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Kleine Geschichte des deutschen Fernsehens aus 1969

Ein Buch von Dr.-Ing. E. h. Walter Bruch aus dem Jahr 1969 aus dem Fundus des ehemaligen "Vereins zur Errichtung eines Fernsehmuseums" in Wiesbaden. Mehr über die Glorie, die Publikationen und das Vermächtnis des Ehrenmitgliedes dieses Vereins lesen Sie hier.

Die Zeit der "Spekulationen" war nun vorüber

Heute wissen wir, daß unsere Vorgänger großartig und genial gedacht haben, daß ihnen aber der praktische Erfolg versagt bleiben mußte. Die Werkzeuge, die ihnen zur Verfügung standen, waren aus unserer Sicht oft noch die der „Primitiven", wie an Max Skladanowsky gezeigt werden konnte. Ihre Saat ist dennoch aufgegangen. Nach dem Ersten Weltkrieg war, mit Hilfe einer fortgeschrittenen Elektrotechnik, die Zeit der "Spekulationen" vorüber, das Fernsehen nahm Gestalt an, wenn auch vorerst nur zögernd.

Aug. 1928 - Beginn der mechanischen Bildabtastung

Geheimnisvoll, in Laboratorien, der Öffentlichkeit verschlossen, beginnt das Fernsehen zu funktionieren. Endlich, im August 1928, wird es dem Berliner Publikum auf einer Ausstellung zum ersten Mal vorgeführt. Als junger Student war auch ich zu dieser Funkaussteilung nach Berlin gereist, nur um das Fernsehen zu erleben. Ich war mit den außerordentlichen technischen Schwierigkeiten vertraut und war deshalb schon begeistert, wenn sich auf dem Empfangsschirm nur irgend etwas bewegte. Für mich gab es das Fernsehen! Das Sehpublikum, das erwartungsvoll zum Funkturm gekommen war, ein Fernsehen von der technischen Qualität zu sehen, wie wir es dann schon Ende der dreißiger Jahre zeigen konnten, mußte maßlos enttäuscht werden.

Die Fachzeitschrift „Funk" berichtete:

  • „Die dichten Schleier sind nun gelüftet, und es ist gewiß eines der schönsten Verdienste dieser fünften Großen Deutschen Funkausstellung, daß sie zum ersten Mal Fernsehgeräte vor aller Öffentlichkeit praktisch vorführte. Alle, die an die baldige Verwirklichung des Fernsehens glaubten, werden jedoch in diesem Glauben kaum bestärkt werden, denn man sieht nur den bescheidenen Anfang eines neuen technischen Wunders, dessen Erfüllung für die Allgemeinheit noch in einer unbestimmten Zukunft liegt."

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1928 - Der 70jährige Nipkow sieht seinen "Traum"

Der 70jährige Nipkow - noch war er nicht „wiederentdeckt" - besuchte diese Ausstellung (1928) und sah erstmals ein über zwei "seiner" Lochscheiben übertragenes Fernsehbild. In seinem wörtlich erhaltenen Bericht über den Besuch liest man:

  • „Die Fernseher befanden sich in dunklen Zellen, und davor standen Hunderte und warteten geduldig auf den Augenblick, in dem sie zum ersten Male fernsehen sollten. Unter ihnen wartete ich auch und wurde immer nervöser. Was ich 45 Jahre früher erdacht hatte, sollte ich nun erstmals wirklich sehen. Endlich war ich an der Reihe und trat ein - ein dunkles Tuch wird zur Seite geschoben, und nun sehe ich vor mir eine flimmernde Lichtfläche, auf der sich etwas bewegt. Es war nicht gut zu erkennen."

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In Berlin erinnerte ich mich, daß Jahre vorher, 1925 auf der Verkehrsausstellung in München, schon Max Dieckmann einen Fernseher gezeigt hatte. Er arbeitete mit bewegten Spiegeln im Sender und einer Braunschen Röhre als Bildschreiber - wie konnte es bei einem ehemaligen Assistenten von Ferdinand Braun anders sein?

