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100 Jahre Hertz'sche Wellen - Teil 5b (von 5 - Fernsehen) 1992

Vermutlich zu der Sonderausstellung "100 Jahre Hertz'sche Wellen" im Sheraton in Frankfurt am Flughafen wurde diese kleine Broschüre herausgegeben. Und zu dieser Veranstaltung waren sie alle da, die damals etwas zur Aufarbeitungung dieser Historie beigetragen haben. Wir haben inzwischen sogar ein Video von dieser Veranstaltung im Nachlass des Günter Bartosch gefunden. Leider ist die Erinnerung an diese Veranstaltung völlig versandet und darum wird ist hier im Museum enthalten. Weitere Teile über die Entwicklung des Fernsehens finden Sie dann im Fernsehmuseum. Zu den Anfängen geht es hier lang.

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1960 - STREIT UM DAS FERNSEHEN

Nachdem Ende der 40er und Anfang der 50er Jahre in Deutschland und anderen europäischen Ländern der Fernsehbetrieb in den Frequenzbereichen der Bänder I und III (41 bis 68 bzw. 174 bis 223 MHz) begonnen hatte, wurde seit Mitte der 50er Jahre durch die Erschließung neuer Frequenzspektren der Bänder IV und V (470 bis 606 bzw. 790 bis 960 MHz) die Ausstrahlung weiterer Fernsehprogramme technisch möglich.

Grünes Licht für ein erweitertes Programmangebot gab 1959 die internationale Genfer Funkverwaltungskonferenz, die der europäischen Region die Nutzung der entsprechenden Frequenzabschnitte ausschließlich für Rundfunkzwecke zuteilte. Die neuen Frequenzen genügten, um in der Bundesrepublik für zwei weitere Fernsehprogramme flächendeckende Senderketten einschließlich Umsetzer für die „Restversorgung" zu errichten.

Auch die Rundfunkindustrie reagierte schnell auf die neue Situation und signalisierte ihre Lieferbereitschaft für Sender mit 10 und 20kW Ausgangsleistung sowie geeignete Antennen und zeigte 1960 auf der Deutschen Industriemesse in Hannover entsprechende Empfangsgeräte, für die der Norddeutsche Rundfunk über einen Postsender eigens ein Sonderprogramm ausstrahlte.

Politischer Streit über die Trägerschaft weiterer Fernsehprogramme verhinderte in der Bundesrepublik, daß die technischen Möglichkeiten schnell umgesetzt werden konnten. Es ging darum, ob die Länder bzw. die von ihnen gegründeten und in der ARD zusammengeschlossenen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten diese neuen Fernsehprogramme gestalten sollten, oder ob die Bundesregierung befugt sein konnte, private kommerzielle Anbieter damit zu beauftragen.

Das Fernsehen verbleibt öffentlich rechtlich

Den Streit entschied das Bundesverfassungsgericht Ende Februar 1961 mit einem rundfunkpolitischen und -juristischen Paukenschlag. Das Gericht erklärte die von Bundeskanzler Konrad Adenauer Mitte 1960 gegründete „Deutschland-Fernseh GmbH", eine Art Medienzentrale zur Zulassung privater Fernsehveranstalter, für verfassungswidrig. Die Gesellschaft war regierungsabhängig und gegen den Willen der Länder gegründet. Damit verlor auch die von Zeitungs- und Zeitschriftenverlegern sowie Kreisen der Wirtschaft mit Bundesunterstützung unterhaltene Programmgesellschaft „Freies Fernsehen GmbH" (FFG) den Boden unter den Füßen.
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  • Anmerkung : Das war eine hochpolitische Entscheidung, die von allen Beteiligten immer aus deren "Sichtbereich" interpretiert wurde. Die einen schimpften auf das private Fernsehen als böse Konkurrenz, die andern auf den damals schon unsäglichen politischen Einfluß der Parteien und sonstigen Institutionen. Das Verfassungsgericht untersagte eigentlich nur der (jeweiligen) Regierung (jeglicher politischen Richtung oder Verfärbung) als solche den direkten medialen Einfluß durch ein eigenes Regierungsfernsehen.

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Daraufhin unterzeichneten wenige Monate später die Ministerpräsidenten der deutschen Bundesländer den Staatsvertrag über das öffentlich-rechtliche Zweite Deutsche Fernsehen (ZDF). Doch nicht das ZDF, sondern die ARD-Rundfunkanstalten boten ab 1. Juni 1961 - für eine Übergangszeit - den Zuschauern ein zweites Fernsehprogramm.

