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Zehn-Punkte-Vorschlag des Senats von Berlin an die Ostberliner Verwaltung

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16. JUNI 1958

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  • 1. Freilassung der inhaftierten Verurteilten vom 17. Juni 1953 oder wenigstens Begnadigung der erkrankten politischen Häftlinge.
  • 2. Auskunft des Ost-Berliner Magistrats, Besuche West-Berliner Bürger bei ihren Verwandten in der Zone zu erleichtern, sowie Dauergenehmigungen für die Besuche von Friedhöfen in den Zonenrandgebieten an West-Berliner zu verteilen und den Bewohnern des Ostsektors erleichterte Reisegenehmigungen nach Westdeutschland zu gewähren.
  • 3. Ersatz der Wasserstraßen-Benutzungsgebühren durch eine Vereinbarung über den Ersatz etwa auftretender Schäden bei der Errichtung des Stauwerks in Geesthacht und Bitte um eine globale Regelung der jetzt geltenden Autobahn-Gebühren.
  • 4. Die Möglichkeit für Kleingärtner und Siedler der Randgebiete West-Berlins, die Grundstücke in Ost-Berlin wieder zu betreten, was seit 1952 untersagt ist
  • 5. Einstellung der aus politischen Gründen vor allem SPD-Mitgliedern gegenüber getroffenen Maßnahmen in Ost-Berliner Betrieben und Beseitigung der Erschwernisse für Grenzgänger in beiden Teilen der Stadt.
  • 6. Auskunft, ob die Verwaltung des Ostsektors bereit sei, sich bei den Behörden der sowjetischen Besatzungsmacht dafür einzusetzen, daß die an den Sektoren- und Zonengrenzen der Stadt in letzter Zeit verschärft vorgenommenen Taschen-und Personenkontrollen aufhören.
  • 7. Ungehinderter Vertrieb aller Zeitschriften und Zeitungen, die in beiden Teilen Berlins ausgegeben werden.
  • 8. Wiederherstellung des Telefonverkehrs in ganz Berlin.
  • 9. Wiederherstellung des durchgehenden Straßenbahn- und Omnibusverkehrs.
  • 10. Zusammenarbeit in städtebaulichen Fragen beim Wiederaufbau des Zentrums.

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Aus: „Der Tag" vom 17. Juni 1958.
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Berlin und die Not der Zone

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1. OKTOBER 1958

„... Bundestag und Bundesregierung sind mit dem ganzen deutschen Volk aufs tiefste beunruhigt, daß seit der Spaltung unseres Landes mehr als drei Millionen Menschen ihre mitteldeutsche Heimat verlassen mußten, von denen vom 1. Januar 1949 bis zum 31. August 1958 allein 2.123.610 einen Antrag auf Durchführung eines Notaufnahmeverfahrens gestellt haben. ...

Die von den Fraktionen gestellte Anfrage bezieht sich auf akute Zustände und auf Vorgänge, die sich aus der Fortdauer der Spaltung Deutschlands ergeben. Ihre Beantwortung und die Aussprache darüber erfolgt nicht zufällig in dieser Stadt, in der sich die Tragik der Deutschen mehr als in jeder anderen symbolisiert. Die Bevölkerung des geteilten Berlins - darauf wurde bereits vom Herrn Regierenden Bürgermeister dieser Stadt hingewiesen - erlebt Schicksal und Leiden der Menschen in der Zone unmittelbar. Hier findet der größte Teil der Flüchtlinge aus den mitteldeutschen Ländern ein erstes Asyl.

Vor den Augen und Ohren der Berliner offenbart sich die erschütternde Not der Menschen, die täglich zu Hunderten unter Zurücklassung der Heimat, von Hab und Gut, einströmen. Davon und von der Not unserer Landsleute im Machtbereich der kommunistischen Herrschaft auf deutschem Boden zu sprechen, kann in keiner Stadt sinnvoller sein als in Berlin. ..."

