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100 Jahre Hertz'sche Wellen - Teil 4b (Fernsehen) 3 aus 1990

Vermutlich zu der Sonderausstellung "100 Jahre Hertz'sche Wellen" im Sheraton in Frankfurt am Flughafen wurde diese kleine Broschüre herausgegeben. Und zu dieser Veranstaltung waren sie alle da, die damals etwas zur Aufarbeitungung dieser Historie beigetragen haben. Wir haben inzwischen sogar ein Video von dieser Veranstaltung im Nachlass des Günter Bartosch gefunden. Leider ist die Erinnerung an diese Veranstaltung völlig versandet und darum wird ist hier im Museum enthalten. Weitere Teile über die Entwicklung des Fernsehens finden Sie dann im Fernsehmuseum. Zu den Anfängen geht es hier lang.

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VOM VERBOT ZUM VERSUCHSBETRIEB

Die alliierten Besatzer verboten 1945 den besiegten Deutschen nicht nur den Betrieb von Hörfunksendern, sondern auch die Wiederaufnahme des Fernsehens, das seit 1935 bis 1943 regelmäßig ein Programm ausgestrahlt hatte. Untersagt waren auch die fernsehtechnische Forschung sowie die Produktion entsprechender Studio- und Empfangsgeräte. Da das Fernsehen als Massenmedium noch ohne Bedeutung war, spielte es beim Wiederaufbau der publizistischen Infrastruktur auch keine Rolle.

Dennoch stand die fernsehtechnische Forschung durch deutsche Wissenschaftler nicht still - allerdings nur im Auftrag der Alliierten oder im Ausland. So forderte 1945 die sowjetische Besatzungsmacht in Berlin von einer Gruppe von Technikern um Walter Bruch die Anpassung von amerikanischen Fernsehempfängern auf die in der Sowjetunion gebräuchliche Zeilennorm. Andere Fernsehexperten fanden Forschungsmöglichkeiten in verschiedenen westlichen Staaten.

Der "Ettlinger Kreis"

Im Westen Deutschlands traf sich trotz alliierten Verbots eine Reihe von Fernsehexperten im sogenannten „Ettlinger Kreis" zum Gedankenaustausch in privater Runde. Hier entstand u.a. der Vorschlag, das Fernsehbild zur Verbesserung der Bildauflösung nicht mehr mit 441, sondern mit 625 Zeilen zu übertragen. Diese Anregung griff der NWDR 1948 auf, da dessen von den Briten erlassenes Statut „Rundfunksendungen ... (später, sobald technisch möglich, auch im Bilde)" zuließ und begann mit Experimenten in dieser Fernsehnorm.

Seine Aktivitäten wurden von Technikern der früheren Reichspost- Fernseh- Gesellschaft (RFG) unterstützt, die sich mit ihren Geräten in Hamburg niedergelassen hatten und die der NWDR nach einigem Geplänkel über die der Post zustehenden Mitwirkungsrechte auf dem Fernsehgebiet Ende 1948 übernahm.

Am Anfang war die FESE in Darmstadt

Wie beim Hörfunk kam es auch hier zu einer Abgrenzung der Kompetenzen; der Rundfunk sollte die Fernsehstudios- und Sender betreiben und die Post die Leitungen zur Verfügung stellen. Nach der ersten Weichenstellung beauftragte der NWDR die einschlägigen deutschen Firmen (da gab es fast nur die Fese in Darmstadt) mit dem Bau der für einen Versuchsbetrieb notwendigen, technischen Einrichtungen. Nachdem die noch immer zuständigen Besatzungsbehörden die Genehmigung auch für Fernseharbeiten erteilt hatten, konnte die deutsche Industrie mit der Entwicklung von Senderöhren, Kameras und Empfängern beginnen.

Noch 1948 gelang es, im NWDR-Experimentalstudio in einem Hochbunker auf dem Heiligengeistfeld in Hamburg eine Vorkriegs-Superikonoskop-Kamera auf 625 Zeilen umzurüsten. Am 29. September 1949 wurde ein Foto aus dem 5 x 6 m großen Studio per Kabel zu einem 10 x 15 cm großen Bildschirm übertragen. Am 27. November 1950 begannen als Versuch die ersten regelmäßigen Fernsehausstrahlungen in der Nachkriegszeit.

