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Achtung: Artikel und Texte aus NS/Hitler-Deutschland 1933-45

Nach der Gleichschaltung der reichsdeutschen Medien direkt nach der Machtübernahme in Februar/März 1933 sind alle Artikel und Texte mit besonderer Aufmerksamkeit zu betrachten. Der anfänglich noch gemäßigte politisch neutrale „Ton" in den technischen Publikationen veränderte sich fließend. Im März 1943 ging Stalingrad verloren und von da an las man zwischen den Zeilen mehr und mehr die Wahrheit über das Ende des 3. Reiches - aber verklausuliert.
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Die Grundlagen der raumbezüglichen, stereophonischen Übertragung im Tonfilm

von Hans Warncke von der Klangfilm G.m.b.H., Berlin. - Verkürzte Wiedergebe des in der 176. öffentl. Vortragssitzung der DKG am 23.1.1941 gehaltenen Vortrages.

Die in den letzten Jahren durchgeführten theoretischen Untersuchungen und ihre praktische Erprobung auf dem Gebiete der stereophonischen Übertragung ohne die Verwendung von Kopfhörern haben gezeigt, daß die auftretende Erhöhung des natürlichen Eindruckes dabei erheblich und die erzielte Lokalisierungsmöglichkeit ausreichend ist.

Zur Zeit gibt es 3 Probleme

Das Problem hat eine aufnahmetechnische, eine wiedergabetechnische und eine übertragungstechnische Seite, die in früheren Arbeiten zwar alle behandelt worden sind, jedoch bestand über die grundsätzlichen Forderungen, namentlich soweit es sich um Tonfilmübertragungen handelte, noch keine völlige Klarheit.

Es erschien daher im Zusammenhang mit den vorbereitenden Arbeiten für die praktische Erprobung der Stereophonie in Tonfilmbelrieben notwendig, die insbesondere in der Frage der Anzahl der hierbei notwendigen Übertragungskanäle weit auseinandergehenden Meinungen nach der theoretischen Seite klarzulegen und auf den von anderer Seite und von uns gewonnenen Erkenntnissen fußend, zu untersuchen.

I. Kopfbezügliche und raumbezüglkhe stereophonische Übertragung

Das beidohrige Hören ermöglicht uns die Bestimmung des Winkels, unter welchem ein Schalleindruck von uns wahrgenommen wird. Dieser Lokalisierungswinkel ändert sich, feste Anordnung der Schallquelle vorausgesetzt, bei Drehung des Kopfes. Umgekehrt ändert er sich aber auch bei nicht bewegtem Kopfe, wenn die Schallquelle örtlich verändert wird. Die örtlichen Beziehungen einer Schallquelle zu dem Raum und den mit ihr in diesem Raum befindlichen Zuhörern sind durch diesen Winkel festgelegt.

Will man von einem Raum, in welchem sich die Schallquelle befindet, nach einem anderen Raum, in dem sich die Zuhörer aufhalten, eine stereophonische Übertragung schaffen, so hat man folgende zwei Möglichkeiten:

1. Aufrechterhaltung der örtlichen Beziehung zwischen Schallquelle und dem die Stelle des Zuhörerkopfes vertretenden Aufnahmeorgan.
2. Aufrechterhaltung der Beziehung zwischen der Schallquelle und dem Aufnahmeraum selbst.

Die erste Art von stereophonischer Übertragung kann man als kopfbezügliche, die zweite als raumbezügliche Übertragungsart kennzeichnen.

Das erste Verfahren scheidet für alle Zwecke aus, bei denen der Wiedergabe- und der Aufnahmeraum für das Bewußtsein des Zuhörers eine Rolle spielt. Es kann daher auch nicht für den Tonfilm Verwendung finden, weil hierdurch ein allen Zuhörern sichtbares Bild die Beziehung zwischen Schallquelle und Aufnahme/Wiedergaberaum weitgehend festgelegt ist.
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Es kommt daher nur das zweite Verfahren in Betracht.