Walter Bruchs "Jugendtraum"

Tag für Tag lockte mich dieser Stand an. Damals war ich noch ein Schuljunge, und wenn man auch nie etwas sehen konnte, so begeisterte mich doch der Gedanke, einmal fernsehen zu können. Ich wollte einer der Männer werden, die an dieser Technik als Idealisten unbeirrt arbeiteten. Mein Jugendtraum ist in langen Jahren zur Lebensaufgabe geworden.

Was wurde nun 1928 in Berlin gezeigt? Da war Denes v. Mihaly, ein charmanter Ungar, der schon während des ersten Weltkrieges seine Vorgesetzten der k. und k. Armee für das Fernsehen so stark zu interessieren vermochte, daß er für geheime Entwicklungsarbeiten abkommandiert wurde. Als er diese Arbeiten in der Telefonfabrik Budapest, die seinerzeit noch zu keinem Ergebnis führen konnten, beenden mußte, holte ihn der Funkpionier Eugen Nesper mitsamt seiner Apparatur nach Berlin.

1922 - Denes v. Mihaly

1922 berichtete Denes v. Mihaly über seine Versuche ausführlich in einem Buch: „Das elektrische Fernsehen und das Telehor" (Telehor, griechisch: Fernsehen), übrigens beschäftigte Mihaly sich gleichzeitig als beratender Ingenieur der AEG mit der Entwicklung eines automatischen Eisenbahn-Sicherungssystems, arbeite also zufällig auf demselben Gebiet wie Nipkow. Es gelang ihm, finanzkräftige Industriefirmen für das Fernsehen zu interessieren, und so wurde Mihaly - wie Eugen Nesper schrieb - der „erste Propagandist des Fernsehens" in Berlin. 1928 konnte er eine eigene Firma zur Nutzung seiner Patente gründen, die Telehor AG. Später, nachdem der erwartete Erfolg nicht eingetreten war, ging dieses Unternehmen 1930 in den Besitz der Firma TeKaDe über, und es wurde nach Nürnberg verlegt.

Zusammen mit Nesper gelang es Mihaly schon 1926, bei dem damaligen Telegrafentechnischen Versuchsamt, dem späteren Reichspostzentralamt (RPZ), Interesse für das Fernsehen zu wecken. Der Leiter des Referates IV a, Tele-grafie und Sonderaufgaben, Telegrafendirektor Fritz Banneitz, erhielt 1926 den Auftrag, „die Entwicklungen auf dem Gebiet des Fernsehens zu beobachten und durch regelmäßige Übertragungen den Fortschritt zu fördern".

1928 - Banneitz soll Fernsehen machen

Banneitz übernahm begeistert diese Aufgabe, zunächst im engen Kontakt mit Mihaly. Im Jahr 1928 konnte er selbst ein Forschungslaboratorium einrichten, in dem bald eine Anzahl begabter Wissenschaftler beschäftigt wurde. Von dieser Zeit an hat sich die Deutsche Reichspost selbst forschend auf dem Gebiet des Fernsehens betätigt.

Sie gab Mihaly die Chance, seine Anlage während der schon erwähnten Funkausstellung 1928 auf dem Stand der Reichspost zu demonstrieren. Mihaly, ein begabter Bastler, der schon manche neue Idee zum Fernsehen beigetragen hatte, zeigte fast die Originalapparatur von Nipkow, wobei die Hochvakuumfotozelle anstelle der Selenzelle, die Flächenglimmlampe und selbstverständlich der Elektronenröhrenverstärker die Verwirklichung von Nipkows Idee erst ermöglichten.

Seine Nipkow-Scheiben hatten 30 Löcher, demgemäß wurde jedes Bild in 30 Zeilen zerlegt. Zehn solcher Bilder wurden in der Sekunde übertragen. Trotz der geringen Bildhelligkeit entstand das von Nipkow erwähnte Flimmern, weil eben nur 10 Bildwechsel vorhanden waren.

1928 - Das Fernsehsystem „Telefunken-Karolus"

In einer anderen Halle derselben Ausstellung (1928) wurde, unabhängig von der Schau der Post, das Fernsehsystem „Telefunken-Karolus" vorgeführt. Während Mihaly Bilder kaum größer als Briefmarken (4x4cm) zeigte, brachte Karolus sie auf einer Mattscheibe schon 75x75cm groß. Bei dieser Größe war aber trotz 45 Zeilen die Unvollkommenheit eines Bildes mit so geringer Auflösung noch mehr zu erkennen als bei Mihaly. Karolus benutzte für diese Demonstration das Weilersche Spiegelrad.

