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"Das gab's nur einmal" - Der deutsche Film von 1912 bis 1945

Der Schriftsteller Curt Riess (1902-1993 †) hatte 1956 und 1958 zwei Bücher über den Deutschen Film geschrieben. Als Emigrant in den USA und dann Auslands-Korrspondent und später als Presseoffizier im besetzten Nachkriegs-Berlin kam er mit den intessantentesten Menschen zusammen, also nicht nur mit Filmleuten, auch mit Politikern. Die Biografien und Ereignisse hat er - seit 1952 in der Schweiz lebend - in mehreren Büchern - wie hier auch - in einer umschreibenden - nicht immer historisch korrekten - "Roman-Form" erzählt. Auch in diesen beiden Filmbüchern gibt es jede Menge Hintergrund- Informationen über das Entstehen der Filme, über die Regisseure und die kleinen und die großen Schauspieler, das jeweilige politische Umfeld und die politische Einflußnahme. Die einführende Seite finden Sie hier.

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MIT KITTY IN DEN KRIEG

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1939 - Die außenpolitische Situation hat sich zugespitzt.

Für diejenigen, die Augen haben, zu sehen und Ohren, zu hören, wird es immer klarer, daß Hitler den Krieg will. Er hat Österreich überfallen und als Ostmark annektiert. Er hat die Tschechei besetzt und schließlich mit dem Vertrag von München die Engländer und Franzosen dazu bekommen, einer Teilung der Tschechoslowakei zuzustimmen.

Er hat daraufhin einen Teil der Tschechei annektiert und später, Anfang 1939, Prag besetzt, obwohl er sein Wort verpfändet hatte, es nicht zu tun. Er hat ein Bündnis mit Mussolini abgeschlossen und bereitet insgeheim einen Pakt mit Moskau vor.

Die Absetz-Bewegung hat angefangen

Was die Filmindustrie angeht: Der Regisseur Reinhold Schünzel hat sich schon vor einiger Zeit nach Amerika abgesetzt, und der Schauspieler Curt Goetz und seine Frau, die Schauspielerin Valerie von Martens, sind ebenfalls nach Hollywood verschwunden.

Jetzt bricht auch Lilian Harvey ihre Zelte ab. Lilian Harvey ist schon einmal, Anfang der dreißiger Jahre, nach Hollywood gegangen, aber von dort zurückgekehrt.

Sie hatte drüben keinen richtigen Erfolg mehr. Und sie hat nun auch in Deutschland keinen richtigen Erfolg mehr. Mag sein, daß der Genre ihrer Filme sich überlebt hat.

Mag sein, daß sie den Übergang zu anderen Rollen nicht finden kann. Übrigens ist sie viel zu schlank geworden. Sie ist geradezu mager. Man spricht davon, daß sie in Hollywood eine Abmagerungskur unternahm und die Sache übertrieb. Jedenfalls scheint es, als könne sie nicht mehr zunehmen, obwohl sie auf Rat der Ärzte alles unternimmt, um es zu tun. Sie lebt geradezu von Sahne ...
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Lilian Harvey verläßt sie Deutschland zum zweiten Male

Nun also verläßt sie Deutschland zum zweiten Male, nachdem ihr zwölfter Film mit Willy Fritsch „Die Frau am Steuer" fertiggestellt ist.

Sie hatte wohl seit ihrer Rückkehr aus Amerika damit gerechnet, schnell wieder abzureisen. Sie hat kein Haus mehr gekauft, sondern nur eine möblierte Villa gemietet. Ihre Koffer waren immer halb gepackt. Ihre Abreise hat übrigens nichts mit der drohenden Kriegsgefahr zu tun, sondern vielmehr damit, daß das Propagandaministerium sich weigert, wie bisher einen Teil ihrer Gage in Devisen auszuzahlen.

Sie fliegt also nach Paris und beginnt dort, wo sie ungemein populär war, einen neuen Film zu drehen. Ein Freund, auf den sie sich verläßt, rät ihr, eigenes Geld in den Film zu stecken, um auf diese Weise doppelt zu verdienen.

Aber der Film ist erst halb fertig, als die deutschen Armeen in Frankreich einmarschieren und schließlich Paris besetzen. Lilian flieht, muß den Film im Stich lassen und verliert so fast alles, was sie besitzt.