Es läßt sich nur mit Hilfe von Lautsprechern verwirklichen, und zwar in der Weise, daß die Lautsprecher dabei die im Aufnahmeraum vorhandenen Schallquellen vertreten, wobei jeder Lautsprecher auf beide Ohren eines Zuhörers einwirken muß, unabhängig davon, wieviel Lautsprecher dabei Verwendung finden.

Daraus, daß verschiedentlich raumbezügliche Übertragungen unter Verwendung von nur zwei Lautsprechern durchgeführt werden, ist offenbar die gelegentlich anzutreffende irrtümliche Auffassung entstanden, daß der eine Lautsprecher nur auf das eine, der zweite nur auf das andere Ohr einwirken solle.

II. Raumbezügliche Übertragung mit "n" Kanälen

Eine raumbezügliche Übertragung mit einer sehr großen endlichen Anzahl von (n) Kanälen würde das Problem zwar in idealer Weise lösen, aber technisch nur sehr schwer durchzuführen sein. Eine solche Anordnung würde wenigstens in einer Ebene eine raumbezügliche Übertragung genügend genau ermöglichen.

  • Anmerkung : Bei den Ingenieuren, Technikern und Mathematikern steht der Buchstabe "n" für irgend eine ganzzahlige Zahl zwischen 1 und unendlich.


Der Aufwand hierfür wird aber sehr groß, besonders dann, wenn man eine Tonaufzeichnung einschaltet, da für jeden Kanal eine besondere Aufzeichnung notwendig ist. Dies würde besonders, wenn man an den kombinierten Bild/Tonfilm denkt, zu großen Schwierigkeiten führen.

Es war daher zu prüfen, ob eine merkbare Verschlechterung der raumbezüglichen stereophonischen Übertragung eintritt, wenn die Anzahl der Kanäle stark vermindert wird und ob bei Beschränkung auf nur zwei Kanäle das Auflösungsvermögen noch als ausreichend betrachtet werden kann. Es hat sich gezeigt, daß hierbei ein Effekt ausgenutzt werden kann, den man treffend mit Summen-Lokalisierung bezeichnet.
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III. Summenlokaiisierung auf Grund von Intensitäts-Unterschieden

Wenn von zwei in einiger Entfernung voneinander aufgestellten Lautsprechern ein gleiches Klanggebilde ausgestrahlt wird, so empfindet ein vor ihnen in einer gewissen Entfernung befindlicher Zuhörer den Schall als aus einer bestimmten Richtung kommend.

Dabei wird der scheinbare Ort der Schallquelle entweder als mit einem der beiden Lautsprecher zusammenfallend oder als zwischen ihnen liegend gehört, je nachdem wie sich die Intensitäten des ausgestrahlten Schalles beider Lautsprecher zueinander verhalten.

Diese Erscheinung wollen wir als "Summenlokalisierung auf Grund von Intensitäts-Unterschieden" bezeichnen. Dieser Effekt ist schon verschiedentlich beschrieben worden. Ausführlicher befaßt sich damit de Boer. Die dort angegebene Beziehung ist für die Untersuchung der raumbezüglichen Übertragung nicht anwendbar, weil sie sich auf den an einem im Aufnahmeraum befindlichen Kopf entstehenden Lokalisierungswinkel bezieht.

Eine genauere Untersuchung dieser Beziehungen ist recht gut möglich unter Zugrundelegung der bekannten, in Bild 1 gezeigten Darstellung von Sivian und White*), die die Lautstärkeänderungen unter­suchen, die bei horizontaler Bewegung einer Schallquelle um den Kopf herum auftreten. Danach ergibt sich, daß der Logarithmus des an den Ohren entstehenden Inten­sitäts-Verhältnisses In einem Bereich von 0 bis etwa 50° nach beiden Seiten der auf der Ohrenbasis errichteten Mittelsenkrechten   annähernd   linear   von   dem   Einfallswinkel abhängt und erst bei größeren Winkeln hier andere Verhältnisse eintreten.

Das gilt, wie schon vorher erwähnt, nur so lange, als keiner der Winkel, unter welchen die Schallquellen vom Beobachter gehört werden und unter dem er die scheinbare Schallquelle wahrnimmt, die Größe von 50 unterschreitet. Für die bei der Tonfilm-Uber-tragung vorliegenden praktischen Verhältnisse darf man diese Voraussetzung als erfüllt ansehen.

