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aus der Funkschau Heft 20/1988
Denkwürdige Denkschrift (zur HDTV Diskussion)

In ihrer Denkschrift zum Thema hochauflösendes Fernsehen gehen die deutschen Sendeanstalten auf Konfrontationskurs zur europaischen Industrie und ihrem Eureka-95 Projekt. Die in dieser Schrift abgehandelten Fakten, laut Erklärung immer noch gemeinsamer und einheitlicher Standpunkt von ARD und ZDF, geben ein sonderbares Zerrbild ihrer Position - mit einem Papier, das seine vielen Vater nicht verbergen kann. Widerspruchliche Aussagen und eine offensichtlich stark polemisch gefärbte Thematisierung lassen beim Leser einen fahlen Nachgeschmack zurück.

Deutlich hervorgehobener Ausgangspunkt der Überlegungen deutscher Sendeanstalten bei der kontroversen Diskussion um das hochauflösende Fernsehen HDTV ist das Spannungsfeld Europa - Japan - USA. Für die scheinbar problemlose Wahrung eines weltweiten Standards ist man - aus Eigeninteresse? - zu Zugeständnissen jeder Art bereit. Immer wieder wird betont, daß der von Japan entwickelte Vorschlag in USA und Kanada auf breite Zustimmung stößt und man sich daher als Europäer dem anzuschließen habe.

Einfach nur falsch . . .

Dazu ist zu sagen: Erstens ist die Aussage an sich falsch, denn längst ist es aus dem Zirkel der Insider hinausgedrungen, daß gerade die Amerikaner auf Distanz zur japanischen Lösung gehen. Das hat mehrere Gründe; die Funkschau berichtete darüber in der Titelgeschichte von Heft 17/88. Industriepolitische Erwägungen gehören ebenso dazu wie technische Aspekte, weil der japanische HDTV-Vorschlag völlig inkompatibel zu allen eingeführten Weltstandards, also auch zum amerikanischen NTSC ist und in jedem Fall eine Normwandlung erfordert. Nicht einmal die Bildwechselfrequenz ist gleich, weil NTSC nicht mit 60 Hz, sondern 59,94 Hz arbeitet.

Wenn also die Anstalten davon sprechen, daß HDTV in den USA „auf reges Interesse stieß, vor allem bei CBS", so ist das nicht mehr aktueller Stand der Dinge - einmal abgesehen davon, daß Amerika nicht gleich CBS ist, noch dazu ein Kooperationspartner von Sony. Wo bleiben etwa NBC und ABC, die anderen großen landesweiten Rundfunksender, die sich seit jeher distanzierter zur japanischen Lösung äußerten?

Wirklich ausgereift, erprobt und für gut befunden ??

Das Zugrundelegen dieser überholten Tatsachen ist jedoch nur eine Facette der Kritik: Es wird der europäischen Industrie immer wieder vorgeworfen, daß sie japanischen und amerikanischen Vorstößen nichts gegenhält, sondern kleinlaut akzeptiert. Bei HDTV soll das jetzt nicht passieren. Warum gibt man den Europäern also keine Chance sich durchzusetzen, sondern fährt ihnen in die Parade? Gerade so, als bestünde für Europa ein Zwang, sich dem japanischen Vorschlag zu beugen - in einer Zeit, die laut Aussage der Rundfunkanstalten kein übereiltes Vorgehen rechtfertigt, weil Entscheidungen noch nicht akut anstehen.

Die Argumente, die die Rundfunkanstalten vorbringen, sind leicht angreifbar: Es sei, so die Meinung der Technischen Kommission von ARD/ ZDF, ausgereift, erprobt und für gut befunden worden. Einmal heißt es, der japanische Standard sei „optimal" und die „effizienteste Lösung" (woher im übrigen der Superlativ, wo es doch das einzige derzeit vorhandene System ist?), an anderer Stelle liest man allerdings: „unter Berücksichtigung des technisch Machbaren".