Aus der RegierungVerklärung des Bundesministers für gesamtdeutsche Fragen, Ernst Lemmer, vor dem Deutschen Bundestag auf der 41. Sitzung in Berlin am 1. Oktober 1958. - In: Das Gebot der Menschlichkeit, hrsg. vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen. Bonn/Berlin 1958, S. 10-11.
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Der sowjetische Vorstoß gegen Berlin

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10. NOVEMBER 1958

"Was ist denn nun nach all dem vom Potsdamer Abkommen übriggeblieben? Übriggeblieben ist faktisch nur das eine: der sogenannte Viermächte-Status Berlins, mit anderen Worten eine Lage, in der die drei Westmächte - die USA, Großbritannien und Frankreich - die Möglichkeit haben, in West-Berlin zu wirtschaften und diesen Teil der Stadt, der Hauptstadt der DDR, in eine Art Staat im Staate zu verwandeln. Unter Ausnutzung dieses Zustandes treiben sie von West-Berlin aus eine Wühlarbeit gegen die Deutsche Demokratische Republik, gegen die Sowjetunion und gegen andere Teilnehmerländer des Warschauer Vertrages. Darüber hinaus genießen sie noch das Recht eines unbehinderten Verkehrs zwischen West-Berlin und Westdeutschland, über den Luftraum, die Schienenwege, auf Auto- und Wasserstraßen der Deutschen Demokratischen Republik, die sie nicht einmal anerkennen wollen."
Ministerpräsident Chruschtschow im Sportpalast in Moskau am 10. November 1958, abgedruckt bei Heinrich von Siegler, Wiedervereinigung und Sicher-heit Deutschlands, S. 31.
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10. NOVEMBER 1958

"Die westliche Position in Berlin beruht nicht auf dem Potsdamer Abkommen, sondern auf dem Besatzungsrecht, das auf der bedingungslosen Kapitulation Deutschlands von 1945 basiert. Diese Position ist anerkannt in den Abkommen der Beratenden Europäischen Kommission (EAC), die 1943 mit den Sowjets abgeschlossen wurden, also zwei Jahre vor Potsdam. Dieses Abkommen regelten Arrangements für die unmittelbare Nachkriegsperiode.

Die alliierten Rechte auf Zugang nach Berlin wurzeln in dem Recht der Alliierten, Garnisonen in der Stadt aufrechtzuerhalten. In späteren Abkommen hat die Sowjetunion diese Zugangsrechte ausdrücklich anerkannt, z. B. in den Abkommen von New York und Paris des Jahres 1949 über die Beendigung der Berliner Blockade. Weder die Westmächte noch die Sowjetunion können einseitig ihre Verantwortung auf Grund dieser Abkommen aufkündigen.

Was Chruschtschow vorschlage, würde darauf hinauslaufen, daß die Westmächte West-Berlin den kommunistischen Machthabern in der Sowjetzone auf Gnade und Ungnade preisgeben würden. Dies würde allen westlichen Verpflichtungen, Berlin zu schützen, zuwiderlaufen.

Darunter z. B. der auf der Londoner Konferenz vom 1. Oktober 1954 übernommenen Verpflichtung der drei Westmächte, »einen Angriff auf Berlin, von welcher Seite er auch kommen möge, als einen Angriff gegen ihre Truppen und gegen sich selbst zu betrachten'."
Erklärung des britischen Außenministeriums vom 10. November 1958. Aus: „Telegraf" vom 11, November 1958.
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12. NOVEMBER 1958

„Die Äußerungen des sowjetischen Ministerpräsidenten Chruschtschow vom 10. November 1958 über den Viermächte-Status Berlins lassen darauf schließen, daß die Sowjetregierung erwägt, sich einseitig von internationalen Abmachungen loszusagen. Eine solche einseitige Aufsagung völkerrechtlicher Verpflichtungen wäre ein Bruch des geltenden Völkerrechts, der das Vertrauen in den Wert sowjetischer vertraglicher Zusagen ernstlich in Frage stellen müßte.

  • Anmerkung : Hier kommen die wiederholten Zweifel der erfahrenden Politiker und der Russlandkenner (Diplomaten) an irgendeiner Vertragstreue oder Verlässlichkeit der Russen zum Ausdruck.


Die Bundesregierung sieht sich zu der Feststellung veranlaßt, daß ein derartiges Vorgehen das deutsch-sowjetische Verhältnis in Mitleidenschaft ziehen muß. Darüber hinaus würden dadurch die bereits bestehenden weltpolitischen Spannungen in gefährlicher Weise verschärft werden. Die Sowjetunion müßte für eine solche Entwicklung die volle und alleinige Verantwortung tragen.