Willy Fritsch und der „Anschlag auf Baku"

Nachdem Fritsch seinen Film mit Lilian Harvey beendet hat, muß er einen Film „Anschlag auf Baku" drehen, der, wie die Reklame später besagen wird, „mit den Machenschaften des englischen Geheimdienstes abrechnet".

Der (geplante) Inhalt

Fritsch stellt einen deutschen Offizier dar, der einen Sicherheitsdienst organisiert, um die Ölquellen vom Balkan gegen die Bolschewisten zu schützen; zum Verständnis der Situation muß hinzugefügt werden, daß Baku sich zu der Zeit, in welcher der Film spielt, noch in weiß-russischer Hand befindet.

Besagter Offizier nun bekommt heraus, daß ein Anschlag gegen die Ölquellen von einem britischen Agenten angezettelt wird. Er bringt die britischen Intrigen zum Scheitern. Auch der böse Agent muß daran glauben, obwohl erst zwanzig Jahre später.

Es handelt sich also um einen Propagandafilm, bei dem sich Fritsch nicht recht wohl fühlt. Auch die anderen fühlen sich nicht wohl. Aber schließlich wird der Film doch zu Ende gedreht.

Und es geht zum ersten Male schief

Und dann kommt die Nachricht, daß Hitler einen Pakt mit Stalin geschlossen hat. Nun geht es natürlich nicht mehr, daß die Bolschewisten in einem deutschen Film schlecht wegkommen. Der Film muß umgeschrieben und zum größten Teil noch einmal gedreht werden.
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Und es geht zum zweiten Male schief

Als das Geschehen ist, sind zwei Jahre vergangen - und Hitler hat der Sowjetunion längst den Krieg erklärt.

Infolgedessen stellt sich heraus, daß die Bolschewisten in dem Film zu gut wegkommen. Der Film wird deshalb umgeschrieben und abermals neu gedreht. Und dann ist schon alles ganz egal. Als der Film fertig ist, kann überhaupt niemand mehr zu schlecht wegkommen. Denn Hitler befindet sich mit der ganzen Welt im Krieg.
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Die meißten Filmleute werden u. k. (unabkömmlich) gestellt

Für die Filmleute macht sich der Krieg vorläufig kaum bemerkbar. Fast alle werden u. k. gestellt, denn im Krieg ist es noch wichtiger als bisher, die Menschen bei guter Laune zu halten.

Freilich müssen die Künstler ihre Autos einstellen, müssen wie gewöhnliche Sterbliche mit der Straßenbahn oder Untergrundbahn fahren, müssen auch, wie andere gewöhnliche Sterbliche, mit ihren Lebensmittelkarten auskommen.

In diesem Punkte ist Goebbels peinlich genau. Wenn er Künstler einlädt, setzt er ihnen nicht nur ein ganz unbeschreiblich schlechtes Essen vor - die Einladungen bei Goebbels sind aus diesem Grunde geradezu gefürchtet -, sondern verlangt auch obendrein ihre Lebensmittelmarken.
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Helmut Käutner - mehr verboten als erlaubt

Das Schicksal, das Ironie liebt, bringt ausgerechnet zu Kriegsbeginn einen jungen Mann nach vorn, der weder in das Dritte Reich, noch in den Krieg paßt, der, seitdem er als Kabarettist und Schauspieler aufgetreten ist, als Autor und als Regisseur wirkte, mehr verboten als erlaubt war: Helmut Käutner.

Er wuchs in Düsseldorf auf, machte sein Abitur, ging auf die Kunstgewerbeschule, denn er wollte Innenarchitekt werden. Er studierte auch Germanistik, Philosophie, Kunstgeschichte und schließlich Theaterwissenschaft in München. Mit anderen Studenten gründete er ein literarisches Kabarett. Es sollte politisch, zeitkritisch sein.
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Das Jahr war 1928. Noch gab es keinen Hitler ....

.... und keine Zensur. Käutner schrieb witzige, spritzige Texte, Sketchs, Parodien, Persiflagen. Vier Studenten taten sich zusammen, nannten sich die „Vier Nachrichter", kauften sich rote Pullover und graue Hosen und traten im Münchener Kabarett „Simplizissimus" auf. 1932, im Goethe-Jahr, hatten sie einen Riesenerfolg mit der Goethe-Parodie „Hier irrt Goethe".

Sie gastierten in anderen Städten. Dann kam Hitler an die Macht und die „Vier Nachrichter" wurden prompt verboten.

