Begegnung mit dem "Messias" (gemeint war Adolf Hitler)
.
Der allmähliche Aufstieg der Nationalsozialisten
Die Innenpolitik war für Milch von Anfang an ein Buch mit sieben Siegeln. Nie hatte er einer Partei angehört, denn sie alle schienen ihm so ziemlich die gleichen Versprechungen zu machen, bevor sie sie brachen.
- Anmerkung : Leider ist da auch heute noch so - insbesondere im Frühjahr 2025
Zunächst hatte ihn der allmähliche Aufstieg der Nationalsozialisten nicht sehr beeindruckt. Im Laufe der Jahre hatte Milch beobachtet, daß es der Regierung seit 1918 nicht gelungen war, die zunehmende Arbeitslosigkeit zu beseitigen.
»Wir warteten auf eine Führung, die Arbeit und Brot schaffte, die die soziale Frage löste und den Arbeiter seinem Volk zurückgewann.«
- Anmerkung : Diese obige rückblickende (und glaubwürdiger) Aussage habe ich in vielen Biografien und Rückblenden sowie in Fachbüchern über Rundfunk, Film und Fernsehen und in anderen historischen Büchern unterschiedlichster Coleur gefunden, ganz besonders bei den Büchern über die AEG, Telefunken, Krupp und Thyssen.
.
Das Problem . die vielen politischen Parteien im Reichstag
Die vielen politischen Parteien schienen im Reichstag ebenso leistungsschwach, wie es die zahlreichen Fluggesellschaften in der Verkehrsfliegerei zu Beginn der zwanziger Jahre gewesen waren.
Jetzt wie damals gehörte Milchs Aufmerksamkeit den beiden Hauptbewerbern um die Macht, und fasziniert beobachtete er, wie sich die Arbeiter und Angestellten von ihrer bisherigen Überzeugung von der Unvermeidlichkeit des Kommunismus lösten, und wie die Nationalsozialisten immer mehr Anhänger gewannen. Er selbst fand, daß er ja schon immer national und sozial empfunden habe.
.
Der Frontmann der NSDAP - Herrmann Göring
Göring war der erste der führenden Nationalsozialisten, den Milch persönlich kennenlernte. Zweifellos nahm ihn die Intelligenz und der Charme des eleganten Reichstagsabgeordneten gefangen. Milch imponierte Görings geschickte und überzeugende Art während der Debatten über den Luftfahrt-Etat.
»Es war erstaunlich, wie schnell er alle Verhältnisse überschaute und aus reinen Darlegungen den Extrakt zog.«
Von Adolf Hitler sprach Göring immer mit Ehrfurcht und Begeisterung, sonst erwähnte er Parteiangelegenheiten nie und unternahm auch keinen Versuch, Milch zu beeinflussen.
Als die Nationalsozialisten 1930 die ersten Wahlsiege errangen, hoffte Milch, daß die Machtverteilung klarer werden und die Regierung folglich ein positiveres Programm formulieren würde.
.
Der erste Eindruck von Hitler
Am 13. Oktober 1930 wurde der Reichstag unter starken Tumulten wieder eröffnet. Am Abend dieses Tages wurde Milch - wie schon mehrfach zuvor - von Göring eingeladen. Dieses Mal aber war es anders als sonst.
Hitler war da und viele seiner Anhänger - Milch sah Joseph Goebbels, Rudolf Hess und ungefähr ein Dutzend Adlige.
Hitler unterhielt sich mit Milch über dessen Arbeit bei der Lufthansa und über die Entwicklung des deutschen Luftverkehrs. Milch war von Hitlers Bescheidenheit, Freundlichkeit, Klarheit und Intelligenz sehr beeindruckt, und vor allem faszinierte ihn das Programm, das Hitler darlegte.
