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"Das gab's nur einmal" - Der deutsche Film von 1912 bis 1945

Der Schriftsteller Curt Riess (1902-1993 †) hatte 1956 und 1958 zwei Bücher über den Deutschen Film geschrieben. Als Emigrant in den USA und dann Auslands-Korrspondent und später als Presseoffizier im besetzten Nachkriegs-Berlin kam er mit den intessantentesten Menschen zusammen, also nicht nur mit Filmleuten, auch mit Politikern. Die Biografien und Ereignisse hat er - seit 1952 in der Schweiz lebend - in mehreren Büchern - wie hier auch - in einer umschreibenden - nicht immer historisch korrekten - "Roman-Form" erzählt. Auch in diesen beiden Filmbüchern gibt es jede Menge Hintergrund- Informationen über das Entstehen der Filme, über die Regisseure und die kleinen und die großen Schauspieler, das jeweilige politische Umfeld und die politische Einflußnahme. Die einführende Seite finden Sie hier.

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FÜNFZEHNTERTEIL - DIE KRISE

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GIBT ES ÜBERHAUPT EINE KRISE?

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Dez. 1936 - Produktionschef Hugo Corell soll zurücktreten

Ende des Jahres 1936 erhält UFA Generaldirektor Ludwig Klitzsch ein Schreiben des Propagandaministeriums. Es handelt sich nur um wenige Zeilen. Minister Dr. Goebbels teilt dem Chef der UFA mit, daß er den Rücktritt des Produktionschefs Hugo Corell verlange.

Grund: Corell besitzt das Vertrauen von Goebbels nicht mehr. Die Eingeweihten wissen auch, warum Corell nicht mehr das Vertrauen des Ministers besitzt. Er hat sich nämlich dagegen ausgesprochen, daß eine junge Schauspielerin namens Lida Baarova einen langjährigen Vertrag mit der UFA bekommt.

Aber Klitzsch kann Goebbels natürlich nicht sagen, daß auch er gegen den Baarovavertrag war. Denn die Baarova und Goebbels waren .......

Klitzsch führt trotzdem den Befehl von Goebbels, Corell zu entlassen, nicht so ohne weiteres durch. Er diktiert eine Antwort. Die ist viele Seiten lang.

In diesem Antwortschreiben führt Klitzsch aus, wie wichtig Corell für die Weiterführung der UFA sei. Er braucht gar nicht zu übertreiben. Er braucht bloß die Wahrheit zu sagen.

Er schreibt, daß ohne Corell die UFA den letzten Rest des ihr verbliebenen Auslandsgeschäftes am Ende verlieren müsse.
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Goebbels schweigt sich daraufhin aus.

Trotzdem sieht Klitzsch mit Pessimismus in die Zukunft, Goebbels ist stark. Goebbels hat tausend Machtmittel, deren er sich bedienen kann. Er kann die UFA finanziell auf die Knie zwingen. Und das ist genau das, was Goebbels tut.

Es wird immer schwerer für die UFA, Bankkredite zu erhalten. Es wird in einzelnen Fällen geradezu unmöglich. Es wird infolgedessen immer schwieriger für die UFA, auf lange Sicht zu planen, langjährige Verträge abzuschließen. Stattdessen beginnt sie zu improvisieren, von heute auf morgen zu wirtschaften.

Das kann nicht lange gut gehen. Das soll auch nicht gut gehen. Goebbels will ja die UFA an den Rand des Bankrotts treiben, um die bisherigen Besitzer und ihre Vertrauensleute auszuschalten. Um sich selbst einzuschalten.

Die Methode von Goebbels ist nicht neu.

Wie hat man es denn mit den großen demokratischen Zeitungsverlagen gemacht? Man hat diese oder jene Zeitung verboten, zuerst auf einen Tag, dann auf eine Woche, dann auf einen Monat. Kein noch so gesundes Zeitungsunternehmen kann Verbote am laufenden Band aushalten.

Die Verlage hatten also zu wählen zwischen sofortigem Ruin oder Verkauf - Verkauf zu dem Preis, der von den neuen NS-Machthabern geboten wurde.

März 1937 - Ein gewisser Dr. Max Winkler

Der Mittelsmann bei den Zeitungsverkäufen war immer ein gewisser Dr. Max Winkler, der rund zweitausend Zeitungen für die Nationalsozialisten auf diese Weise „aufkaufte".

