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60 Jahre Berichterstattung über Film und Fernsehen
Norbert Bolewskis gesammelte Rückblicke von 1947 bis 2007

1976 - Vor- und Nachteile des Plumbicons

1976 war international ein relativ ruhiges Jahr. Neuer amerikanischer Präsident wurde Jimmy Carter, Mao Tse Tung, Begründer der Volksrepublik China, starb. Herausragendster Film des Jahres war "Einer flog über das Kuckucksnest" von Milos Forman, der zahlreiche Oscars erhielt.

 

Dass nicht immer das Neuere das Bessere ist, zeigte in der FKT Dr. Dillenburger auf. Bereits seit Einführung des Plumbicons war die Fachdiskussion im Gange, ob auch bei der Filmabtastung das Plumbicon wie bei Live- Aufnahmen dem Vidikon vorzuziehen sei. Der Autor zeigte vergleichend die Vor- und Nachteile beider Röhrentypen anhand der für die Bildqualität wichtigen Parameter auf. Er kam zu dem abschließenden Ergebnis, dass vor allem wegen der besseren Schattengradation und des besseren Störabstands in den Schatten bei optimaler Einstellung das Vidikon dem Plumbicon überlegen sei.

 

Mittlerweile gab es eine neue Generation von Zeichengeneratoren, deren Vielseitigkeit und Flexibilität zusätzliche Möglichkeiten eröffnete. Ein solches neu entwickeltes Gerät kam von RCA. Die Eigenschaften des "Video IV" gingen weit über das hinaus, was man bislang unter dem Begriff Zeichen- oder Schriftgenerator verstanden hat. Der Generator ermöglichte nicht nur die Darstellung alphanumerischer Standardzeichen, sondern auch aller Arten von Symbolen, Graphiken, Karten und Figuren und wurde ausführlich beschrieben (Bilder 125 und 126).

Elektronischer Journalismus ?

Im Vordergrund standen erste Überlegungen zum sogenannten elektronischen Journalismus. Zwar hatte CBS bereits mit der "Station- Car" eine portable Anlage geschaffen, die in einem normalen Auto untergebracht werden konnte. Die Bedienung erforderte aber zwei, besser sogar drei Personen. Im europäischen und speziell im deutschen Bereich wurde eine tragbare Sende-Empfangs-Anlage in Zusammenarbeit mit dem Österreichischen Rundfunk entwickelt und bei ARD und ZDF im Einvernehmen mit der Deutschen Bundespost betrieben.

 

Es gab auch bereits erste Kameras, die hinsichtlich der Größe für den elektronischen Journalismus geeignet waren, so zum Beispiel die HL 235 von Ikegami, die LDK 15 von Philips und die "KCN" von Bosch-Fernseh (Bild 127). Allerdings erforderte der elektronische Journalismus nicht nur die Kamera, sondern ein "Nachrichten-System". Das eigentliche Problem war die magnetische Aufzeichnung. Mit der "BCN 20" von Bosch-Fernseh entwickelte das Unternehmen einen ersten Prototypen der 1-inch-Schrägspur Magnetaufzeichnungsanlage, die tragbar und batteriebetrieben die KCN-Kamera unterstützen sollte, und die ausführlich ein Jahr später beschrieben wurde.

 

Die Fernsehrundfunkversorgung Europas und Deutschlands erfolgte noch nicht über Satelliten. Aber aus vielen vom Bundesministerium für Forschung und Technologie geförderten Studien entstand die Konzeption des Fernseh- Rundfunk-Satelliten. Man kam 1976 zu dem Ergebnis, dass rein technisch bei der Realisierung eines solchen Projekts keine unüberwindlichen Schwierigkeiten mehr zu erwarten wären. Und auch die Wirtschaftlichkeit beziehungsweise die Kosten der Fernsehversorgung durch Satelliten stehen im Vergleich zu anderen Methoden der Fernsehversorgung, wie etwa dem Kabelfernsehen, in einem recht günstigen Verhältnis.

 

Der Vorteil eines solchen scheinbar im Orbit in 32.000 Kilometer Höhe still stehenden Fernsehsatelliten ist, dass der Versorgungsgrad des bedeckten Bereichs von Anfang an 100 Prozent ist. Das lässt sich mit keiner anderen Methode der Fernsehversorgung auch nur annähernd erreichen. Der Durchmesser einer solchen Einzel- Parabolantenne würde bei 80 cm liegen, für Gemeinschaftsanlagen wären etwa 1,5 Meter sinnvoll. Und genauso kam es dann auch ein Jahr später. Es zeigte sich, dass gut vorausgedacht und geplant worden war.

Neuigkeiten beim Film und im Studiobereich

Was den Studiobereich anbelangt, so wurde es wichtig, zur Automatisierung der Filmbearbeitung sowie der Aussteuerung den genauen Anfangspunkt jeder neuen Szene zu markieren. Als Verfahren für die Schnitterkennung wurde bisher ein abrupter Wechsel der mittleren Bildhelligkeit herangezogen. Neu vorgestellt wurde ein Gerät, das nach dem Prinzip des Halbbildvergleichs arbeitete. Dazu wurde das Videosignal zunächst auf 200 Hz bandbegrenzt; anschließend wurden zwei aufeinanderfolgende Halbbilder verglichen. Ein nachgeschaltetes Netzwerk aus Halbbildverzögerungen und Komparatoren diente zur Unterscheidung zwischen schnellen Bewegungen im Bild und Szenenwechseln. Mit dieser Methode ging die Anzahl der "Falscherkennungen" wesentlich - fast auf Null - zurück.