Aber hier irrt der Autor (der Funkschau)

(Anmerkung: Denn Eureka 95 war 1985 insgesamt eine europäische Machbarkeitsstudie des aktuell technisch Machbaren im Bereich Fernsehen !!)
weiter im Text:
Rücksichtnahme auf das technisch Machbare hat noch nie zu zukunftweisenden Entwicklungen geführt, ganz im Gegenteil. Abgesehen davon, wurde der Vorschlag um 1970 entwickelt und beruht damit auf einer Technik, die nicht mehr dem modernen Know How entspricht. Wenn die Großbildschirme für HDTV Anfang oder Mitte der neunziger Jahre kommen und es für den Konsumenten wirklich attraktiv wird, weil qualitativ wesentlich mehr bietend, dann blickt das System bereits auf eine dreißigjährige Geschichte zurück und ist hoffnungslos veraltet.

Als Faktum bleibt festzuhalten, daß die Studios dann mit einem den technischen Möglichkeiten nicht mehr adäquat angepaßten Standard, nämlich dem japanischen, ausgerüstet sind - zumindest wenn es nach den augenblicklichen Wünschen der Fernsehanstalten geht. In den Studios würde das kaum reversible Schäden verursachen, denn sind sie erst einmal mit einem HDTV-Equipment ausgerüstet, werden auf absehbare Zeit keine kostspieligen Neuanschaffungen für eine weitere Studionorm realisierbar sein.

Deutschland alleine kanns nicht entscheiden.

Die Vorliebe der Technischen Direktoren von ARD und ZDF, wie viele es wirklich sind, bleibt ungewiß, wird um so rätselhafter, je deutlicher wird, daß sie auch unter den europäischen Anstalten nicht konsensfähig ist. Es gibt andere europäische Sender wie RAI und BBC - immerhin zwei der angesehensten in Europa - sowie die International Broadcasting Association in England, die überhaupt keine Berührungsängste mit Eureka 95 haben, dort sogar aktiv bei den zehn A-Teilnehmern mitarbeiten.

Es kann den deutschen Rundfunkanstalten auch nicht ernsthaft um die Abwägung der technisch besseren Qualität gehen - wie von ihnen immer wieder vordergründig behauptet wird. Denn dann wäre es nur fair, den Eureka-Vorschlag erst einmal zu prüfen - und später abzuwägen, anstatt sich jetzt schon dezidiert festzulegen und den europäischen Systemvorschlag vorschnell abzulehnen. Nicht einmal die von ihnen als „positiv" bezeichneten Erfahrungen mit Japan-HDTV rechtfertigen das ihnen seitens der Fernsehanstalten zugebilligte Gewicht, solange keine Alternativ-Lösung vorgestellt und untersucht wurde.

Aber mögen die Rundfunkanstalten noch so oft das Gegenteil betonen: Selbst bei einem technischen Vergleich schneidet der europäische Vorschlag in vielen Punkten besser ab (siehe auch S. 24).

Diskussion um des "Kaisers Bart ?? Warum ??

In der Diskussion wird vielfach der Eindruck erweckt, als ginge es um ein entweder/oder, um 50 oder 60 Hz und die Entscheidung für eine der beiden Normen. Verschwiegen wird jedoch, daß das von Eureka 95 vorgeschlagene Konzept einer progressiven Abtastung eine Wandlung sowohl in 50 Hz wie in 60 Hz aufgrund der großen Bandbreite ohne Qualitätsverlust erlaubt; an dieser Stelle sei darauf hingewiesen, daß deshalb auch die von ARD und ZDF ins Spiel gebrachte Normenwandlung in der Studio-Ebene über Euro-HDTV schon aus diesem Grund problemloser durchführbar ist als im Fall des japanischen Standards, der ohne Rücksicht auf bestehende Systeme entwickelt wurde.