ZDF UND DRITTE FERNSEHPROGRAMME

Das ZDF übernahm von der FFG die in Eschborn bei Frankfurt in Baracken („Telesibirsk") provisorisch eingerichteten Produktions- und Ansagestudios und begann mit den Vorbereitungen seines Programms, dessen Sendebeginn - ursprünglich für Mitte 1962 vorgesehen - mehrmals bis zum 1. April 1963 verschoben werden mußte.

Dieses erste Provisorium in Eschborn wurde binnen eines Jahres von einem zweiten in Wiesbaden abgelöst, wo zwei benachbarte Filmateliers geeignete Gebäude „als vorläufiges Sendezentrum" und Baugelände anbieten konnten.

20 Jahre in Wiesbaden

In Wiesbaden standen dem ZDF nunmehr drei Studios zwischen 175 und 380qm Fläche sowie eigens errichtete Gebäude für die Nachrichtensendungen und die Technik zur Verfügung. In Mainz, dem juristischen Sitz des ZDF, waren - verteilt über die Stadt in mehr als einem Dutzend angemieteten Gebäudekomplexen - die Programmredaktionen und die Verwaltungsabteilungen untergebracht.

Der weit überwiegende Teil des ZDF-Programms entstand aber nicht in der Zentrale, sondern in eigens angemieteten Studios der Filmwirtschaft, vor allem in Hamburg, München und Berlin. Programmteile lieferten auch die in allen Bundesländern errichteten Landesstudios und die anfangs erst wenigen Auslandsvertretungen zu, die mit je bis zu fünf Filmkameras und bis zu drei Schneideteams bestückt waren.

Das ZDF endlich in Mainz

Obwohl bereits Mitte 1963 als Standort bestimmt, konnte das ZDF erst nach 20jähriger Planungs- und Bauzeit das endgültige Sendezentrum in Mainz auf dem Lerchenberg Anfang der 80er Jahre in Betrieb nehmen.

Anders als bei den Landesrundfunkanstalten, die für ihre Hörfunkprogramme und damals noch einziges Fernsehprogramm die Sendeanlagen selbst errichteten und unterhielten, übernahm die Deutsche Bundespost für das ZDF diese Aufgabe. Von den für eine Vollversorgung benötigten 90 sogenannten Grundnetzsendern standen bei Programmbeginn der neuen Fernsehanstalt erst 43 zur Verfügung, ergänzt um 30 (Frequenz-) Umsetzer. Bis Ende 1964 um 16 bzw. 15 derartige Anlagen erweitert, konnten zu diesem Zeitpunkt rund 74% des Bundesgebiets, einschließlich West-Berlin, mit dem ZDF-Programm versorgt werden.

Auch die Geräteindustrie, die seit dem Frühjahr 1962 für den Inlandsmarkt nur noch Fernsehempfänger mit einem UHF (= Dezimeterwellen)-Empfangsteil auslieferte und für Altgeräte eine nachträgliche Erweiterung auf dieses Frequenzspektrum samt darauf ausgerichteter Hausantenne anbot, trug ihren Teil zur schnellen Ausbreitung eines zweiten Fernsehprogramms bei.

Und dann kamen die "dritten" Programme

Von diesen technischen Innovationen profitierten auch die ARD-Landesrundfunkanstalten. Zum Ausgleich dafür, daß ihnen die Ministerpräsidenten der Länder nicht die Veranstaltung des zweiten Fernsehprogramms übertragen hatten, wurde den Landesrundfunkanstalten die Ausstrahlung regionaler Dritter Fernsehprogramme über Sender, die sich der Bänder IV und V im Frequenzspektrum bedienten und die ebenfalls von der Post unterhalten wurden, genehmigt.
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Den Anfang machte der Bayerische Rundfunk am 22. September 1964; ihm folgten der Hessische Rundfunk am 5. Oktober des Jahres, das Gemeinschaftsprogramm von Norddeutschem Rundfunk, Radio Bremen und Sender Freies Berlin an 4. Januar 1965, der Westdeutsche Rundfunk am 17. Dezember 196: und Saarländischer Rundfunk, Süddeutscher Rundfunk und Südwestfunl - ebenfalls mit einem Gemeinschaftsprogramm - am 5. April 1969.

