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Es war 1987 : Streit um die Zukunft des Fernsehens.

Ein Rückblick : Heftige Diskussionen über die technische Norm - die Position der Rundfunkanstalten. (von Frank Müller-Römer)

Auf der Berliner Funkausstellung 1987, die vor zwei Wochen zu Ende ging, kam es zu einem heftigen Streit über die technische Norm für das Fernsehen der Zukunft, nämlich für das hochauflösende Fernsehen (HDTV). Im folgenden Beitrag sollen der Sachverhalt dargestellt und die Position der Rundfunkanstalten erläutert werden.

(Anmerkung der Redaktion: es ist eine sehr einseitige Darstellung des Sachverhaltes !!)

Warum überhaupt ein neues Fernsehsystem?

Die heute verwendeten Bildschirmgrößen füllen - bezogen auf den Betrachtungsabstand - nur einen kleinen Teil des menschlichen Gesichtsfeldes aus; wir bewegen unsere Augen kaum, wir blicken ständig in die gleiche Richtung, und der Regisseur muß deshalb mit häufig wechselnden Kameraeinsteilungen immer neue Bilder und Perspektiven anbieten. Erst wenn es gelingt, bei einem Betrachtungsabstand von etwa 3m ein großes Fernsehbild (mindestens 1,8 x 1 m) darzustellen, könnten unsere Augen wandern und - ähnlich wie im Kino - einzelne Bildbereiche und Details betrachten. Für das große Fernsehbild sind jedoch die 625 Zeilen der heutigen Fernsehnormen PAL und SECAM nicht mehr ausreichend; etwa 1100 bis 1300 Zeilen sind erforderlich.

Bisher durchgeführte Arbeiten für ein künftiges Fernsehsystem

Bereits 1971 begann die japa­nische Rundfunkanstalt NHK mit ersten Arbeiten für ein neues Fernsehsystem. Ein Systemvorschlag sieht 1125 Zeilen, eine Bildwechselfrequenz von 60 Hz und ein breiteres Format (16:9) vor. Neben Japan wurden in den vergangenen Jahren nur in der Bundesrepublik Deutschland intensiv HDTV-Arbeiten durchgeführt u.a. vom Heinrich-Hertz-Institut, dem Institut für Rundfunktechnik und der Firma BTS (vormals Bosch Fernsehanlagen).

Voraussetzungen für die Einführung eines neuen Fernseh- systems:

Ein Fernsehsystem besteht aus:

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  • - Programmproduktion und Abspielung vorhandener Programmbeiträge;
  • - Übertragungsstrecke und
  • - Endgerät beim Teilnehmer.

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Wie ist der Stand der Arbeiten für diese drei Bereiche bei HDTV?
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  • - Aufnahmeeinrichtungen sind nahezu serienreif entwickelt, und erste Produktionszentren entstehen.
  • - Bayerischer Rundfunk und Zweites Deutsches Fernsehen produzierten bereits in HDTV.
  • - HDTV-Fernsehbilder benötigen eine größere Bandbreite (d. h. mehr Frequenzen) als PAL.

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- Eine Ausstrahlung über die heute verwendeten Fernsehsender kommt daher nicht in Frage. Allein über Fernemeldesatelliten können HDTV-Produktionen bereits heute den Empfangsstationen von Kabelanlagen zugeführt oder auch von jedermann mit Antennenanlagcn (1,5 m Durchmesser) empfangen werden.
- Den großen Bildschirm gibt es noch nicht. Weder der flache Bildschirm, noch die Projektion (Lichtventil) haben bisher den Durchbruch geschafft. HDTV-Endgeräte als preisgünstiges Massenprodukt werden erst in der zweiten Hälfte der 90er Jahre oder Anfang des nächsten Jahrhunderts zur Verfügung stehen.

Grundpositionen der europäischen Industrie für ein hochauflösendes Fernsehsystem (HDTV)

Promotion zur Olympiade 92

Im vergangenen Jahr schlug Japan sein MUSE System als neuen, internationalen Standart vor. Gemeinsam mit den USA und Kanada wird dieser Vorschlag 1988 wiederholt werden. Die europäischen Industriestaaten stimmten nicht zu. Statt dessen wurde ein EUREKA 95 Projekt gestartet, um einen europäischen Normvorschlag zu entwickeln. 500 Millionen DM wurden für die HDTV-Forschungen bereitgestellt.