Diese leichte Konvertierbarkeit in der Studioebene ist ein großer Vorteil von Eureka 95, weil dadurch kein Zwang zu einer der beiden Halbbildwechselfrequenzen bei der Übertragung besteht. An einer Teilung der Welt in die beiden Standards wird sich aber nach Meinung von Experten sowieso nichts ändern, weil die Positionen dazu zu festgefahren sind. Warum man von den Europäern verlangen will, daß gerade sie ihre Bildwechselfrequenz bei der Übertragung auf 60 Hz umstellen - mit allen dabei auftretenden Schwierigkeiten für den Konsumenten -, ist nicht einzusehen.

Wenn (fast-) Beamte Fernsehempfänger entwickeln . . .

Der Vorschlag der Anstalten, von 50 auf 60 Hz umschaltbare Empfänger zu konzipieren, ist zwar theoretisch sinnvoll, hat jedoch einen gewichtigen Nachteil: Videorekorder lassen sich wirtschaftlich derzeit nicht umschaltbar herstellen. Ganz zu schweigen von der Tatsache, daß alle existierenden 50-Hz-Empfänger damit wertlos würden, weil eine Nachrüstung der Masse heutiger PAL-Gegeräte nicht möglich ist. Planen ARD und ZDF aber eine Parallelausstrahlung ihrer Sendungen in 50 und 60 Hz?

Ein System besteht allerdings nicht nur aus der Bildwechselfrequenz, sondern auch aus anderen Systemparametern. Wer für 60 Hz ist, muß deswegen noch lange nicht für die japanische Lösung sein. Schon die Auflösung von 1250 Zeilen - gegenüber dem japanischen Vorschlag mit 1125 Zeilen - ist technisch sicher relevant. Aber der gravierendste Unterschied besteht in der Übertragung von Ton, Synchronisierung und den zusätzlichen Daten; sie erfolgt beim japanischen System rein analog, bei HD-Mac dagegen voll digital - mit allen daraus resultierenden Möglichkeiten bis hin zur erheblich verbesserten Bandbreitenreduktion ohne Qualitätsverlust.

Erwähnt sei weiter, daß die Bandbreite bei HD-Mac immerhin über 50 MHz aufweist, doppelt so viel wie beim japanischen Vorschlag. Auch hier also ist die Zukunftsträchtigkeit gerade der europäischen Ideen erkennbar, die doch von den Öffentlich-Rechtlichen immer wieder so hervorgehoben wird.

Die Kompatibilitätsforderung

Die Kompatibilitätsforderung ist ein anderer wichtiger Gesichtspunkt. Von den Öffentlich-Rechtlichen wird Eureka 95 wegen der fehlenden Kompatibilität zu den existierenden Fernsehnormen wie Pal attackiert: „Basis der Evolution sind jedoch nicht die ca. 600 Millionen Fernsehgeräte, die heute ... existieren, sondern die neue Generation der Mac-Geräte". Was für die Rundfunkanstalten in diesem Punkt als Mangel erscheint, obwohl sie, wie oben geschildert, darauf bei ihren eigenen Überlegungen keine Rücksicht nehmen, wird entsprechend beim Japan-HDTV gelobt: „Bewußt orientierte sich dieses System nur an Kriterien, die zur Erreichung des gesteckten Ziels vorgegeben waren und nicht an existierenden Fernsehnormen".

Bei HD-Mac wird die Inkompatibilität zu Pal getadelt, bei Japan-HDTV lobend hervorgehoben. Wie dieses doppelte Maß zu verstehen ist, bleibt das Geheimnis der Sendeanstalten. Sind sie nun für oder gegen Kompatibilität? Während Japan-HDTV inkompatibel zu allem ist, kann Eureka immerhin auf die Abwärts-Kompatibilität mit Mac verweisen.