Auch Karolus hatte schon seit Jahren experimentiert. Ursprünglich wollte er im Wintersemester 1923 am Physikalischen Institut der Universität Leipzig mit Forschung und Unterricht über Fernsehen beginnen. Es erging ihm aber wie schon früher Dieckmann, der an der Technischen Hochschule München eine Vorlesung über das Thema „Das drahtlose Fernsehen" halten wollte, die jedoch als utopisch abgelehnt wurde. Dieckmann hat dann freilich doch noch das Thema in einer Vorlesung unter dem Titel „Fernübertragungseinrichtung hoher Mannigfaltigkeit" behandelt.
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Lassen wir nun Karolus über seinen Anfang berichten:
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  • „Mitte 1923 war ich wieder ans Physikalische Institut der Universität Leipzig zurückgekehrt, an dem ich 1921 promoviert hatte. Auf die Frage des Instituts-Direktors, des von mir hochverehrten Herrn Geheimrat Wiener, nach meinen Plänen war meine Antwort schnell und eindeutig: Ich möchte Fernsehen entwickeln. Mein Chef, der von Haus aus ein reiner Optiker war, ließ sich von mir zunächst erklären, was ich mir unter Fernsehen vorstelle. Nach meinen Ausführungen zeigte er sich durchaus ablehnend, daß in seinem Institut eine solche Arbeit beginnen würde .
  • Nachdem ich mich von dem Schock erholt hatte, machte ich ihm den Vorschlag, mit den gleichen Hilfsmitteln, mit denen ich Fernsehen in Angriff nehmen wollte, eine Messung der Lichtgeschwindigkeit auf dem 50m langen Korridor des Instituts auszuführen. Dieser Vorschlag wurde von Geheimrat Wiener sofort mit Begeisterung angenommen, mit dem Versprechen, mir für meine Fernsehpläne freie Hand zu lassen, wenn sich das optische Problem lösen ließ. Nun, nach acht Wochen konnte ich ihm die ersten Messungen der Lichtgeschwindigkeit vorführen, und damit hatte ich dieses Hindernis überwunden."

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Die Lichtgeschwindigkeit spielt eine große Rolle

Die Lichtgeschwindigkeit, eine der elementaren Größen, mit denen man in der Physik rechnet, muß man demnach genau kennen. Schon 1676 hatte der dänische Astronom Olaf Römer versucht, sie aus der Zeit der Verdunkelung der Jupitermonde abzuschätzen.

1849 hatte dann Hippolyte Louis Fizeau eine Idee, wie man sie exakt messen kann. Er sagte sich, wenn ich das Licht sehr schnell zerhacke und dieses zerhackte Licht einen weiten Umweg machen lasse, zum Beispiel, indem ich es auf einen fernen Berg richte und von dort wieder zurückspiegele, dann muß zwischen den abgehenden und den zurückkommenden Lichtimpulsen eine Zeitdifferenz entstehen, die meßbar ist. Fürwahr, ein genialer Gedanke!

Dieselbe Methode benutzen wir heute noch, um mit elektrischen Wellen - nachdem wir die Lichtgeschwindigkeit und damit auch die Geschwindigkeit der elektrischen Wellen inzwischen genau kennen - die Entfernung eines Flugzeuges zu messen (Entfernungsradar). Für die schnelle Unterbrechung des Lichtes benutzte Fizeau die Zähne eines Zahnrades. Wird das zurückkommende Licht durch die Zähne des Zahnrades beobachtet, so treffen bei geeigneter Drehzahl die Lichtimpulse die Zahnlücken nicht mehr. Für den Beobachter entsteht Dunkelheit.

Aus Drehzahl, Zahnzahl und Entfernung läßt sich dann die Geschwindigkeit berechnen. Mit einem Lichtweg von etwa 8 1/2 km konnte Fizeau auf diese Weise eine Lichtgeschwindigkeit von etwa 300.000 km/s messen. Um ihren Wert noch genauer zu bestimmen, muß man die Entfernung vergrößern. Joseph Perrotin hat zum Beispiel 1901 über 46 km gemessen, aber das ist unpraktisch. Viel bequemer ist es, die Frequenz der Lichtunterbrechungen zu vergrößern, - dann kann der Hin- und der Herweg verkürzt werden, weil die Lichtimpulse in kleineren Zeitabständen kommen.