Nach anderen Überlegungen muß für die raumbezügliche Übertragung die Forderung erfüllt sein, daß der scheinbare Ort der Schallquelle sowohl vom Ort des Zuhörers als auch von seiner Kopfdrehung unabhängig ist.

 Aus der oben angeführten Beziehung ergibt sich nach entsprechender Umwandlung, daß die Unabhängigkeit von der Kopfdrehung gewährleistet ist"). Die durch Veränderungen des Ortes des Zuhörers auftretenden Ungenaueren sind sehr gering und nehmen bei größerer Entfernung vom Schallquellenort immer mehr ab. Bei starker Abweichung von der Mittelsenkrechten zur Bildwand sind die Ungenauigkeiten etwas größer.

Je größer die Wegdifferenz der Wege vom Zuhörer zu den beiden Lautsprechern ist und je kleiner die Entfernung von der Bildwand wird, desto größer werden hier die Ungenauigkeiten.

IV. Summenlokalisierung auf Grund von Zeitunterschieden

Beim natürlichen zweiohrigen Hören spielen nicht nur die Intensitäts-Unterschiede sondern auch Zeit- und Phasen-Unterschiede eine Rolle. Intensität- und Zeitunterschiede zusammen ergeben bei der Summenlokalisierung einen resultierenden Lokalisierungs-Eindruck, solange die Zeitunterschiede nicht so groß sind, daß sie die Einheit des Klanges, der von den beiden Lautsprechern kommt, gefährden.

Da die Zeitunterschiede für verschiedene Zuhörerplätze verschieden sind, wird auch der scheinbare Lokalisierungswinkel der Schallquelle infolge dieser Zeitunterschiede eine Verschiebung erfahren. Durch Intensitäts-Unterschiede kann man vorhandene Zeitunterschiede in gewisser Beziehung kompensieren. Hieraus ergibt sich für die Aufstellung bzw. für die Richtcharakteristik der Wiedergabe-Lautsprecher eine wichtige Regel.

Bei Beschickung beider Lautsprecher mit einem Klanggemisch von gleicher Intensität muß die Abstrahlung der Lautsprecher so eingeregelt werden, daß die Intensität des entfernter liegenden
Lautsprechers diejenige des näher liegenden Lautsprechers übertrifft.

Man kann zu diesem Zweck die Lautsprecher nochmals in mehrere Einheiten unterteilen oder aber den Lautsprechern eine bestimmte Richtcharakteristik geben. Damit ist zugleich eine Kompensierung der im vorigen Abschnitt näher behandelten Verschiebung des Mitteneindruckes bei den seitlich der Mittelsenkrechten liegenden Plätzen weltgehend möglich.

Diese Kompensierung läßt sich bei tiefen Tonen nicht durchführen, denn für diese Frequenz bleibt nur die Lokalisierungsfähigkeit auf Grund von Zeitunterschieden bestehen, für Intensitäts-Unterschiede geht sie aber verloren. Der von uns bei früherer Gelegenheit gemachte Vorschlag, die tiefen Töne durch einen einzigen Lautsprecher oder eine einzige Lautsprecher-Gruppe wiederzugeben, bedeutet jedoch dagegen eine wirksame Abhilfe.
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V. Raumbezügliche Übertragung mit zwei Kanälen

Die Theorie der Summen-Lokalisierung zeigt, daß zwei Energiequellen ausreichen, um die scheinbare Schallquelle innerhalb einer horizontalen Ebene mit genügender Lokalisierungs-Genauigkeit erscheinen zu lassen.

Damit ist aber bewiesen, daß auch für eine raumbezügüche Übertragung zwei Übertragungskanäle grundsätzlich ausreichen, wenn man sich auf die Erfassung der horizontalen Ebene beschränkt, was nach allen bisherigen praktischen Erfahrungen zulässig erscheint.

Aufnahmetechnisch muß dabei der Bedingung genügt werden, daß die Intensität an die beiden Kanäle in einem Verhältnis geliefert wird das dem scheinbaren Ort der Schallquelle nach der Summenlokalisierungskurve entspricht. In Abweichung von früher durchgeführten Untersuchungen kommt man dann zu einer Mikrofon-Anordnung wie sie in Bild 5 dargestellt ist.