- Anmerkung : Diese obige Beschreibung ist durchaus plausibel, wenn man die Rede Hitlers im Reichstag (am 21. März 1933) nach seiner Wahl zum Regierungschef nachliest.
weiter im Originaltext :
Rückschauend wird deutlich, daß Görings Einladung an Milch keine beiläufige Höflichkeit war; es liegt auf der Hand, daß sich Hitler darauf vorbereitete, dem Lufthansa Direktor eine geeignete Position anzubieten.
Die Lufthansa bestimmte von jetzt an den Weg der Entwicklung
Die Lufthansa, die ihre finanzielle Krisenzeit überwunden hatte, erteilte Anfang 1930 der Flugzeugindustrie Aufträge im Werte von 8,6 Millionen Reichsmark. Eine große Flugzeugfabrik, die am Leben bleiben wollte, mußte sich also nach den Wünschen Milchs richten.
Mit dieser Tatsache mußte sich schließlich auch Professor Junkers abfinden. Zu Milchs Ärger hatte das Dessauer Werk in 1928 ein einmotoriges Flugzeug, die Ju 52, konstruiert und gebaut. Ingenieur Ernst Zindel wollte die Maschine mit einem 650 PS-Motor ausstatten, von dem es bis dahin nur Prototypen gab.
.
Milch wollte unbedingt eine JU 52 mit 3 Motoren
Milch wurde zur Erprobung des Flugzeuges eingeladen. Die Kabine und die sonstige Bauart der Zelle entsprachen seinen Vorstellungen, aber er gab Junkers und dem BMW-Generaldirektor Popp zu verstehen, daß ihn nur eine dreimotorige Ausführung interessiere.
Professor Junkers war entschieden dagegen, aber Popp, der eine Reise nach Amerika plante, erklärte sich bereit, dort nach einem geeigneten Motor von etwa 500 PS Ausschau zu halten.
.
Der »Hornet R-1690«-Motor von Pratt & Whitney
In den Vereinigten Staaten entdeckte Popp den neuen »Hornet«-Motor von Pratt & Whitney, der für Milchs Projekt hervorragend geeignet war.
Milch telegrafierte Popp, sich die Herstellungsrechte für BMW in Deutschland zu sichern. Dr. Schatzki konstruierte die Ju 52 um; seine Ausführung wurde von drei Hornets angetrieben.
.
- Anmerkung : Pratt & Whitney produzierte insgesamt 2.944 Motoren dieses Typs von 1926 bis 1942. BMW kaufte eine Lizenz bereits im Januar 1928 und baute später in Lizenz diesen luftgekühlten 9 Zylinder Stern-Motor für 4.800 Dreimotorige Junkers JU52, also über 15.000 Stück dieses Motors.
.
Die Pläne für dieses Flugzeug, die Ju 52/3m, wurde 1931 der Deutschen Versuchsanstalt für Luftfahrt zur Genehmigung vorgelegt. Professor Junkers lehnte noch immer jede Zusammenarbeit ab.
Seine Devise war: »Wir richten uns nicht nach den Wünschen der Hansa, sondern nach denen des Weltmarktes!«
.
Junkers in Dessau war im Prinzip Pleite
So wäre es weitergegangen, wenn das Dessauer Werk zu dieser Zeit nicht von der nun fast alljährlich eintretenden Finanzkrise bedroht worden wäre.
Klaus Junkers, der ruhige und kluge Sohn des Professors, bemühte sich um ein Gespräch mit Milch und bat ihn, die Firma auszulösen: »Heute mittag gehen eine Million Reichsmark zu Protest.«
Milch erklärte sich einverstanden, aber nur unter der Bedingung, daß die Junkers-Werke die dreimotorige Ju 52 für die Lufthansa bauten. Auf Milchs Rat rief Klaus Junkers seinen Vater in Dessau an. Die Antwort war eine glatte Weigerung.
.
