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aus der FUNK-TECHNIK Nr. 21/1948 (1. Nov. Heft)
Das Editorial

Nr. 21/1948 - 3. JAHRGANG

25 Jahre Radioindustrie und Radiohandel in Deutschland

(Anmerkung der Redaktion: Ein Editorial mit der zufriedenen "Denke" der Vergangenheit.)

Der Radiofachhandel war mal richtig wichtig !

Die deutsche Radiowirtschaft bilanzierte vor dem Kriege jährlich mit etwa 400 Millionen (Reichs-) Mark Umsatz. Diese Zahl ergibt sich aus einem Gesamtumsatz von mindestens zwei Millionen Empfängern mit einem Durchschnittspreis von 200 Mark. An dem Umsatz waren im Bereich der Grenzen des alten Deutschlands (also von 1937) rund 30.000 Radiohändler und etwa 800 Großhändler beteiligt. Der Radiofachhandel nahm also innerhalb der Gesamtwirtschaft Deutschlands eine wichtige wirtschaftliche Stellung ein.

Unser Käuferpublikum war gewöhnt, im Fachgeschäft wirklich fachmännisch beraten zu werden, an einem ausgedehnten Kundendienst teilzuhaben und seine Wünsche in bezug auf Empfänger über den Fachhändler an das Lieferwerk heranzubringen.

Der Kunde war König ??

Dieser letzte Punkt ist besonders interessant, weil wohl in keinem Land der Erde der Käufer einen so tiefgreifenden Einfluß auf die Gestaltung der Modelle ausüben. konnte und ausgeübt hat wie in Deutschland. Wenn wir heute die Entwicklung eines Vierteljahrhunderts der Radiowirtschaft überblicken, so ist die Feststellung erstaunlich, daß bei uns der Fachhandel die Gestaltung der Radioempfänger mindestens ebenso grundsätzlich beeinflußt hat wie der Fortschritt der Technik.

Nicht einmal im Automobilbau war ein ähnlich tiefgreifender Einfluß der Käufer zu beobachten. Dies hängt damit zusammen, daß in Deutschland von vornherein die Entwicklung nach einem speziellen Radiofachhandel hingesteuert worden ist. Denn nur der technische Kaufmann hat genügend Verständnis für seine Ware, um auch den Erzeuger derart beeinflussen zu können, daß er die Wünsche des Publikums berücksichtigt.

Fachhändler brauchten eine Ausbildung

Es ist merkwürdig, daß im Anfang des Rundfunks kein Land so zielsicher wie Deutschland auf die Ausbildung von Fachhändlern hinstrebte. Man hat uns vielfach ausgelacht, wenn wir einen technischen Befähigungsnachweis für die Betätigung im Radiohandel verlangten und von Anfang an der Schulung des Fachhändlers in technischer und kaufmännischer Hinsicht die größte Aufmerksamkeit widmeten.

Hans Neuert, der jetzt in Amerika ist, hat in, Zusammenarbeit mit Dr. Ewald - Telefunken, der schon im frühen Stadium der Entwicklung eine Marktordnung anstrebte, die wesentlichste Aufbauarbeit im deutschen Radiohandel geleistet.

Nicht zu vergessen Franz Kaufmann - Telefunken, der die Grundzüge der Werbung an Stelle der Reklame durchsetzte. Werben kann man nur für etwas, von dessen technischen Eigenschaften man selbst im Innersten überzeugt ist. Reklame aber kann man für alles machen, auch wenn man nichts vom Artikel selbst versteht.

Psychologie des Kundengespräches - Überzeugen, nicht überreden.

Die Grundsätze des Radiohandels mußten die des modernen technischen Kaufmanns sein: Überzeugung des Kunden durch technische Argumente. Das ist sehr wesentlich. Es war für die damalige Zeit etwas ganz Neues, denn vielfach stand der allgemeine Handel auf dem Standpunkt, daß ein guter Kaufmann alles verkaufen können muß, was er will, nicht der Kunde.

Die Psychologie des Kundengespräches wurde auf eine neue Basis gestellt, nämlich die Erforschung der Kundenwünsche. Der „Telefunkensprecher" - die kaufmännische Werbezeitschrift der Telefunkenhändler - brachte Gespräche mit der Kundschaft, in denen der neue Gedanke der Werbung verbredet wurde. Der Erfolg dieser Maßnahmen war ein ungeheures Interesse für die Technik der Empfangsapparate bei der Kundschaft. Der deutsche Käufer wurde dadurch unbewußt dahingehend beeinflußt, seinen Rundfunkempfänger nach der technischen Qualität auszuwählen.

Die bösen „Schwarzbauer" stören den Handel

Das war im Anfang der deutschen Radiowirtschaft ganz besonders notwendig, denn wir erinnern uns noch daran, daß Hunderte von „Schwarzbauern" Detektorempfänger und Röhrenapparate herstellten, die in gar keiner Weise dem technischen Stand der Entwicklung entsprachen.