Ohne eine Erweiterung bereits vorhandener Studiokapazitäten ließen sich die zusätzlichen Aufgaben nicht bewältigen. Nicht erst die Dritten Programme, auch das expandierende Sendevolumen des ersten Fernsehprogramms, die Regionalsendungen und das Werbefernsehen verlangten erweiterte und neue Sende- und Produktionsstudios. Der Westdeutsche Rundfunk z.B. errichtete in der Kölner Innenstadt bis Mitte der 60er Jahre ein zur Hälfte unterirdisch gelegenes Gebäude, in dem insgeamt 4 Studios, je 2 mit einer Fläche von 736qm, eines mit 306qm und ein weiteres mit 108qm, sowie zwei Sendekomplexe und vier Film-Synchronstudios Platz fanden. Jeder Bereich wurde entsprechend seiner Funktion mit 4 1/2-Zoll-Super-Orthikon-Kameras, MAZ-Anlagen in Halbleiter- statt der bisher gebräuchlichen Röhrentechnik, Filmabtastern und Trickmischern ausgestattet.

Annalen des Westdeutschen Rundfunks Bd. 4, 1980

Aus den Annalen des Westdeutschen Rundfunks :
Der Film und damit die Fimtechnik hatte beim WDR von Anfang an einen Anteil an der Fernseh-Programmproduktion. Deshalb wurden alle Mitarbeiter aus Programm und Produktion, die mit dem Film zu tun haben, im Jahre 1974 gemeinsam im netten „Filmhaus" untergebracht. Diese funktionsgerechte Zusammenführung, die auch die Wartungsgruppen, Vorführräume, Rohfilm- und Chemikalienlager einschließt, hat sich sehr bewährt. Im Erdgeschoß befinden sich die Lagerräume für die Ausrüstung von 5 Filmteams, die von hier aus zu ihren Einsätzen in Nordrhein-Westfalen und in alle Welt starten.

Jedes Filmteam verfügt im wesentlichen über zwei 16mm-Filmkameras, ein Tonbandgerät und die Beleuchtungseinrichtung. Der belichtete Film wird in der Kopieranstalt entwickelt. Dort stehen drei Farb- und zwei S/W-Entwicklungsmaschinen. Die Tonbänder mit dem Originalton werden auf perforierten Magnetfilm (Cord) überspielt. Dafür stehen im ersten Obergeschoß acht sogenannte Umspieltonträger zur Verfügung. Entwickelter Bildfilm und umgespielter Tonmagnetfilm treffen sich im Schneideräum, in dem bei brandaktuellen Beiträgen mit Originalton vielfach bereits der sendefertige Beitrag entsteht.

EIN KAMPF UM PAL

Am Eröffnungstag der 25. Großen Deutschen Funkausstellung 1967 in Berlin begann in der Bundesrepublik das Zeitalter des Farbfernsehens. Die Vorbereitungen darauf waren von einem jahrelangen Streit über eine geeignete europäische Norm geprägt. Zur Diskussion standen die Übernahme des seit 1953 in den Vereinigten Staaten gebräuchlichen NTSC (National Television System Committee), das von Frankreich vorgeschlagene SECAM (Anmerkung: jedenfalls eine der 4 Secam Varianten) und das von dem Deutschen Walter Bruch etwas später entwickelte PAL (Phase Alternation Line = Phasenwechsel je Zeile). Während das amerikanische Verfahren bei ungünstigen Übertragungsbedingungen auf den Empfängern zu Farbverfälschungen führte, zeigte das französische System Schwächen im Studiobereich, so daß es ständig zu Modifikationen kam, die schließlich in vier Varianten endeten.

Mehr über die PAL Technik in "einfachen" Worten:

PAL hingegen vermied die Nachteile der beiden Verfahren, machte sich die Vorteile zunutze und erfüllte gleichzeitig die Forderung nach Verträglichkeit (Kompatibüität) mit dem bestehenden Farbfernsehempfänger für ein simultanes Farbfernsehsystem mit Zeilensprung, bei dem der Farbträger mit einem ersten Farbsignal und der von Zeile zu Zeile abwechselnd um + 90° und - 90° phasengedrehte Farbträger mit einem zweiten Farbsignal amplitudenmoduliert sind, die Übertragung mit unterdrücktem Farbträger erfolgt und im Empfänger zur Demodulation der trägerfrequenten Farbsignale der Träger in den bei den Modulationen im Sender angewendeten Phasenlagen wieder zugesetzt wird, dadurch gekennzeichnet, daß zum elektronischen Ausgleich von auf dem Übertragungsweg entstandenen Phasenfehlern jedes der beiden Farbsignale träger- oder videofrequent mit dem ihm entsprechenden um Zeilendauer verzögerten Farbsignal zur Mittelwertbildung addiert wird.