Die Westmächte haben die Verteidigung Berlins wiederholt zugesichert. Sie haben in Übereinstimmung mit der Bundesregierung immer wieder ihren Willen bekundet, an dem Viermächte-Status von Berlin festzuhalten und notfalls einer Bedrohung Berlins und der Lebensinteressen dieser Stadt, von welcher Seite sie auch kommen möge, zu begegnen. Die Bundesregierung, die Berliner Bevölkerung, das gesamte deutsche Volk und die ganze freie Welt vertrauen auf diese Erklärungen der Westmächte und auf den wirksamen Schutz, den ihre Garantien dem deutschen Volk gewähren."
Aus der Erklärung der Bundesregierung vom 12. November 1958. Aus: "Der Tagesspiegel" vom 13. November 1958.
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14. NOVEMBER 1958

„Die Rechte der Westmächte auf Zugang in Berlin rühren aus ihrem Recht auf Besetzung her, und sie werden durch zahlreiche Viermächte-Abkommen und -Abmachungen bestätigt. Die Rechte der Westmächte wurden von der Sowjetunion 1948 angegriffen. Nach dem Fehlschlag der Berliner Blockade wurde diese Frage von den Sowjets jedoch fallengelassen.

Die Rechte der Westmächte wurden nicht nur durch das New Yorker Abkommen vom 4. Mai 1949 und durch das Pariser Kommunique vom 20. Juni 1949, die den Status quo (vor der Blockade) wiederherstellen, sondern auch durch die seit dieser Zeit angewandte Praxis bestätigt.*
Aus der Erklärung des amerikanisdien State Department vom 13. November 1958. Aus: „Die Welt" vom 14. November 1958.
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Die Note der Sowjetunion

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27. NOVEMBER 1958

.... Tatsächlich wird heute von allen Abkommen über Deutschland zwischen den Alliierten nur eines eingehalten: das Abkommen über den sogenannten Viermächte-Status Berlins. .....

Der Viermächte-Status Berlins entstand seinerzeit im Zusammenhang damit, daß Berlin als Hauptstadt Deutschlands zum Sitz des Kontrollrates, der für die Verwaltung Deutschlands in der Anfangsperiode der Besatzung gegründet wurde, bestimmt worden war.

Dieser Status wurde von der Sowjetunion bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt gewissenhaft beachtet, obwohl der Kontrollrat bereits seit zehn Jahren nicht mehr existiert und in Deutschland schon seit langem zwei Hauptstädte bestehen. ...

Im Zusammenhang damit setzt die Regierung der UdSSR die Regierung der USA davon in Kenntnis, daß die Sowjetunion das Protokoll über das Abkommen zwischen den Regierungen der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken, der Vereinigten Staaten von Amerika und des Vereinigten Königreichs über die Besatzungszonen Deutschlands und über die Verwaltung von Groß-Berlin vom 12. September 1944 und die damit verbundenen Zusatz-Abkommen, einschließlich des zwischen den Regierungen der UdSSR, der USA, Großbritanniens und Frankreichs abgeschlossenen Abkommens über den Kontrollmechanismus in Deutschland vom 1. Mai 1945, das heißt, die Abkommen, deren Wirksamkeit für die ersten Jahre nach der Kapitulation Deutschlands berechnet waren, als nicht mehr in Kraft befindlich betrachtet ...

Auf Grund all dieser Überlegungen würde es die sowjetische Regierung für möglich halten, die West-Berlin-Frage gegenwärtig durch die Umwandlung West-Berlins in eine selbständig politische Einheit - in eine Freie Stadt - zu lösen, in deren Leben sich kein Staat, auch keiner der beiden bestehenden deutschen Staaten, einmischen dürfte.

In Anbetracht dessen beabsichtigt die sowjetische Regierung, im Laufe eines halben Jahres keine Änderung des gegenwärtig bestehenden Modus für militärische Transporte der USA, Großbritanniens und Frankreichs aus West-Berlin in die Bundesrepublik Deutschland vorzunehmen. ...