Milch und die Lufthansa waren in der besseren Position
Milch rief seinen kaufmännischen Prokuristen, Walter Luz, an: »Bitte machen Sie doch mal einen Vertrag ganz kurz fertig über eine Bestellung, sagen wir mal, von elf dreimotorigen Flugzeugen Ju 52 und daraufhin als Anzahlung per sofort heute einen Scheck über eine Million Mark.«
Binnen einer halben Stunde war Luz in Milchs Büro. Der Direktor zeigte dem jungen Junkers den Scheck und erinnerte ihn daran, daß die Flugzeugwerke in vierzig Minuten zahlungsunfähig sein würden. Noch einmal rief Klaus Junkers seinen Vater an, und nach langem Widerstreben gab der alte Flugzeugbauer nach.
.
Die Ju 52 wurde ein Welterfolg
Techniker der Lufthansa kontrollierten jede Phase der Produktion des neuen Flugzeugs. Milch schickte einen seiner besten Flugkapitäne, Willy Polte, wenige Monate später zur Erprobung.
Von der Ju 52, die zu Recht als das sicherste Flugzeug der Welt galt, wurden bis Kriegsende insgesamt 4.845 Maschinen gebaut. Dreißig Gesellschaften in 25 verschiedenen Ländern machten sie zu ihrem Standard-Mittelstreckenflugzeug.
Die Strecken zwischen den großen Industriezentren der Welt
Das erste Land, das auf den Strecken zwischen den großen Industriezentren der Welt Fuß fassen konnte, würde zweifellos einen wirtschaftlichen Vorteil erringen. Das war Milchs Ziel für die Lufthansa.
Auf den IATA-Konferenzen, die alle sechs Monate stattfanden, traf er seine Kollegen von den anderen im Ausbau befindlichen Fluggesellschaften - Großbritanniens Imperial Airways, Juan Trippes Pan-American Airways, Air France und viele andere - und er zog Vergleiche zwischen der Lufthansa und der technischen Leistungsfähigkeit dieser ausländischen Gesellschaften.
Vor allem wollte er im Westen zunächst die wichtige Südatlantik-Strecke für die Lufthansa erobern und im Osten die Strecke über die Sowjetunion nach China.
Die Methode blieb immer dieselbe: Bildung einer bilateralen Gesellschaft, mit gleichen Anteilen für die Lufthansa und die Gesellschaft des anderen Landes. Anfang 1930 unterzeichnete Milch einen Vertrag für Postflüge zwischen Berlin und Ankara.
.
Die Luftpost nach Rio de Janeiro in 5 Tagen
Bei weitgehender Verwendung von Flugzeugen auf beiden Seiten des Atlantiks benötigte jetzt ein Brief von Berlin nach Rio de Janeiro nicht mehr drei Wochen, sondern nur noch elf Tage, später sogar nur noch fünf.
Noch in diesem Jahr tankte eine von Noack, einem der erfahrensten Lufthansa-Piloten, geführte G24 als erstes Flugzeug der Welt während des Fluges auf.
Mitte September 1930 brachte die Lufthansa eine neue Gesellschaft zur Welt, die »Eurasia« Aviation Company, die das ferne Ende der geplanten Luftverkehrsstrecke über die Sowjetunion nach China betreiben sollte.
Chiang kaisheks Regierung hielt zwei Drittel der Aktien (die Hälfte treuhänderisch für die noch mißtrauischen und zögernden Russen), die Lufthansa besaß den Rest.
.
Die Lufthansa kaufte sogar 4 Dampfer
Für die Atlantik-Luftpoststrecken kaufte Milch vier Dampfer von je etwa 10.000 BRT, rüstete sie mit Flugzeug-Katapulten aus und ließ sie quer über den Südatlantik als schwimmende Relaisstationen auf Posten ziehen. Von Stuttgart schafften Landflugzeuge die Post über Genf nach Britisch-Gambia an der Westküste Afrikas.
Dort nahm eines der vier Schiffe die Post an Bord und fuhr bis zum Morgengrauen nach Westen. Dann wurde ein Dornier »Wal«-Flug-boot - mit der Post an Bord - katapultiert. Noch am selben Abend landete die Maschine im brasilianischen Pernambuco, dort wurden die Postsäcke für den Lufttransport nach Rio, Buenos Aires und Chile von dem Condor-Syndikat übernommen.
