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Kleine Geschichte des deutschen Fernsehens aus 1969

Ein Buch von Dr.-Ing. E. h. Walter Bruch aus dem Jahr 1969 aus dem Fundus des ehemaligen "Vereins zur Errichtung eines Fernsehmuseums" in Wiesbaden. Mehr über die Glorie, die Publikationen und das Vermächtnis des Ehrenmitgliedes dieses Vereins lesen Sie hier.

Anmerkung zu Walter Bruchs Texten

Walter Bruch hat in späten Rentner-Jahren auch in den USA in diversen Archiven recherchiert, aber es waren viele Jahre später. Ob damals die alten Fernseh- und Broadcast- Zeitschriften schon zugänglich waren, ist mir nicht bekannt. Ich weis halt nur, daß eine Recherche über das Thema Kinos im Archiv des Hessischen Rundfunks oder der Wiesbaden- Mainzer Tageszeitungen ganze Wochen dauern kann, bis man auf die gesuchten Informatioen trifft. Wenn dann noch die englische Sprache dazukomt, wird es mühsam und exrem langwierig. Darum vergleiche ich die Aussagen Bruchs mit den in 2022 und 2023 gefundenen archivierten Zeitschriften und Magazinen (mittelgutes PDF Format) aus den 1950er Jahren. Und da kommen dann doch Ungereimtheiten zu Tage.

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Amerika entwickelt das Farbfernseh-System .....
Eine Präsentation im August 1951 in Berlin am Funkturm

13. August 1951. In einer abgedunkelten Messehalle am Berliner Funkturm drängen sich die Berliner aus Ost und West. Wieder surren Motore und drehen sich Scheiben, aber jetzt vor Braunschen Röhren. Es flimmert, aber es flimmert farbig.

Nebenan ist ein Fernsehstudio aufgebaut. Bekannte Berliner Künstler treten auf, sehr bunt geschminkt, und auch hier, vor den Kameras, rotieren Scheiben. Die amerikanische Columbia Broadcasting Corporation (CBS) zeigt den Berlinern ihr (amerikanisches halbelektronisches) Farbfernsehsystem, das zu dieser Zeit versuchsweise in den USA eingeführt ist.

Wenige Wochen, bevor auf demselben Ausstellungsgelände die deutsche Fernsehgeräte-Industrie ihre ersten eigenen Schwarzweiß-Empfänger vorführen wird, eröffnet der Stellvertretende Regierende Bürgermeister von Berlin, Walter Schreiber, die Darbietungen des amerikanischen Farbfernsehens.

Es folgte ein halbstündiges buntes Programm, betitelt „Obst und Gemüse", mit Edith Schollwer, Maria Beling, Ingeborg Gravenhorst, Heinz Hahn sowie mit Heinz Riethmüller und seinen Rhythmikern.

Diese erste Nachkriegsouvertüre des Farbfernsehens in Europa, in Berlin und mit einem mehrtägigen Live-Programm, haben viele vergessen, denn 1951 hatten wir noch andere Sorgen als farbiges Fernsehen.
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"Wir" wolten alle mal schaun, was es gab.

Mit anderen Fachleuten war auch ich wieder nach Berlin gekommen, um zu sehen, was die Amerikaner - so kurz vor der Wiedereröffnung unseres Schwarzweiß-Fernsehens - zeigten. 1951 waren wir noch anspruchslos und bewunderten die Bilder. Sie waren schön farbig, doch bei schnellen Bewegungen sah man farbige Säume an den Konturen. Bilder in natürlichen Farben gab es nicht.

Die Empfänger, große „Kisten" mit dem zwar verkleideten, aber doch recht häßlich einseitig vor dem Kasten sitzenden „Farbrad" genügten keineswegs unserem Geschmack, wenngleich er sechs Jahre nach Kriegsende noch sehr anspruchslos war.
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Nach Berlin mußte man damals besser fliegen

Beruhigt flog ich nach Hannover mit der Überzeugung zurück, daß diese amerikanische Demonstration die von den deutschen Experten am 12. März desselben Jahres gegebene Empfehlung nicht mehr beeinflussen konnte. Auf Einladung des Technischen Direktors des NWDR, Werner Nestel, waren alle Fernsehfachleute von Rundfunk, Post und Industrie zusammengekommen, um über die Zukunft des deutschen Fernsehens zu beraten. Einstimmig wurde das CBS-Verfahren abgelehnt und empfohlen, auf ein "vollelektronisches" Farbfernsehsystem zu warten.