 

Gewissermaßen ein Paukenschlag war die Vorstellung der neuen 16-mm-Filmkamera "Arriflex 16 SR", die viele Jahre die wichtigste Kamera im Newsbereich - und nicht nur dort - wurde. Sie zeichnete sich gegenüber den bisherigen "Arriflex 16"-Kameratypen durch eine Konzeption aus, die geeignet war, dem 16-mm-Film im professionellen Aufnahmebereich neue Einsatzmöglichkeiten zu erschließen. Durch Berücksichtigung neuer konstruktiver Erkenntnisse entstand eine 16-mm-Filmkamera, die vor allem gekennzeichnet war durch schnelle Aufnahmebereitschaft, kompakte Bauweise, Mobilität und erweiterten, aber vereinfachten Bedienungskomfort.

 

Die neue Kamera (Bild 128) war die erste professionelle Filmkamera auf dem Weltmarkt, die vollkommen bedienungssymmetrisch aufgebaut war. Durch neue Erkenntnisse und Reduzierung der bewegten Getriebeteile konnte man das von der Kamera erzeugte Laufgeräusch so reduzieren, dass sich eine Selbstblimpung wie bei der "16 BL" erübrigte. Die Breite der Kamera einschließlich aller Armaturen war an keiner Stelle größer als 100 mm. Es ließe sich noch viel über die neue Kamera berichten, zum Beispiel über die ungewöhnlich bequeme und voll schwenkbare Sucherlupe und vieles mehr. Kurzum, es war eine Filmkamera, die "Geschichte schrieb".

 

Als Älterer neigt man zu der Behauptung, dass ja alles schon mal da gewesen sei. Und wenn wir gerade jüngst in der FKT ausführlich über die Mobilübertragung von Fernsehbildern über DVB-T aus dem Hubschrauber berichtet haben, so gab es dies auch schon 1976, natürlich analog. Anlässlich der Übertragung des "Großen Preises von Deutschland" auf dem Nürburgring 1975 hatte der Südwestfunk neben den stationären Kameras eine Fernsehkamera an Bord eines Hubschraubers eingesetzt. Um starke Feldstärkeeinbrüche zu vermeiden und auch Reflexionen, die die Qualität des Videosignals erheblich beeinflussten, benutzte man ein neues Übertragungssystem der Societé Français de Production (SFP).

Das Wesentliche dieses Systems war der speziell für derartige Aufnahmen entwickelte Sender und die Elektronik für die automatische Nachführung der beiden Antennen. Und am Ende des Erfahrungsberichts konnte man lesen, dass die mit dieser Anlage produzierten und übertragenen Fernsehbilder von einer Qualität waren, die jedem Vergleich mit Bildern von stationären Kameras standhielt (Bild 129).

1977 - Zeitcodeverfahren löst Pilottontechnik ab

1977 war ein unruhiges Jahr in Deutschland, gekennzeichnet durch viele terroristische Morde, an die gerade jüngst, also 30 Jahre danach, wieder erinnert wird. Schauen wir mal auf die Technik: So erreicht der sowjetische Eisbrecher "Artica" mit Kernkraftantrieb den Nordpol als erstes Überwasserschiff, das erste künstliche Herz außerhalb des Körpers wird erfolgreich eingesetzt, und erste erfolgreiche Probelandungen des US-Space-Shuttle- Raumtransporters werden absolviert.

Praktisch all diese Nachrichten, deren Bilder damals noch auf Film aufgenommen wurden, wurden nach dem Zweistreifen-Prinzip mit Pilottontechnik aufgenommen. Dabei trat an die Stelle der mechanischen Perforation beim Magnetfilm sozusagen eine magnetische Perforation, sodass man für die Aufnahme normales Tonband benutzen konnte.

 

Es blieb jedoch relativ mühsam und zeitraubend, die aufgebrachten Markierungen aufzufinden und einander zuzuordnen, weil die zueinander gehörenden Bild- und Tonteile nicht weiter gekennzeichnet waren. Die weiteren Überlegungen führten zu einem sogenannten Zeitcodeverfahren, das insbesondere vom Institut für Rundfunktechnik 1976 entwickelt und 1977 in der FKT ausführlich vorgestellt wurde. Es fand in kürzester Zeit allgemeine Anwendung und war noch im gleichen Jahr das bevorzugte Verfahren für die zweistreifige Tonfilm-Aufnahme und -bearbeitung.

Es ermöglichte aufnahmeseitig den völlig unabhängigen Mehrkamera- und Tonbandgerätebetrieb ohne Benutzung einer Klappe. Es bot bei der Bearbeitung am Schneidetisch durch vollautomatisches, bildgenaues Anlegen eine erhebliche Arbeitsvereinfachung. Letztendlich waren nicht unbeträchtliche finanzielle Einsparungen durch diese neue Technik zu erreichen (Bilder 130 und 131).

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