Einer von ihnen war „nichtarisch", ein anderer ging, obwohl er arisch war, nach Zürich. Norbert Schultze, der musikalische Leiter der „Vier Nachrichter", wurde schließlich mit seinen Kriegsschlagern ein Lieblingskomponist des Dritten Reiches.
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Käutner beschloß, Schauspieler zu werden.

Er spielte in Leipzig, spielte auch in Berlin. Er war ein besessener Schauspieler - er fühlte sich eigentlich nur glücklich, wenn er auf der Bühne stand. Aber er war kein guter Schauspieler. Selbst seine größten Anhänger müssen das noch heute zugeben.

Zwischendurch schrieb er Stücke. Sie alle hatten eine stark ironisch - parodistische Note und fast alle wurden verboten; sie waren eben „zersetzend". Aber dies alles spielte sich gewissermaßen am Rande ab. Käutner war viel zu jung und viel zu unbekannt, als daß Goebbels Notiz von ihm genommen hätte ...

Es kommt nicht besonders viel dabei heraus

Es sieht nicht so aus, als ob jemals etwas Besonderes aus Helmut Käutner werden würde. Die Theaterdirektoren mögen ihn - Gründgens läßt ihn in Berlin inszenieren, Falckenberg in München - aber es kommt nicht besonders viel dabei heraus.

Immerhin spricht es sich herum, daß dieser junge Käutner Phantasie hat. Und so gibt ihm die UFA schließlich den Auftrag zur Herstellung eines Treatments (ein quasi Vorabdrehbuch).

Es folgen Manuskriptüberarbeitungen und andere Aufträge, auch für Kurzfilme. Aber Käutner muß sich bei jedem neuen Auftrag ärgern. Denn kaum hat er ein Manuskript abgeliefert, da wird er auch schon angerufen: er soll doch gleich mal zur Dramaturgie kommen.

Er eilt also zur Dramaturgie und erfährt dort von irgendwelchen mehr oder weniger bebrillten Herren, daß sein Drehbuch nicht in Ordnung sei. Dieses ginge nicht und jenes müsse anders gemacht werden. Käutner kann sich anstrengen, so sehr er will: immer macht er es falsch. Schließlich hat er genug: er läßt sich bei einem Direktor der UFA melden und erklärt ihm „Ich werde nie mehr für die UFA arbeiten!"

Der Direktor erkundigt sich teilnehmend: „Warum denn nicht, junger Mann?" Käutner sagt es ihm und fügt erläuternd hinzu: „Es gibt ja noch andere Filmgesellschaften!"

„Es gibt ja noch andere Filmgesellschaften!"

Ja, es gibt andere Filmgesellschaften. Die Bavaria in München zum Beispiel. Diese erteilt Käutner einen Drehbuchauftrag, und dann noch einen und noch einen. Das geht ein paar Jahre so. Käutner schreibt Drehbücher für den ausgezeichneten Regisseur Paul Verhoeven, für Victor de Kowa und Theo Lingen, die sich ebenfalls erfolgreich als Regisseure versuchen.

Er verdient gutes Geld. Aber er ist nicht glücklich. Er findet, daß zu viel an seinen Drehbüchern geändert wird. Namentlich seine Dialoge, auf die er sehr stolz ist, sind im fertigen Film nicht wiederzuerkennen.
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Was geht denn da vor? Wie geht denn das zu?

Wer nimmt denn die Änderungen vor? Käutner spielt Detektiv, Käutner stellt fest, daß die so verhaßten Dramaturgen diesmal unschuldig sind. Die Änderungen werden erst im Atelier vorgenommen, und zwar in letzter Minute, während der Proben - kurz, die allmächtigen Regisseure ändern nach gutdünken.

Käutner möchte das um jeden Preis verhindern. Käutner bittet also, künftig bei den Aufnahmen anwesend sein zu dürfen. „In welcher Funktion?" wollen die Produzenten wissen.

„Meinetwegen als Regieassistent!" Irgend jemand hat nicht richtig zugehört. Irgend jemand hat den Satz mißverstanden. Irgend jemand gibt die Meldung weiter, Helmut Käutner möchte selbst einmal Regie führen. Und irgend jemand beschließt, es einmal mit Käutner zu versuchen. Warum nicht? Der junge Mann hat so gute Drehbücher geschrieben! Und es gibt so wenig anständige Regisseure ... Man wird es mit ihm versuchen.

Käutner hat gerade ein neues Drehbuch beendet.