Einem Irrtum aufgesessen ? FCC gibt mechanisches Farbfernsehen frei

Wie war es dazu gekommen, daß die oberste Fernmeldebehörde in den USA, die Federal Communications Commission (FCC) - eine Bundesbehörde, die unmittelbar dem Präsidenten untersteht - im Oktober 1950 ganz überraschend das CBS-System zur Ausstrahlung freigab? Als man sich in den USA verhältnismäßig kurz nach dem Kriege von neuem mit dem Farbfernsehen beschäftigen konnte, war zunächst nur das „Bildfolgeverfahren", das zum CBS-System führen sollte, vorhanden. In den ersten Jahren danach wurden dazu das Zeilenfolgesystem und das Punktfolgesystem („Dot Interlaced") erarbeitet. Die RCA forcierte ihr Punktfolgesystem, unterlag aber bei Vergleichsversuchen vor der FFC. Das System arbeitete bei den Demonstrationen nicht stabil genug, und so kam es zu der offiziellen Entscheidung zugunsten des CBS-Bildfolgesystems.

Wichtigster Fehler - es war nicht schwarz-weiß kompatibel

Außer acht gelassen hat man dabei die sogenannte - auch von den deutschen Experten als unbedingt notwendig erachtete - Kompatibilitätsbedingung. Die bereits benutzten vielen Millionen Schwarzweiß-Empfänger dürfen bei der Einführung des Farbfernsehens nicht unbrauchbar werden. Sie sollen Farbsendungen verarbeiten können und sie dann so einwandfrei - wenn auch nur schwarzweiß - wiedergeben, als wären es gewöhnliche Schwarzweiß-Sendungen. Deshalb müssen die Farbsendungen mit den Schwarzweiß-Sendungen verträglich sein, mit anderem Wort: „kompatibel". Noch eine weitere Forderung ist zu erfüllen: Auch die Farbfernsehempfänger sollen rein schwarzweiße Bildfelder als solche schwarzweiß, „farblos" wiedergeben (Rekompatibilität). Nur so kann eine viele Jahre dauernde Übergangszeit zum ausschließlichen Farbfernsehen überbrückt werden.

Die Macht der amerikanischen Industrie

Weil die CBS auf diese Forderung keine Rücksicht genommen hatte, war es nicht erstaunlich, daß sich die amerikanische Industrie gegen das CBS-System auflehnte. Die unterlegene RCA hatte sogar vor der Bundesrepublik gegen die Entscheidung der FFC Einspruch erhoben, allerdings ohne Erfolg.

Wenn Du nicht mehr weiter weist, machst Du einen Arbeitskreis
Das „National Television System Committee" (NTSC)

In dieser Situation übernahm die amerikanische Industrie die Initiative. Man rief den Ausschuß, der schon die Schwarzweiß-Norm erarbeitet hatte - das „National Television System Committee" (NTSC) -, wieder zusammen. Seine Mitglieder, Vertreter aller einschlägigen Industriefirmen und der CBS, gehen mit großem Eifer an die schwierige Arbeit, ein neues Farbfernsehsystem zu entwickeln.

Die CBS, die allein konzessioniert worden war, öffentlich farbige Werbesendungen auszustrahlen, gibt ihre groß angekündigten Tagesprogramme schon bald wieder auf. Am 19. Oktober 1951 hatte der Leiter der amerikanischen Rüstungswirtschaft, Charles Wilson, die Columbia gebeten, bis auf weiteres stillzuhalten, damit der Wahl der Experten im NTSC nicht vorgegriffen werde. Die Columbia entsprach kurz darauf diesem Wunsch und stellte die begonnene Serienfertigung von Farbempfängern und ihre Farbsendungen ein.

Die amerikanische NTSC-Norm vom Januar 1954

Das Ergebnis der zielstrebigen Arbeit in der amerikanischen Expertenkommission war die sogenannte NTSC-Norm, die mit Wirkung vom 1. Januar 1954 an von der FCC zur einheitlichen USA-Norm erklärt wurde. Das Farbfernsehen konnte endgültig eingeführt werden, und zwar vollelektronisch.