Aus der Patentschrift von Telefunken, 1962

"Die Erfindung betrifft einen Farbfernsehempfänger für ein in bekannter Weise abgewandeltes NTSC-System. Bei dem NTSC-Farbfernsehsystem ist der Bildträger (was ist ein Bildträger ?) mit dem Helligkeitssignal und der Farbträger in der sogenannten Quadraturmodulation (was ist das ?) mit zwei Farbsignalen moduliert. Die Amplitude der mit unterdrücktem Farbträger übertragenen farbträgerfrequenten Farbsignale ist dabei ein Maß für den Farbton der übertragenen Farbe. Durch Phasenfehler im Übertragungsweg wird bei einem solchen System die Phase des farbträgerfrequenten Farbsignals verfälscht, so daß am Empfänger ein falscher Farbton wiedergegeben wird."
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  • Anmerkung : Das ist auch nicht korrekt. Telefunken nahm insgesamt 3 Anläufe, um irgendetwas Wichtiges aus der PAL Technologie patentiert zu bekommen. Letztendlich wurde die Verzögerungsleitung mit diesen 63 Mikrosekunden patentiert, alles andere war bereits bekannt und nicht patentfähig. Das wollte damals nur keiner laut sagen, da der Umsatzeinbruch durch die Ankündigung der Farbe vielen Deutschen Firmen sehr zugestezt hatte und alle endlich wieder neue Produkte brauchten, sogar die Großen wie Philips und Grundig.

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PAL und Secam starten zweigleisig

Ohne internationale Absprache, um die sich die 1962 gegründete Farbfernsehkommission der Europäischen Rundfunkunion vergeblich bemühte, ging jedes Land seinen eigenen Weg. Die Bundesrepublik, deren Industrie sich einen neuen Markt erschließen wollte, bevor der Absatz von Schwarz-Weiß-Geräten zu stagnieren begann, setzte auf das PAL-System, dem sich Großbritannien anschloß; Frankreich, das an SECAM festhielt, warb um Bundesgenossen, die es schließlich in der Sowjetunion und zwangsläufig auch in deren Einflißgebiet in den Staaten des Ostblocks, also auch der DDR, fand. Heftig umkämpft wurde Italien, dessen Parlament die Einführung des Farbfernsehens aus finanziellen und sozialen Gründen möglichst lange hinausschob. Doch schließlich schloß sich auch Italien zur Vermeidung einer Regierungskrise 1975 den PAL-Befürwortern an. Bis 1978 hatten sich 48 Staaten für PAL, 33 für NTSC und 27 für SECAM entschieden.

Am Ende musste sie doch alle kooperieren

Allen Warnungen zum Trotz überstand die internationale Zusammenarbeit die farbfernsehtechnische Dreiteilung der Welt ohne größeren Schaden. Zwar bauten alle drei Verfahren auf ähnlichen elektronischen Gesetzmäßigkeiten auf, die Bildsignale mußten jedoch für den internationalen Programmaustausch zur Überbrückung der Systeme bei gelegentlichem Qualitätsverlust transcodiert werden. Die erste Feuertaufe bestand die Transcodierung 1968 bei der Übertragung der Olympischen Winterspiele in Grenoble und der Olympischen Sommerspiele in Mexiko. Für die deutschen Zuschauer wurde im Winter das Bildsignal von SECAM in PAL und im Sommer außer von NTSC in PAL noch aus der amerikanischen 525-Zeilen- in die europäische 625-Zeilennorm umgewandelt. Zur Übertragung der Signale aus Mexiko nach Europa wurde außerdem eine Satellitenverbindung eingesetzt.

