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"Das gab's nur einmal" - Der deutsche Film von 1912 bis 1945

Der Schriftsteller Curt Riess (1902-1993 †) hatte 1956 und 1958 zwei Bücher über den Deutschen Film geschrieben. Als Emigrant in den USA und dann Auslands-Korrspondent und später als Presseoffizier im besetzten Nachkriegs-Berlin kam er mit den intessantentesten Menschen zusammen, also nicht nur mit Filmleuten, auch mit Politikern. Die Biografien und Ereignisse hat er - seit 1952 in der Schweiz lebend - in mehreren Büchern - wie hier auch - in einer umschreibenden - nicht immer historisch korrekten - "Roman-Form" erzählt. Auch in diesen beiden Filmbüchern gibt es jede Menge Hintergrund- Informationen über das Entstehen der Filme, über die Regisseure und die kleinen und die großen Schauspieler, das jeweilige politische Umfeld und die politische Einflußnahme. Die einführende Seite finden Sie hier.

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DER GROSSE PLAN

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Emil Georg Stauß, Direktor der Deutschen Bank

Um die Zeit, da Richard Oswald „Es werde Licht!" IV. Teil dreht, tritt ein Mann auf den Plan, der bis zu dieser Zeit mit dem Film nicht das geringste zu tun hatte, ja, der noch nicht ein halbes Dutzend Mal im Kino war, und der doch von nun an aus der Geschichte des deutschen Films kaum mehr wegzudenken ist.

In seinem Arbeitszimmer in der Mauerstraße in der City Berlins trägt der Direktor der Deutschen Bank, Emil Georg Stauß, einigen Herren einen Plan vor, der ihn stark beschäftigt.

Es handelt sich nicht etwa um eine Aufsichtsratssitzung oder um eine formelle Besprechung des Vorstandes, obwohl einige Herren des Vorstandes und des Aufsichtsrates anwesend sind, Stauß will erst einmal vorfühlen.

„Wir denken daran, eine Filmgesellschaft zu gründen, eine Gesellschaft von bisher in Deutschland ungekannten Ausmaßen, die alle heute existierenden Filmgesellschaften, oder doch zumindest den größten Teil dieser Filmgesellschaften, in sich vereinigen soll. Ein mächtiger Betrieb!"
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Stauß's Stimme hat den weichen sonoren Klang

Stauß ist ein kleiner Herr - und der Begriff Herr ist nicht zufällig gewählt. Obwohl er ganz von unten heraufkommt, hat er vollendete Formen, und seine Stimme hat den weichen sonoren Klang, der es großen Bankiers manchmal so leicht macht, ihre Zeitgenossen zu etwas ganz Unglaublichem zu überreden.

Er trägt, wie immer, wenn er im Dienst ist - das Wort Dienst stammt von ihm selbst - ein schwarzes Jackett und gestreifte Hosen. Das Haar ist dunkel und voll - Stauß ist vierzig Jahre alt -, über der Oberlippe eine schmale dunkle Bürste, die er manchmal nervös berührt.

1917 - Eine Filmgesellschaft - Warum gerade jetzt?

Die Herren, die in seinem Arbeitszimmer versammelt sind, sehen ihn erstaunt an. Einer fragt: „Warum gerade jetzt? Es scheint kaum der richtige Zeitpunkt zu sein, um in Deutschland ein neues, großes Unternehmen aufzuziehen!"

In der Tat: 1917 dürfte nicht das Jahr sein, das zu besonderem Optimismus herausfordert. Der Kohlrübenwinter ist gerade glücklich überstanden. Die Oberste Heeresleitung hat den uneingeschränkten U-Boot-Krieg erklärt, obwohl es an Warnungen nicht fehlte, früher oder später müßte das zum Eintritt Amerikas in den Krieg führen.

1917 - In Rußland ist die Revolution ausgebrochen

Sie ist vorläufig nur die Revolution der Sozialdemokraten; aber der Krieg im Osten geht weiter. An der Westfront bereitet sich eine gewaltige englisch-französische Offensive vor, der die deutsche Armee nichts mehr entgegenzusetzen hat.

Ein anderer Zuhörer bemerkt: „Der Film ist doch wirklich keine Industrie! Keine Großbank hat ihn bisher ernst genommen."