Dazu auch folgende Statistik: Man kann anhand der verkauften Stückzahlen von Fernseh-Empfängern davon ausgehen, daß etwa in fünf Jahren fünfzig Prozent der Geräte in den Haushalten ausgetauscht werden. Das heißt also, daß spätestens Mitte der neunziger Jahre schon die Hälfte aller Empfänger Mac-tauglich sein können. Denn es wird meist zukunftsorientiert eingekauft. Was aber liegt dann näher, als HDTV, das Jahre später eingeführt wird, auf diese Norm abzustimmen, so daß Empfänger die HDTV-Signale ohne Zusatzgerät empfangen könnnen?

Weltweiter HDTV Standard ??

Immer wieder ertönt die Forderung nach einem weltweiten Produktionsstandard, der - zugegebenermaßen - die Verkäuflichkeit von Produktionen für die Rundfunkanstalten im Ausland erhöht, sowohl beim Ein- wie beim Verkauf, weil Normwandlungen entfallen. Nun kann man sicher davon ausgehen, daß eine Normwandlung von HDTV in jede andere beliebige Studionorm realisierbar ist. Technisch ist das kein Problem, höchstens eine Frage der Kosten. Schon heute wird bekanntlich viel mit Normwandlung gearbeitet, bei jeder Live-Übertragung etwa von USA nach Europa oder umgekehrt. Das hat die Anstalten bisher wenig gestört, und von einem merkbaren Qualitätsverlust ist beim Empfang nichts zu sehen.

Normwandlungen in der Studioebene wird es wahrscheinlich noch lange geben, weil sich derzeit überhaupt nicht absehen läßt, daß es zu einer weltweit einheitlichen Norm kommt - weder für die Übertragung, noch für die Produktion. Alles spricht dafür, daß die Welt des Rundfunks geteilt bleibt.

Die Normenwandlung im Studio oder beim Verbraucher ??

In der Studioebene ist die Normwandlung bei hoher Qualität, wie gesagt, längst Routine - und es gibt eigentlich keinen ernsthaften Grund, daß es bei HDTV anders sein wird. Aber um jegliche Normwandlung zu umgehen, wollen ARD und ZDF 60 Hz nicht nur im Studio, sondern auch in der Übertragung - mit allen daraus entstehenden Konsequenzen auf der Empfängerseite. Einerseits sagen sie, es sei bekannt, daß „jede Normwandlung ... Defekte verursacht", aber sie denken sich nichts dabei, entsprechend teurerere Mehrnormen-Empfänger dem Konsumenten zuzumuten, gerade dort also, wo am knappesten kalkuliert und am ehesten Zugeständnisse an die Qualität gemacht werden - im schwächsten Glied der Kette.

Dafür nützt nicht einmal die Sonderstellung europäischer Empfänger, die mit Scartbuchse ausgerüstet sind; über sie läßt sich fast jedes Signal einspielen - allerdings mit einer Ausnahme: den 60-Hz-Signalen! Der Verbraucher also muß dafür bezahlen, daß zur Vermeidung von Normwandlungen in der Studioebene die Rundfunkanstalten in Zukunft „Programmaustausch, Coproduktionen und Programmvertrieb problemlos und kostengünstig" durchführen können. Die „Defekte" der Normwandlung spielen offensichtlich auf der Empfängerseite keine Rolle, denn die Anstalten bezeichnen den für das Japan-HDTV entwickelten Normwandler HDTV 60/1125 in Pal 50/625 als „mit guter Bildqualität verfügbar"; von D2-Mac-Empfängern wird lieber erst gar nicht gesprochen.

HD-Mac-Ausstrahlungsnorm - ja oder nein ?

Verkehrte Welt? Ist das die Strategie der Öffentlich-Rechtlichen? Wo sie doch so sehr auf ihre Rücksichtnahme auf das Publikum pochen. Zum selbsternannten Sprecher der Fernsehkonsumenten erhoben - sie stützen sich dabei auf den Grundversorgungsauftrag, der ihnen nach dem Zweiten Weltkrieg von den Besatzungsmächten erteilt wurde! -, geben sie vor, doch nur sein Bestes zu wollen. Kann es eigentlich im Sinne des Konsumenten sein, wenn die Öffentlich-Rechtlichen ein inkompatibles System wünschen?

