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60 Jahre Berichterstattung über Film und Fernsehen
Norbert Bolewskis gesammelte Rückblicke von 1947 bis 2007

1999 - Die Multimedia Home Plattform (MHP)

Als sich das digitale Fernsehen anschickte, Realität zu werden, und die Welt von immer neuen Pilotversuchen mit unterschiedlichsten Diensten, Inhalten und Techniken erfuhr, war bei vielen Autoren eine Horrorvision beliebt. Sie gipfelte darin, dass sich die von Bequemlichkeit verwöhnten TV-Zuschauer in Zukunft gleich mit einem ganzen Stapel von Set-Top- Boxen ausrüsten müssten, um einen angemessenen Teil der angebotenen neuen digitalen Dienste empfangen zu können. Wie wir heute wissen, scheiterte ein Großteil der Pilotversuche schon im Ansatz. Doch auch im DVBProjekt sah es lange so aus, als wenn man bei Set-Top-Boxen zu keinem gemeinsamen Konzept kommen könnte. Mit den Arbeiten an der Multimedia Home Plattform (MHP) im Jahre 1998 (wir berichteten in der FKT Anfang 1999) gelang ein Durchbruch, der zwar bis zum heutigen Tag noch das eine oder andere Problem mit sich bringt, aber letztendlich doch eine äußerst sinnvolle Grundlage für die Zukunft bot. Die Ausgabe 1-2/1999 behandelte fast ausschließlich diese Thematik.

Auf dem Studiosektor gab es ebenfalls eine wesentliche Neuerung: Mit der Einführung von Datenreduktionstechniken in MAZ- und NLE-Systemen im Fernsehstudio entstand der Bedarf nach einer Schnittstelle, mit der sich verschiedene datenreduzierte Signale ohne Transcodierung in "faster than realtime" über ein gemeinsames Interface übertragen lassen. Das führte zur Entwicklung eines seriellen Datentransport-Interfaces (SDTI), das diesen Anforderungen gerecht wurde.

 

1999 - Der modernste Schaltraum seiner Art in Europa bei RTL

Die RTL-Ingenieure waren stolz auf ihren neuen Schaltraum, der 1999 der modernste seiner Art in Europa war. RTL entschied sich damals für das Konzept eines dezentralen Kreuzschienensystems, um die Sicherheit des Sendebetriebs zu erhöhen. Eine weitere Besonderheit war der Auf- und Umbau des Schaltraums im laufenden Betrieb. Die FKT berichtete ausführlich über die Hintergründe und die Ideen, die dahinter standen (Bild 229).

Ein wesentliches Highlight war der Task- Force-Bericht über harmonisierte Standards für den Programmaustausch als Bitstreams. Darin wurden die Beziehungen zwischen Signalen, Prozessen sowie Steuerung und Kontrolle festgeschrieben. In zwei Teilen wurde ausführlich darüber berichtet.

Im Vordergrund standen 1998 auch Themen zu den möglichen Einführungsstrategien von DVB-T in Deutschland.

 

1999 - Berlin wird Hauptstadt und auch Fernseh-Hauptstadt

Die "Wende" - also der Übergang der DDR in die Bundesrepublik Deutschland - war sicherlich das erfreulichste und auch im persönlichen Bereich wichtigste Ereignis dieser Zeit. Nach außen dokumentiert wurde das durch die Wahl Berlin als Hauptstadt, was wiederum emsige Betriebsamkeit bei allen Fernsehanstalten - egal ob öffentlich-rechtlich oder privat - auslöste. Der neueste Bau des ARD-Hauptstadtstudios stand dabei natürlich im Mittelpunkt. Über die zentrale Lage mit direktem Blick (auch Kamera-Studio-Blick) auf den Reichstag wurde in allen Einzelheiten in der FKT berichtet (Bild 230).

Beim Film tat sich ebenfalls Neues. Zwar gab es bereits Belichter, die elektronische Bilder wieder auf Film belichteten. Doch der 1999 vorgestellte Arrilaser-Filmbelichter setzte einen neuen technischen Standard in der Belichtung von digitalen Bilddaten auf 35- mm-Kinofilm. Bislang beherrschten CRT-Recorder den Markt. Der Einsatz von Festkörperlasern für alle drei Farben, integriert in einem robusten, effizienten, handhabungs- und servicefreundlichen Systemkonzept, ermöglicht es nun, die Vorzüge der Laserfilmbelichtung allgemein verfügbar zu machen. Und das wiederum war der Durchbruch bei der Durchgängigkeit von Elektronik und Film. Hervorragende Filmabtaster gab es bereits, sodass nun die technisch ausgereifte Möglichkeit bestand, Film und elektronische Bilder miteinander zu "verheiraten" und je nach Arbeitsaufgabe wechselseitig anwenden zu können (Bild 231).