Sollte die genannte Frist nicht zur Erreichung einer entsprechenden Übereinkunft ausgenutzt werden, so wird die Sowjetunion durch ein Abkommen mit der DDR die geplanten Maßnahmen verwirklichen. Dabei ist daran gedacht, daß die Deutsche Demokratische Republik, wie auch jeder andere selbständige Staat, in vollem Umfange für die ihre Gebiete angehenden Fragen zuständig sein muß, d. h. daß sie ihre Souveränität zu Lande, zu Wasser und in der Luft ausüben muß.

Gleichzeitig werden alle bisherigen Kontakte zwischen den Vertretern der Streitkräfte und anderen offiziellen Personen der Sowjetunion in Deutschland und den entsprechenden Vertretern der Streitkräfte und anderen offiziellen Personen der USA, Großbritanniens und Frankreichs in Fragen, die Berlin betreffen, aufhören. .. ."

Aus der Sowjetnote an die drei Westmächte. Aus: „Neues Deutschland" vom 28. November 1958. - Heinrich von Siegler, Wiedervereinigung und Sicherheit Deutschlands, S. 269 ff.
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14. DEZEMBER 1951

„Die Außenminister Frankreichs, der Bundesrepublik Deutschland, des Vereinigten Königreichs und der Vereinigten Staaten traten am 14. Dezember 1958 in Paris zusammen, um die Entwicklung der Berliner Lage während des vergangenen Monats sowie die von der Sowjetunion am 27. November an ihre Regierungen gerichteten Noten zu erörtern.

Die Außenminister hatten Gelegenheit, einen mündlichen Vortrag über die Lage Berlins von dem Regierenden Bürgermeister, Herrn Willy Brandt, entgegenzunehmen.

Die Außenminister Frankreichs, des Vereinigten Königreichs und der Vereinigten Staaten bestätigen nochmals die Entschlossenheit ihrer Regierungen, ihre Position und ihre Rechte in bezug auf Berlin und das Recht auf freien Zugang dorthin zu wahren. Sie hielten eine einseitige Aufhebung der gegenüber den Regierungen Frankreichs, des Vereinigten Königreichs und der Vereinigten Staaten mit Bezug auf deren Anwesenheit in Berlin und die Freiheit des Zuganges dorthin bestehenden Verpflichtungen durch die Sowjetunion für unannehmbar. Das gleiche gilt, nach ihrer Auffassung, für die Ersetzung der Sowjetregierung durch deutsche Behörden der sowjetisch besetzten Zone. ..."
Aus dem Kommunique* der Pariser Außenminister-Konferenz vom 14. Dezember 1958, abgedruckt bei Heinrich von Siegler, Wiedervereinigung und Sicherheit Deutschlands, 4. Auflage, S. 104.
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16. DEZEMBER 1958

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  • „1. Der Nordatlantik-Rat hat die Berlin-Frage untersucht.
  • 2. Der Rat erklärt, daß kein Staat das Recht besitzt, sich einseitig seiner internationalen Verpflichtungen zu entledigen. Er ist der Auffassung, daß die Aufkündigung der interalliierten Vereinbarungen über Berlin durch die Sowjetunion in keiner Weise die anderen Partner der Verträge der Rechte berauben kann, die ihnen durch die Verträge gegeben werden, oder die UdSSR aus ihren Verpflichtungen zu entlassen vermag. Er erklärt, daß solche Verhaltensweisen das gegenseitige Vertrauen zwischen den Nationen zerstören, das eines der Fundamente des Friedens ist.
  • 3. Der Rat schließt sich vorbehaltlos den Meinungen an, die die Regierungen der Vereinigten Staaten, des Vereinigten Königreichs, Frankreichs und der Bundesrepublik Deutschland über diese Angelegenheit in ihrer Erklärung vom 14. Dezember ausgesprochen haben.
  • 4. Die von der sowjetischen Regierung ausgesprochenen Maßnahmen haben eine ernste Situation herbeigeführt, der man mit Entschiedenheit begegnen muß.
  • 5. Der Rat erinnert an die Verantwortlichkeiten, die jeder der Mitgliedstaaten der NATO übernommen hat, sowohl was die Sicherheit und das Wohlergehen Berlins, als auch was die Aufrechterhaltung der Positionen der drei Mächte in dieser Stadt anbetrifft. Die Mitgliedstaaten der NATO können eine Regelung der Berlin-Frage nicht akzeptieren, die das Recht der drei Mächte auf Verweilen in Berlin entsprechend ihren Verantwortlichkeiten in Frage stellt und die Freiheit des Verkehrs zwischen dieser Stadt und der freien Welt nicht sicherstellt. Die Sowjetunion wird für jegliche Aktion verantwortlich sein, die zur Folge eine Begrenzung dieses Rechts oder eine Gefährdung dieser Freiheit hat. Zwei Millionen Einwohner von West-Berlin haben durch ihre freie Wahlabgabe gerade erneut ihre Zustimmung und ihr völliges Einverständnis mit dieser Haltung bekundet.
  • 6. Der Rat ist der Meinung, daß die Berlin-Frage nur im Rahmen einer Vereinbarung mit der UdSSR über das gesamte deutsche Problem gelöst werden kann. Er erinnert daran, daß sich die Westmächte wiederholt bereit erklärt haben, dieses Problem zu untersuchen, ebenso wie das der europäischen Sicherheit und der Abrüstung. Sie sind immer bereit, all diese Probleme zu diskutieren."