Stauß nickt unmerklich: „Ich habe mich mit einigen der Herren unterhalten, die Filme finanzieren, die wirklich zehntausend oder gar fünfzehntausend Mark für die Herstellung eines Filmes ausgeben und die, wenn alles gut geht, dreißigtausend oder sechzigtausend Mark mit den Filmen einnehmen. Nein, man kann wohl von einer Filmindustrie wirklich nicht reden, noch nicht."

Bisher war Öl die Zukunft der gewinne

„Na also!" bemerkt ein dritter Herr. Sie alle, die hier versammelt sind, wissen ja, daß Stauß sonst nur in Millionen denkt, Öl ist sein Steckenpferd.

Er war es, der dafür sorgte, daß die Deutsche Bank das Geld dazu hergab, Ölfelder auf dem Balkan auszubauen. Er war es, der sich, um zum Öl des Nahen Ostens zu gelangen, für den Bau der Bagdadbahn einsetzte.

„Und woher Ihr Interesse am Film, mein guter Stauß?" meldet sich ein Vierter. Und nun bekommen die Anwesenden eine seltsame Geschichte zu hören: Das plötzliche Interesse für das Filmgeschäft des Herrn Stauß hat mit seinen langjährigen Interessen für das Ölgeschäft zu tun. Öl und Film haben eigentlich nichts Gemeinsames - aber in diesem speziellen Falle eben doch.

Was haben Öl und Film gemeinsam ?

Als Stauß nämlich während des Krieges versuchte, als Chef der "Groß-Europäischen Union" die amerikanische Standard-Oil (Esso) vom Balkan zu vertreiben, endgültig zu vertreiben, wie er glaubte, stieß er auf eine andere deutsche Gruppe: die "Deutsche Lichtspiel Gesellschaft", kurz DLG genannt.

Auf den ersten Blick sah es so aus, als befasse sich die DLG nur mit dem Vertrieb deutscher Filme auf dem Balkan. Aber Herr Stauß war besser informiert. Er wußte, daß hinter der DLG die Rheinisch-Westfälische Schwerindustrie stand.

Krupp, Thyssen, Stinnes und andere. Er konnte sich an seinen fünf Fingern ausrechnen, daß diese Riesenunternehmungen nicht besonders an der Placierung deutscher Filme auf dem Balkan interessiert waren.

Er vermutete, daß es sich hier um einen Versuch der Schwerindustrie handelte, das Balkangeschäft in ihre Hand zu bekommen. Das Balkangeschäft - das ist das Ölgeschäft.

Und wer den Balkan wirtschaftlich in der Hand hat, kann leicht bis zum Nahen Osten vorstoßen. Die als Filmfirma aufgezogene Avantgarde ist eine Bedrohung der ölinteressen der Deutschen Bank.
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Da muß etwas geschehen.

Die Versammelten entscheiden sich schnell. „Wenn die Konkurrenz sich als Filmgesellschaft tarnt...", beginnt einer. „Werden wir uns auch als Filmgesellschaft tarnen müssen!"
Ein dritter: „Und da die Deutsche Bank keine Filmgesellschaft besitzt, wird sie eine gründen!"
Sie springen auf, um Stauß zu seiner großartigen Idee zu gratulieren.

Direktor Stauß braucht Verbündete

Direktor Stauß sieht sich nach Verbündeten um. Die Deutsche Bank will allein das zur Gründung einer großen Filmgesellschaft notwendige Kapital nicht riskieren. Aber selbst wenn sie es wollte - es ist Krieg, Transaktionen von dieser Reichweite können überhaupt nicht vorgenommen werden, ohne daß die Oberste Heeresleitung sich damit einverstanden erklärt oder, um es genauer zu sagen: Ludendorff, der Generalquartiermeister.

Kein Weg führt an General Ludendorff vorbei

Es gibt nichts, worüber Ludendorff nicht entscheidet: nichts Militärisches, nichts Politisches. Der Reichskanzler Bethmann-Hollweg muß beständig vom Kaiser erfahren, daß diese oder jene seiner Reden dem General Ludendorff nicht passen.

Zeitungen werden verboten - zumindest an der Front verboten -, weil General Ludendorff sie für zersetzend erklärt hat; darunter Blätter von der Bedeutung des ,Berliner Tageblatt' und der ,Frankfurter Zeitung*.

