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Dokumente aus dem Nachlass des Günter Bartosch (2013†)

von Gert Redlich im Dez. 2015 - Günter Bartosch hatte sie alle aufgehoben, die Dokumente von vor über 70 Jahren, die belegen, so war es 1945 wirklich: "Der Weg aus 12 Jahren Diktatur in die Freiheit."
Und sie stimmen überein mit den Geschichten des Wolfgang Hasselbach, Professor Michael Hausdörfer, Eduard Rhein, Artur Braun, Herrman Brunner-Schwer und auch Max Grundig. Doch wohin damit ? Wo passen diese Zeitzeugen- Geschichten und -Bilder hin ? Mehr über berufliche Erlebnisse und seine ZDF-Zeit lesen Sie bei den Sendern.

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Aufzeichnung von einem Klassenkameraden

Aufgehoben analog zu den eigenen Erlebnissen.
Texte, Schreibmaschinenseiten und Bilder aufgearbeitet von Gert Redlich im Dezember 2015.
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Von meinem Klassenkamerad
Jan.- Feb. 1945 - Die letzte Rechtfertigung

Mein Klassenkamerad schreibt im Jan. oder Feb. 1945 : Wir bekennen uns zu Adolf Hitler und seiner Idee, dem Nationalsozialismus in seiner ursprünglichen Form, wie er im Programm der NSDAP verkörpert wird. Wir geben zu, dass von Seiten der nationalsozialistischen Führung Fehler gemacht worden sind, die das Ansehen des Nationalsozialismus schwer geschädigt haben. Die "Taten eines Himmler" (siehe weiter unten) verabscheuen wir genauso wie die übrige Welt. Wir sind jedoch der festen Überzeugung, dass A. H. nur den Frieden und das Wohl des Deutschen Volkes im Sinn hatte.
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Er musste jedoch scheitern, weil die kapitalistischen Westmächte im Nationalsozialismus eine Gefahr für ihr System sahen; H. hätte jedoch nicht mit dem Bolschewismus, der obwohl vom Nationalsozialismus als Todfeind betrachtet, mit diesen doch vieles gemeinsam hat, brechen sollen, denn dieses gab den Alliierten die Sowjetunion zum Verbündeten. Durch diese Koalition musste Deutschland zusammenbrechen.

Kapitulieren und Frieden schliessen ?

Wenn man heute H. den Vorwurf macht, dass er hätte beizeiten kapitulieren und Frieden schliessen sollen, so ist zu seiner Entschuldigung zu sagen, dass mit einem national- sozialistischen Deutschland keiner Frieden zu schliessen bereit war, sondern dass unsere Feinde, wie sie oft genug erklärten, zur endgültigen Vernichtung des Nazismus kämpfen wollten.

A.H. hätte also, um Frieden schliessen zu können, nicht nur selbst zurücktreten müssen, was ihm vielleicht aus Liebe zu seinem Volk ein Leichtes geworden wäre, sondern den gesamten Nationalsozialismus vernichten müssen, was aber für einen Mann wie A.H. eine Unmöglichkeit war.
Denn er hat Deutschland im Nationalsozialismus stark gemacht und für uns ist der National- sozialismus mit seinem Führungsprinzip die beste Lebensform.

"Sieg oder Untergang"

Er war daher gezwungen, die Devise "Sieg oder Untergang" zu wählen. Der Krieg musste fortgesetzt werden, wenn auch die Aussichten für einen Sieg immer geringer wurden. Aber "Was man nicht aufgibt, hat man nicht verloren" Hitler durchschaute die Versprechungen der Gegner, Deutschland zu schonen, wenn der Nazismus beseitigt sei, als übliche Lockung, genau wie Wilsons 14 Punkte im 1. Weltkrieg. Er sagte sich also, dass eine Unterwerfung genauso die Vernichtung nach sich ziehen würde wie eine heldenhafte Niederlage. Ob diese seine Folgerung richtig war, muß die Zukunft lehren. So weit der Text von  im jan./Feb. 1945.

