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aus der FUNK-TECHNIK Nr. 01/1948 (1. Jan. Heft)
Das Editorial

Nr. 01 /1948 - 3. JAHRGANG

Die deutsche Röhrenfrage

VON THEODOR GRAF VON WESTARP

(Anmerkung:
Graf von Westarp ist der Chef der deutschen Philips in Hamburg)

Sieht man einmal von den allmählich vom Markt verschwindenden kommerziellen Röhren ab und berücksichtigt ebensowenig die alten Zahlen-Röhren, die gleichfalls zum Sterben verurteilt sind und nur so lange noch von den Fabriken hergestellt werden dürften, wie sie zu Ersatzzwecken gebraucht werden, so findet man drei verschiedene Techniken für die Apparate-Erstbestückung:

1. die alten normalen Glasröhren mit eingeschmolzenem Quetschfuß,
2. die Allglas-Röhren,
3. die Stahlröhren.

Von diesen Röhren werden die unter 1. erwähnten gemeinsam von Philips-Valvo und Telefunken - den hauptsächlich in Betracht kommenden Röhrenfabriken Deutschlands - hergestellt, während die Allglas-Serie ein reines Philips-Produkt ist und die Stahlserie von Telefunken entwickelt wurde.

Es gab einmal nur Philips und Telefunken

Soweit gemeinsame Typen bestehen, haben diese auch eine gemeinsame Bezeichnung. Philips und Telefunken hatten sich lange vor dem Kriege darüber geeinigt, zukünftig zwar die Röhren-Entwicklung einzeln voranzutreiben, sich dann aber auf gemeinsame Typen und Bezeichnungen zu einigen. Dies ging eine Zeitlang gut und in der A-und C-Serie wurden Röhrentypen geschaffen, die für die Bestückung von Wechselstromgeräten (A-Serie) und Allstromgeräten (C-Serie) geeignet waren. Dann traten bedauerlicherweise, mit hervorgerufen durch die in Amerika geschaffene Metallröhren-Konstruktion neue Probleme auf, die zu einem Verlassen der gemeinsamen Röhrenlinie führten.

Während nämlich Telefunken Stahlröhren schuf, ging Philips einen anderen Weg und entwickelte die sogenannte „Rote Serie" und anschließend die Allglasröhren. Die Allglas-Technik setzt sich jetzt in Gestalt der Rimlock-Serie in der ganzen Welt durch. Es ist ein Laienglaube, daß eine Stahlröhre unverletzlicher sein müsse als eine Röhre mit Glaskolben, denn in allen Röhren ist bei Stoß oder Fall das empfindliche System im Innern längst verbogen, ehe etwa der Glaskolben oder der Stahlzylinder eine Beschädigung erleidet.

Dagegen haben aber unzweifelhaft die von Telefunken entwickelten Stahlröhren verschiedene Vorteile: alle Anschlüsse liegen unten, die Aufhängung des Glühfadens ist gut gefedert, und das System weist eine große Festigkeit auf. Ein Nachteil hingegen ist die verhältnismäßig große Baubreite - sie ist ungleich wichtiger als die Höhe der Röhre - und die horizontale Anordnung des Systems, die bei Vorhandensein von irgendwelchen Verbrennungsresten, die durch das Formieren entstanden sind, größere Kurzschlußgefahr zur Folge hat als bei dem Vertikal-System, bei dem diese metallischen Reste nach unten herausfallen.

Der Kolben, der Sockel und die Fassung

Bei der "Allglas-Serie wird ein mit durchgeführten Chromeisenstiften versehener Boden in den Kolben eingepreßt. Die Chromeisenstifte dienen gleichzeitig als Sockelstifte. Bei ihrer Konstruktion ergeben sich folgende Vorteile: Billigere Herstellung durch das Fortfallen des Sockels, desgleichen dadurch geringere Baubreite. Die vertikale Anordnung des Systems ermöglicht ebenfalls einerseits eine geringere Baubreite, andererseits wird, wie vorerwähnt, die Kurzschlußgefahr verringert. Die Trennung der mechanischen Halterung von der elektrischen Kontaktgebung zwischen Sockel und Fassung und die verringerten Kriechströme stellen ebenfalls eine nicht unwesentliche Verbesserung dar.