INTERNATIONALE FERNSEHNORM: 625 ZEILEN

Nationale und internationale Fernsehentwicklungen erhielten 1951 einen entscheidenden Impuls. Unter dem Vorsitz des Schweizers W. Gerber einigten sich acht west- und nord-europäische Staaten mit Ausnahme Großbritanniens und Frankreichs auf 625 Zeilen bei 25 Bildern pro Sekunde als internationale Fernsehnorm. Mit geringen Abweichungen sollte diese Norm auch in Osteuropa und damit auch in der damaligen DDR gelten.

Bis Anfang der fünfziger Jahre trieb allein der NWDR in Hamburg die Fernsehexperimente voran, doch nunmehr regte sich auch im Süden der Bundesrepublik das Interesse. Das von den Rundfunkanstalten in der amerikanischen Zone getragene Rundfunktechnische Institut in Nürnberg begann sich - anfangs gegen den Willen seiner Geldgeber - für die Fernsehtechnik zu interessieren. Schließlich kam es zu einer Aufgabenteilung zwischen Nord und Süd: Der NWDR sollte sich künftig besonders mit der Entwicklung von Kameras und Antennen, das Nürnberger Institut mit Fragen der Wellenausbreitung und Störungen in den Frequenzbändern befassen.

Es dauerte noch ein weiteres Jahr

Mit einer Verzögerung von einem Jahr, entgegen der ursprünglichen Planung, ging das reguläre Fernsehprogramm offiziell am ersten Weihnachtsfeiertag 1952 auf Sendung.

Zu sehen war es aber nur im Einzugsbereich des NWDR über die 10 kW-Sender Hamburg und Langenberg sowie über die 1 kW-Stationen Berlin, Hannover und Köln. Da der Ausbau der Dezimeterstrecken - der Verbindungen zwischen den Fernsehsendern - durch die Post längere Zeit beanspruchte, konnte erst im Laufe der beiden folgenden Jahre - von Nord nach Süd fortschreitend - das Fernsehprogramm allmählich in ganz Westdeutschland verbreitet werden.

1953 - Die Krönung

Rechtzeitig für die Übertragung der Krönungsfeierlichkeiten der britischen Königin Elisabeth II. nahmen im Frühsommer 1953 der Hessische Rundfunk und der Südwestfunk mehrere Fernsehsender in Betrieb. Am 1. November 1954 waren die technischen Voraussetzungen geschaffen, so daß die Rundfunkanstalten ihre in einem Fernsehvertrag festgelegten Programmanteile zum ARD-Gemeinschaftsprogramm Deutsches Fernsehen zuliefern konnten.

Alles begann im NWDR
Werner Nestel zum Start des Fernsehens, 1952

Die Ingenieure des Nordwestdeutschen Rundfunks haben in Zusammenarbeit mit einer Reihe von Fachfirmen und in intensiver zweijähriger Arbeit die Studioanlagen und Senderanlagen für das Fernsehen im Gebiet des NWDR aufgebaut. Das Ergebnis dieser Arbeit wird heute der Öffentlichkeit übergeben. Es wird damit zum Werkzeug des Fernseh-Programms. Ich darf hoffen, daß der Stand der Technik so gut ist, daß Sie in Ihrer Beurteilung des Fernsehens und in Ihrer Beurteilung dessen, was das Fernsehen für Sie persönlich bedeuten wird, nur noch an das Programm zu denken brauchen. Das technische Problem Fernsehen mit all seinen Schwierigkeiten kann demgegenüber in den Hintergrund treten.

Diejenigen meiner Mitarbeiter, die am technischen Aufbau des Fernsehens beteiligt waren, würden aber dafür dankbar sein, wenn Sie bei aller Würdigung der Wichtigkeit des Programms doch daran denken, daß eine unendlich große Zahl von technischen Einzelproblemen in Forschung, Entwicklung, Konstruktion und Fabrikation gelöst werden mußten, um Ihnen das Fernsehen so übergeben zu können, wie es Ihnen von heute an zur Verfügung steht.

Nach der Erfindung der Atomwaffe hat sich gegenüber der Arbeit der Technik ein gewisses Mißtrauen in der Öffentlichkeit eingestellt. Man befürchtet immer, daß wir, wenn wir wichtige Erfindungen erschließen, nicht wissen, ob sie zum Guten oder zum Bösen verwendet werden. Ich bin mir darüber im klaren, daß das Fernsehen auch zu den Erfindungen gehört, die unter Umständen zum Bösen verwendet werden können. Es hängt von den für das Fernsehen verantwortlichen Männern ab, es nur zum Guten zu führen. Daß dies gelingt, dazu haben wir Ingenieure volles Vertrauen.

