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Die Aufgabe der Filmpflege

aus KINOTECHNIK 1939 - Heft 11 / Nov. - Zeitschrift für die Technik im Film
Von Dr. Alfred Kalix, Oranienburg

Als der Kinofilm aus einer einzelnen Variete-Nummer zum einzigen Programmpunkt einer Sondervorführung wurde, und nun Hunderte von Malen hintereinander durch den Vorführapparat laufen mußte, zeigten sich bald gewisse Schwächen des Materials gegenüber den notwendigen mechanischen Beanspruchungen.

Eine dieser Unvollkömmenheiten äußert sich darin, daß die Oberfläche des Films durch den trotz aller Vorsichtsmaßregeln unvermeidbaren Staub bei der Vorführung verkratzt wird, ein Übel, das sich mit jedem Durchlauf verschlimmert und das bekannte „Regnen" und „Flimmern" des Bildes verursacht.

Wenn der Film unbrauchbar wird

Diese Abnutzungserscheinung macht den Film meist als erste unbrauchbar, wenn alle anderen Schäden, z. B. mangelhafte Perforation, noch zu ertragen sind. Es sind deshalb schon in den allerersten Zeiten des Theaterfilms Versuche gemacht worden, dieses Übel zu beseitigen.

Findige Vorführer halfen sich zunächst damit, den Film während des Durchlaufs anzufeuchten, indem sie ihn zwischen Samtstreifen hindurchlaufen ließen, die mit unbrennbaren Stoffen, wie z. B. Tetrachlorkohlenstoff getränkt wurden. Solche Verfahren sind auch patentiert *1) worden, sind jedoch nur als Notbehelf anzusehen; es soll deshalb an dieser Stelle nicht weiter darauf eingegangen werden. Ihre Wirkung besteht darin, daß der Film etwas „aufgehellt" wird und das Regnen verschwindet, so wie etwa eine Mattscheibe durch Feuchtigkeit transparenter wird.

Zwei grundsätzliche Arbeitsweisen ....

Bei den eigentlichen Filmpflege-Verfahren kann man grundsätzlich zwei Arbeitsweisen unterscheiden: die Nachbehandlung des bereits beschädigten Films und die vorbeugende Bearbeitung, die die beiden Oberflächen des Films schon vor der Ingebrauchnahme so präpariert, daß die Entstehung von Schrammen von vornherein verhindert oder mindestens erschwert wird.

Zunächst entfernte man die Schrammen einfach mechanisch durch Bearbeiten des Films mit Bürsten, Schleifmitteln und Pölierscheiben. Hierfür sind eine ganze Reihe von Verfahren und Vorrichtungen beschrieben worden *2).

Wie aus den angeführten Patentschriften hervorgeht, hat man die mechanische Filmverbesserung aber bald wieder aufgegeben und ist zur chemischen Behandlung übergegangen. Diese besteht darin, daß man die Zelluloid-Seite des Films (weil sie die empfindlichere ist) mit einem Lösungsmittel für die Filmmasse behandelt *3), das man in dünner Schicht, z. B. mit einer Zerstäubungsovrrichtung, aufträgt.

Dadurch „verlaufen" die scharfen Ränder der Schrammen etwas, so daß nach dem Verdunsten des Lösungsmittels die Oberflächen-Unregelmäßigkeiten etwas ausgeglichen sind und bei der Vorführung nicht mehr stören. Um eine vollkommenere Ausfüllung der Schrammen zu erreichen, ist man in neuerer Zeit dazu übergegangen, dieselben mit einem Celluloselack auszufüllen *4), so daß eine ganz gleichmäßige Oberfläche entsteht.

Dabei wird so verfahren, daß man den Film durch eine Lösung eines Zellulosederivats (meist Nitrozellulose) hindurchlaufen läßt, so daß beide Seiten damit bedeckt werden und den Überschuß dann abstreift, indem man den Film durch einen elastischen Schlitz laufen läßt.