Und es ist recht interessant, daß auch während der nun anbrechenden UFA-Krise dieser Herr Dr. Winkler ganz plötzlich in Erscheinung tritt. Die Krise bricht im März 1937 aus. Goebbels verlangt Entlassung des gesamten Aufsichtsrats der UFA. Grund: „Besondere Vorkommnisse". Von der Baarova natürlich kein Wort.

Klitzsch erklärt, der Aufsichtsrat eines Privatunternehmens könne nicht einfach abberufen werden. Goebbels schweigt.
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Hugenberg kann nicht mehr diktieren. Jetzt diktiert Hitler

Beratung zwischen Klitzsch und Hugenberg, dem Vorsitzenden des Aufsichtsrats, dem eigentlichen Besitzer der UFA. „Er wird uns erledigen!" lamentiert Hugenberg. „Er kann ja mit uns machen, was er will!" Der ehemals so mächtige Mann ist in sich zusammengeschrumpft.

Wo sind die Zeiten hin, da er diktieren konnte? Jetzt kann er nicht mehr diktieren. Jetzt diktiert jener Hitler, den er nur ein paar Monate an die Macht bringen wollte.

Er weiß, Goebbels hat alle Trümpfe in der Hand. Er braucht nur zwei bis drei UFA-Filme zu verbieten - und die UFA ist fertig.

„Wenn man nur wüßte, was Goebbels will?" fragt er seinen Generaldirektor. „Man kann ja versuchen, es herauszubekommen!" meint Ludwig Klitzsch.
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Goebbels will die UFA kaufen

Wenige Tage später trifft er Dr. Goebbels auf einem offiziellen Empfang.

Klitzsch macht ein besorgtes Gesicht: Er will wissen,was das Propagandaministerium eigentlich gegen die UFA habe. Goebbels lächelt dünn. Ihm ist nicht bekannt, daß das Propagandaministerium etwas gegen die UFA hat.

Klitzsch: „Wollen Sie die UFA zugrunde richten?"
„Wie kommen Sie darauf, Herr Generaldirektor?"
Nun schweigt Klitzsch. Goebbels wartet eine Minute.
Dann sagt er: „Im Gegenteil! Ich will die UFA kaufen!"
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Goebbels tritt natürlich nicht persönlich als Käufer auf.

Die Verhandlungen führt eben jener gewisse Dr. Max Winkler. Jawohl, jener Dr. Max Winkler, der bereit den Ullsteinverlag für das Reich aufgekauft hat, das Wolf'sche Telegraphenbüro und, alles in allem, rund zweitausend Zeitungen und Zeitschriften. Sehen wir uns Dr. Winkler ein wenig näher an.

Er ist beileibe kein Nationalsozialist. Hitler ist ja auch schon der neunzehnte Reichskanzler, unter dem er Dienst tut. Später einmal, als er sich entnazifizieren lassen muß, wird er das besonders hervorheben. Ja, dieser seltsame Charakter wird sich ausführlich darüber verbreiten, daß er seine seltsamen Käufe nicht etwa aus Überzeugung unternahm.
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Und Winkler war selbstverständlich kein Nationalsozialist

Er hat, wie so viele andere, nur getan, was ihm befohlen wurde. Er konnte rechts ... Er konnte links ... Er hat nämlich eigentlich immer Zeitungen für die Regierung gekauft.

Oder jedenfalls seitdem er aufhörte, Bürgermeister des Städtchens Graudenz zu sein, und in Berlin in der Brückenallee 12 in einem Büro saß, das der Cautio G.m.b.H. gehörte. Die Cautio wiederum gehörte Dr. Winkler und war eine Tarn-Firma.

Wollte das "Deutsche Reich" - später die NS-Regierung - irgendwo eine Zeitung kaufen oder sich an einer Zeitung beteiligen - meist im Ausland - dann kaufte die Cautio still Anteile auf und verkaufte sie ebenso still an das Reich weiter. So wurde das gemacht. So einfach war das.
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  • Anmerkung : Es ist doch erstaunlich, daß sich das oben Beschriebene in der SBZ bzw. Ostzone unter dem geistigen Tiefflieger Walter Ulbricht und seinem ebenso intelligenten Erich Honnecker fast genauso abgespielt hat  - mit diesen diversen "Tarnfirmen" in Ost- und in Westdeutschland und vor allem in Österreich. Diese "Agenten" sollten nicht nur kritische Geister aufkaufen sondern vor allem Embargoware beschaffen.