Am 2. Januar 1945 war er gerade mal 16 Jahre alt

Mein Klassenkamerad war, als er dies 1945 schrieb, am 2. Januar sechzehn Jahre alt. Er war ein begeisteter Hitlerjunge, der an seinen "Führer" Adolf Hitler glaubte. Ob es Diskussionen mit seiner Mutter gab, die eine Gegnerin dieses Regimes war, ist nicht überliefert.

Dieser "Bericht" findet sich am Anfang eines "Wehrmachtmerkbuch 1945" in die Monate Februar und März mit einem Kopierstift eingetragen.

Himmlers Versuch eines Waffenstillstandes

Da mein Klassenkamerad als "Kurier" - ab März 1945 im Lager Basdorf - tätig war, nehme ich an, dass er schon in den Monaten Januar und Februar und dem beginnenden März 1945 "kriegswichtige" Dinge durch das "Deutsche Reich" mit der Reichsbahn transportierte. Himmler, der der Stellvertreter Hitlers war, versuchte im Februar oder März 1945 einen teilweisen Waffenstillstand mit den westlichen Alliierten, den Engländern und Amerikanern zu schliessen. Himmler nahm Kontakt mit dem Grafen Bernadotte auf, der aber diesen Vorschlag ablehnte. Durch diesen Versuch fiel Himmler bei Hitler in Ungnade.

Sicher bezieht sich der Satz: "Die Taten Himmlers verabscheuen wir genauso wie die übrige Welt" auf diesen Versuch und wohl auch auf Himmlers Wunsch, die Kämpfe der deutschen Soldaten nur noch gegen die damalige Sowjetunion einzuengen. Die Allierten liessen sich nicht (mehr) darauf ein.
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Die "KLV" - die Kinderlandverschickung

So beschränkten sich die Gedanken meines Klassenkameraden auf die Monate März und April 1945. Was das bedeutet, kann nur unsere Generation nachvollziehen, die 1928 bis etwa 1933 geboren wurde. Diese Generation, diese Jungen, die in der Hitlerjugend waren, die schon in der KLV-Zeit von 1940 an vormilitärisch erzogen wurden, waren zum grossen Teil glühende Anhänger Hitlers. Von den Eltern weggenommen, unter dem Versprechen, die Kinder - auch die Mädchen - aus den bombengefährdeten Gebieten des "Reichs" in sichere Gebiete zu bringen, kamen sie in die Hände der Nationalsozialisten.

Wie wir heute wissen, ist es in den KLV-Lagern nicht immer so gelaufen, wie die "Führung" es sich vorstellte: die Lehrer, die mit der HJ-Führung, sozusagen als zweite Kraft die Lager leiteten, haben nicht alle an diesem Strick gezogen.
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Besuch von der Wehrmacht und der SS - dem Vaterland helfen

Die Tannenberg Oberschule für Jungen in Lankwitz, die mit ihren Schülern im August 1943 Berlin in Richtung Tschechoslowakei verliess und vom Ankunftsort Prerau aus mit Aufenthalten durch etliche Orte Böhmen und Mährens bis nach Schüttenhofen (1945) zog, muss im Jahr 1944 schon von den Offizieren der Wehrmacht und/oder der SS besucht worden sein.

Der Jahrgang 1928 wurde schon aus den KLV-Lagern heraus"genommen" und zu Luftwaffen- helfern gemacht, mein Klassenkamerad (Jahrgang 1929) hat sich nachweislich zur Wehrmacht gemeldet. Immer mit dem ehrlichen Willen, seinem Führer Adolf Hitler in der Verteidigung seines Vaterlandes zu helfen.
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Indoktrination vom 10. Lebensjahr an

Vom 10. Lebensjahr an - also von 1939 an - standen diese Kinder unter dem Einfluss der Hitlerjugend. Mein Klassenkamerad, aus der bürgerlichen Schicht, ohne Eltern aus dem Widerstand zu haben, fand in der Gruppe seiner HJ-Kameraden etwas wie eine Heimat.