Ludendorff ist allgegenwärtig und um diese Zeit viel mächtiger als etwa Hindenburg oder sogar der Kaiser.
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Das große Hauptquartier in Bad Kreuznach

Es ist nicht allzuschwer für Stauß, Leute zu finden, die ihn bei Ludendorff einführen, und Ludendorff ist interessiert. Hat er nicht erst vor kurzem die ,BUFA' gegründet? Er lädt Direktor Stauß zu einer Besprechung ins Große Hauptquartier nach Bad Kreuznach ein.
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Direktor Stauß zielt auf die Moral in Deutschland ab

Spricht Stauß davon, daß er die DLG aus dem Feld schlagen will? Daß er sich Sorgen macht um das Ölgeschäft auf dem Balkan und im Nahen Osten?

Daß er, wenn er eine Filmgesellschaft gründet, den deutschen Markt möglichst monopolartig zu beherrschen gedenkt und wenn irgend möglich auch den europäischen?

Kein Wort davon. Kein Wort von Geschäft. Stauß weiß genau, was er zu sagen hat. Er weiß, daß es Ludendorff nur darum geht, die Öffentlichkeit zu beeinflussen, und in diesem Sinne spricht er und verbreitet sich ausführlich darüber, wie wichtig der Film sei, um die Moral in Deutschland zu heben, um das neutrale Ausland im deutschen Sinn zu beeinflussen.
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Wen sollte "man" kaufen und für wieviel ?

Er hat übrigens schon eine Liste mit Herrn Oliver aufgestellt, welche Filmgesellschaften aufgekauft werden müßten, um die Super-Filmgesellschaft ins Leben zu rufen.

Natürlich stehen die Gesellschaften Olivers an der Spitze auf der Liste verzeichnet. Auch die Union-Film des Herrn Paul Davidson ist angeführt. „Und wieviel soll das kosten?" will Ludendorff wissen und räuspert sich.

„Dreißig Millionen, Ew. Exzellenz." „Und die soll der Staat beibringen?" „Ja, Ew. Exzellenz. Aber nach außen hin darf es natürlich nicht so aussehen, die Presse würde den Fall aufgreifen..., es könnte unangenehme Fragen im Reichstag geben, die Preise würden steigen ..." „Versteht sich."

„Sie sind mein Mann, Direktor Stauß"

Ludendorff ist beeindruckt, daß Bankier Stauß die gleichen Ideen hat wie er selbst. Ja, man muß die Öffentlichkeit beeinflussen - im Inland wie im Ausland. Das wird siegen helfen. „Sie sind mein Mann, Direktor Stauß", äußert er markig.

Er wird nie erfahren, daß Stauß ihm nur das gesagt hat, was er, Ludendorff, hören wollte. Und ohne Mißtrauen zu schöpfen, setzt er sich hin und diktiert einen Brief, der das Datum des 4. Juli 1917 trägt - der also in einer Zeit verfaßt ist, da es sich bereits deutlich abzeichnet, daß der Krieg nicht mehr gewonnen werden kann.
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Und sie träumen immer noch vom Sieg

Schon ist die riesenhafte englisch-französische Offensive im Gange. Die liberalen Parteien des Reichstages bereiten eine Friedensresolution vor, denn die allgemeine Kriegsmüdigkeit in Deutschland wächst ständig. Im Großen Hauptquartier hört man dergleichen nicht gern.

Die Generale Hindenburg und Ludendorff verlangen vom Kaiser, den Reichskanzler Bethmann-Hollweg abzuberufen, der für ihren Geschmack nicht scharf genug durchgreift. Die Situation spitzt sich zu.

Schon gibt es in Berlin und in sächsischen Industriestädten die ersten Streiks, schon zeigt es sich, wie verhängnisvoll sich der uneingeschränkte Unterseeboot-Krieg auswirkt, und insbesondere, daß die deutschen Unterseeboote Truppentransporte aus Amerika nicht werden abfangen können.

Der Brief Ludendorffs freilich, der an das Kaiserliche Kriegsministerium in Berlin gerichtet ist, nimmt von dem allen keine Kenntnis. Er unterstellt, daß der Sieg in Reichweite und daß der Film nur ein Mittel ist, den Sieg schneller zu erringen.

