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aus der FUNK-TECHNIK Nr. 15/1948 (1. Aug. Heft)
Das Editorial

Ein Editorial aus dem Heft 15/1948 von R. W. S.

Währungsreform im Westen - Ausfuhr und Inlandsabsatz

August 1948 - Die in Ostzone und Westzonen getrennt vollzogene Währungsreform hat auf die deutsche Funkindustrie vielleicht insofern besonders empfindliche Rückwirkungen, als hier eine ursprünglich organisch gewachsene Wirtschaftseinheit noch schärfer als bisher in zwei Teile zerrissen wurde.

Es ist an dieser Stelle schon oft festgestellt worden: der bedeutendste Teil der Radioindustrie lag vor dem Kriege im Gebiet der heutigen sowjetischen Besatzungszone, und Berlin bildete darin den Schwerpunkt. An diesem Bilde konnten Demontagen im Osten und Bildung selbständiger Betriebe aus verlagerten Werkstätten im Westen und Süden bisher nichts entscheidend verändern. Was in den letzten zwei Jahren von Firmen der Bizone an Geräten gebaut wurde, war zum großen Teil nur mit Einzelteilen aus Sachsen, Thüringen und Berlin herstellbar. Umgekehrt waren in der Ostzone und Berlin manche Halb- und Fertigerzeugnisse aus dem Westen unentbehrlich. Ohne eine gegenseitige Ergänzung wäre nicht einmal die bescheidene Gerätefertigung von heute in Gang gekommen.

Dieser Fluß der interzonalen Zulieferungen ist im Augenblick als unmittelbare Folge der getrennten Währungsreform gestört, und es ist noch nicht zu übersehen, ob der durch verschiedene Währungen gezogene Graben ein Dauerhindernis bleiben wird oder durch handelspolitische Maßnahmen zufriedenstellend überbrückt werden kann. Was aber auch immer in dieser Beziehung kommen mag, die Bemühungen, die deutsche Funkindustrie allmählich wieder zu einem, wenn auch nur bescheidenen Faktor im Welthandel zu machen, sind bestimmt nicht aussichtsreicher geworden. Die Gefahr, daß sich nunmehr zwei unabhängige Industriegruppen bilden, die sich womöglich noch gegenseitig bekämpfen, ist nicht von der Hand zu weisen.

Unabhängig davon bleibt die an dieser Stelle wiederholt erhobene Forderung nach exportfähigen Radiogeräten bestehen. Einfach deswegen, weil jeder Wirtschaftszweig, der die dazu notwendigen Voraussetzungen aufweist, dabei mithelfen muß, die deutsche Zahlungsbilanz zugunsten höherer Lebensmitteleinfuhren zu verbessern.

Die bisher auf dem Wege zu einer angemessenen Ausfuhr stehenden Hindernisse sind durch die Währungsrcform allein noch keineswegs beseitigt und hängen nach wie vor mehr von der Rohstoffbeschaffung und den teilweise sehr schwierigen Exportverfahren in den verschiedenen Zonen ab. Aber eines wenigstens sollte die Wirtschaftsentwicklung nach der Währungsreform bewirken, nämlich die Möglichkeit einer echten Kostenrechnung ohne Verschleierung. Voraussetzung dafür ist freilich, daß das System der Kompensationen und Phantasiepreise nun auch tatsächlich endgültig verschwindet, selbst wenn gewisse Rohstoffe, Einzelteile und Röhren weiterhin knapp bleiben. Nur wenn der Hersteller seine Fertigungskosten auf den Pfennig genau kennt, und zwar auf längere Zelt im voraus, kann er vernünftig kalkulieren. Und wenn die deutsche Radioindustrie in Zukunft wieder auf dem Exportmarkt auftreten will, wird sie sehr scharf kalkulieren müssen, auch dann, wenn (in den Westzonen) der einstweilen noch völlig prohibitiv wirkende Zwangsumrechnungskurs Mark zu Dollar eine günstigere Veränderung erfahren sollte. Das, wofür heute ein billiger amerikanischer Super angeboten wird, kostet den deutschen Hersteller vorläufig allein der entsprechende Röhrensatz. Solange derartige Mißverhältnisse bestehen, ist natürlich an eine Ausfuhr nicht zu denken.