Karolus wählte deshalb, um sehr schnelle Lichtunterbrechungen zu erzielen, die von ihm für die Helligkeitssteuerung im Fernsehen verbesserte Kerr-Zelle, konnte mit ihr 10 Millionen Perioden in der Sekunde erreichen und so den Weg auf 30m herabsetzen. Er und seine Schüler haben die Lichtgeschwindigkeit auf ein Zehnmillionstel genau bestimmt, und heute können Studenten die Lichtgeschwindigkeit in Institutskorridoren messen, sie finden: c = 299.778 Kilometer in der Sekunde.
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Fritz Schröter holt Karolus nach Berlin

Fritz Schröter, der die Abteilung „Physikalische Forschung" bei Telefunken leitete, hatte bei der Übernahme dieses Postens seinem damaligen obersten technischen Chef, Georg Graf v. Arco, eine Reihe von Anregungen gegeben, die darauf hinzielten, eine Ära der optisch-elektrischen Fernübertragungen des schreibenden Lichtes, anzubahnen.

Er wurde auf Karolus aufmerksam gemacht, den er als „Erfinder, Wissenschaftler und Konstrukteur mit phänomenaler Werkstatterfahrung in einem" charakterisierte. Schröter gewann Karolus als freien Mitarbeiter für Telefunken. Da die Karolus-Entwicklungen dann sowieso alle nach Berlin übernommen und dort weitergebaut beziehungsweise angewendet wurden, können wir getrost auch ihn zu den Berlinern rechnen.

Weil er zunächst nur die Lichtsteuerung wissenschaftlich untersuchen wollte, begann auch Karolus seine Arbeiten mit zwei Nipkow-Scheiben, die er auf nur eine Antriebsachse setzte, um vorerst das Problem des Gleichlaufs beider Scheiben zu umgehen. Schon 1925 konnte er mit diesem primitiven Modell erste Bilder vorführen.
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Schröter berichtete als Augenzeuge darüber:

  • „Das Bild hatte nur 24 Zeilen, schräge Linien sahen aus wie Treppen, das öffnen und Schließen einer Flachzange im Geber produzierte im Empfänger den Eindruck eines schnappenden Krokodilrachens. Und doch war alles so überzeugend, daß Graf Arco, lange Zeit sprachlos die Hände ringend, schließlich nur das eine Wort herausbrachte: Donnerwetter! Für das Neue die Trommel zu rühren, war nun meine Sache."

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Und die Trommel rühren für das Fernsehen, das tat Fritz Schröter bis heute. Am 28. Dezember 1966 vollendete er sein 80. Lebensjahr, und er ist noch unermüdlich für das Fernsehen tätig.
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1928 - Karolus erkennt Mängel bei der Grundlagenforschung

Nach dem ersten Erfolg auf der Berliner Funkausstellung 1928 unterbrach Karolus seine Arbeit am Fernsehen, um erst einmal die dafür erforderlichen Bauelemente gründlich zu untersuchen. Für deren Studium bot sich neben der Lichtgeschwindigkeitsmessung die einfachere Bildtelegrafie an, deren Entwicklung auf der Basis des Kerr-Effektes seit 1925, von den Fernseh-Versuchen unbeeinträchtigt, weitergegangen war.

In Zusammenarbeit mit der Siemens u. Halske AG entstand der Bildtelegraf „Telefunken-Karolus-Siemens". Zwar hatte bereits im ersten Jahrzehnt unseres Jahrhunderts A. Korn die Übertragung von fotografischen Vorlagen, also die Fernfotografie, gemeistert. Nach seinem Verfahren hatte im Sommer 1907 das Berliner Telegraphen-Versuchsamt mit dem gleichen Amt in München Bilder gewechselt. Dem folgte in den nächsten Jahren ein regelmäßiger Bilderaustausch zwischen dem „Berliner Lokalanzeiger" und der französischen Zeitung „L'lliustration" oder der Kopenhagener Zeitung „Politiken" unter anderen.
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1926 - Versuche mit der Übertragung von Papierbildern