Die vorbeugende Behandlung des Films

Weit zahlreicher sind die Verfahren zur vorbeugenden Behandlung des Films, die meist im Auftrag einer besonderen Schicht auf eine oder beide Seiten des Films bestehen. Hierzu sind so ziemlich alle bekannten "Schichtbildner" verwendet worden, wobei im einzelnen Falle meist nicht zu erkennen ist, warum gerade der eine oder andere bevorzugt wird.

Über diese Frage gibt es eine einzige kritische Untersuchung auf experimenteller Grundlage, auf die später noch eingegangen wird. Das älteste bekanntgewordene Beschichtungsverfahren dürfte das von der Fa. Gaumont *5) bereits 1908 angewandte Verfahren sein, das im Auftragen eines Gemisches von Kollodium und nichttrocknenden Ölen besteht.

In der Folgezeit wurden die verschiedensten Schichtbildner angewandt, so z. B. Gelatine *6), Schellack *7), einfache und gemischte Zelluloseester *8), Wachs *9), synthetische Harze auf Polyvinylbasis *10) usw.

*1) DRP 280622, Zentrale für wiss. u. Schulkinematographie, Berlin.
*2) DRP 227681 von J. Dreesbach, Düsseldorf; DRP289897 von H. Leitner, Berlin; DRP 299472 von H. Leitner, Berlin; DRP 300408 von R. Roth, Hamburg, DRP 313769 von A. Packscher, Berlin; DRP 317078 von H. F. Kleinschmidt, Hamburg; engl. P 268185 von J. J. F. Stock, München; Franz. P 607389 von J. J. F. Stock, München.
*3) DRP 424190 von F. Stock, München.
*4) DRP 633383 von Dr. P. Stock, Starnberg.
*5) Franz. P 391897 von der Soc. des Etablissements Gaumont.
*6) Franz. P 692800 von V. Revos; Franz. P 695449 von W. Revos; Franz. P 720523 von O. Mallofre, identisch mit engl. P 391 432; Amerik. P 1496225 von A. Roth, New York; Amerik. P 1699349 von W. B. Dailey in East Orange.
*7) Amerik. P 1548951 von der Kodak Co.; Erf. L. J. Malone.
*8) DRP 585411 der LG. Farbindustrie; Engl. P 270347 der LG. Far-fcenindustrie; Amerik. P 1904221 der Agfa-Ansco-Corp. New York.
*9) Franz. P 797142 der Kodak-Pathe-Ges.
*10) Franz. P 799064 u. Zus. P 47724 der I. G. Farbenindustrie, identisch «mit dem Engl. P 482204 und dem Amerik. P 1762935.
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Teils als Lösung aber auch als wäßrige Dispersionen

Diese Stoffe wurden hierbei meist als Lösung aufgetragen, es sind aber auch wäßrige Dispersionen angewandt worden *11), z. B. von hochpolymeren Stoffen der verschiedensten Art wie Albumin und Kasein, ferner von natürlichen und künstlichen Harzen. Auch Gemische der obengenannten Verbindungen in den verschiedensten Zusammenstellungen sind empfohlen worden *12).

Besondere Vorkehrungen erfordert hierbei das Offenhalten der Perforationslöcher, z. B. ein Durchblasen von Luft während oder kurz nach dem Auftrag t). Schließlich hat man auch statt Lösungen aufzugießen einfach dünne Folien aufgeklebt14). Mit diesen Schutzschichten wird bald die eine, bald die andere Seite des Films, bald beide Oberflächen versehen, manchmal fehlt jede Angabe darüber, wo die Schicht angebracht werden soll. Auch über den Zeitpunkt der Beschichtung finden sich in den Patentschriften verschiedene Anweisungen, teils erfolgt der Auftrag unmittelbar auf die frischgegössene Emulsion, teils erst auf das fertiggestellte Bild.
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Über die mechanischen und thermischen Beanspruchungen

Es ist nun selbstverständlich, daß eine Schutzschicht nur dann ihren Zweck erfüllt, wenn sie außer der erwünschten Kratzfestigkeit auch eine einwandfreie Haftfestigkeit auf dem Film zeigt und auch in dieser Hinsicht den mechanischen und thermischen Beanspruchungen bei der Projektion widersteht.