Diese „Erzeuger" kümmerten sich nicht im geringsten darum, daß in jedem Radioapparat eine Anzahl in- und ausländischer Grundpatente angewendet wurde, für die nach den allgemein geltenden Regeln Lizenz an den Patentinhaber bezahlt werden mußte. Ohne die sehr energische Reinigungsarbeit, die besonders Dr. Fritz Creite nach Abschluß eines „Bauerlaubnisvertrages" Anfang 1924 durchführte, wäre eine äußerst schwierige politische Lage aus diesem Schwarzbau entstanden.

Der deutsche Fachhandel hatte an diesen Fragen das größte Interesse. Er wäre ja ohne eine Marktordnung genau so straffällig geworden wie die Schwarzbauer selbst, weil das Patentrecht nicht nur den Hersteller, sondern auch den Vertreiber von patentverletzenden Apparaten regreßpflichtig macht.

Man nennt es die russische Methode . . .

Telefunken löste kurzerhand die im Oktober 1922 gegründete „Rundfunkgesellschaft mit beschränkter Haftung" auf, und gab durch Abschluß des Bauerlaubnisvertrages die Entwicklung frei. Jeder Fabrikant, der den Bauerlaubnisvertrag unterzeichnet hatte, konnte Rundfunkempfänger bauen, wenn er nur die Abgabe von zehn Prozent auf die um fünfzig Prozent gekürzten Listenpreise der Röhren für die Erstbestüekung entrichtete. Mit diesem Vertrag war der Handel geschützt. Es kam nun nur noch darauf an, daß die Händler selbst in ihren Reihen dafür sorgten, diejenigen Geschäfte auszumerzen, die trotzdem schwarzgebaute Empfänger weiter vertrieben.

Zu diesem Zweck wurde der „Deutsche Radiohändlerverband" gegründet, der seinerseits nach einem einheitlichen Rabattabkommen mit den Erzeugerfirmen strebte. Denn wenn man einen gesunden Fachhandel schaffen wollte, mußte man ihm natürlich die Möglichkeit geben, durch eine gerechte Rabattspanne seine "Un"-kosten zu decken und ausreichend zu verdienen.

Jahrelange Rabattkämpfe

Die Rabattkämpfe zogen sich natürlich ebenso jahrelang hin wie die gleichzeitig damit durchgeführte technische Schulung der Händler. Erst um 1928 war die Organisation so weit gediehen, daß Marktordnungsverträge abgeschlossen werden konnten.

Man darf in diesem Zusammenhange auch die Verdienste der Fachzeitschrift „Der Radiohändler" nicht vergessen, die das Werden eines gesunden deutschen Radiofachhandels ständig begleitet und gefördert hat und die bald zum unentbehrlichen und für jeden Fachhändler selbstverständlichen „Werkzeug" wurde.

Wie stark diese Entwicklung durch den ungeheuren Aufstieg der Hörerzahlen des deutschen Rundfunks - und damit der verkauften Apparate - gefördert worden ist, sieht man an dem Beispiel der in die Apparate eingebauten Röhren: während im Jahre 1924 für Erstbestückung 140.000 Röhren gebraucht wurden, betrug diese Zahl 1927 bereits 700.000 Stück.

Das Maß aller Dinge - die Zahl der eingebauten Röhren

Der Wert der in der Radiowirtschaft umgeschlagenen Waren stieg noch schneller als die Zahl der eingebauten Röhren, da sich sehr bald die Notwendigkeit herausstellte, Qualitätsware herzustellen, die natürlich das Preisniveau hob. Das Publikum wurde um so kritischer, je stärker die Aufklärung durch den Fachhandel und die Radioliteratur wirkte. Es zeigte sich bald, daß der deutsche Käufer ein ungeahntes technisches Verständnis und Interesse für den Radioapparat besaß, aus dem sich sein Qualitätssinn entwickelte, um den uns andere Märkte der deutschen Wirtschaft oft beneidet haben.

Die Industrie unterstützte diese Bestrebungen in jeder Hinsicht. Sie rang sich in wenigen Jahren zur Überzeugung durch, daß der Radioapparat in Deutschland nicht eine Verbrauchsware - wie z. B. in Amerika -, sondern ein Gebrauchsgegenstand ist, bei dem lange Lebensdauer, gute Leistung und schönes Aussehen den Verkaufswert bestimmen. Natürlich wurden dadurch die deutschen Geräte viel teurer als die amerikanischen.

Amerikanisch billig oder Deutsch und teuer ?

Es gab immer wieder - auch unter den Händlern - Kritiker, die verlangten, man solle doch den amerikanischen Weg gehen und lieber billigere Röhren und billigere Apparate machen, als dem Publikum so teure und für diesen Zweck viel zu gute Ware anzubieten. Kaufmann, der in mancher dieser Versammlungen mit Geist und Witz allzu energisch vorgetragenen Angriffen die Spitze abbrach, pflegte in solchen Fällen zu sagen: „Meine Herren! Es gibt überall auf der Welt Leute, die etwas ein wenig billiger, aber dafür sehr viel schlechter machen können!"

Der Radiogroßhandel wurde geboren

Inzwischen stieg der Jahresumsatz derartig, und das Angebot wurde so vielfältig und differenziert, daß sich sowohl von der finanziellen Seite her wie von der technischen das Bedürfnis nach einem Radiogroßhandel immer dringender meldete. Es gab zwar von Anfang an Spezialgroßhändler auf diesem Gebiet, aber nur sehr wenige.