.
Und es ging noch schneller
Manchmal trafen sich die Flugzeuge mitten auf dem Atlantik mit einem der Schiffe, wasserten in der Nähe, tankten auf und ließen sich dann zu ihrer nächsten Etappe auf dem Weg nach Amerika in die Luft katapultieren. Die mutigen Männer, die diese Südatlantik-Strecken eroberten - Otto Bertram als Leiter der Lufthansa-Seefliegerabteilung, Paul Moosmayer als Manager im Westen und die Flugzeugbesatzungen, darunter der Pilot Hammer -, schufen sich in diesen Jahren ihren eigenen Platz in der Geschichte des Luftverkehrs.
Neu - der Technische Beirat der Lufthansa
Um das technische Wissen der Lufthansa zu erweitern, gründete Milch einen Technischen Beirat von Hochschulprofessoren, Industrietechnikern und anerkannten Piloten, die Wettbewerbe für Flugzeug- und Flugmotorenkonstrukteure veranstalteten.
Hier wurde die Idee für das erste deutsche Schnellverkehrsflugzeug geboren: die Heinkel 70, die ursprünglich als Konkurrenz für das amerikanische Postflugzeug »Orion« gedacht war.
Die Weltwirtschaftskrise 1930
Die Weltwirtschaftskrise traf die Fluggesellschaft, als Milch gerade ihre letzten Schulden abgetragen hatte. Die Lufthansa benötigte noch immer große Subventionentionen; ihre Strecken wurden erweitert und ihr Flugzeugpark modernisiert. Im Jahre 1930 hatte sie 55.584 Passagiere über 9.062.672 km befördert, fast doppelt soviel wie 1926.
Vergeblich kritisierte Göring 1931 im Reichstag die bescheidenen 43 Millionen Reichsmark, die der Zivilluftfahrt einschließlich Fliegerschulen, Wetterdienst, Flughafenbau und so weiter an Subventionen genehmigt worden waren. Er wies darauf hin, daß Frankreich 362 Millionen und Großbritannien 357 Millionen allein für den zivilen Luftfahrtsektor ausgaben.
In Deutschland litt vor allem die Entwicklung von Flugmotoren unter dem Geldmangel, und das sollte sich später als die Achillesferse der Luftwaffe erweisen. 1931 verlangte Göring vergeblich eine Verdoppelung des Zuschusses von 1,2 Millionen Reichsmark.
Die Wirtschaftskrise dauerte noch 2 Jahre - die Entlassungen kamen
In Deutschland sollte die Wirtschaftskrise noch zwei Jahre dauern. Ende 1931 gab es über fünf Millionen Arbeitslose. Zum zweiten Mal fiel Milch die traurige Aufgabe zu, Angestellte entlassen zu müssen; diesmal waren es 1.200 Menschen.
Auch die Piloten waren von der großen Entlassungwelle betroffen, aber in den meisten Fällen beschaffte Milch ihnen Stellungen im Bodenpersonal und entließ statt dessen weniger hochspezialisierte Leute.
Die Lufthansa-Werkstätten in Staaken, Böblingen und Travemünde stellten Probleme eigener Art dar. Selbst hier mußte der Stamm an Spezialisten halbiert werden. Am 16. September 1931 ließ Milch die tausend Arbeiter von Staaken in der großen Halle zusammentreten und teilte ihnen die schlechte Nachricht mit.
Die Arbeiter waren wie benommen, so plötzlich hatte es sie getroffen. Als Milch zu Ende gesprochen hatte, bat ein älterer Mann um das Wort; er sagte, er wolle ihm dafür danken, daß er selbst hergekommen war, um ihnen das Unangenehme zu sagen, »statt, wie es sonst üblich ist, am Schwarzen Brett bekanntzugeben, daß die und die ab übermorgen nicht mehr zu kommen hätten«.
