die Wochenzeitschrift »Das Reich«. Sie veröffentlichte als Titelphoto einen verhungernden Kulacken (Kulak - ein russischer Bauer), der sich aus einem Pferdekadaver ein Stück Fleisch reißt. Im Innern des Blattes wurde ein amerikanisches Gemälde, die Schändung weißer Frauen durch japanische Soldaten darstellend, reproduziert. Außerdem publizierte das »Reich« nicht freigegebene Nachrichten über bevorstehende Einschränkungen im Pressewesen.

Donnerstag, den 8. April 1943 - Geschichten aus Warschau

In einem neuen Buch »Hitler, King Carol and Lupescu« sucht ein englischer Journalist namens Easterman nachzuweisen, daß Madame Lupescu, die Freundin Carols II, keine Jüdin, sondern die natürliche Tochter Carols I. und einer Dorfschullehrerin sei. Erst nach der Geburt der Lupescu habe man die Mutter dem jüdischen Apotheker Wolf angetraut, der das Kind legitimierte. Nur so erkläre es sich, daß die Lupescu eine erstklassige Klostererziehung erhalten und später einen rumänischen Gardeoffizier (Tampeanu) geheiratet habe.

Easterman behauptete weiter, daß Carol II. sich aus Sevilla nach Portugal mit Unterstützung des damaligen spanischen Außenministers Serrano Sufier abgesetzt habe, der sich dem Begehren Hitlers nach der Auslieferung des Königs zu entziehen wünschte. Der hiesige rumänische Geschäftsträger Valeanu hält die jüdische Abkunft der Lupescu für einwandfrei erwiesen. Dagegen bestätigt er die Rolle Serrano Suriers bei Carols Flucht nach Portugal. Deutschland habe tatsächlich die Auslieferung Carols verlangt und damit eine Situation geschaffen, aus der eine von der spanischen Regierung begünstigte Flucht Carols der einzige Ausweg war.

Über den Besuch, den Graf und Gräfin Ciano vor dem Kriege in Warschau abstatteten, wußte Valeanu eine amüsante Anekdote zu berichten. Eines Abends nach Beendigung des offiziellen Programms habe ein Kavallerie-Oberst den italienischen Außenminister gefragt, ob er und Gräfin Ciano im Kasio seines Regiments ein Souper einnehmen wollten. Die italienischen Gäste willigten ein und begaben sich in Begleitung des polnischen Außenministers Beck in das Offizierskasino, in welchem alles zu ihrem Empfang vorbereitet war. Nach Tisch "frug" der Kommandeur die Gräfin Ciano, ob sie Lust habe zu tanzen.

Als sie bejahte, wurde der Vorhang einer den Speisesaal abschließenden Liebhaberbühne aufgezogen. Die Gäste erblickten ein Jazzorchester, zu dessen Seiten je achtzehn polnische Kavallerie-Offiziere in Galauniform Aufstellung genommen hatten. Auf ein Zeichen des Kommandeurs begann die Kapelle zu spielen. Alle Offiziere verbeugten sich, um die Gräfin Ciano zum Tanz aufzufordern. Einen Augenblick waren die Cianos fassungslos. Dann nahm die Tochter des Duce die Aufforderung an und tanzte der Reihe nach mit allen 36 Offizieren, ein Vergnügen, das bis in die Morgenstunden anhielt.
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