Ludendorffs vom 4. Juli 1917

Ludendorff schreibt also am 4. Juli 1917:

„Der Krieg hat die überragende Macht des Bildes und Films als Aufklärungs- und Beeinflussungsmittel gezeigt. Leider haben unsere Feinde den Vorsprung, den sie auf diesem Gebiet hatten, so gründlich ausgenutzt, daß schwerer Schaden für uns entstanden ist. Auch für die fernere Kriegsdauer wird der Film seine gewaltige Bedeutung als politisches und militärisches Beeinflussungsmittel nicht verlieren. Gerade aus diesem Grunde ist es für einen glücklichen Abschluß des Krieges unbedingt erforderlich, daß der Film überall da, wo die deutsche Einwirkung noch möglich ist, mit dem höchsten Nachdruck wirkt. Es wird deshalb zu untersuchen sein,

  • 1. wie dieser Einfluß erzielt werden kann und
  • 2. welche Mittel anzuwenden sind."


Ludendorff will Filme ins neutrale Ausland schicken und die deutsche Filmindustrie nach „einheitlich großen Gesichtspunkten" ausrichten.

Die Versorgung des neutralen Auslandes mit Filmen

Was die Versorgung des neutralen Auslandes mit Filmen angeht, so äußert Ludendorff genau das, was ihm Herr Stauß souffliert hat:

„Außer der feindlichen Filmindustrie besitzt in den neutralen Ländern die Nordische Gesellschaft besonderen Einfluß. Diese Gesellschaft hat sowohl in Skandinavien als auch in Deutschland und der Schweiz zahlreiche erstklassige Filmtheater. Die Nordische Gesellschaft ist somit für die deutsche Propaganda eine Macht, die schon dadurch großen Schaden anzurichten vermag, daß sie in ihrem Verhalten Deutschland gegenüber feindlich auftreten kann. Hinzu kommt noch, daß die Nordische Gesellschaft zur Zeit in der Lage ist, Filme nach Rußland zu bringen. Was dieser Einfluß, sofern er im deutschfreundlichen Sinne durchgeführt wird, bedeuten kann, läßt sich bei der leichtbeweglichen Volksstimmung, die augenblicklich in Rußland herrscht, kaum abwägen. Zu bedenken ist ferner, daß aller Wahrscheinlichkeit nach Skandinavien den Schauplatz für die künftigen Friedensverhandlungen abgeben wird."
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Ludendorff irrt sich - er ist der Getriebene

Hier irrt Ludendorff - wie so oft.

„Aus diesem Grunde ist es zur Durchführung der Kriegsaufgaben eine unabweisliche Notwendigkeit, schnellstens einen unmittelbaren Einfluß auf die Nordische Gesellschaft zu suchen. Die einfachste und beste Methode besteht darin, daß die Hauptanteile der Nordischen Gesellschaft am deutschen Filmmarkt in höherem Maße ausgenutzt werden. Möglich ist eine derartige Vereinbarung nur, wenn es gelingt, die deutsche Filmfabrikation so zu vereinheitlichen, daß sie der nordischen als eine geschlossene Vertragsmacht entgegentritt."

Niemand hat eine Ahnung. Keiner von den hohen Militärs im Kriegsministerium, der das Schreiben des Generals Ludendorff vom 4. Juli 1917 gelesen hat, ahnt, daß die Initiative nicht von dem allmächtigen Ludendorff ausgeht, sondern daß er zumindest in diesem einen Fall nicht der Antreiber, sondern der Getriebene ist.

Eine äußerst komplizierte und schwierige Sache

Aber jeder hat das Gefühl, daß es sich hier um eine äußerst komplizierte und schwierige Sache handelt, und möchte sich nach Möglichkeit davor drücken, Stellung zu nehmen.

Jeder, mit Ausnahme des Majors Alfred Grau, der Pressechef im Kriegsministerium ist oder, wie es amtlich heißt, „Vortragender Rat für Presse- und Propaganda- Angelegenheiten" . Major Grau sagt zu seiner Frau: „Da ist doch in unserem Ressort ein Brief von Ludendorff gelandet. Keiner will ihn bearbeiten. Er wird immer weiter geschoben, von einem Ressort zum anderen ...

Ich sehe aber: hier muß etwas geschehen, der Inhalt ist wichtig. Der ausländische Film macht sonst in unserem eigenen Lande gegen uns Propaganda, denn die Kinos sind ja meist in ausländischem Besitz." Grau, einer der intelligentesten Männer im Kriegsministerium, gewandt im Umgang mit Menschen, der wegen einer Erkrankung nicht an der Front ist, spricht mit dem Kriegsminister von Stein, der ihm den ganzen Fall überträgt.