Aus dem Berlin-Kommunlque der Pariser Außenminister-Tagung der NATO vom 16. Dezember 1958, abgedruckt bei Heinrich von Siegler, Wiedervereinigung und Sicherheit Deutschlands, 4. Aullage, S. 105.
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es geht weiter .....

.... Der oben dargelegte historische Überblick zeigt einwandfrei auf, daß die Rechte der Vereinigten Staaten in Deutschland und in Berlin in keiner Weise von einer Duldung oder Hinnahme seitens der Sowjetunion abhängen. Diese Rechte resultieren aus der totalen Niederlage des Dritten Reiches und der darauf folgenden Übernahme der obersten Regierungsgewalt in Deutschland.

Diese Niederwerfung und diese Übernahme der Machtbefugnisse wurden als gemeinsame Unternehmen durchgeführt, bei denen allen Beteiligten gleicher Rang zukam. Die Rechte jeder Besatzungsmacht existieren unabhängig voneinander und bilden die Grundlage für die verschiedenen Abkommen, in denen die Gebiete und die Methoden, durch die diese Rechte ausgeübt werden sollen, festgelegt werden. Aus dieser Tatsache ergeben sich zwei wichtige Konsequenzen.

Zunächst einmal ändern sich die spezifischen Rechte, die aus dem Abkommen über Besatzungszonen und über den Status von Berlin herrühren, weder in ihrer Natur noch in ihrem Ausmaß. Das Recht jeder Macht, als Besatzung in Berlin zu sein, ist dem Recht einer jeden Macht, als Besatzung in ihrer Zone zu sein, gleichrangig. Ferner ist das Recht der drei Westmächte auf freien Zugang nach Berlin als eine unerläßliche logische Folge ihres dortigen Besatzungsrechts vom gleichen Rang wie das Besatzungsrecht selbst.

Die Sowjetunion hat den Westmächten die Rechte für den Zugang nach Berlin nicht verliehen. Sie übernahm ihre Besatzungszone unter der Voraussetzung des Bestehens dieser Zugangsrechte. Wenn dies nicht der Fall wäre und der Grundsatz gemeinsamer und gleicher Rechte nicht zuträfe, dann könnten zum Beispiel die Vereinigten Staaten jetzt von der Sowjetunion fordern, sich aus dem Teil der sowjetischen Zone zurückzuziehen, der ursprünglich von amerikanischen Truppen besetzt worden war, und ihrerseits die Kontrolle über dieses Gebiet verlangen.

Da zweitens die Rechte auf Besatzung und auf Zugang nicht von der Sowjetunion herrühren, haben die Sowjets keinerlei Befugnis, diese Rechte durch Aufkündigung von Aufkommen oder durch die vorgebliche Übertragung der Kontrolle über sie an Dritte aufzuheben.

Die Sowjetunion kann diese Rechte nicht dadurch beeinträchtigen, daß sie Abkommen für null und nichtig erklärt, da die Rechte unabhängig von der Sowjetunion bestehen. Die Sowjetunion kann diese Rechte auch dadurch nicht beeinträchtigen, daß sie erklärt, sie fielen unter die Souveränität, die sie - wie sie behauptet - ihrem Marionettenregime in Ostdeutschland übertragen hat, weil wiederum diese Rechte auch weiter bestehen bleiben, unabhängig von jeder Handlung seitens der Sowjets.