Was die letzte „Export"-Messe Hannover an Rundfunkgeräten aufwies, ließ denn auch wenig Aussichten auf ein zukünftiges Ausfuhrgeschäft zu. Die dort genannten Preise waren für alle angebotenen Geräteklassen auf dem Weltmarkt undiskutabel. Wird sich das jetzt nach durchgeführter Währungsreform ändern lassen ? Diese Frage ist für die künftige Stellung der deutschen Funkindustrie schlechthin entscheidend, wenigstens für denjenigen Teil, der in den Westzonen arbeitet. Die Hersteller in der sowjetischen Besatzungszone, deren Leistungsfähigkeit in den Westzonen vielfach ganz falsch eingeschätzt wird, dürften bei den anders gelagerten Wirtschafts- und Handelsbedingungen vielleicht einmal leichtere Absatzmöglichkeiten im Ausland haben. Führt, woran man denken könnte, die getrennte Währungsreform hier zu einer engeren Anlehnung an die osteuropäischen Länder, so ergäbe sich ein Absatzgebiet, das weniger unter dem Preisdruck einer übermäßigen Konkurrenz steht. Aber auch dies sind zunächst nur Erwägungen, für deren Verwirklichung handgreifliche Anzeichen noch nicht vorliegen.

Vorläufig ist ja auch Export kaum ein Zwang aus Absatzsorgen auf dem Inlandsmarkt.
Der Rundfunkempfänger ist längst kein Luxusgegenstand mehr, sondern vielmehr ein Bedarfsgegenstand des täglichen Lebens, der im Range oft noch vor Kleidung und Behausung steht. Auch die kräftige Verminderung der Bargeldbestände durch die Geldreform dürfte daher die Nachfrage nach Rundfunkempfängern nicht sehr wesentlich einschränken. Allerdings wird sich diese mehr den unteren Preisklassen zuwenden. Aber im ganzen gesehen steht nicht zu befürchten, daß der seit Jahren angestaute und durch Kriegszerstörungen unnatürlich gesteigerte Inlandsbedarf an Radiogeräten der Industrie nicht genügend Arbeitsmöglichkeiten gibt.

Zu seiner Befriedigung werden vielleicht Kredithlifen gegeben werden müssen, sowohl vom Hersteller gegenüber dem Händler als auch von diesem gegenüber dem Kunden. Wieweit die allgemeine Kreditpolitik nach dem scharfen Geldschnitt dies zuläßt, ist noch nicht klar ersichtlich. Es ist aber, ohne einem uferlosen Ratenzahlungssystem das Wort reden zu wollen, auf jeden Fall zu bedenken, daß gerade das Radiogerat nach Erfahrungen aus früherer Zelt ein für das Kreditgeschäft sehr geeigneter Artikel ist, der vom Kunden meistens willig abbezahlt wird.

Einen empfindlichen Schlag hat die Währungsreform hoffentlich den in den letzten Jahren zum Leben erwachten Scheinfirmen zugefügt, für welche die bastelmäßige Herstellung von Rundfunkempfängern mehr ein Deckmantel für einträgliche Schwarz- und Kompensations- geschäfte als ein Zeichen ehrlicher Aufbauarbeit war. Um sie ist es, wenn sie jetzt auf der Strecke bleiben, nicht schade.
R. W. S. (August 1948)

Anmerkung: Es fiel den "Etablierten" bereits auf . . .

daß der damals noch kleine Max Grundig einen gigantischen Aufschwung in einer wirtschaftlich fast toten Zone um Nürnberg / Fürt hingelegt hatte und "man" gönnte es ihm nicht. Damals nicht und später auch nicht.

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