Die anderen Arbeiter murmelten Beifall. Nachdem Milch die Werkstatt verlassen hatte, unterschrieb die ganze Versammlung eine Erklärung, daß sie alle gern zur Lufthansa zurückkehren würden, sobald bessere Zeiten kämen.
.
1932 - Hitler kam ins Gespräch - und er flog Lufthansa
Da ihm der Rundfunk in Deutschland verschlossen war, charterte Hitler ab April 1932 für jeden Wahlkampf zunächst eine Rohrbach Roland und später eine Ju 52 von der Lufthansa, damit er an jedem Tag in zwei oder drei verschiedenen Städten auftreten konnte. Er zahlte den vollen Charterpreis.
Eines späten Abends im Jahre 1932 wollte Hitler dringend von Flensburg nach Berlin fliegen. Milch verbot den Flug, da die Wolkenhöhe in Berlin-Tempelhof nur etwa 50m betrug und ein feiner Sprühregen herrschte.
Zweimal rief der Pilot Baur ihn an und drängte ihn, ihm doch die Flugerlaubnis zu geben, denn Hitler verlange kategorisch den sofortigen Start.
.
Zwei Jahre später .....
Zwei Jahre später 1934 verbrachte Milch in Tempelhof eine Stunde mit Hitler, als dessen Flugzeug aufgetankt und gewartet wurde, und der Reichskanzler erwähnte die Nacht von 1932, in der er in Flensburg festgesessen hatte: »Baur sagte mir, der Flug sei durchaus möglich, aber irgendein Idiot in der Lufthansa-Zentrale verbiete ihm immer wieder den Start. Wenn ich den Mann jemals erwische, lasse ich ihn einsperren.«
Milch sagte Hitler, daß er selbst dieser »Idiot« sei. Als Milch später darüber nachdachte, gewann er den Eindruck, daß Hitler die Wahrheit genau gekannt haben müsse und daß er offenbar nur seine Standfestigkeit prüfen wollte.
Göring gratulierte ihm: »Sie haben Glück gehabt. Normalerweise duldet der Führer solche Sachen nicht - es wurmt ihn noch jahrelang.«
.
Milchs Loyalität hatte bedingungslos Hindenburg gehört.
In der Präsidentenwahl Mitte März 1932 hatte Hindenburg noch mit einer überwältigenden Mehrheit über Hitler gesiegt. Man überredete Hitler, sich noch einmal aufstellen zu lassen, und in der Zeit zwischen den beiden Wahlen (die zweite folgte am 10. April 1932) war Milchs Interesse am Nationalsozialismus erwacht.
Vielleicht lag es daran, daß Hitler jetzt Lufthansa-Flugzeuge benutzte; vielleicht war es auch die Faszination, die von Hitler während seiner Berliner Sportpalast-Rede am 4. April 1932 ausging.
Hier war also der Führer, auf den Deutschland gewartet hatte; und als Ernst Brandenburg im vertraulichen Gespräch versuchte, Milch und Admiral Lahs, den Präsidenten des Reichsverbandes der Luftfahrtindustrie, in dieser Wahl für die Opposition gegen Hitler zu gewinnen, holte er sich von beiden eine Abfuhr. Obwohl Hindenburg wieder triumphierte, stellte Milch ein weiteres Anwachsen der Anhängerschaft Hitlers fest; und als er ihn das nächste Mal sah, gehörte er selbst zu seinen Anhängern.
.
28. April 1932 - Unterredung Milch - Hitler
Die Gelegenheit ergab sich wenig später. Am 28. April 1932 wurden Milch und seine Frau in Görings neue Wohnung in der Badischen Straße eingeladen.
Dieses Mal unterhielt sich Hitler längere Zeit mit Milch und stellte ihm außerordentlich sachverständige Fragen über Luftverkehr und Luftwaffen. Er vertraute Milch an, daß er sofort, wenn er zur Regierung gelange, ohne Rücksicht auf den Versailler Vertrag, eine starke Luftwaffe aufbauen werde; ob Milch glaube, daß er das mit anfänglich 400 Millionen Reichsmark pro Jahr erreichen könne?