Der eigentliche Fachgroßhandel entwickelte sich einfach dadurch, daß infolge des Umfangs des Geschäftes die kleinen Händlerfirmen nicht mehr in der Lage waren, mit jeder einzelnen Fabrik in Geschäftsverbindung zu treten. Sie waren auch nicht kapitalkräftig genug, größere Abschlüsse zu finanzieren und Teilzahlungsgeschäfte in Gang zu bringen.

Das Risiko jedes ordentlichen Geschäftes muß in Einklang mit seinem Gesamtumsatz stehen. Es hatte sich aber damals schon klar gezeigt, daß das Radiogeschäft erhebliche Risiken in sich birgt, weil das Publikum nicht zu jedem neuen Modell ja sagte. Manche Firma schloß mit Verlust ab, wenn sie sich in der Auswahl der Modelle geirrt hatte. Diese Risiken zu tragen, war der Großhandel weit eher in der Lage. Er konnte auch besser überblicken, ob ein technischer Fortschritt einschlagen würde oder bloß eine Seifenblase war.

Die Standardsprüche eines "Verbandes"

Der Großhandel hatte eine Anzahl sachverständiger Ingenieure zur Verfügung, die ihn in schwierigen Fragen beraten konnten. Er war auch über die Gesamtmarktlage besser orientiert und konnte so seinen Abnehmern, dem Radioeinzelhandel, viele Sorgen abnehmen. Das Rabattsystem wurde derart gestaffelt, daß auch dem Großhandel noch eine genügende Verdienstspanne blieb. Der wachsende Umfang des Gesamtgeschäftes und die sinkenden Produktionspreise ermöglichten die Rabattbelastung, ohne daß der letzte Käufer überhöhte Preise bezahlen mußte, aber doch in den Genuß eines wesentlich erweiterten Kundendienstes kam.

So entwickelte sich die deutsche Radiowirtschaft organisch und gesund, wenn auch nicht ohne erhebliche Schwankungen und Rückschläge, die bei keiner neu entstandenen Technik zu vermeiden sind, wenn sie so stark wie unsere Radiotechnik, gerade von unten herauf, vom letzten Käufer her, beeinflußt wird. Der deutsche Radioapparat wurde zu einem wertvollen Gebrauchsgegenstand, der in Aussehen, Klang und Leistung mustergültig für Europa war. Das zeigte sich bald in einem wachsenden Anteil des Exportes und in der Anerkennung der deutschen Leistung, ganz besonders in den südöstlichen Ländern unseres Kontinents, die den deutschen Empfänger allen anderen vorzogen.

Die deutsche Marktordnung muß wieder her.

Daß die Radioindustrie auch heute wieder eine reine Qualitätsindustrie ist, verdanken wir also mindestens ebensosehr dem Einfluß von der Produktionsseite her wie der Mitarbeit des Handels und des Käufers. Das interessante Spiel der gegenseitigen Aufschaukelung durch Rückkopplung zwischen diesen beiden Faktoren wirkte auch noch nach, als im Jahre 1934 Industrie und Handel autoritär ausgerichtet wurden. So lange, daß auch nach Beendigung des Krieges noch genügend vitale Kräfte in Industrie und Handel vorhanden waren, um einen Wiederaufbau nach den alten Prinzipien zu ermöglichen.

Die deutsche Marktordnung war inzwischen von vielen europäischen Ländern nachgeahmt, worden, weil sie gut war und die Erzeugnisse so genau an die Wünsche des letzten Verbrauchers anzupassen ermöglicht hatte, daß man geradezu von einem typisch deutschen Empfängerbau sprechen konnte. Daß sich all dies tatsächlich zum Vorteil der Kundschaft ausgewirkt hat, sah man in den Nachkriegsjahren daran, daß nur ein geringer Prozentsatz der Empfänger seine durchschnittliche zehnjährige Lebensdauer nicht erreicht hat, aber ein sehr großer sie weit überschreiten konnte. Mancher alte Veteran aus den Baujahren vor 1930 hat unsere Händlerwerkstätten passiert und ist wieder gesund aus ihnen hervorgegangen.

Umsatz wirklich = Erfolg ??

Heute, da wir 25 Jahre der deutschen Radiowirtschaft überblicken können, dürfen wir uns mit Stolz sagen, daß durch die Zusammenarbeit der deutschen Radioindustrie mit dem Radioeinzel- und -großhandel jährlich immerhin mindestens vierhundert Millionen Mark umgeschlagen worden sind. Einmal konnte der deutschen Wirtschaft damit ein erfreulicher Betrag zugeführt, zum anderen mit den verkauften Geräten Millionen Menschen Freude und Erbauung in ihr Heim gebracht werden. Das vor allem ist eine Aufgabe der Technik, an der es wohl lohnt, auch in Zukunft wieder mitzuarbeiten, weil anderen Freude Machen die schönste Quelle des wahren Glückes der Menschen bedeutet.

Otto Kappelmayer

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