Die hohe Bildqualität der modernen Zeitschriften und die beträchtlichen Kosten der Sendeminuten auf den Uberseeverbindungen erforderten aber eine sehr lineare und schnellere Übertragung von Papierbildern. Als schnelles Lichtsteuerorgan diente die von Karolus erfundene Kerr-Zelle. Damit konnten schon 1926 die ersten Bilder über Kurzwelle mit Rom und Rio de Janeiro ausgetauscht werden. Diese Versuche zeigten aber, daß die Übertragung, infolge sogenannter Fadings, zeitweise ganz ausfiel und außerdem überraschend Zeichenverbreiterungen und -Wiederholungen auftraten, welche die Bilder unleserlich machten. Die Kurzwellensignale kommen über mehrere Wege in Form von Mehrfachreflexionen zwischen Ionosphäre und Erdoberfläche unterschiedlich verzögert beim Empfänger an.

Das machte manchen Traum zunichte, mit Kurzwellen einmal richtige Fernsehbilder über große terrestrische Entfernungen übertragen zu können. Einzelne (ruhende) Bilder, als Fernfotografie, konnte man sehr viel langsamer übertragen als die notwendigerweise schnelle Bildfolge beim Fernsehen (etwa 5000 mal langsamer). Dann waren jene Störungen auf dem Bilde eng zusammengedrängt und führten nicht zur Verschmierung der Zeichen. Für die Sendung eines Bildes nach Rom konnte man sich zwei Minuten Zeit lassen, nach Rio mußte man fünf Minuten aufwenden.

Krönung und Abschluß dieser Entwicklung der Bildtelegrafie waren die gelungenen, regelmäßigen Kurzwellenübertragungen Berlin-Moskau beziehungsweise Moskau-Berlin vom 14.-18. Dezember 1927 in Zusammenarbeit mit dem Volkskommissariat für Post und Telegrafie in Moskau, ferner die Bildtelegramme von Berlin nach Nanking in China und der regelmäßige Transradio-Betrieb zwischen Berlin und Buenos Aires.

1928 - Die Fernseh AG wird in Berlin gegründet

Durch diese Erprobungen und Erfahrungen gut vorbereitet, konnten Karolus und seine Mitarbeiter 1927 das Fernsehen wieder voll aufnehmen und daher schon 1928 in Berlin der Öffentlichkeit Einblick in diese Forschung geben. Selbstverständlich stellten auch 1929 auf der Funkausstellung in Berlin Karolus-Telefunken und Mihalys Telehor AG wieder aus. Neu dazugekommen waren mit eigenen Entwicklungen: die Deutsche Reichspost und die eben von der englischen Baird Television Ltd. und den deutschen Firmen R. Bosch AG, Radio-DS Loewe sowie Zeiss Ikon gegründete Fernseh AG.

Zu den 30zeiligen Bildzerlegern der Anfangszeit kamen, ohne daß die Methoden der mechanischen Bildzerlegung geändert wurden, bald höherzeilige Geräte hinzu. Sie lieferten eine bessere Auflösung, waren aber für die Wiedergabe von Bildern mit mehr als 90 Zeilen trotz weiterer Verbesserungen nicht mehr geeignet. In der Tat erlangte diese Technik auf der Empfangsseite in Gestalt der Spiegelschraube von F. v. Okolicsanyi und schließlich im Spiegelkranzgerät von Denes v. Mihaly ihren Höhepunkt.

Bei dem letztgenannten Gerät war sozusagen das Weilersche Spiegelrad umgekehrt: Ein feststehender Spiegelkranz, und nur ein winziger, leicht synchronisierbarer Motor drehte einen kleinen, im Zentrum des Kranzes sitzenden Spiegel. Auf der Funkausstellung 1933 - inzwischen war ich längst als Fernsehingenieur tätig - durfte ich nun auch dieses 90-Zeilen-Gerät für das Labor von Mihaly, unter Verwendung eines von mir konstruierten Abtasters, vorführen.