Es heißt „Kitty und die Weltkonferenz" nach einem Lustspiel von Stefan Donat. Eine reizende Idee: In Lugano findet eine Weltwirtschaftskonferenz statt. Alle bedeutenden Politiker und Wirtschaftler sind erschienen und natürlich auch alle prominenten Journalisten. Da ist auch ein holländischer Reporter namens Piet Enthouseny der es noch nicht sehr weit gebracht hat.

Könnte er den englischen Wirtschaftsminister Sir Horace Ashlin interviewen, wäre seine Karriere gemacht. Aber wie kommt man an den heran? Durch Kitty natürlich.

Kitty ist eine kleine Schweizer Manicure, die im Edenhotel arbeitet. Sie ist verliebt in Piet. Und da sie sehr hübsch, sehr geschickt und sehr gescheit ist, sind bald viele Teilnehmer der Konferenz in sie verliebt, und das Interview kommt natürlich zustande. Denn der englische Wirtschaflsminister ist gar kein so schwieriger Mann, wie es den Anschein hat.

Es geistern noch andere Typen in dem Film herum: eine Spionin, ein Hotelportier, der alles weiß, ein stets sehr aufgeregter Hotelmanager ...
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So viel über die Story von „Kitty und die Weltkonferenz".

Endlich einmal etwas anderes! Endlich einmal ein neuartiges Milieu, andere Charaktere als diejenigen, die man in allen Filmen sieht.

Es ist bereits beschlossene Sache, daß Käutner diesen Film inszenieren soll. Alle wissen davon - mit Ausnahme von Käutner selbst. In den Konferenzen, die nach Ablieferung des Drehbuchs stattfinden, macht er immer wieder Vorschläge: „Man sollte diese Szene vielleicht so drehen ... Man sollte diese Passage vielleicht doch aus dem Film herausnehmen ..." Die anderen sehen ihn erstaunt an. „Das können Sie doch machen, wie Sie wollen, Herr Käutner?** „Wer? Ich?"
„Ja, Sie, Herr Käutner. Sie führen doch schließlich Regie!"

So beginnt die Karriere von Helmut Käutner

So beginnt die Karriere des heute vermutlich größten deutschen Filmregisseurs. Der Erfolg des Films „Kitty und die Weltkonferenz" hängt von der Besetzung ab. Käutner, der keinerlei Erfahrung besitzt, hört zu, was erfahrene Kollegen ihm raten.

Die sagen: „Kitty muß von einer guten Schauspielerin gespielt werden! Es ist nicht so wichtig, daß sie jung ist, denn eine so junge Schauspielerin, wie das Drehbuch sie vorschreibt, ist noch keine Schauspielerin!" Käutner nickt und tut genau das Gegenteil von dem, was man ihm geraten hat.

Er holt sich die damals knapp 17jährige Hannelore Schroth

Das kleine, schmale, dunkelhaarige Mädchen, das noch viel jünger aussieht, als es ist, entstammt einer alten Schauspielerfamilie.

Die Vorfahren ihres Vaters haben schon im achtzehnten Jahrhundert Theater gespielt. Heinrich Schroth selbst gehörte zu den besten Bonvivants der deutschen Bühne, filmt übrigens auch, wenngleich er nur selten zu großen Rollen kommt.

Die Mutter ist Käthe Haack, ein Liebling des Berliner Theaterpublikums, blond, blauäugig, bildhübsch und auch im Film stark beschäftigt.

Schon 1930, im reifen Alter von acht Jahren, machte Hannelore ihren ersten Film. Er hieß „Dann schon lieber ein Lebertran!" und wurde nach einem Buch von Erich Kästner von Max Ophuels inszeniert.
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Aber die Eltern wollten aus Hannelore keinen Kinderstar machen.

Und sie interessierte sich vorerst auch mehr für Sport und war so erfolgreich, daß sie - knapp vierzehnjährig - am Olympischen Schauturnen teilnehmen durfte.

Dann wurde sie ins Pensionat nach Lausanne geschickt, brannte aber prompt durch. Sie kam nach Berlin zurück und erklärte kategorisch: „Ich will Theater spielen!" Sie kam in eine Schauspielschule, aber noch bevor die Stunden richtig begonnen hatten, sah sie ein Filmregisseur und engagierte sie vom Fleck weg für einen Film „Spiel im Sommerwind".