Diese Summe war mehr als das Achtfache des gesamten Luftfahrt-Etats einschließlich der Fliegerschulen, der Forschungsinstitute und des Flughafenbaus. Milch erwiderte, daß dieser Betrag wohl schon ein guter Anfang sein würde; man werde damit eine schnelle Modernisierung der Luftfahrt und alle noch offenen Probleme der Entwicklung, vor allem auf dem Gebiet des Schlechtwetterfluges, mit geeigneten Mitteln vorantreiben können.
Milch war über Hitler erstaunt (wirklich ?)
Milch erklärt heute: »Hitler sprach dann von den Ideen des Generals Giulio Douhet, die damals Aufsehen in Fachkreisen erregten. Schon damals galt sein Hauptinteresse dem Bombenkrieg, als - wie er damals sagte - bestem Mittel, einen Angreifer abzuschrecken.« Milch war erstaunt, daß Hitler sich mit diesen Fragen so intensiv beschäftigte.
»Er sprach von der Wichtigkeit einer starken Wehrmacht, in der er der Luftwaffe eine gleich wichtige Stellung wie dem Heer zubilligte (damals eine völlig neue Auffassung) als einer Notwendigkeit für Deutschland, wenn sich dieses aus den auf die Dauer vernichtenden Fesseln des Versailler Vertrages befreien wolle ... Nur mit einer solchen starken Wehrmacht kann ich Deutschland unter Vermeidung eines Krieges befreien«, betonte Hitler.
Noch nie hatte jemand so engagiert und von so großartigen Plänen zu ihm gesprochen; daß diese sich mit seinen eigenen Gedanken deckten und finanziell sogar noch weit darüber hinausgingen, beeindruckte Milch um so mehr.
- Anmerkung : Dieser Passus scheint ein erstes Anzeichen (aus 1970) für die spätere Hitler-Verehrung der Autors Irving zu sein. In vielen anderen historischen Berichten und "Geschichten" wird von den deutschen Großindustriellen behauptet, sie seien von Hitler nicht so sehr eingenommen gewesen, brauchten aber sein Wohlwollen und hörten darum geduldig zu.
.
In den nächsten Tagen begann Milch, mit Sachverständigen der Industrie und des Reichswehrministeriums sein erstes »Großes Programm« zu erörtern.
15. Juni 1932 - die Entscheidung für die 3mot-JU52 war erfolgreich
Am 15. Juni 1932 machte Willy Polte den ersten Versuchsflug mit dem ersten Prototyp der dreimotorigen Ju 52. Sein Bericht war so begeistert, daß Milch die Maschine zu dem großen internationalen Luftfahrttreffen anmeldete, das vier Wochen später in Zürich stattfinden sollte.
Schon die technischen Vorflüge in Dübendorf verliefen sensationell. Das Flugzeug zeichnete sich durch größte Zuladung, kürzesten Start, größte Geschwindigkeit und schnellstes Steigen aus. Milch nahm während des Wettflugs rund um die Alpen den Platz des Kopiloten ein, und auch hier errangen sie einen großen Sieg, obwohl sie einen Teil der Strecke im Blindflug und bei Vereisung zurücklegen mußten.
Die Suche der Lufthansa nach ihrem Wunderflugzeug war zu Ende. Milch beschloß, seinen ganzen Flugpark auf die Ju 52 umzustellen. Mit dem begehrten Chavez-Bider-Pokal und dem ersten Preis von 11 000 Franken im Gepäck flog er nach München zurück.
Am Nachmittag kam der Härtetest für die JU 52
Am gleichen Nachmittag startete er mit derselben Ju 52 nach Berlin. In 300m Höhe zerriß eine Explosion die Stille, und Stücke des linken Motors fielen in die Tiefe. Milch sah, wie auch die linke Tragfläche aufgerissen wurde. Der Erdboden raste ihnen entgegen, aber Willy Polte gab den verbliebenen beiden Motoren vorsichtig mehr Gas, um die Baumreihe an der genau vor ihnen liegenden Straße überspringen zu können.