Ich schliesse nicht aus, dass er in den KLV-Lagern Heimweh und Sehnsucht nach seiner Mutter und Berlin hatte. Er wurde als Angehöriger dieser HJ anerkannt und hatte auch Befehlsgewalt. Er konnte mit Ausweisen und freier Fahrt mit der Reichsbahn durch das Land fahren.

Diese Fahrten müssen 1944 und 1945 durch Gebiete gegangen sein, die durch Bombenangriffe schwer beschädigt waren. Flüchtlings- und Verwundetentransporte müssen ihm begegnet sein. Vielleicht hat er Tieffliegerangriffe auf seine Züge erlebt.
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Es muss wie ein Hammer gewirkt haben

Der oben stehende Bericht zeigt mir, dass er entweder noch in Basdorf oder kurz vor dem Endkampf in Berlin angefangen hat, nachzudenken. Ich kenne aus der Literatur, heute, 50 Jahre nach diesem Geschehen, aus vielen Berichten seiner Generation, dass es wie ein Hammer gewirkt haben muss. Es war plötzlich nichts mehr da von dem, was fast ein Jahrzehnt war, Nichts mehr, woran man sich festhalten konnte, eine Leere.

April 1945 - das Ende

Dann der Versuch, festzuhalten, richtigzustellen und dann das Ende. Die Kriegsgefangenschaft in Landsberg/Warthe wird weiter auf meinen Klassenkameraden eingewirkt haben und als er im August 1945 in diese unsere völlig zerbomte und hungernde Stadt Berlin zurückkam, war alles auch in ihm zerstört.

Als die Mutter 1947 starb - Vedrängung

Auseinandergesetzt haben wird er sich nur mit sich allein, wenn er überhaupt dazu kam. Er musste im September wieder in die Schule, wurde krank, lag im Krankenhaus. Dann wurde die Mutter meines Klassenkameraden schwerkrank und starb 1947.

Im Dezember 1947 lernten er und seine Freunde im GYA-Club (der Club für „German Youth Activities“) in Lichterfelde Ost weitere Freunde und Freundinnen kennen. Kein Wort über die Vergangenheit. Wir hatten sie alle, diese Vergangenheit. Die Hitlerjugend, die Kinderlandverschickung, die Bomben, die Luftschutzkeller, die zerstörte Stadt, den Hunger. Kein Wort.
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1956 - Nie wieder Soldat sein

Nur in dem Moment 1956, als die Bundeswehr aufgestellt wurde, hörte ich von ihm: nein, nein - sein Jahrgang drohte noch einmal eingezogen zu werden, vielleicht brauchten sie die Älteren als Ausbilder? Nein, er wollte nicht noch einmal Soldat sein.

Politik-Studium und Eintritt in die SPD

Er hatte sich 1950 mit der Mündigkeit, damals noch mit 21 Jahren, der Sozialdemokratischen Partei angeschlossen, arbeitete während seines Studiums an der Hochschule für Politik im ASTA (Allgemeiner Studentenausschuss) mit. 195? fing er als wissenschaftlicher Assistent in der SPD-Fraktion im Bundestag in Bonn an zu arbeiten.
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Mehr als ein ganzes Leben lang "verdrängt"

Gesprochen haben wir über diese Zeit bis 1945 nur wenig oder gar nicht, daß wir fast alle in der KLV waren und der HJ angehörten, wussten wir, das war alles. Anfang der 80er Jahre erschien in allen grossen Tageszeitungen unter "Vermischtes": "Schüttenhofen 1945". Er muss es gelesen haben, ging aber nicht darauf ein. Ich las es nicht, er hat nie davon gesprochen.

Ein Freund sagte mir: "Was sollte er dazu sagen? Die Zeit war hinter ihm, er wollte nicht mehr davon sprechen!" - Gesprochen haben wir erst alle nach der Wiedervereinigung 1990, da war mein Klassenkamerad aber bereits tot. (Januar 1929 bis Mai 1985)
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