VON SCHWARZ/WEISS ZUR FARBE

1968 strahlten die ARD-Landesrundfunkanstalten knapp 17 Prozent des Ersten Fernsehprogramms in Farbe aus, fünf Jahre später (1973) war der Anteil auf über 90 Prozent gestiegen. Ähnlich verlief die Entwicklung beim ZDF: Nach 17 Prozent 1968 erreichte die Länderanstalt 1975 knapp einen 90prozentigen Anteil von Farb- gegenüber Schwarz/Weiß-Sendungen. Das Zeitalter des Farbfernsehens begann das Zweite Deutsche Fernsehen im Sommer 1967 in einer provisorischen Sendezentrale im Gebäudekomplex der Fahrbereitschaft in Mainz-Lerchenberg. Zwei Video-Magnetband-Anlagen, drei 35mm-und zwei 16mm- Film- sowie ein Dia-Abtaster, außerdem alle notwendigen Zusatzeinrichtungen zur Verbindung mit der Sendezentrale in Wiesbaden, waren hier installiert. Diese Geräte genügten aber nur, um vorproduzierte Film- und MAZ-Beiträge abzuspielen oder die Bild- und Tonsignale des farbtüchtigen Übertragungswagens über Zuspielleitungen zu übernehmen, zu überwachen und an die Post weiterzuleiten. Aus Kostengründen verzichtete die Fernsehanstalt auf eine Ausstrahlung der Ansage in Farbe, so daß auf die Ausstattung des Ansagestudios mit Farbkameras zunächst verzichtet werden konnte.

Abschluß der Umstellung auf Farbe etwa 1970

Die größte ARD-Rundfunkanstalt, der Westdeutsche Rundfunk, schloß 1970 die Umrüstung seiner Fernsehtechnik auf Farbe ab. Obwohl zu diesem Zeitpunkt erst rund 50 Prozent des Ersten Fernsehprogramms in Farbe ausgestrahlt wurde, konnten schon alle wichtigen aktuellen Sendungen farbig produziert werden. Dazu trug nicht zuletzt auch die Inbetriebnahme neuer farbtüchtiger Übertragungswagen bei, die die veralteten Schwarz/Weiß-Fahrzeuge ablösten. Bis 1972 erweiterte der WDR seinen farbtüchtigen Fuhrpark von ursprünglich einem Fahrzeug auf sechs: Dazu gehörten zwei Übertragungswagen mit jeweils vier Farbkameras und einer Produktionsstudios vergleichbaren Bild- und Regietechnik, zwei Übertragungswagen mit jeweils zwei Kameras sowie zwei Fahrzeugen mit jeweils einer 2Zoll-MAZ-Anlage.

Andere Rundfunkanstalten unterhielten für eine Übergangszeit gemeinsam eine farbtüchtige mobile Übertragungseinheit. So stand ab Sommer 1968 dem Hessischen Rundfunk, dem Süddeutschen Rundfunk und dem Südwestfunk, der sogenannten „Troika", ein aus zwei Einheiten bestehender Übertragungszug mit vier 3Röhren-Kameras, einschließlich eines Aufzeichnungswagens, zur Verfügung.

Der Trick mit der Blue-Box

Von der Einführung der Farbe im Fernsehen profitierte auch ein bisher unterentwickelter Sektor der Fernsehtechnik: die elektronische Tricktechnik. Mit ihrer Hilfe konnten endlich in guter Qualität Bildvorlagen so miteinander kombiniert werden, daß ein geschlossener Bildeindruck entstand. Da als Selektionsfarbe für das elektronische „Einstanzen" von Bildern zunächst meistens Blau gewählt wurde, bürgerte sich für das Verfahren der Begriff „Bluebox" ein. Später wurde das Verfahren auch auf andere Hintergrundfarben ausgedehnt und so perfektioniert, daß es zu einer großen Rationalisierung der Fernsehproduktion beitrug. So kann z.B. auf kostspielige Kulissennachbauten im Originalmaßstab oder auf aufwendige Reisen kompletter Produktionsteams verzichtet werden, wenn die Handlung im „Blauwand-Studio" produziert und der Handlungshintergrund über Film oder Magnetaufzeichnung in das Endprodukt eingestanzt wird.

Der Fernsehsternpunkt in Frankfurt

Auf das Farbfernsehen hatte auch der in Frankfurt am Main beim Hessischen Rundfunk angesiedelte Fernsehsternpunkt zu reagieren. Da ein Umbau des sieben Jahre alten Sternpunkts wegen zu erwartender Störungen des laufenden Programmbetriebs nicht in Frage kam, wurde eine neue farbtüchtige Schaltzentrale 1967 mit einer erweiterten technischen Kapazität errichtet. Nunmehr war mit Hilfe der Hauptkreuzschiene eine gleichzeitige Schaltung von 20 eingehenden und acht ausgehenden Leitungen möglich. Als Verbindungsleitungen zwischen den Studios der Landesrundfunkanstalten und dem Sternpunkt wurden Richtfunkstrecken der Bundespost genutzt, die im Fernmeldehochhaus in Frankfurt zusammenliefen. Von dort gingen die Bild- und Tonsignale per Erdkabel in den Postraum des Funkhauses. Ende der 60er Jahre bot sich Frankfurt auch als Standort einer der Unterzentralen des Bild-Dauerleitungsnetzes zum Programmaustausch (Eurovision) innerhalb der Europäischen Rundfunkunion an.