Dann ließ er die Maschine wieder sinken und setzte zur Landung in einem Kornfeld an. Die linke Tragfläche bohrte sich in den Boden, weil auch das linke Rad des Fahrgestells abgebrochen war. Nach 50m (Anmerkung : diese 50m sind unglaubwürdig kurz !!) kam die Maschine zum Stillstand. Es schien das Ende eines Traums und der Anfang eines Alptraums zu sein.
Wenn das Flugzeug einen Motor und Teile der Tragfläche verlieren konnte, dann mußte es einen grundlegenden Konstruktionsfehler geben. Stolpernd entfernte sich Milch von dem verstümmelten Flugzeug und steckte sich mit zitternden Händen eine Zigarre an.
Doch kein Konstruktionsfehler
Lautes Rufen des Bordmonteurs Kurt Hänsgen, der die Tragfläche untersucht hatte, schreckte ihn auf: In der Tragfläche steckten ein fremder Motor und ein zerfetzter, fremder Propeller. Milch und seine Besatzung hatten einen Flugzeugzusammenstoß überlebt.
Ein Flamingo-Schulflugzeug aus Schleißheim hatte sie, aus der Sonne kommend, frontal gerammt (Anmerkung : Was war mit dessen Pilot ?). Der Weiterflug und die relativ glatte Notlandung war ein endgültiger Beweis für die erstaunliche Robustheit der Ju 52. Als Milch am Abend nach Berlin zurückfuhr, waren seine letzten Zweifel hinsichtlich dieser Maschine beseitigt.
.
Juli 1932 - Göring brauchte Fachleute für sein Ministerium
Eine Woche später rief Göring an. Hitler verhandelte mit Hindenburg über eine Koalitionsregierung, in der Göring ein »Luftministerium« schaffen werde. Milch möge doch herüberkommen und ihn am nächsten Tag in Heiligendamm an der Ostsee, wo er seinen Urlaub verbrachte, besuchen. In Heiligendamm fragte ihn Göring, ob er bereit sei, die Position eines Staatssekretärs in dem neuen Ministerium zu übernehmen. Überrascht bat Milch um Bedenkzeit30.
Der Vorsitzende der Lufthansa, Georg-Emil von Stauss, drängte Milch, anzunehmen. Milch konnte sich jedoch vorstellen, daß persönliche Probleme damit verbunden sein könnten, Göring als Vorgesetzten zu haben, und Dr. Weigelt, mit dem er eine Woche später über Görings Angebot sprach, teilte seine Vorbehalte31. Doch es ergab sich dann, daß Hitler und Hindenburg dieses Mal noch zu keiner Einigung gelangten, und somit Görings Plan hinfällig wurde.
.
September 1932 - Kredit vom Reichswehrministerium ??
Milch befaßte sich intensiver als bisher mit militärischen Fragen. Am 25. September 1932 erörterte er mit Oberst von Reichenau seinen Vorschlag, das Reichswehrministerium möge doch vier Millionen Reichsmark pro Jahr der Lufthansa für den Kauf von Ju 52-Maschinen bewilligen. Die Lufthansa werde die Maschinen im Kriegsfall sofort dem Ministerium zur Verfügung stellen32.
Der Kredit wurde abgelehnt
Einen Tag später flog er nach Moskau und besichtigte die Anlagen der Versuchsanstalt für Luftfahrt in Jagi, die zur Entwicklung neuer Flugzeuge und neuer Techniken im Flugmotorenbau eingerichtet waren.
Mitte Oktober begleitete er Oberstleutnant Wimmer, den Chef der Fliegertechnik im Heereswaffenamt, zu einer Besichtigung der Flugzeug-Erprobungsstelle in Rechlin.