Noch kann Major Grau nicht ahnen, daß der Bankdirektor Stauß hinter dem Brief von Ludendorff steht; und knapp vier Jahre später - am 19. März 1921 - wird sich Stauß von ihm sogar schriftlich bestätigen lassen, daß Ludendorff allein für alles die Verantwortung hatte, was kam.

Jetzt wird "verhandelt"

Wie dem auch sei, Major Grau verhandelt mit der ,BUFA', verhandelt mit der Direktion der Disconto-Gesellschaft, da man ja eine Bank braucht, verhandelt mit einigen Herren des Reichsschatzamtes, mit Männern der Industrie, schickt den Leiter des Auslands-Lektorats seiner Abteilung im Kriegsministerium, einen ehemaligen Journalisten namens Carl Braatz, nach Kopenhagen, um bei der Nordisk zu sondieren, und kommt auf diesem Umwege schließlich auch zu dem Bankier Stauß, der auf diesen Moment nur gewartet hat. Er, der alles einfädelte, erklärt sich nun bereit, „mitzumachen".

Auch Grau soll natürlich mit von der Partie sein. Das will er zuerst nicht, er ist ja schließlich aktiver Offizier, aber im Kriegsministerium besteht man darauf; er quittiert also den Dienst, um bei der neu zu gründenden Gesellschaft eine wichtige Position zu übernehmen.

Die Banken und die großen Firmen müssen mit ins Boot

Es bildet sich ein Konsortium, in das neben dem Bankier Emil Georg Stauß der steinreiche Fürst Henkel-Donnersmarck eintreten, der Industrielle Dr. Robert Bosch aus Stuttgart sowie Vertreter des Bankhauses Schwarz, Goldschmidt & Co., des Norddeutschen Lloyd, der Grammophon-Firma Carl Lind-stroem AG., der Hamburg-Amerika-Linie, der AEG.

Das Reich, vertreten durch das Kriegsministerium, nicht das Reichsschatzamt, soll fünfzig Prozent des Geldes aufbringen, das zur Gründung notwendig ist, die anderen sollen für die restlichen fünfzig Prozent aufkommen.

Es handelt sich, wie gesagt, um rund dreißig Millionen. Die neue Firma, die "Universum-Film AG" heißen soll, und die unter dem abgekürzten Namen "UFA" Berühmtheit erlangen wird, soll sozusagen aus dem Boden gestampft werden.

Hier nocheinmal der Unterschied der Gründung :

Es ist wichtig, dies festzustellen: Während fast alle anderen großen Filmgesellschaften in Deutschland, wie auch in anderen Ländern, dadurch entstanden sind, daß Pioniere - die Brüder Pathé, die Goldwyn, Fox und wie sie sonst alle heißen mögen - ihre ursprünglich lächerlich kleinen Gesellschaften langsam vergrößern, erscheint die UFA ganz plötzlich auf dem Markt als die Besitzerin von Ateliers, Film-Theatern, Kopieranstalten.

Sie ist nicht gewachsen, sie ist kurzweg zusammengekauft worden. Es befinden sich jetzt also in einer Hand: die verschiedenen Gesellschaften von David Oliver, die verschiedenen Gesellschaften von Davidson sowie die von ihm erbauten Union-Film-Theater in Berlin, München, Leipzig, Breslau, Dresden, Zürich, Amsterdam und so weiter, sowie der Meßter-Konzern, bestehend aus der Produktionsfirma einer Maschinen-GmbH., einem Verleih, einer Beteiligung am Sascha-Film Wien, einer Beteiligung an den Mozart-Lichtspielen in Berlin.

Hier sind die Millionen nur so geflossen

Der Meßter-Konzern hat fünf Millionen gekostet, der Union-Konzern Davidson über zwei Millionen, die Gesellschaften von Oliver zehn Millionen. Die Käufe der UFA werden in den nächsten Jahren weitergehen.

Die UFA wird sich in Österreich, in der Schweiz, in Holland an maßgebenden Firmen beteiligen. Sie wird überall in Deutschland neue Kinos bauen. Übrigens heißt der Mann, der am 18. September 1917 - an diesem Tage wird die "UFA "formell gegründet - das Amt des Vorsitzers des Aufsichtsrates übernimmt, Emil Georg von Stauß.