Der Aufnahmeraum wird in Sektoren aufgeteilt und jedem Sektor ein Mikrofon (M1, M2 usw.) zugewiesen. Die Mikrofone müssen dann eine ausgesprochene Richtwirkung besitzen, damit eine innerhalb des Sektors befindliche Schallquelle (S1, S2 usw.) im wesentlichen nur von den zugehörigen Mikrofonen aufgenommen wird.

Die aufgenommene Energie wird über Dämpfungsglieder (a1, b1, a2, b2, usw.) in einem Verhältnis auf die beiden Kanäle verteilt, das dem aus der Summenlokalisierungskurve für den betreffenden Ort gewonnenen Wert entspricht.

Die grundsätzlichen Vorteile

Die grundsätzlichen Vorteile einer solchen Mikrofon-Anordnung bestehen im folgenden:
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  • 1. Die Richtigkeit der seitlichen Lokalisierung ist von dem Abstand der Mikrofonbasis weitgehend unabhängig.
  • 2. Die Lokalisierung nach der Tiefe (die Entfernungs-Empfindung) ist für jeden Teil der Bühne gleich gut.
  • 3. Laufzeit-Unterschiede treten nicht auf.
  • 4. Fehl-Lokalisierungen bei gerichteten Schallquellen sind nicht möglich.
  • 5. Der Verlauf der Lokalisierungskurve ist elektrisch korrigierbar.

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Damit eine gewisse Stetigkeit der Lokalisierungskurve bei fortschreitendem Schall von Sektor zu Sektor erreicht wird, ist es zweckmäßig, eine gewisse Überlappung der Aufnahmebereiche zweier benachbarter Mikrofone herbeizuführen, wodurch die Zahl der Mikrofone klein gehalten werden kann.

Auch dies gilt nur wieder für die mittleren und hohen Frequenzen, die tiefen Töne können durch ein oder mehrere ungerichtete Mikrofone aufgenommen werden, welche an die Kanäle über ein Tiefpaß-Filter mit gleicher Verstärkung angeschlossen werden.
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VI. Zusammenfassung

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1. Für den Tonfilm muß die stereophonische Übertragung als raumbezüglich durchgeführt werden. Sie ist daher nur mit Lautsprechern zu verwirklichen.
2. Eine Übertragung mittels einer größeren endlichen Anzahl von Übertragungskanälen erfordert eine entsprechende Anzahl von Mikrofonen und Lautsprechern. Hierbei müssen zweckmäßig Mikrofone mit starker Richtwirkung verwendet werden.
3. Die Theorie der Summenlokalisierung zeigt, daß bei richtiger Anordnung der Aufnahme- und Wiedergabe-Geräte eine einwandfreie Lokalisierung mit zwei Kanälen durchführbar ist, solange man sich auf eine Lokalisierungsebene beschränkt. Die Hinzufügung weiterer Kanäle hätte erst Sinn für die Erfassung anderer Ebenen. Hierauf kann aber im Tonfilm verzichtet werden.
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Wenn insoweit die Grundlagen für die raumbezügliche stereophonische Übertragung im Tonfilm als weitgehend geklärt anzusehen sind, so bleiben doch noch eine Fülle von Problemen übrig, die nur empirisch, ja zum größten Teil nur in mittelbarer Fühlung mit der praktischen Filmarbeit gelöst werden können.

Hierher gehören in erster Linie die technischen Einzelfragen der Mikrofon-Technik im Zusammenhang mit der Art und Ausdehnung der aufzunehmenden Szene. Wie die Technik des Mischens und Überspielens sich für die stereophonische Übertragung praktisch gestaltet, wird ebenso zu untersuchen sein wie die Frage, wie weit sich die Anforderungen an die akustischen Daten des Aufnahme- und des Wiedergaberaumes mit der Einführung der Stereophonie ändern. Schließlich wird sich auch zeigen, ob und in welchem Maße die neue Tonübertragungstechnik einen Einfluß auf die heute geübte Praxis der Bildaufnahme ausüben muß.
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