In der Denkschrift wird auch ablehnend hervorgehoben, daß das Übertragungsverfahren HD-Mac nur mit einer geringen Bandbreite arbeitet. Von den über 50 MHz Bandbreite in der Studioebene werden entsprechend dem Kabelraster im Hyperband nur 10 bis 12 MHz übertragen. Das geht laut Rundfunkanstalten nur mit einem „deutlichen Qualitätsverlust in Bezug auf Schärfe, Farbwiedergäbe und Bewegungswiedergabe und bietet dem Zuschauer kein annäherndes Seherlebnis, wie es mit der breitbandigen separaten Übertragung möglich wäre". Das ist richtig, aber an eine breitbandige Übertragung von HDTV, seien es 25, 50 oder gar 100 MHz, ist in den kommenden Jahrzehnten sicher nicht zu denken, weil sie wegen fehlender Übertragungskapazitäten politisch
nicht durchsetzbar ist.

überall nur eigene (bürokratische) Interessen

Aus dem Postministerium war zu hören, daß schon die Entscheidung der Erhöhung des Kabelrasters im Hyperband von 8 auf 12 MHz beim Minister nur schwer durchsetzbar war, weil es ihm für die Attraktivität des Kabels vor allem um eine Verbreiterung der Programmvielfalt geht. Europäisch besteht selbst darüber noch keine Einigkeit. Eine breitbandige Fernsehübertragung würde aber für drei Programme dreizehn der heutigen Kanäle beanspruchen - für Private bliebe da kaum noch Platz. Ein guter Grund für ARD und ZDF?

Wenn überhaupt, dann kann die breitbandige Übertragung nur über Satellit mit einer neuen Frequenzzuweisung realisierbar sein. Darüber wird derzeit bei der Ware Orbit diskutiert. Aus dem Munde der Vertreter von ZDF und ARD hört es sich jedoch so an, als würde man sich weigern, eine neue Studionorm einzuführen, wenn es beim Eureka-Vorschlag und bei einer Bandbreitenreduzierung bleibt. Originalton in der Denkschrift - polemisch gefärbt: „In Bezug auf die .. HD-Mac-Ausstrahlungsnorm, die im übrigen ihre technische Attraktivität und Akzeptanz zunächst nachweisen muß, erscheint es für die Rundfunkanstalten durchaus denkbar, aus qualitätstechnischen und finanziellen Gründen ein derartiges System aus einem 625-Zeilen-Studio - eventuell einem Komponentenstudio - mit sehr guter Qualität zu speisen."

Wer will eigentlich Japan HDTV ?

Offenbar hätte man allerdings nichts dagegen, sofort auf Japan-HDTV umzurüsten, das mit dem ebenfalls bandbreitenreduzierenden Verfahren Muse bei der Übertragung arbeitet; mit dieser Ausrüstung haben einige Anstalten übrigens schon (etwas voreilig?) begonnen. Die Argumentation bleibt unklar. Genausogut wäre es denkbar, mit Blick auf die Zukunft eine progressive Studionorm einzurichten, um damit mittelfristig - über das Jahr 2000 hinaus -eine breitbandige Übertragung anvisieren zu können.

Gerade unter diesem hochwertigen Qualitätsanspruch mit einer breitbandigen Übertragung wird der Wunsch der Öffentlich-Rechtlichen für Japan-HDTV immer unverständlicher. Will man den Trend zur Zukunft mit einem neuen HDTV, das dann auf Großbildschirme und breitbandige Übertragung mit mehr als 50 MHz gerüstet ist, oder will man die Schmalspur des ausgereiften Japan-HDTV mit maximal 25 MHz?