Denn er ist in der Zwischenzeit vom Kaiser geadelt worden. Die notwendigen Unterschriften werden von ihm und den anderen maßgebenden Herren im Gebäude des stellvertretenden Generalstabs, unweit des Reichstags, geleistet.
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18. September 1917 - Das UFA Gründungsbankett im ADLON

Dann begibt man sich zu Fuß ins nahegelegene Hotel Adlon, in welchem ein Extrazimmer reserviert ist.

Es wird gefeiert. Irgendwie hat Louis Adlon es fertiggebracht, ein erstklassiges Menü zu zaubern, ohne daß die Herren ihre Marken abgeben müssen. Dies wird für viele das einzige sein, dessen sie sich viele Jahre später entsinnen können, wenn der Name UFA fällt.

Bislang war alles sehr geheimnisvoll hinter den Kulissen

Die Aufkäufe sind so geheimnisvoll getätigt worden, daß die Filmbranche erst merkt, was geschehen ist, als die Gründung der "UFA" bereits vollendete Tatsache ist. Sie fühlt sich überrumpelt.

Aber zu spät kommen die wütenden Proteste derer, die ahnen, daß sie gegen einen Dreißig-Millionen-Konzern nicht lange standhalten können.

Auch Henny Porten wurde "mitverkauft"

Am 20. Dezember 1917 erhält Henny Porten eine Ansichtskarte von ihrem Chef Meßter. Vorn sieht man den Kaiser auf seinem Balkon stehen, und darunter ist zu lesen: „Ich kenne keine Parteien mehr, ich kenne nur noch Deutsche!"

Und auf der anderen Seite teilt ihr Meßter in wenigen Worten mit, er habe seine Gesellschaft an die UFA verkauft. Da Henny Porten einen langjährigen Vertrag mit Meßter hat, ist sie gewissermaßen mitverkauft.

Das gleiche Schicksal trifft übrigens auch Carl Froelich, der während der Jahre bei Meßter einer der besten Kameramänner der jungen Filmindustrie war und bereits einer der erfolgreichsten Regisseure ist.

8. Januar 1918 - der Frieden von Brest Litowsk

Am 8. Januar 1918 veröffentlicht Präsident Wilson seine vierzehn Punkte, die als Basis für Friedensverhandlungen dienen sollen. Am 3. März wird der Frieden von Brest Litowsk geschlossen, ein Diktat der siegreichen Generäle, das bald nicht mehr das Papier wert sein wird, auf dem es steht.
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Juli 1918 - der Zusammenbruch Österreich-Ungarns beginnt

Um die gleiche Zeit kommt die letzte deutsche Offensive im Westen zum Stillstand, und wieder ein paar Monate später, im Juli, beginnt der Zusammenbruch Österreich-Ungarns, setzt die entscheidende Offensive der Entente im Westen ein.

General Ludendorff befindet sich in einer wenig beneidenswerten Situation. Man könnte glauben, daß er alle Hände voll zu tun hat, aber er ist auch in dieser letzten dramatischen Kriegsphase noch fähig und willens, sich um Dinge zu kümmern, die ihn im Grunde genommen nichts angehn, so zum Beispiel um das Produktionsprogramm der UFA, deren Geburtshelfer er war.

Er läßt sich das Programm vorlegen. Er erwartet ein Programm von Propagandafilmen, dazu geschaffen, die Moral im kämpfenden Deutschland zu stärken und das neutrale Ausland im deutschen Sinn mit allen Mitteln zu beeinflussen.

Das erste Produktionsprogramm der UFA

Und nun liegt das erste Produktionsprogramm der UFA vor ihm. Er liest, zuerst erstaunt, und dann immer mehr in Wut geratend, von Großfilmen, die Joe May inszenieren und Mia May spielen wird, von Henny-Porten-Filmen, von Filmen mit Paul Wegener. Wer, zum Teufel, sind denn diese Leute, von denen er nie gehört hat? Was hat das alles denn mit dem Krieg zu tun und mit der Beeinflussung des neutralen Auslandes? Schwer fällt seine Faust auf den Schreibtisch. Hochrot im Gesicht ruft er: „Wer ist Fern Andra? Und wer diese Ossi Oswalda, die gleich sechs Filme machen soll? Und wer ist Ernst Lubitsch? Und wer ist gar dieser Herr Oswald?!"
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