Sie darf also auf keinen Fall unter diesen Verhältnissen zum Abblättern neigen, da sie hierdurch das Übel nur vergrößert, das sie beseitigen soll. Die entstehenden Splitterchen, die oft glashart sind, z. B. bei gehärteter Gelatine, setzten sich gern im Bildfenster fest und verursachen dadurch auf dem Film Schäden, die meist nicht mehr heilbar sind.

Eine gute Haftfestigkeit ist aber nur dann zu erzielen, wenn nicht nur auf die chemische Zusammensetzung der Unterschicht, sondern auch auf ihren physikalischen Zustand Rücksicht genommen wird, denn bekanntlich zeigen fast alle der genannten Schichtbildner gewisse Alterungserscheinungen („Nachhärtung", „Verhornung" usw.).

Es bedeutete daher eine grundsätzliche Neuerung auf diesem Gebiete, als das erstemal eine besondere Anquellung der Unterschicht als Vorbereitung für den Auftrag der Schutzschicht empfohlen wurde *15), um eine bessere Haftung zu erzielen. Damit wird jede so vorbehandelte Schicht in den gleichen Zustand versetzt und die einmal als genügend festgestellte Haftfestigkeit einer Schutzschicht für alle Fälle garantiert.
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Die verbesserte Haftfestigkeit

Nach den Angaben der Patentschrift wird die verbesserte Haftfestigkeit so erklärt, daß das aufgetragene Kolloid, z. B. Kollodium, die Bildschicht bis zum Schichtträger durchdringt. Auf Grund späterer Untersuchungen von anderer Seite werden diese Angaben bestritten *16): die Tatsache, daß eine auf mit Eisessig gequollene Gelatine aufgetragene Kollodiumschicht besser haftet als auf einer unpräparierten Schicht, deren Härtungs- und Alterungszustand unbekannt ist, bleibt jedoch dadurch unberührt.

Später wurde von demselben Erfinder Äthylenchlorhydrin *17) als Quellungsmittel verwendet, und zwar für beide Seiten des Films. Eine Vereinfachung des Verfahrens besteht darin, daß diese Quellmittel gleich mit dem Schichtbildner gemischt werden, um einen Arbeitsgang zu sparen *18).

Die Frage nach dem geeignetsten Schichtbildner wurde erst durch eine neuere Untersuchung *16) geklärt. Die meist verwendete Nitrozellulose ist bekanntlich weniger kratzfest als Gelatine, so daß es eigentlich widersinnig ist, Gelatine durch Kollodium zu „schützen".

Die Gründe dafür liegen jedoch auf optischem Gebiete, wie der Verfasser nachweist; sie beruhen aber auf Voraussetzungen, die heute nicht mehr zutreffen, da inzwischen die Emulsionstechnik große Fortschritte gemacht hat. Es wird daher wieder die Anwendung von Gelatine als Schutzschichtbildner empfohlen *19); und zwar nicht als besonders aufgetragene Schicht, sondern unter Verwendung der Bildgelatine, die man mit Hilfe eines besonderen Verfahrens nur oberflächlich härtet.
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Die Nachhärtung der Bildschicht

Die Nachhärtung der Bildschicht in einem besonderen Arbeitsgange nach der Fertigstellung des Bildes ist zwar schon früher angegeben worden *20), hierbei wurde jedoch die gesamte Schicht durch und durch gehärtet, worunter ihre Elastizität natürlich leiden muß.