Natürlich nicht, weil der Regisseur einen sechsten Sinn hatte und ahnte, daß die junge Hannelore eine vorzügliche Schauspielerin war. Sie war es noch nicht. Sie wurde es erst. Aber sie wurde es schnell.

Schon spielte sie an der Berliner Volksbühne das Rautendelein in der „Versunkenen Glocke" von Gerhart Hauptmann und die Hedwig in der „Wildente" von Ibsen. Und dann kommt „Kitty und die Weltkonferenz". Das wird ein reizender, sehr gescheiter, sehr geschickter Film, einer, der ein wenig an Lubitsch erinnert, voll unausgesprochener Ironie, zartem Humor, ohne jeden Klamauk, ohne jede Derbheit.

Die Fachleute, die den Film vor seiner offiziellen Premiere sehen, sind entzückt. Endlich wieder einmal etwas anderes; endlich wieder einmal ein Film, bei dem man schmunzeln kann!

Eine Film-Premiere am 25. August 1939 in Stuttgart

Die Premiere findet am 25. August 1939, also kurz vor Kriegsbeginn, in Stuttgart statt. Erst ein paar Wochen später kommt der Film in den Berliner Gloria-Palast. Er hat einen ausgesprochenen Erfolg. Aber die Presse am nächsten Morgen ist schon mehr als lauwarm.

Denn Käutner hat eine furchtbare Sünde begangen: er hat die Teilnehmer der Weltkonferenz mehr oder weniger sympathisch gezeichnet, ohne zu bedenken, daß die meisten dieser Staatsmänner und Diplomaten, wenngleich sie erfunden sind, sich nunmehr sozusagen über Nacht in Feinde Deutschlands verwandelt haben.

Eine Zeitung des Hugenberg-Konzerns bemerkt bissig: „Ein englischer Minister, der im Leben ein feiner Kerl ist, spielt die Hauptrolle (es ist eben doch ein Märchen)."

Und da der Schauspieler diesen Engländer auch noch reizend spielt, wird der Film schon am nächsten Tag abgesetzt.

Deutschlands damaliger Außenminister, Herr von Ribbentrop, kein feiner Kerl, hat ihn nämlich gesehen, eilt höchst pikiert zu Goebbels und erklärt: „Das geht denn wohl doch zu weit!"
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Goebels ist erstaunt. „Wie meinen Sie, Herr von Ribbentrop?"

„Der Film ist ja geradezu pro-englisch!" Goebbels zuckt die Achseln. „Finden Sie das wirklich?" „Im übrigen sind die Engländer ja gar nicht so! Das muß ich ja wissen! Ich war lange genug drüben!"

„Ja, das müssen Sie wissen, Herr von Ribbentrop ..." Goebbels lächelt böse. Er hält nicht viel von Herrn von Ribbentrop, und von seinem Urteil über England, wenn möglich noch weniger. Ribbentrop war es ja, der Hitler versicherte, England würde unter gar keinen Umständen in den Krieg ziehen. Nun, die Engländer haben es trotzdem für richtig befunden, Deutschland den Krieg zu erklären.
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Aber Goebbels hat natürlich keine Wahl.

Er kann nicht riskieren, daß Ribbentrop an Hitler appelliert. Also verbietet er den Film, bevor Schlimmeres passiert. Übrigens: im Vorprogramm zu dem Film „Kitty und die Weltkonferenz" lief ein Kulurfilm der Kulturfilmabteilung der UFA, „Fallschirmjäger".

Hierzu der Kritiker, der die Darstellung des englischen Ministers zu bemängeln hatte: „Der Film vom Einsatz unserer modernsten Truppe, den Fallschirmjägern, ist in diesen Tagen ganz besonders packend."

Und die Wochenschau „findet selten so viel Beifall wie in unseren Tagen". Denn die Wochenschau zeigt bereits das zerschossene Polen. Auch der nächste Film, den Käutner macht, bildet das Entzücken der Fachleute.

„Kleider machen Leute!" mit Heinz Rühmann

Er heißt „Kleider machen Leute!" und zeigt Heinz Rühmann in seiner ersten ernsten Rolle. Das Publikum aber will Rühmann als Komiker sehen, will über ihn lachen, nicht über ihn weinen ...

Ja, es dauert eine ganze Weile, bis Käutner sich beim großen Publikum durchsetzt. Und um diese Zeit kennt ihn auch Goebbels schon, weiß, wo Helmut Käutner politisch steht, und es beginnen ungezählte Schwierigkeiten für ihn.
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