Gleichgültig, welche Beziehungen das ostdeutsche Regime zu den Sowjets unterhalten mag, so kann es in keinem Fall eine Befugnis in der (Berliner) Sowjetzone übernehmen, die die Sowjets überhaupt nicht übertragen können."

Aus dem Memorandum des US-State-Departments zur Berlin-Frage vom 20. Dezember 1958, abgedruckt bei Heinrich von Siegler, Dokumentation zur Deutschlandfrage I-III. Bonn-Wien-Zürich, 2. Auflage 1961. Bd. II, S. 56 ff.
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Die Wahlen in West-Berlin

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7. DEZEMBER 1958

An den Wahlen haben sich die Kommunisten beteiligt. Bei einer Wahlbeteiligung von 92,9 Prozent gaben 1.616.508 West-Berliner ihre Stimme ab. Davon entfielen:

SPD 52,6 Prozent,
CDU 37,7 Prozent,
kleine Parteien 7,8 Prozent,
SED 1,9 Prozent.

Aus: "Telegraf" vom 9. Dezember 1958.

Berlin auf der Genfer Konferenz der Außenminister

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14. MAI 1959

„Hinsichtlich Berlins würden die Vier Mächte folgendes vereinbaren:

  • a) Berlin ist eine einheitliche Stadt und gehört ganz Deutschland. Ost- und West-Berlin sollten deshalb durch freie Wahlen vereinigt werden, die unter Viermächte- oder UNO-Über-wachung abzuhalten wären. Ein freigewählter Rat für ganz Berlin würde bis zur Verwirklichung der deutschen Wiedervereinigung und als ein erster Schritt auf diesem Wege gebildet werden. Auf diese Weise würde Berlin als künftige Hauptstadt einem wiedervereinigten Deutschland vorbehalten werden.
  • b) Vorbehaltlich der obersten Weisungsbefugnis der Vier Mächte (mit einem Abstimmungsverfahren, wie es von den alliierten Behörden in Wien angenommen wurde) würde der freigewählte Berliner Rat die Stadt nach eigenem Ermessen verwalten können.
  • c) Die Freiheit und Unverletzlichkeit der wiedervereinigten Stadt Berlin und der Zugang dorthin würden von den Vier Mächten garantiert, die auch weiterhin das Recht hätten, wie im gegenwärtigen Zeitpunkt, Streitkräfte in Berlin zu stationieren.
  • d) Die Vier Mächte würden die erforderlichen Schritte unternehmen, um während der ersten und zweiten Stufe des Stufenplans die in den Buchstaben a bis c beschriebenen Maßnahmen auszuführen."


Aus dem Westlichen Friedensplan, vorgelegt von dem amerikanischen Außenminister Herter am 14. Mai 1959. Abgedruckt bei Heinrich von Siegler, Wiedervereinigung und Sicherheit Deutschlands, 4. Aufl. 1960, S. 136 t.
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19. JUNI 1959

"Auf Grund des auf unserer Konferenz gepflogenen Meinungsaustausches und unter Berücksichtigung der von den Westmächten vorgebrachten Erwägungen ist die sowjetische Regierung der Auffassung, daß es durchaus möglich ist, eine annehmbare Grundlage für eine Übereinkunft in der Berlin-Frage und in der Frage eines Gesamtdeutschen Ausschusses zu finden.
Die Vereinbarung über den vorläufigen Status West-Berlins müßte nach Ansicht der sowjetischen Regierung eine Übereinkunft über folgende Punkte enthalten:

Über die Verminderung der Besatzungstruppen der Westmächte in West-Berlin auf symbolische Kontingente;
über die Einstellung der von West-Berlin aus gegen die DDR und andere sozialistische Staaten betriebenen Wühltätigkeit; über die NichtStationierung von Atom- und Raketenwaffen in West-Berlin.
über diese Maßnahmen hinsichtlich West-Berlins sollten wir uns also in erster Linie einigen.