Die angestrebte Steigerung der Zeilenzahl bei der Bildwiedergabe sollte bald durch die Braunsche Röhre möglich werden. Als geberseitiger Abtaster war diese freilich noch nicht geeignet, hier behielt einstweilen der mechanisch-optische Abtaster das Monopol. Deshalb mußte, da der Aufwand beim Sender keine Rolle spielte, die für die Lochscheiben bei den erhöhten Zeilenzahlen erforderliche, ungewöhnlich hohe mechanische Präzision gemeistert werden. Dazu war es erforderlich, an Stelle der Institutsmechaniker, die die ersten Abtaster hergestellt hatten, Fachleute mit Kentnissen der feinsten Methoden optischer Mechanik heranzuziehen.

Emil Mechau konstruiert den Linsenkranzabtaster

Emil Mechau, ein begabter Konstrukteur, ließ Mikroskopobjektive, in eine Stahltrommel eingebettet, im Vakuum rotieren. Sein Abtaster war ein Wunderwerk. Alles, was man seit Jahrhunderten in der Optik und im Laufe von Jahrzehnten in der Kinotechnik gelernt hatte, war genutzt. Ein einziges Gerät enthielt zwei Film- und einen Lichtstrahlabtaster für direkte Personen-bildübertragung. Zwischen allen dreien konnte überblen-
det werden.

Zwei solche „Linsenkranzabtaster" standen später, 1937, auf der Weltausstellung in Paris als die Kernstücke von Fernseh-Gegensprechstationen. Verkehrsminister Julius Dorpmüller und Reichsbankpräsident Hjalmar Schacht eröffneten den deutschen Pavillon, dann sprachen sie miteinander und sahen einander über das Fernsehtelefon so wie die beiden Gestalten aus Robidas 50 Jahre früher geschriebenen Roman vom 20. Jahrhundert.

Rolf Möller, er entstammte einer Familie mit Tradition in der Optik und hatte als Schüler von Hans-Georg Möller in Hamburg eine hervorragende Ausbildung erhalten, wandte sich 1929 dem Fernsehabtaster zu. Gemeinsam mit Georg Schubert, einem weiteren Mitarbeiter und einem Mechaniker bildeten sie am Anfang das technische Team der Fernseh AG.

Die Fernseh GmbH - Europas größtes Unternehmen für Fernseh-Studioanlagen

Wer hätte seinerzeit geahnt, daß aus diesem bescheidenen Beginn bis heute Europas größtes Unternehmen für Fernseh-Studioanlagen mit mehreren tausend Mitarbeitern werden würde. Mit den Mitteln des Goerz-Werkes der Zeiss Ikon AG in Berlin Zehlendorf, das der Fernseh AG Räume zur Verfügung stellte, wurden dort außergewöhnlich präzise Abtaster geschaffen.

Heute erst werden bei der Abtastung von Magnetbildaufzeichnungen ähnliche Genauigkeiten, jetzt aber mit elektronischer Nachsteuerung, erreicht. Und in jüngster Zeit ist, sozusagen als Lebenswerk von Rolf Möller, ein Filmlaufwerk entstanden, bei dem im Abtastfeld der Film pneumatisch so schnell von Bild zu Bild weitergerückt wird, daß man dieses Fortschalten zeitlich vernachlässigen kann. Erst dieses Schnellschaltwerk ermöglicht es, 16mm-Farbfilme mit Braunscher Röhre abzutasten; und mit Hilfe dieser Technik werden die aktuellen Sendungen des Farbfernsehens 1967 eröffnet werden.

Aber wir sind der Zeit zu weit vorausgeeilt.

Der letzte mechanische Abtaster wurde 1938 eingesetzt. Die Möller- und Mechau-Abtaster wanderten ins Museum, das „mechanische Zeitalter" war endgültig vorbei. Angeregt durch Nipkow hatten viele bedeutende Forschungsingenieure des Fernsehens einen großen Teil ihres Lebens der Aufgabe gewidmet, ein Bild immer präziser und feiner mit mechanisch gesteuerten Einrichtungen punktweise zu zerlegen und wieder zusammenzusetzen. Diese Männer sollten erfahren, daß sie zwar Pionierleistungen vollbracht hatten, ihre Arbeitsergebnisse aber von Besserem überholt wurden. Aber der Idealismus, der sie beflügelte, ließ sie nicht resignieren. Sie stellten sich schnell auf die Zielsetzung „elektronisches Fernsehen" um und errangen auch auf diesem neuen Gebiet große Erfolge.

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