Nach welchem Prinzip sollte das geschehen?
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Wie NTSC funktioniert

Zur Erfüllung der Kompatibilitätsforderung wird für den Schwarzweiß-Empfänger von der farbigen Szene erst einmal ein scharfes monochromatisches Bild hergestellt und übertragen. Dem Farbempfänger muß noch dazu die Information über die Farbigkeit angeboten werden. Da, wie wir schon festgestellt haben, das fein detaillierte Schwarzweiß-Bild verhältnismäßig grob mit Farbe übermalt werden kann, kann die chromatische Information mit nur so wenig Frequenzbandbreite übertragen werden, daß sie zusätzlich in das Signal für das Schwarzweiß-Bild hineingeschachtelt werden kann. Dazu wird sie geeignet „verschlüsselt" (kodiert) und per „Huckepack" dem Signal für das Schwarzweiß-Bild mitgegeben.
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Luminanz und Chrominanz

Im Farbempfänger wird aus dem kombinierten Signal diese zusätzliche Information wieder herausgefischt und zur farbigen Kolorierung verarbeitet, entschlüsselt oder „dekodiert", das heißt, zusammen mit dem Helligkeitssignal werden Spannungen gebildet, mit denen die drei Farbkomponenten der Farbbildröhre gesteuert werden.
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Eine neue Farbbildröhre wird gebraucht

Diese Farbbildröhre, in der gleichzeitig alle drei Komponenten aufleuchten können, mußte freilich erst geschaffen werden. Den Weg zu einem Leuchtschirm, auf dem jeder Bildpunkt aus drei Farbarten individuell dosiert zusamen-gesetzt werden kann, wiesen uns die Maler einer besonderen Richtung, die „Punktmaler".

Lauter Farbtöpfchen ergeben die Mischfarben

Nach dem Studium von Schriften über die Zerlegung des Lichtes in seine Grundfarben, gelangten die Schöpfer des Neoimpressionismus, Georges Seurat (1859-1891) und sein Schüler Paul Signac, zu der Maltechnik, die als Divisionismus oder noch mehr als Pointillismus in die Kunstgeschichte einging. Die wenigen Grundfarben des Regenbogens wurden in Form winziger Tupfen nebeneinander auf der Leinwand aufgetragen. Erst der mangelnden Sehschärfe des Betrachters bleibt es überlassen, diese Grundfarben durch optische Mischung im Auge zur Vollfarbe zusammenzufügen.

In ähnlicher Weise hatte sich Eugene Delacroix einer Technik der farbigen Schraffur bedient und einige Grundfarben Strich für Strich nebeneinander gesetzt. Die Erfahrung hatte diese Künstler und ihre Nachfolger gelehrt, daß die vorher auf der Palette gemischten Farben, die einen bestimmten Farbton aus der Wirklichkeit darstellen sollten, stark an Wirkung verloren, sobald man sie aus großer Entfernung ansah. Aber Grundfarben, ungemischt punkt- und strichweise auf dem Bild nebeneinandergesetzt, ergaben - aus genügendem Abstand betrachtet - ebenso kräftige und gesättigte Mischfarben, wie sie die Natur liefert.

Jeder einzelne Bildpunkt besteht aus drei Farbelementen

Vincent van Gogh, der Vater dieser Technik, verwendete meist nur sechs Grundfarben. Das Prinzip dieser Malweise haben 1907 die Brüder Lumiere auf die Farbfotografie übertragen. Ihre Autochrome-Platte enthielt als Farbfilter winzige, in dreierlei Farbe eingefärbte Körner, die wie gut gemischtes Konfetti über die Platte verteilt sind. Während der Aufnahme wurde eine dahinterliegende fotografische Schicht, die durch diese Filterelemente hindurch exponiert wurde, von dem farbigen Original mehr oder weniger geschwärzt. Beim Durchstrahlen des Positivs leuchteten diese Farbelemente in ihren Primärfarben verschieden hell und mischten sich für das Auge bei genügend großer Zahl der Punkte zu einer scheinbar aus homogenen Farben bestehenden Reproduktion. Genauso lassen sich Phosphorelemente, die bei Elektronenbeschuß in den drei Grundfarben wie bunt gemischtes Konfetti aufleuchten, zu einem Leuchtschirm zusammensetzen.

Bei diesem „Spreizverfahren" sind nun aber nicht die drei ganzen Bilder auseinandergespreizt, sondern jeder einzelne Bildpunkt ist in drei Farbelemente aufgespalten. Das Bilddeckungsproblem existiert nicht mehr, denn die drei Bilder sind als Punktmosaike fein ineinander verschachtelt. Von drei nebeneinanderlaufenden, gesteuerten und abgelenkten Kathodenstrahlen soll jeder stets nur Phosphorpunkte einer und derselben Farbe treffen.

1938 - Ein deutsches Patent auf die Schattenmaskenröhre

Wie man das erzielen kann, wurde zuerst wieder von einem Berliner angegeben. W. Flechsig, ein Mitarbeiter der Fernseh-GmbH, hatte 1938 mit Erfolg ein Patent angemeldet, mit dem erstmalig als Ergebnis absolut neuer Gedankengänge die „Schattenmaskenröhre" vorgeschlagen wurde.