Bei dem neuen Verfahren wird nicht nur dieser Übelstand vermieden, sondern auch noch eine optische Verbesserung des Films erreicht, die darin besteht, daß zugleich mit dem Härtungsverfahren der Oberflächenschleier des Bildes zerstört wird.

Man verfährt dabei so, daß man vom entwickelten Film die oberflächlich anhaftende Lösung abstreift, denselben ohne vorheriges Waschen einige Sekunden lang durch ein oxydierendes Bad führt und dann wie üblich weiterbehandelt. Als oxydierende Mittel verwendet man dabei die bekannten Abschwächerlösungen; eine Schädigung des Bildes kann dadurch jedoch nicht eintreten, da ihre Tiefenwirkung durch den von der Bildschicht aufgesaugten Entwickler sehr bald ein Ende findet.

Durch diese Reaktion tritt außerdem eine Oberflächenhärtung der Gelatine ein. (Diese läßt sich durch die bekannte Warmwasserprobe der Schicht leicht nachweisen; hierbei wird die Bildschicht deutlich erkennbar unter der stark gehärteten Oberschicht herausgelöst.)

Die bereits erwähnte optische Verbesserung des Bildes durch dieses Verfahren ist nicht nur auf die damit verbundene Beseitigung des Oberflächenschleiers beschränkt, sondern auch durch den Wegfall einer zusätzlichen Schicht, wodurch eine lichtbrechende Grenzfläche weniger auftritt.

Grundsätzlich neue Verfahren zur Filmpflege sind seitdem nicht bekannt geworden, nur Verfeinerungen in der Arbeitsweise, die z. B. in der Zufügung von Weichmachern für den Filmrohstoff bestehen *21), da diese bei der Naßbehandlung und der Erwärmung im Projektor zum Teil verloren gehen. Auch hat man den Perforationsrand einer besonderen Behandlung mit Weichmachern unterzogen *21), da die eben genannten Wirkungen an dieser Stelle verstärkt auftreten.

Bezüglich der industriellen Auswertung der in den Patentschriften veröffentlichten Verfahren ist zu bemerken, daß hiervon z. Zt. nur noch wenige praktisch ausgeübt werden. Grundsätzlich wird heute jeder Kinofilm bereits bei seiner Herstellung mit einer widerstandsfähigen und gut haftenden Schutzschicht versehen. Trotzdem gibt es immer noch Filme, die bei der Vorführung so angegriffen worden sind, daß ihre Regenerierung notwendig und lohnend erscheint. Ihre Zahl ist so groß, daß auch die Nachbehandlung verschrammter Filme immer noch Gegenstand einer bedeutenden Spezialindustrie ist.

*11) Franz. P 809668 der LG. Farbenindustrie, identisch mit dem Engl. P 466879.
*12) Amerik. P 1 946005 der Essern Laboratories, Washington.
*l3) DRP 224365 von W. A. Daniels, Chicago; Amerik. P 987092 der National Waterproof Film Co., Chicago; Engl. P 20965/1909 von F. B. Thompson.
*14) Engl. P 358224 von Demaret in Brüssel und Engl. P 22234/1913 von H. Jerne.
*15) DRP 441949 von J. J. F. Stock in München, identisch mit: Österr. P 110038, Schweiz. P 120005, Engl. P 243752, Amerik. P 1801375 und Franz. P 607389.
*16) Photographische Industrie 1938, 783-786 u. 807-810.
*17) Engl. P 499306 von F. J. J. Stock in Berlin.
*18) DRP 456084 von Creszenzia Glaser-Plettl in Paris, identisch mit Franz. P 625434 und Amerik. P 1 709056; Franz. P 721 671 von A. Rognon.
*19) DRP 649635 von Dr. ing. O. Treichel, Berlin.
*20) Franz. P 744313 der SOS. Processing Co.; identisch mit dem A
*21) Engl. P 486360 von F. J. J. Stock in Berlin.
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