Durch das höchst bedauerliche Abweichen von der gemeinsamen Linie Philips und Telefunkens steht man vor der Tatsache, daß es schwerlich möglich ist, mit den beiderseitig vorhandenen Maschinen Röhren der Technik des anderen Teils herzustellen, da Stahl- und Allglas-Röhren vollständig verschiedene Fertigungseinrichtungen erfordern. Zudem ist die Maschinenausrüstung der Stahlröhren-Fertigung außerordentlich umfangreich und kostspielig, und die Fertigung der Röhren erfordert sorgfältig eingearbeitetes Personal; aber es soll auch nicht verhehlt werden, daß die Allglas-Serie ihre bestimmten Schwierigkeiten hat, vor allen Dingen in der Herstellung absolut dichter Verbindungen, da selbst bei ganz sorgfältiger Fabrikation die Gefahr von Vakuum-Undichtigkeiten auftritt.
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Gut eingearbeitetes Personal

Das bedeutet also, daß auch hier gut eingearbeitetes Personal von Wichtigkeit ist. Erwähnt mag noch werden, daß sowohl mit den Stahlröhren Telefunkens wie mit den Allglas-Röhren von Philips eine Unzahl Apparate bestückt sind, so daß beide Röhrentypen noch eine große Anzahl von Jahren fabriziert werden müssen. Aus Vorstehendem erhellt, daß es keineswegs möglich sein wird, im Augenblick eine einheitliche Röhrenlinie wieder herzustellen, es sei denn, man zwingt beide Parteien, was theoretisch denkbar ist, auf die Quetschfuß-Technik zurückzugehen, und zwar solange, bis ein Übergang auf die auf der Weltlinie liegende Rimlock-Röhre möglich erscheint. Dieses wird nach Fertigstellung der Maschinen in einiger Zeit der Fall sein. Aber das würde ohne Zweifel - zumal bei der Firma Telefunken - ein Stillegen vieler Maschinen bedeuten und es ist nicht zu übersehen, ob sich das im Augenblick rechtfertigen läßt. (Selbstverständlich würde es Telefunken unbenommen sein, die für eine Ersatzbestückung erforderlichen Stahlrohren herzustellen, es würde nur die Erstbestückung mit Stahlröhren verboten werden.)

Ein Verbot der Schaffung neuer Röhrentypen ??

Die Hamburger Röhrenfabrik der Philips-Valvo Werke hat ihrerseits aus den sich bei Herstellung der Allglas-Serie ergebenen Schwierigkeiten die Konsequenz gezogen und sich entschlossen, bis zur guten Einarbeitung der gesamten Belegschaft eine bisher in Deutschland noch nicht am Markt befindliche U-Serie nach dem alten Quetschfußverfahren herzustellen, und zwar in Gestalt der Typen UCH5, UBL3 und UY3, die der ECH4, EBL1 und der AZ1 der Wechselstromserie entsprechen. Zur Komplettierung dieser Serie werden gleichzeitig die Typen UF6 und UF9 hergestellt. Wie bereits mehrfach im Vorstehenden erwähnt, muß und wird die Zukunftslinie der Rimlock-Röhre gehören, nicht allein wegen ihrer kleinen Ausmaße und sonstigen Vorteile, sondern weil es für Deutschland von größter Wichtigkeit ist, wieder an die Weltentwicklung Anschluß zu finden.

Sehr wünschenswert wäre bis dahin ein Verbot der Schaffung neuer Röhrentypen für Rundfunkgeräte ohne vorherige Genehmigung, damit die jetzige Zersplitterung auf mehrere Röhrenlinien ihr Ende findet.


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