Die RCA hat sie realisiert

Es war aber noch ein weiter und schwieriger Weg, bis diese Röhre verwirklicht werden konnte. Die wesentliche Entwicklungsarbeit hat die RCA geleistet, aber auch die CBS hat anfangs gute Beiträge dazu geliefert. Weil die nicht getroffenen Triplets im Schatten liegen, spricht man von der Schattenmaskenröhre. Mit etwa 1,5 Millionen Farbpunkten läßt sich ein scharfes Bild erzeugen. Alle drei Farben werden gleichzeitig geschrieben, die simultane Wiedergabe ist erreicht.

Auch die Malmethoden von Eugene Delacroix und von Vincent van Gogh lassen sich auf eine Bildröhre übertragen. Die drei Phosphore - als farbige Streifen nebeneinandergesetzt - ergeben die als Chromatron und als Index-Tube bekanntgewordenen Typen einer Farbbildröhre. Dabei kann man sogar mit einem einzigen Kathodenstrahl arbeiten, wenn eine elektronische Einrichtung vorgesehen ist, die sehr schnell die Umschaltung der Farbsteuerkanäle auf den Strahl in zeitlicher Übereinstimmung mit dem Beschuß des jeweils richtigen Phosphorstreifens vornimmt.

Diese Röhren sind aber heute (1969) - trotz gegenteiliger Meldungen - noch nicht in der Massenproduktion, während die Lochmaskenröhre 1969 schon in Stückzahlen von Millionen gebaut wurde.

In 89 Tagen hatten die Ingenieure bei RCA die Farbbildröhre entwickelt

Die Entwicklung der Farbröhre hat bewiesen, was ein unbeirrbarer Wille und - fast unbeschränkte finanzielle und technische Mittel - möglich machen. Fritz Schröter berichtet, daß die Entwicklung der ersten Musterröhre bei der RCA 89 Tage gedauert hat. Sarnoff, damals Präsident der RCA, soll die Fertigstellung dieses Musters binnen 90 Tagen „befohlen" haben. Einen Tag vor dem Ablauf der Frist habe man sie ihm vorgeführt.

Der Durchbruch der Farbe in den USA kam spät

Die Einführung des Farbfernsehens nach dem NTSC-System ging dagegen in den USA sehr, sehr langsam vor sich. Wir können hier nicht alle die Gründe dieser zögernden Entwicklung erwähnen. Ein Mangel des NTSC-Systems aber war bestimmt mitschuldig.

Wir lesen bei einem neutralen Experten aus der Schweiz, Konrad Bernath:

  • „Trotz aller Genialität des amerikanischen NTSC-Verfahrens haften diesem doch auch gewisse praktische Nachteile an. Wenn auf dem Übertragungsweg zwischen Studio und Empfänger sich die Amplitude (Größe) des Farbhilfsträgers durch äußere Einflüsse ändert, so äußert sich das lediglich durch eine wenig störende Änderung der Farbsättigung: Rot erscheint dann eine Nuance leuchtender oder blasser.

    Bei Phasenfehlern, wie sie zum Beispiel auf langen drahtlosen Übertragungsstrecken (Richtstrahlverbindungen) oder durch Reflexion des Sendersignals an Berghängen, Bauten usw. auftreten können, bewirkt dies bei NTSC sofort eine augenfällige Verschiebung des Farbtones, eine Verfärbung. Purpur wird zum Beispiel zu Rot, Gelb zu Grün usw.

    Ein großer negativer Phasenfehler macht aus Vollreifen, roten Äpfeln bläuliche, ein großer positiver Phasenfehler grünliche Früchte. Solche Farbverfälschungen nötigen den Zuschauer, das Farbbild durch einen .... Farbknopf zu korrigieren. Da der Phasenfehler kaum über längere Zeit konstant bleibt, ändert sich Art und Stärke der Verfärbung immer wieder; ein lästiges ständiges Nachregeln ist die Folge.

    Da diese Nachjustierung außerdem im Heim nur gefühlsmäßig vollzogen werden kann, ,pfuscht' jeder Fernsehteilnehmer - gewollt oder ungewollt - dem Regisseur ,ins Handwerk'. In den USA, in denen das Farbfernsehen im Jahre 1953 begann und in denen heute mehrere Millionen Farbfernsehempfänger im Gebrauch stehen, läßt sich am einmal gewählten Übertragungsverfahren nichts mehr ändern.

    In verschiedenen anderen Ländern fehlte es aber nicht an Bestrebungen, vor der Einführung des Farbfernsehens das Phasenkriterium zu mildern."

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