Oder wollen die Rundfunkanstalten jetzt das Japan-HDTV im Studio mit den Pal-Empfängern bei den Konsumenten, die von der verbesserten Qualität überhaupt nichts haben, ehe sie in zwanzig Jahren bei der Studionorm dann auf wirkliches HDTV umrüsten? Das würde wohl die finanziellen Möglichkeiten selbst der Öffentlich-Rechtlichen sprengen.

Warum überhaupt die hektisch zusammengeschriebene Denkschrift, wo doch nach eigener Angabe der Anstalten, überhaupt kein Handlungsbedarf besteht, und sich die „Möglichkeit einer langfristigen Orientierungsphase bietet"? Warum also orientieren sich die Herren Technischen Direktoren nicht erst einmal? In Brighton zum Beispiel.

Der Kommentar von Jürgen Kindervater (1988 !!)
Knüppel in die Eureka-Bahn

Nur wer einig ist, ist stark. Pluralismus europäischer Prägung hat jedoch den großen Nachteil, daß er diese Einigkeit sehr oft verhindert. Jüngstes Beispiel: Die Diskussionen um HDTV. Ausnahmsweise haben wir es einmal nicht mit irgendwelchen bösen Buben in der Industrie zu tun; sie ist sich einig wie selten zuvor. Die Querschläger kommen dieses Mal aus einer anderen Ecke: aus den öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten dieser Republik. Kaum eine Gelegenheit lassen die Herren Technischen Direktoren von ARD und ZDF aus, um neue Knüppel in die Eureka-Bahn zu werfen.

Warum? Industriemanager erklären es mit gekränkter Eitelkeit und übertriebenem Selbstdarstellungstrieb. Das mag richtig sein. Schon liegt in Bonn eine Anfrage der französischen Regierung vor, welche Basis denn die Denkschrift hätte - und die europäische Industrie verlangt gar eine Rücknahme des Papiers.

Eine Denkschrift zur Werbeschrift mißraten?

Die Argumentation der Sendeanstalten kreist um den Punkt: Eine Situation wie bei der Einführung des Farbfernsehens mit drei nicht kompatiblen Normen darf sich dem Publikum zuliebe nicht wiederholen. Wie, bitte schön, drängt sich dann die Frage auf, hätte man sich denn entscheiden sollen? Gegen Pal und für einen, zwar im Markt befindlichen, letztlich aber hoffnungslos veralteten NTSC-Standard? Diese Entscheidung hätte zum einen den Exitus eines ganzen Industriezweiges in Europa gebracht - und zum anderen für die Konsumenten fehlende Abwärtskompatibilität und ein deutlich sichtbar schlechteres System.

Die Analogien zur jetzigen Diskussion sind deutlich. Auch hier geht es um technische Aspekte und um die Sicherung von Arbeitsplätzen, die die Sendeanstalten allerdings wenig interessieren. Sie lassen sich nach eigener Aussage nicht „von vermeintlich wirtschaftlichen Vorteilen" leiten. Aber selbst mit Rücksicht auf das Publikum ist die Entscheidung für ein inkompatibles System nicht zumutbar. Einfluß hätte sie auch auf das duale Fernsehsystem aus öffentlich-rechtlichen und privaten Programmanbietern.

Ein revolutionäres System ala Japan brächte am Anfang eine Zuschauerzahl Null. Wer soll das bezahlen? Man erinnere sich daran, daß die Akzeptanz des Farbfernsehens außerordentlich zäh anlief - trotz der sichtbar besseren Qualität, trotz der moderaten Empfängerpreise und trotz der bestehenden Abwärtskompatibilität. Der Schritt zu HDTV wäre unvergleichlich teurer, brächte einen weitaus geringeren Sprung in der Qualität und damit sehr viel geringere Marktakzeptanz in der Anlaufphase. Die Privaten werden da kaum mithalten können. Aber auch das interessiert die Öffentlich-Rechtlichen verständlicherweise wenig.
Oder etwa doch?

Jürgen Kindervater (1988)


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