SENDER UND STUDIOS

Auf der Grundlage des während der europäischen Wellenkonferenz in Stockholm 1952 erarbeiteten Frequenzverteilungsplans für Fernsehsender errichteten die Rundfunkanstalten der ARD im Verlauf der fünfziger Jahre zügig Fernsehsender zunächst in den Ballungsräumen. In der Regel wurden Sendeanlagen mitbenutzt, die für den UKW-Hörfunk gebaut worden waren. Doch es gab auch wegweisende Neuerungen.

1954 - Der Stuttgarter Fernsehturm wird gebaut

Der Süddeutsche Rundfunk entschied sich 1954 für eine ,Antennenträger- Konstruktion', die, anstelle eines Stahlgittermastes, aus einem schlanken 211m hohen Betonturm mit aufgesetzter Stahlgitternadel bestand. Der Stuttgarter Fernsehturm fand inzwischen zahlreiche in- und ausländische Nachfolger. So wurden bald ähnliche Bauwerke vom Bayerischen Rundfunk auf dem Ochsenkopf und vom Südwestfunk auf dem Donnersberg in Rheinland-Pfalz errichtet.

Hamburg bekam auch ein neues Studio

Der Programmstart des Fernsehens in Hamburg Ende 1952 fand noch in einem provisorisch hergerichteten Studio statt. Doch schon im August 1953 konnte der NWDR in Hamburg-Lokstedt nach knapp einjähriger Bauzeit ein eigens für das Fernsehen konzipiertes vierstöckiges Gebäude mit vier unterschiedlich großen Studios und entsprechenden Nebenräumen beziehen.

Den Wünschen der Redakteure nach aktueller Berichterstattung kamen die Hamburger Techniker mit dem Bau von vier Übertragungswagen nach, denen jeweils ein „Filmtrupp" mit bis zu drei elektronischen (Super-Orthikon)-Kameras zugeordnet war. Da es noch keine elektronische Bildspeicherung gab, mußten die aktuellen Beiträge über mobile Sende- und Empfangseinrichtungen - gemeinsam betrieben von Post und NWDR - ,live' der Sendezentrale überspielt werden.

Das Fernsehen gedieh abseits vom Hörfunk

Mit entsprechender zeitlicher Verzögerung wuchsen auch die fernsehtechnischen Anlagen der anderen Rundfunkanstalten aus ihren Provisorien heraus. Meist getrennt vom Gelände, auf dem der Hörfunk angesiedelt war, entstanden mit allen technischen Raffinessen ausgestattete Produktionsstudios mit mehreren Kameras, Ton- und Bildregie, Filmgeber und seit Ende der fünfziger Jahre mit der Möglichkeit, Sendungen nicht allein auf Film, sondern auch auf Magnetband aufzuzeichnen.

1958 - der SWF bekommt die erste MAZ

Bei dieser aus den Vereinigten Staaten importierten Technik spielte der Südwestfunk den Vorreiter auf dem europäischen Kontinent. 1960 nahmen die ARD-Rundfunkanstalten in Frankfurt einen Fernsehsternpunkt, der seitdem dem reibungslosen Ablauf des Programmaustausches und vor allem der nahtlosen Sendeabwicklung des ersten Fernsehprogramms dient, in Betrieb. Zu Beginn der sechziger Jahre gab es über 30 Grundnetzsender für das Fernsehen, die im Verbund mit zahlreichen Fernsehumsetzern nahezu 90 Prozent der Bundesrepublik erreichten und damit zu einer stetig ansteigenden Zahl von Fernsehteilnehmern beitrugen.

1990 Herausgeber:
Copyright: Arbeitsgruppe „Geschichte der Rundfunktechnik" der Technischen Kommission ARD/ZDF - Dr. Ansgar Diller, Deutsches Rundfunkarchiv (DRA)
Dipl.-Ing. Wolfgang Weinlein, - Vorsitzender der Arbeitsgruppe (SWF)
Dipl.-Ing. Albrecht Hafner, Südwestfunk (SWF) - J.G.& Partner, Baden-Baden
Rundfunk in Deutschland, Bd 3 (1) - Institut für Rundfunktechnik, München (IRT)

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