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Politisch stand dieser Dr. Winkler eigentlich ..... nirgends !

Die Demokraten hatten ihn einmal in den Preußischen Landtag gewählt, aber das bedeutete für ihn beileibe keine Bindung. Übrigens gab es nichts Finsteres und Intrigenhaftes um Dr. Winkler.

Er war im Gegenteil liebenswürdig, geschickt, gescheit, gesellschaftlich versiert. Wenn er wollte, bemerkte man ihn überhaupt nicht. Wenn es ihm paßte, konnte er bei einer Tasse Tee die wichtigsten Geschäfte einleiten oder auch zum Abschluß bringen.

Für Goebbels war er der bestmögliche Verhandlungspartner; zuerst, um Hitler die großen Zeitungskonzerne in die Hand zu spielen, jetzt, um die UFA aufzukaufen.
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Wer wäre denn sonst auch in Frage gekommen?

Die Präsidenten der Reichsfilmkammer waren kaum mehr als Marionetten. Selbst ein früher so gescheiter Mann wie Carl Froelich kam, nachdem er zum Ehrenpräsidenten dieser Kammer ernannt worden war, nicht mehr ernstlich in Betracht.

Er fand alles wundervoll, was unter den Nazis geschah, am wundervollsten, daß er so viele Titel hatte und schließlich auch noch Professor wurde.

Fritz Hippler, der erste Reichsfilmintendant, verstand von wirtschaftlichen Dingen überhaupt nichts. Übrigens traute ihm Goebbels nicht, obwohl er, Hippler, gleich zu Beginn des Dritten Reiches einen der übelsten antisemitischen Filme fabriziert hatte.

Denn Hippler wagte gelegentlich eine eigene Meinung zu äußern, das heißt, eine Art Nationalsozialismus zu vertreten, die Goebbels nicht gerade paßte.
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Dann war da Hans Hinkel, der 2. "Bock von Babalesberg"

Da war noch der vortrefflich aussehende Hans Hinkel, der zu den allerersten Nationalsozialisten gehörte. Er mißbrauchte sein Amt, ein gelehriger Schüler seines Ministers, um junge Schauspielerinnen gefügig zu machen - sonst konnten sie keine Karriere machen. Wenn Goebbels das erfuhr, drohte er, Hinkel zu vernichten.

Das war nicht ohne Komik, wenn man bedenkt, daß Goebbels es ja genau so machte, nur daß er eben sehr viel mehr Macht hatte als Hinkel, dessen Beute ja dann auch im wesentlichen aus denen bestand, die Goebbels ihm übrig ließ.

  • Anmerkung : Minister Goebbels war seit dem ersten Interesse an den UFA-Filmen und den dort mitspielenden jungen Schauspielerinnnen überall (unter der Hand natürlich) als "Der Bock von Babelsberg" bekannt und nach intimen Berichten machte er davon - also von seiner Macht und seinem Einfluß - auch weidlich gebrauch. Etwas später nach 1940 war Hitler unter der Hand als der "GRÖFAZ" benannt worden (Der "größte Feldherr aller Zeiten"), wobei in Berlin ein "Fatz" ein Armleuchter oder Spinner war, also immer ein "Fatzke".

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Hugenberg hatte zwar vieles begriffen, aber noch nicht, daß er am Ende alles verlieren wird.

Nein, solche Männer konnte Goebbels nicht vorschicken, wenn es darum ging, die UFA zu kaufen. Da mußte schon ein Mann wie Dr. Max Winkler her. Der wurde von Goebbels zum Reichs- beauftragten für die Deutsche Filmwirtschaft gemacht. Und Winkler begann zu verhandeln.

Es wurden sehr langwierige, sehr harte Verhandlungen. Klitzsch ist nicht so leicht zu überreden, obwohl er von vornherein weiß, daß er verkaufen muß. Denn Hugenberg hat bereits beschlossen, daß er lieber die UFA als seinen Zeitungsverlag verlieren will. Er hat vieles begriffen, aber immer noch nicht, daß er (später nach dem Kriegsende) einmal alles verlieren wird.
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Winkler hat bereits 26% der UFA-Aktien von der Deutschen Bank

Er hat fünfundsechzig Prozent des Nennwertes bezahlt. Klitzsch verlangt für seine Aktien hundertfünfzehn Prozent des Nennwertes. Das ist durchaus üblich - ein Aktienpaket, das die Majorität in einem Unternehmen sichert, wird immer teurer bezahlt.