Zwei Wochen später finden wir Milch im Büro des Generals von Hammerstein-Equord, des Chefs der Heeresleitung. Zweimal vor dem Ende des Jahres 1932 suchte Milch Generalmajor von Mittelberger, den Inspekteur für Fliegerei und Ausbildung im Reichswehrministerium und dessen Stabschef, Oberstleutnant Helmut Felmy, auf; hier wurde sein Vorschlag für militärische Subventionierung des JU 52-Baus endgültig abgelehnt, da das Reichswehrministerium nicht einmal für seinen eigenen Bedarf über ausreichende Mittel verfügte.
Am 6. November 1932 - Reichstagswahl
Am 6. November ging Milch zum ersten Mal in seinem Leben zur Wahl. Zusammen mit vierzehn Millionen Deutschen stimmte er für Hitlers Partei (eine Entscheidung, die er in seinem Tagebuch durch ein Hakenkreuz kennzeichnete).
Die Wahl ging für Hitler schlecht aus, aber Göring, der schon jetzt Reichstagspräsident war, wandte sich am 28. November wieder an Milch und bot ihm vertraulich das Amt eines Staatssekretärs in der preußischen Regierung an.
Milch lehnte ab, und als Göring ihn zwei Wochen später einlud, den Chef des italienischen Luftwaffen-Generalstabes, General Balbo, kennenzulernen, blieb er dem Empfang fern.
.
"Die Lufthansa ist von Herrn Milch aufgebaut worden"
Milch war mit der Position, die er als Chef der Lufthansa errungen hatte, sehr zufrieden. Die Gesellschaft hatte sich sehr bald einen internationalen Namen gemacht.
Als nach dem Kriege in einer Sitzung im Bundeskanzleramt angedeutet wurde, daß andere eine größere Rolle im kometenhaften Aufstieg der Fluggesellschaft gespielt hätten als Erhard Milch - damals diskreditiert und verurteilt als Gefangener der Amerikaner in Landsberg -, unterbrach Konrad Adenauer die Debatte und erklärte:
»Meine Damen und Herren ... wat Se da sagen, ist nicht richtig. Der Herr Stauss und der Weigelt waren Bankiers, die Lufthansa ist von Herrn Milch aufgebaut worden.
.
Nachtrag und Kommentar
Auf diesen 5 Seiten ist überall der Original-Text eingestellt worden und nur die deutlich gekennzeichneten Kommentare sind hinzugefügt worden.
.
Der Autor der englischen Fassung dieser Biografie - David Irving - hat sich etwa 10 Jahre später (ab 1980) als unbelehrbarer Holocaust-Leugner profiliert und eine ganz andere geschichtsverfälschende Denke präsentiert. Doch schon hier beim genaueren Lesen der Seiten stolpern Sie über aufgehübschte geschichtliche Ereignisse und auch Beurteilungen von Ereignissen und Tatsachen, die zu denken geben.
Insbesondere die Darstellung der Verhaftung und Behandlung des 2. Chefs der deutschen Luftwaffe, Feldmarschall Erhard Milch - ist nicht glaubwürdig. Alle im 3. Reich in obersten Führungspositionen befindlichen Männer wußten von den Verbrechen ihres Führers und seiner ergebenen "Gehilfen" (Minister, Feldmarschälle, Firmenchefs usw.), zu denen Sie ja auch zählten.
Und selbst mit den ihnen vorliegenden Informationen über die Zwangsarbeiter und deren Schicksale in Rüstungsfabriken wußten sie, daß sie selbst da nicht mehr ungestraft herauskommen würden. In den V1 und V2 Stollen von Nordhausen sind hunderte von Zwangsarbeitern am hellichten Tag - vor de Augen der anderen Mithäftlinge - einfach so erschossen worden. Herrmann Göring hatte ja nicht aus Versehen Zyankali- Kapseln in der Hosentasche. Und auch Josef Göbbels wußte, daß ihm und seiner Familie Schlimmes drohen würde, wenn die Russen ihn in die Finger bekämen.
.