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Historisches Wissen aus Heften, Zeitschriften, Magazinen

Artikel, Zitate und Infos stammen aus der Funk-Technik, der Funkschau, den RTMs, Kameramann, der FKT, den Schriften von Philips und Zeiss Ikon und Anderen. Mehr über die verfälschten historischen Informationen ab 1933 über 1945 bis weit in die 1980er Jahre.

aus der FUNK-TECHNIK Nr. 22/1949 (2. Nov. Heft)
Das Editorial

Nr. 22/1949 - 4. JAHRGANG

Neue Sorgen

Handel und Industrie bemühen sich voller Optimismus um ein Gelingen der gegenwärtigen Saison. Die Produktionszahlen steigen und rührige Händler buchen erfreuliche Umsätze. Der überwiegende Teil aller Verkäufe wird gegen Teilzahlung abgeschlossen, wobei der Eingang der Raten als zufrieden­stellend bis gut bezeichnet werden kann. Nach den schweren Krisen des Frühjahres ist damit eine Lage entstanden, die zutreffend mit „nicht unflott" bezeichnet wurde.

So oder ähnlich lautet in aller Kürze der Bericht über die Rundfunkwirtschaft in den Westzonen, während sich für Westberlin als Folge der außergewöhnlich schwierigen Allge­meinlage weniger Günstiges sagen läßt.

Darüber hinaus aber ziehen sich neue und allem Anschein nach gefährliche Gewitterwolken über der Radiowirtschaft zusammen. Wir müssen etwas weiter ausholen, damit die Sache verständlich wird.

Die frühe Idee der EWG oder EU

Bekanntlich ist es eines der vordring­lichen Ziele des Marshallplanes, die europäischen Handels­schranken niederzulegen und die amerikanische Auffassung einer freien Wirtschaft zur Geltung zu bringen. Abbau der Zollschranken, Liberalisierung der Handelsverträge, die Be­mühungen um endliche Schaffung der Benelux, der italienisch-­französischen Zollunion und ähnliche Forderungen steuern auf das große Ziel einer gesamteuropäischen Wirtschaft zu, in der ein Jeder kaufen und verkaufen kann, ohne dabei be­sondere Sorgen mit verschiedenen Währungen usw. zu haben.

Sie werden fragen, was das alles mit der Radio Wirtschaft in Westdeutschland und Westberlin zu tun hat. Bitte dieses: Deutschland hat als erstes Marshallplan-Land mit der Libe­ralisierung seines Außenhandels begonnen. Die Handelsver­träge mit der Schweiz, Holland und Norwegen sind der Be­weis dafür; weitere werden folgen.

Liberalisierung des Außen­handels bedeutet Abbau des starren Quotensystems in den Verträgen und das Einräumen eines großen Spielraumes für die Betätigung von Im- und Exporteur.

Abfuhr für 100.000 Philco-Kleinsuperhets

Mit anderen Worten gesagt: nachdem die 100.000 Philco-Kleinsuperhets nicht eingeführt wurden, atmete man zu früh in manchen Kreisen auf. Die Lage ist gegenwärtig alles andere als günstig. Wird die liberale Handelspolitik in West­deutschland fortgesetzt und verstärkt - und es ist kaum daran zu zweifeln -, so werden durch „Befreiung des Handels gewisse Strukturänderungen in unserer eigenen Wirtschaft" herbeigeführt, wie Frh. von Maltzan vom Bundeswirtschafts­ministerium kürzlich in Hamburg ausführte. Das ist eine vorsichtige Umschreibung der brutalen Tatsache, daß es der westdeutschen Radioindustrie unter Umständen verteufelt schlecht gehen kann.

Der Kernpunkt aller Überlegungen nach Wiedererreichen der Weltmarktqualität ist die Frage nach dem konkurrenzfähi­gen Preis und nach dem Abbau der Handelsschranken durch die anderen! Ausgerechnet als wirtschaftlich schwächstes Land sind wir vorangegangen. Einsichtige Fachleute aus der Industrie haben schon seit Monaten immer wieder auf diese Probleme hingewiesen. Wir erinnern in diesem Zu­sammenhang an die Ausführungen von Dr. F. W. Ewald „Zur Kostenfrage in der Radioindustrie" in Heft 17/1949 der FUNK­TECHNIK. Hier wurde überzeugend dargelegt, wie unmöglich es für die deutsche Radioindustrie ist, sich etwa dem ameri­kanischen Preisniveau anzupassen. Wir können es uns daher ersparen, auf diesen Punkt nochmals einzugehen. Gegen­wärtig liegen die deutschen Preise für Rundfunkempfänger bei etwa 1,2 vom Friedenspreis, während alle anderen Pro­dukte und Dienstleistungen viel teurer sind. Man muß daher eher mit einem leichten Ansteigen rechnen als mit weiteren, zu Buche schlagenden Preissenkungen. Selbst wenn die Röhrenpreise etwas nachgeben sollten, bleibt das Gesamt­ergebnis betrüblich. -

Röhrenpreise?