Die Frage der Geltungsdauer dieser Vereinbarung ist für uns weder eine wesentliche noch eine grundsätzliche Frage. Die sowjetische Regierung ist der Ansicht, daß es unmöglich ist, bis ins Unendliche die Friedensregelung mit Deutschland hinauszuzögern und das Besatzungsregime in West-Berlin aufrechtzuerhalten.

Falls die von der sowjetischen Regierung genannte Frist von einem Jahr den Westmächten nicht zusagt, kann man sich über eine andere für alle Beteiligten annehmbare Frist einigen. Während der Konferenz wurde seitens der Westmächte eine bestimmte Frist für die Arbeit des Gesamtdeutschen Ausschusses genannt, und zwar zweieinhalb Jahre. Wir haben eine einjährige Frist vorgeschlagen. Jetzt müssen wir versuchen, einen Mittelweg zu finden und eine einvernehmliche Lösung zu erzielen.

Wir glauben, daß man sich auf eine Frist von anderthalb Jahren einigen könnte. Wir sind davon überzeugt, daß, wenn wir zu einem Einvernehmen in den wesentlichen, prinzipiellen Fragen gelangen, bei der Vereinbarung der erforderlichen Fristen keine Schwierigkeiten auftreten werden... ."

Aus den sowjetischen Vorschlägen vom 19. Juni 1959. Am Tage darauf wurde die Außenministerkonferenz für drei Wochen wegen der Meinungsunterschiede in der Berlin-Frage vertagt. Abgedruckt bei Heinrich von Siegler, Wiedervereinigung und Sicherheit Deutschlands, 4. Auil. 1960, S. 144.
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28. JULI 1959

„Am 28. Juli 1959 tauschten die Delegationen der Westmächte mit der Delegation der Sowjetunion Arbeitspapiere über ihre Standpunkte zu einem Interimsabkommen über Berlin aus. Die Arbeitspapiere wurden nicht veröffentlicht.

Das westliche Arbeitspapier stützte sich im wesentlichen auf den westlichen Berlin-Plan vom 16. Juni 1959, der jedoch durch zwei Zusätze ergänzt wurde, und zwar erstens durch eine Revisionsklausel, die das Übergangsabkommen nicht mehr wie bisher unbefristet läßt, sondern vorsieht, daß die Außenminister nach einem Zeitraum von fünf Jahren, falls die Wiedervereinigung Deutschlands nicht zustandegekommen ist, auf Wunsch auch nur einer der Mächte nochmals zusammentreffen sollten, um die Lage neuerlich zu begutachten, und zweitens durch die von Herter am 16. Juli vorgeschlagene Einschaltung der Vereinten Nationen in beiden Teilen Berlins zwecks Überwachung subversiver Tätigkeit.

Das sowjetische Arbeitspapier sah eine Interimslösung für Berlin für 18 Monate vor. In der Präambel wird festgestellt, daß die Vier Mächte Maßnahmen zur Änderung der Lage in Berlin vereinbart hätten. Die Truppen der Westmächte in West-Berlin sollten auf eine symbolische Zahl reduziert werden und eine Gesamtstärke von 3000 bis 4000 Mann nicht überschreiten. (Der westliche Plan sieht demgegenüber eine Belassung der Streitkräfte auf dem gegenwärtigen Stand von etwa 11.000 Mann vor, wobei er eine Reduktion dieser Zahl zu einem späteren Zeitpunkt als möglich in Aussicht stellt.)

Das sowjetische Arbeitspapier sieht ebenso wie das westliche Arbeitspapier vor, daß die in West-Berlin stationierten Truppen nicht mit Atomwaffen ausgerüstet und daß in Berlin auch keine Atomwaffen gelagert werden sollen. Die drei Westmächte sollen sich verpflichten, gemeinsam mit der Sowjetunion Maßnahmen zu treffen, damit das Gebiet von West-Berlin nicht für eine Wühltätigkeit gegen die Sowjetunion, die ,DDR' und andere sozialistische Staaten mißbraucht werden könne und damit gegen diese Staaten auch keine feindselige Propaganda betrieben werde.