Aber unter normalen Verhältnissen würde Klitzsch auch zu diesem Preis nicht verkaufen. Warum sollte er auch? Unter normalen Verhältnissen würde er mit der UFA Geld verdienen. Aber es herrschen eben keine normalen Zeiten.

Die Cautio ist ja nicht irgendein Käufer. Die Cautio ist der Wandschirm, hinter dem Goebbels steht.
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Und wenn Klitzsch nicht verkauft, muß die UFA bankrott machen

Also bietet Winkler hundert Prozent des Nennwertes, und Klitzsch verkauft. Winkler kommentiert: „Die Verhandlungen waren hart, sehr hart. Aber dann haben sie aus der Hand gefressen!"

Was anderes bleibt Klitzsch und Hugenberg übrig? Hugenberg erhält noch einen sehr seltsamen Brief von Goebbels, in dem dieser ihm erklärt, nach dem Verkauf der UFA werde er den Scherl-Verlag nicht mehr belästigen. Unfaßbar, daß der kluge Goebbels einen solchen Brief überhaupt aus der Hand gibt!

Die einzige Erklärung: er ist der festen Überzeugung, länger zu leben als Hugenberg, und dieser wird es zu seinen Lebzeiten nicht wagen, mit diesem Brief öffentlich hervorzutreten.

Die zweite Vermutung von Goebbels ist richtig, die erste ist allerdings falsch. Die deutsche Öffentlichkeit, die nun schon seit Jahren nichts mehr von dem erfährt, was an Entscheidendem geschieht, ahnt auch nicht, was sich hinter den Kulissen der UFA abspielt.

Nicht einmal die Stars der UFA sind darüber informiert. Sie wissen zwar, daß etwas vorgeht, daß alles nicht so ist, wie es sein sollte.

Und als sie schließlich ein kurzes Communique des Deutschen Nachrichtenbüros lesen, die UFA sei verkauft worden, sind sie auch nicht klüger. Denn die Nachricht wird nicht kommentiert, darf nicht kommentiert werden.
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Goebbels spielt ein wiedermal ein makabres falsches Spiel

Aber um auf Goebbels zurückzukommen: das Komischste an der grimmig-komischen Geschichte seiner Verhandlungen mit Hugenberg und was den Brief, den er an ihn geschrieben hat, zu einer besonderen Pointe macht: Goebbels denkt gar nicht daran, sich an das gegebene Versprechen zu halten.

Er wird noch kurz vor Kriegsende auch den Scherl-Verlag, also die letzte Machtposition des alten Hugenberg, aufkaufen. Durch wen? Es dürfte wohl niemanden überraschen, daß der Käufer wieder einmal der so überaus biedere Dr. Winkler ist. Hugenberg wird Goebbels und das Dritte Reich überleben - allerdings in einem Zwischending von Armenhaus und Altersheim.
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Hugenberg - einer der ehemals Mächtigsten in Deutschland

Ja, der Mann, der einst zu den Mächtigsten in Deutschland gehörte - wenn er nicht sogar der Mächtigste war - wird zusammen mit seiner alten Frau in einem winzigen Zimmer landen, in dem es gerade Platz genug gibt für zwei Betten, zwei Stühle und einen Tisch.

Der Tisch ist freilich fast meterhoch mit Akten bedeckt - Akten, die der alte Mann durcharbeitet, um zu beweisen, daß er eigentlich unschuldig ist, daß er keinesfalls dafür verantwortlich gemacht werden kann, daß Hitler an die Macht kam, sondern im Gegenteil als sein Opfer gelten muß.

Daß er alles, alles wiederbekommen müßte ... Ein grotesker Anblick, dieser alte entmachtete Mann, der von früh bis abends über den Akten sitzt, der bis zuletzt kämpft, obwohl er doch wissen muß:
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Es gab sie, die höhere Gerechtigkeit

Es war höhere Gerechtigkeit, daß er alles verlor, die Gerechtigkeit für den Mann, der dafür sorgte, daß so viele alles verloren ...........
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