 

Die Perspektive Internet

Das Internet und das digitale Fernsehen (Free-TV, Pay-TV, Pay-per-View, Dienste) sind Wirtschaftsbereiche mit extrem starkem Wachstum, denen damals eine große Zukunft prognostiziert wurde. Mit der Einführung digitaler Übertragungstechniken im Rundfunk und den wachsenden Datenkapazitäten im Internet rückte die technische Realisierbarkeit der Konvergenz beider Medien in greifbare Nähe. Das Internet kann über die traditionellen Broadcastwege auf dem Fernseher angeboten werden und das Fernsehen auf dem Computer. Diese Konvergenz zweier boomender Marktsegmente ließ auf einen noch stärkeren gemeinsamen Aufwärtstrend schließen, allerdings konnte man sich IPTV damals noch nicht so recht vorstellen (Bild 232). Der Weg in die technische Realisierbarkeit war noch nicht wirklich in Sicht und hat ja auch heute noch seine Probleme.

Die DV-Kameras etablierten sich zunehmend im Amateurbereich, aber sie fanden auch in modifizierter Form Eingang in den Newsbereich der Fernsehanstalten, wobei man sich insbesondere in Deutschland aus Qualitätsgründen besonders schwer tat. Aber es war natürlich für die FKT verpflichtend, auf das DV-Kompressionsverfahren einzugehen und ausführlich darüber zu berichten, zum Beispiel über dessen spezifische Eigenheiten wie Verarbeitung von Halbbildern, Intraframe Block-Shuffling, "Feed Forward"-Steuerung usw.

 

Die neuen Harddisk-(HD-)Recorder verdängen das Tape

Diskrecorder wurden vermehrt auch in Fernseh- und Video-Applikationen eingesetzt. Die Tendenz "Disk verdrängt Band" wurde offensichtlich, hatte aber 1999 noch nicht das Ausmaß erreicht, dass man von einer Ablösung des Videorecorders durch Diskrecorder sprechen konnte. Im Gegenteil, die Anzahl der zur Verfügung stehenden Bandformate nahm ebenfalls zu. Diskrecorder wurden damals in der Regel als Cache-Speicher für nichtlineare Anwendungen beim Schnitt und Playout eingesetzt und waren deshalb eher als zusätzliche Systeme zum Band und nicht als Ersatz zu sehen. Erst die Harddisk-(HD-)Recorder der neuesten Generation ließen da auch an den Begriff der Ablösung des Bandes denken.

Ein Weiteres war die variable Bitraten-Codierung bei der MPEG-2-Videokomprimierung. Und damit ergab sich in der Folge das Stichwort des statistischen Multiplexes.

Und zum ersten Mal beschäftigten wir uns in der FKT mit dem vollkommen neuen Thema des 2K-Filmmasterings, das Wolfgang Balga von der VCM Video Copy München vorstellte. Den meisten Fachleuten war damals noch nicht so ganz klar, dass die Einführung digitaler Bearbeitung im Film möglich war - das änderte sich schnell und diese ganze Thematik ist heute, also nach rund sieben Jahren, unter dem Stichwort "Digitale Postproduktion" eines der heißesten Themen bei HD - egal, ob elektronisch oder vom Film als Quellenmaterial ausgehend.

Und endlich - nach vielen Jahren der Abstinenz nach dem Deaster des analogen HDTV - erschien dieses "Un-Wort" HDTV auch wieder in der FKT und bei den deutschen Fernsehingenieuren. Denn es fanden sich in Montreux medientechnisch Interessierte Ingenieure aus der ganzen Welt zusammen, um über HDTV im Allgemeinen und Einführungsszenarien im Besondern zu diskutieren. Aus Deutschland war nur eine kleine Schar angereist. Aber auch auf vielen Ausstellungen ging es 1999 "wieder" um HDTV. Egal, ob NAB oder ITVS, ob IBC oder InterBEE, überall standen die vier Buchstaben im Mittelpunkt.

 

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