Die ,DDR' würde sich durch eine einseitige Erklärung gleichfalls zu einer Enthaltung von subversiver Propaganda verpflichten. (Das westliche Arbeitspapier verlangt hingegen eine Überwachung subversiver Tätigkeit durch die UN in beiden Teilen Berlins.) Die Westmädite sollen von der Erklärung der Sowjetregierung Kenntnis nehmen, daß sie für die Dauer des Abkommens (18 Monate) den Zutritt der Westmädite nach West-Berlin gewährleisten werde. (Die Westmädite verlangen dieses Recht unbefristet.)

In dem sowjetischen Arbeitspapier wird schließlich die Bildung eines Gesamtdeutschen Ausschusses auf Basis der Parität verlangt, was die Westmächte ablehnen. Der Gesamtdeutsche Ausschuß oder eine andere für beide Seiten akzeptable Form gesamtdeutscher Verhandlungen soll sich mit der Ausarbeitung eines Friedensvertrages, der endgültigen Lösung der Frage Berlins, Schritte zur Wiedervereinigung und der Verbesserung der Kontakte befassen. Der Ausschuß soll einstimmige Beschlüsse fassen.

Eine Einigung auf Grund der beiden Arbeitspapiere kam nicht zustande."
Aus; Heinrich von Siegler, Wiedervereinigung und Sicherheit Deutschlands, 4. Aufl. 1960, S. 147.
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5. AUGUST 1959

„Die Außenminister-Konferenz tagte vom 11. Mai bis zum 20. Juni und vom 13. Juli bis zum 5. August 1959 in Genf. Die Konferenz prüfte Deutschland betreffende Fragen einschließlich eines Friedensvertrages mit Deutschland und der Berlin-Frage. Die Standpunkte der Konferenzteilnehmer über diese Fragen wurden dargelegt. Es fand eine freimütige und umfassende Aussprache über die Berlin-Frage statt. Die Standpunkte beider Seiten über gewisse Punkte haben sich genähert.
Die stattgehabten Erörterungen werden für die weiteren Verhandlungen nützlich sein, welche erforderlich sind, um eine Einigung zu erzielen."
Abschlußkommunique. Aus: "Telegraf" vom 6. August 1959.
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Die Pariser Gipfelkonferenz

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17. MAI 1960

„Der Präsident der Vereinigten Staaten, der Präsident der Französischen Republik und der Premierminister des Vereinigten Königreichs nehmen von der Tatsache Kenntnis, daß es auf Grund der vom Vorsitzenden des Ministerrats der Sowjetunion eingenommenen Haltung nicht möglich gewesen ist, auf der Gipfelkonferenz mit der Überprüfung der Probleme zu beginnen, die - wie vereinbart- von den vier Staats- und Regierungschefs erörtert werden sollten.

Sie bedauern, daß diese Erörterungen, die für den Weltfrieden so wichtig sind, nicht stattfinden konnten. Sie blieben ihrerseits unerschüttert in ihrer Überzeugung, daß alle offenen internationalen Fragen nicht unter Anwendung von Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt, sondern mit friedlichen Mitteln auf dem Verhandlungswege gelöst werden sollten. Sie selbst sind weiter bereit, an derartigen Verhandlungen zu jedem geeigneten zukünftigen Zeitpunkt teilzunehmen."
Kommunique der drei Regierungschefs der Westmächte nach dem Scheitern der Pariser Gipfelkonferenz. Aus: "Europa-Archiv", 15. Jg. Folge 11 vom 5. Juni i960, S. D 145.
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21. MAI 1960

„Wir möchten glauben, daß die Gipfel-Konferenz in sechs bis acht Monaten stattfinden wird. Unter diesen Bedingungen hat es Sinn, noch etwas zu warten und zu versuchen, durch gemeinsame Anstrengungen aller vier Siegermächte eine Lösung für die längst herangereifte Frage der Unterzeichnung eines Friedensvertrages mit beiden deutschen Staaten, die jetzt real existieren, zu finden....

Deshalb wird man in bezug auf den deutschen Friedensvertrag und dabei auch in der Frage West-Berlins offensichtlich die bestehende Lage bis zum Treffen der Regierungschefs beibehalten müssen, das - wie man annehmen sollte - in sechs bis acht Monaten stattfinden wird."

Aus einer Rede Chruschtschows in Berlin im Anschluß an die Pariser Konferenz. Aus: „Neues Deutschland" vom 21. Mai 1960.
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