Der japanische Normvorschlag sieht die Einführung eines völlig neuen Fernsehsystems vor. Im Gegensatz dazu möchten die europäischen Industrieländer einen evolutionären Weg gehen:

Auf der Basis der neuen Fernsehsatelliten-Übertragungsnorm D2 MAC des deutschen Rundfunksatelliten soll bis etwa 1990 ein europäischer HDTV-Standard mit der doppelten Zeilenzahl (2 x 625 Zeilen) einem 16:9-Format und 50 Hz Bildwechselfrequenz entwickelt werden (HD-MAC). Dieser unterscheidet sich von dem japanischen Vorschlag vor allem durch eine andere Bildwechselfrequenz.

Dies führt jedoch auf dem großen Bildschirm zu entscheidenden Nachteilen, insbesondere zu keiner Verbesserung der Bewegungsauflösung im Bild. Für Zeitlupen- und Standbildwiedergabe in einem Fernsehsystem der Zukunft muß aber die Zahl der Aufnahmen pro Sekunde" mindestens von 25 (50 Hz) auf 30 (60 Hz) gesteigert werden. Außerdem ergeben sich erhebliche Qualitätsmängel bei einer späteren Normwandlung von 50 Hz in 60 Hz beim internationalen Programmaustausch. Andererseits wäre das Abspielen vorhandener Programmbeiträge und Spielfilme bei einer Norm HDMAC ohne Wandlung von 50 auf 60 Hz etwas vorteilhafter.

 

Ein völlig neues Fernseherlebnis - mit echter Telepräsens -wird es erst mit Einführung des großen Bildschirmes geben. Aus Sicht des Rundfunks sollte mit der Einführung von HDTV als Fernsehsystem für jedermann bis dahin gewartet werden.

 

Mehr Programmveranstalter im dualen Rundfunksystem be­deuten z.B. mehr Serien und Spielfilme. Der europäische Programm- Markt muß daher gefördert werden, um nicht noch mehr Beiträge aus dem anglo-amerikanischen Kultur- und Sprachkreis bei uns senden zu müssen. Namhafte Künstler wird man bei europäischen Produktionen um so leichter verpflichten können, wenn dann auch eine Vermarktung im anglo-amerikanischen Sprachraum möglich ist. Eine neben dem 35-mm-Spielfilm weitere weltweit einheitliche (elektronische) Produktionsnorm ist dafür eine Grundvoraussetzung.

 

Jedes Fernsehsystem muß, gegebenenfalls mit Normwandlung, dann die Abspielung sicherstellen. So, wie es heute auch beim 35-mm-Spielfilm geschieht. Bereits jetzt ist abzusehen, daß sich der amerikanisch-japanische HDTV-Vorschlag in den USA als Produktionsnorm, zuerst für Werbebeiträge und später für Serien und Teile von Spielfilmen, durchsetzen wird. Nachdem für die deutschen Rundfunkanstalten ein ungehinderter Programmexport notwendig ist, sprechen sie sich vehement für eine weltweit einheitliche HDTV-Produktionsnorm aus. Der Weltmarkt für Fernsehprogramme liegt in den USA. Und dort werden immer schon 60 Hz verwendet. Die europäischen Rundfunkanstalten dürfen sich vom künftigen HDTV-Weltstandard nicht abkoppein.


Vorschläge für das weitere Vorgehen (aus 1987!!) :

In Gesprächen zwischen europäischer Industrie, Fernmeldeverwaltungen und Rundfunkanstalten muß versucht werden, einen gemeinsamen Weg für ein künftiges neues Fernsehsystem (HDTV) unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen der europäischen Industrie und der Rundfunkanstalten (und ihrer Teilnehmer) zu finden.

Aus Sicht des Rundfunks sind eine europäische HDTV-Norm für die Ausstrahlung mit 1250 Zeilen und damit Empfangsgeräte europäischer Prägung zu begrüßen. Die heutige Gerätetechnologie ermöglicht es, mit ein und demselben Gerät 50- und 60-Hz-Sendungen zu empfangen. Eine europäische HDTV-Norm sollte daher offen sein für eine Bildwechselfrequenz von 50 und 60 Hz, um die internationalen Produktionsaspekte der Rundfunkanstalten zu berücksichtigen.

"Im Rahmen einer großen europäischen Anstrengung", ebenfalls eines EUREKA-Projektes, müssen schnell die technologischen Fragen des großen Bildschirmes gelöst werden. Wer diese Erfindung macht, hat die entsprechenden Patente und ist auch mit seiner Geräteindustrie dann weltweit führend.

Statt Blockade eines einheitlichen HDTV-Weltstandards für die Programmproduktion (60 Hz) durch das HDMAC-System mit 50 Hz sollten der Durchbruch beim Endgerät (großer Bildschirm) und damit die technologische Führung durch Europa angestrebt werden.

 

Frank Müller-Römer, damals Technischer Direktor des Bayerischen Rundfunks.

 

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