OLYMPISCHE SOMMERSPIELE 1972

Einen außergewöhnlichen fernseh- und hörfunktechnischen Einsatz erforderten die Olympischen Sommerspiele 1972 in München. Für die rundfunktechnische Abwicklung - Bereitstellung der 12.000qm großen technischen Zentrale, von studiotechnischen Kapazitäten und Übertragungswagen, von Kommentatorenplätzen in den 35 Wettkampfstätten, von Fernsehkameras und Aufzeichnungsgeräten, von Bild-, Ton- und Meldeleitungen - sorgte das von ARD und ZDF gegründete „Deutsche Olympia Zentrum Radio Television" (DOZ) in Zusammenarbeit mit der Deutschen Bundespost und einschlägigen Industriefirmen. Die Berichterstattung im Fernsehen erfolgte ausschließlich in Farbe und in der PAL-Norm.

112 Hörfunkorganisationen aus 73 Ländern und 70 Fernsehorganisationen aus 63 Ländern nutzten die von den deutschen Rundfunktechnikern geschaffene Infrastruktur. Die Olympischen Spiele erwiesen sich für manche Techniker der bundesdeutschen Rundfunkanstalten als hervorragendes Trainingsfeld, da sie hier Erfahrungen mit farbtüchtigen Fernsehausrüstungen sammeln konnten, die ihnen später für ihre tägliche Arbeit zugute kamen. Ohne die kompletten Farbfernsehstudios, die die Rund-funkanstalten für die Olympischen Spiele anschafften und später in ihren Funkhäusern einbauten, ohne die Unterstützung der Industrie, die Geräte leihweise zur Verfügung stellte, aber auch ohne die Unterstützung einiger Mitgliedsorganisationen der Europäischen Rundfunkunion, die mit sieben Fernsehübertragungswagen aushalfen, hätte das DOZ seine Aufgabe nicht bewältigen können.

  • Anmerkung : Was hier fehlt ist die erklärende Ergänzung, daß diese Olympiade 1972 für die deutschen und internationalen Studio-Hersteller eine Goldgrube war und eine immense Technik-Veranstaltung mit direkten Verkaufscharakter war. Die Robert Bosch Fernseh GmbH Darmstadt hatte einen riesen Umsatzboom ungeahnten Ausmaßes und nie wieder so viele Farbkameras verkauft wie nach 1972.

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Rundfunktechnische Einrichtungen zur Olympiade 1972

An den Wettkampfstätten:
27 Übertragungswagen (Fernsehen)
95 Fernsehkameras
14 mobile Magnetaufzeichnungsgeräte (MAZ)
5 mobile elektronische Zeitlupengeräte
3 Interviewstudios (Fernsehen)
65 Filmkameras
385 Kommentatorplätze (Fernsehen)
147 Plätze für den Einsatz von Magnettongeräten (Hörfunk)
467 Kommentatorplätze (Hörfunk)

Im Technischen Zentrum:
1 Fernsehhauptschaltraum mit 14 abgehenden Bild- und 90 Kommentatorverbindungen
30 Monitore zur Bildauswahl im zentralen Produktionskomplex für das Weltprogramm
17 Magnetaufzeichnungsgeräte
3 Filmentwicklungsmaschinen
37 Schneideräume
11 Studios (Fernsehen)
1 Hörfunkhauptschaltraum mit 1473 Ton-, Kommentator- und Meldeleitungen
66 Studios (Hörfunk)

1992 - Herausgeber: Arbeitsgruppe der Technischen Kommission ARD/ZDF - „Geschichte der Rundfunktechnik" Redaktion: Dipl.-Ing. Wolfgang Weinlein, - Vorsitzender der Arbeitsgruppe (SWF), - Dipl.-Ing. Albrecht Hafner (SWF) Texte: Dr. Ansgar Diller, Deutsches Rundfunkarchiv (DRA), - Norbert Langer (WDR), Wolfgang Weinlein (SWF) Bildnachweis: DLF (1), DRA (3), RIAS (1), SFB (1), SWF (5), -WDR (1), ZDF (3)

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