Vielleicht liegt hier einer der Angelpunkte der zukünftigen Entwicklung - aber anders, als man es sich gemeinhin vorzustellen pfegt. Einmal ist nicht darum herum­zukommen, daß wir Mitte 1945 neben einigen leergefegten Fabrikhallen in Berlin und einer halbfertigen Fabrik für Wehrmachtsröhren in Ulm (... sowie einigen völlig unbedeuten­den Fertigungswerkstätten an anderen Orten) nur eine einzige materiell intakte Röhrenfabrik besaßen, die ihrerseits unter den Schwierigkeiten der Material- und Energieversorgung sowie der Beschaffung von Arbeitskräften fast zusammen­brach.

Die beiden erstgenannten Betriebe wurden auf- bzw. ausgebaut. Heute produziert Telefunken in Berlin 0,2 Mill. Röhren pro Monat (... und in seiner besten Zeit 1 Mill. im gleichen Zeitraum), Ulm 1,6 Millionen pro Jahr; der Rest bis zur gegenwärtigen Jahresfertigung von 7 Millionen wird in Hamburg (Amerkung: bei Valvo) bzw. zu einem ganz geringen Prozentsatz von den übrigen Röhrenherstellern geliefert. Der Aufbau der Werke aber und das Bemühen, wieder Anschluß an die tech­nische Entwicklung in der Welt zu gewinnen, kostet viel, viel Geld. Und das schlägt sich natürlich irgendwie in den Preisen nieder. Soweit also ist alles klar. -

Nun aber bestehen erhebliche Bemühungen, die Röhreneinfuhr in Gang zu setzen bzw. die fließenden Quellen zu erweitern. Einmal sollen her­einkommende Rimlockröhren den Zeitpunkt bis zum Er­reichen der notwendigen Fertigungsziffern in Hamburg über­brücken - und zum anderen Male strömen auf allerlei un­durchsichtigen Wegen, vornehmlich aus Frankreich, große Mengen Röhren nach Deutschland, darunter die bekannten USA-Typen.

Wenn sich diese Einfuhren auf Grund der oben geschilderten handelspolitischen Gegebenheiten weiter er­höhen, so wird das für die Röhrenfabriken zweifellos unerfreulich werden. Allerdings darf man nicht übersehen, daß hinsichtlich der Einfuhr von Röhren auf Grund individueller Umstände zwischen den beiden größten deutschen Erzeugern gewisse Meinungsverschiedenheiten vorhanden sind. Was für die Röhrenindustrie als Schlüsselposition der ge­samten Nachrichten- und Radiotechnik gesagt wurde, gilt im gleichen Maße für die Gerätefertigung.
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Frei-Einfuhren von Auslandsgeräten ?

Frei-Einfuhren von Auslandsgeräten, die im Durchschnitt 20 bis 30 v. H. billiger geliefert werden können (ganz abgesehen von den extrem niedrigen amerikanischen Preisen) würde auch diesen Indu­striezweig mit rund 200 Millionen DM jährlichen Umsatzes zum Erliegen bringen und für 10.000 Menschen den Verlust des Arbeitsplatzes bedeuten. Einfuhren dieser Art ohne die Möglichkeit eines ausgleichenden Exportgeschäftes sind aber - siehe oben - keineswegs ausgeschlossen.

Was wird - und kann - der Fachhandel als Partner der Industrie tun? In ihrer überwiegenden Mehrheit dürften die Männer dieser Sparte die Einsicht aufbringen und somit die volkswirtschaftlichen Konsequenzen eines wahllosen Verkaufs billiger Einfuhrgeräte übersehen. Aber genau so sicher ist auf der anderen Seite, daß in jeder Stadt ein oder mehrere Händler auftreten werden, die sich nicht gebunden fühlen. Dadurch aber wird die Position der übrigen Fächhändler un­haltbar und sie werden mitmachen müssen.

Es erscheint unmöglich, daß dieses soeben in aller Kürze skizzierte Problem Aussicht hat, von der Rundfunkwirtschaft allein gelöst zu werden. Diese Dinge greifen tief in die Kompetenzen der Politik und müssen daher zu gegebener Zeit auf höherer Ebene entschieden werden.

Karl Tetzner

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